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Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren

Begonnen von Cailyn, 30. Mai 2018, 08:53:11

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Cailyn

Die Idee mit einer Beschreibung anstatt einem Namen, funktioniert in meiner Saga kaum, da die Prota (Ich-Erzählerin) als Kapitänin des Schiffes alle mit Namen kennt. Das würde etwas komisch wirken, wenn sie die Männer nicht mit Namen anspricht. Einzig spezifische Berufsbezeichnungen wirken da noch überzeugend. Da geht halt der Tischler mit der Prota mit oder sie ruft dem Koch etwas zu. Aber bei den Maaten, von welchen es sehr viele gibt, funktioniert das nicht mehr. Wenn ich schreibe: "Der Maat mit dem blauen Hemd..." wirkt es, als ob die Prota ihren Namen nicht wüsste.

In manchen Szenen, wenn unwichtige Nebenfiguren auftauchen, schreibe ich dann die Namen hin, weil ich nicht immer allgemein schreiben möchte: "Sie ging mit ein paar Seemännern ..." Das kann man ab und zu machen, aber nicht zu oft, finde ich. Natürlich wähle ich oft wiederkehrende Nebenfiguren, wenn die Prota mit einer Gruppe irgendwas erledigt. Aber ich kann auch nicht immer die gleichen nehmen, denn es ist unrealistisch, wenn die Gute immer nur mit einer Handvoll in Kontakt ist.

Ein Namensregister als Anhang ist zwar eine gute Idee, aber das löst das Problem letztlich nicht, denn die Leser stolpern ja dann immer noch über die Namen, die sie nicht kennen.

@Arcor
Die Saga spielt Anfang 19. Jrh, und auf dem Schiff bewegen sich 84 Seemänner.

Atra

Es ist keine wirkliche Lösung für dein Namensproblem, denke ich, aber du könntest deine Prota die Situation selbst kommentieren lassen, indem sie über die Menge an Menschen mal ein Wort verliert. Vielleicht vergisst sie auch mal den ein oder anderen Namen. Würde bei mir als Leser ein Gefühl von Authentizität erzeugen  :D
"Man muss erst zum Leben aufstehen, bevor man sich niedersetzt zum Schreiben."
(Henry David Thoreau)

Christopher

Musst du denn wirklich so viele verwenden? Wie viele Funktionen auf einem Schiff gibt es, die angesprochen werden müssen? Der Smutje, der Steuermann und sein Vertreter der Nachtschicht, die Schichtführer der Mannschaftsgruppen, der wie-hieß-er-noch-gleich Mann der sich um Organisation Einkauf und co. kümmert... Und ggf. noch 2-3 bekanntere Gesichter unter den Matrosen. Da komme ich kaum auf 10. Und mit denen unterhält sie sich eben primär. Wenn das kleinste Licht auf dem Schiff Mist baut, kann sie ihre Schichtführer darauf hinweisen, dass sie den Mangel abstellen sollen. Wenn DIE dann jemanden mit Namen ansprechen, wirkt das nicht seltsam, aber es sollte klar sein, dass Seemann A dann eben nicht wichtig ist: Die Prota beschäftigt sich ja nicht mal direkt mit ihm.

Schau mal mit wem sie wirklich zu tun haben muss und was du evtl. streichen kannst.


Ansonsten gebe ich einigen meiner Vorredner Recht: Über kurz oder lang filter ich ganz automatisch. Ein Name wird genannt und ich hab kein Gesicht dazu? Unwichtig. Sofort wieder vergessen. Gibst du den Leuten Hintergrund und zwar so viel und so gut, dass ich ein Gesicht dazu bekomme, werte ich ihn als wichtig. Wenn man das Buch aber so liest, dass man sich selbst in Frage stellt wenn man einen Namen hört und seine Hemdfarbe nicht gleich dazu weiß - dann liegt das am Leser, nicht an der Geschichte.
Be brave, dont tryhard.

Cailyn

Christopher
Ich habe natürlich schon versucht, die Namen nicht ständig irgendwo zu erwähnen. Am Anfang waren es auch nur zwei Dutzend Seemänner (auf einem kleineren Schiff), später ist die Mannschaft dann gewachsen. Ich habe erst 3 Namen eingeführt, dann eine Weile (also ein paar Kapitel) keine neuen, und später habe ich wieder hier und da einen neuen erwähnt. Ich habe also schon darauf geachtet, niemanden mit Namen zu erschlagen.  ;)

Atra
Einmal habe ich das tatsächlich so gemacht, dass die Prota einen Namen nicht wusste. Das hat auch gepasst, weil sie da die Besatzung erst neu zusammengestellt hatte. Aber danach war es unpassend, zumal sie mit den Seemännern in illegale Machenschaften verwickelt wurde und auf jeden einzelnen zählen musste.

Vielleicht müsste ich mir mal das Buch "The Terror" besorgen. Da gibt es enorm viele Figuren, zumindest in der Serie. Oder die Leser müssen halt damit klarkommen.  ::)

Ich danke jedenfalls für die Anregungen von euch allen. Es scheint ja auch Leute zu geben, die das gar nicht stört. Mich persönlich stört es auch nicht sonderlich. Man merkt ja meist, ob jemand wirklich wichtig ist. Gerade wenn ein Autor jemand neues erwähnt, aber nicht näher beschreibt, dann merke ich mir den Namen auch gar nicht, weil ich schon vermute, dass die Nebenfigur nicht wichtig ist.
Ich habe mir in Band 3, an dem ich aktuell überarbeite, mal alle Seemänner markiert und werde wohl am Schluss schauen, ob man da den einen oder anderen streichen könnte.

Arcor

Zitat von: Gizmo am 30. Mai 2018, 16:48:46
Es ist ein Luftschiff, von der Größe her am ehesten mit einem älteren U-Boot zu vergleichen. Mehr Leute passen da nicht einmal dann drauf, wenn man sie (noch mehr) stapelt.  ;D

Alles klar, dann passt das ja ganz gut.  ;D

Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 17:55:40
@Arcor
Die Saga spielt Anfang 19. Jrh, und auf dem Schiff bewegen sich 84 Seemänner.
Okay, bei der Größe würde ich annehmen, dass deine Kapitänin nach einiger Zeit alle Leute kennt, besonders wenn sie sich um die Belange der Mannschaft schert und kein Leuteschinder ist. Trotzdem würde ich schätzen, dass du da deutlich weniger Namen als 84 in der Geschichte brauchst, sofern es sich um ein Marineschiff handelt. Denn dort gibt es tendenziell weniger direkte Ansprachen als auf Handelsschiffen, einfach weil die Kommandokette dazwischen liegt. Im Zweifelsfall sagt deine Kapitänin, was gemacht werden soll, dass geben dann die Maate/Leutnants an die Master, Bootsführer etc. weiter. Ich glaube, dass da ein Kapitän dem einzelnen Matrosen direkt Befehle erteilt, ist eher selten oder auch unrealistisch. Dafür gibt es ja die ganzen Zwischenstufen, damit der Kapitän sich nicht um alles kümmern muss, sondern das große Ganze im Blick behalten kann.
Ich glaube, dass du mit den Rängen unter ihr (Maat/Leutnant, Master, Midshipmen schon sehr weit kommst, dazu 4-5 Matrosen, die vielleicht auch Stückführer sind, wenn das Schiff Kanonen hat. Das würde in meinen Augen reichen, um viele Befehle und das tägliche Leben auf dem Schiff abzudecken. Wenn dann ein Unteroffizier hier und da noch einen Namen brüllt, dann sollte der Leser einen guten Eindruck vom Leben an Bord bekommen, ohne dass er dabei mit 40+ Namen erschlagen wird.
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Faye - Finding Paradise

Cailyn

Arcor
Huch, nein, 84 Namen würde ich nie und nimmer verwenden  ;D Beim letzten Band habe ich insgesamt etwa 10 Seemänner erwähnt, 4-5 davon kamen regelmäßig vor.
Ja, die Ränge kenne ich natürlich auch. Aber sind nicht relevant, weil meine Prota ein Handelsschiff hat und kein Militärschiff. Natürlich delegiert sie auch ab, aber das ist nicht so klar geregelt wie z.B. in der Royal Navy.

Arcor

Zitat von: Cailyn am 01. Juni 2018, 06:06:51
Arcor
Huch, nein, 84 Namen würde ich nie und nimmer verwenden  ;D Beim letzten Band habe ich insgesamt etwa 10 Seemänner erwähnt, 4-5 davon kamen regelmäßig vor.
Ja, die Ränge kenne ich natürlich auch. Aber sind nicht relevant, weil meine Prota ein Handelsschiff hat und kein Militärschiff. Natürlich delegiert sie auch ab, aber das ist nicht so klar geregelt wie z.B. in der Royal Navy.
Aso, ja mit 10 Namen sehe ich da echt kein Problem.  ;)
Dann sitzen mein Prota und deine Kapitänin ja im selben Boot. Ich finde es mitunter echt schwierig, passende Infos über Handelsschifffahrt aufzutreiben. Das meiste, was man findet, beschäftigt sich doch entweder mit dem Militär oder erst mit der Dampfschifffahrt.
Was für ein Schiff befehligt deine Kapitänin denn? Ich stutzte gerade bei 84 Männern für ein Handelsschiff, hab aber gerade mal nachgelesen, dass die großen Ostindienfahrer zum Beispiel auch bis 150 Mann an Bord hatten. Scheint eine andere Hausnummer zu sein als meine kleine Brigg.  ;D
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Faye - Finding Paradise

Cailyn

Arcor
Ja, das stimmt, für Handelsschiffe gibt es nicht so viel Infos. Die muss man sich ziemlich mühsam zusammensuchen.
Meine Prota segelte in Buch 2 mit einer Sloop (ähnlich einer Korvette). Da braucht es auch keine große Besatzung. Jetzt, im 3. Buch hat sie ein anderes Schiff, einen Viermaster, die ich als solche gar nicht definiert habe. Aber auf jeden Fall ist es ein größeres Schiff. Die Besatzung von 84 Mann ist eher knapp berechnet ... also eigentlich schon fast geschummelt. Aber ich habe da einen Freund und Segelprofi, der mir dann immer absegnet, was ich bringen kann und was nicht.  ;)
Dass es aber nach Ostindien nur Schiffe mit großen Besatzungen gab, stimmt so nicht. Ich habe mal auf Wikipedia (frag mich bitte nicht mehr, auf welcher Seite) eine Liste gefunden mit allen Schiffen, die um 1800 (meine Zeit) von England nach Indien gesegelt sind. Da gab es so ziemlich alles an Schiffsgrößen und Besatzungen. Natürlich waren die großen Schiffe, z.B. von der East India Company, meist umfangreicher, was natürlich vor allem wirtschaftliche Gründe hatte. Und wenn ein Sturm kommt, ein wirklich heftiger, sind die größeren Kaliber natürlich auch sicherer. Aber man ist damals auch mit Zweimastern und einer Besatzung von nur 30 Mann gesegelt.
Interessant für die Recherche fand ich das Büchlein über die HMS Victory von Horatio Nelson. Klar, ist zwar ein Militärschiff, aber da drin hat es trotzdem sehr viele brauchbare Infos. Z.B. wie viele Vorräte geladen wurden, was für Materialien eingekauft wurden, wie groß die Besatzung war und auch ganz viel über die Regeln (und Bestrafungen) auf dem Schiff. Für Handelsschiffe kann man da viel ableiten. Nur die Hierarchie ist halt ganz anders.
In welcher Zeit (oder angelehnten) Zeit spielen denn deine Romane? Ich mag mich noch an den ersten Erinnern. Da ging es - glaub ich - auch um Piraterie, oder?


Marandris

@Cailyn

In einem Manuskript von mir habe ich ein ähnliches Setting. Es handelt sich um eine Fantasygeschichte mit Luftschiffen. Meine beiden Protagonisten befinden sich für eine Überfahrt auf dem Schiff und lernen daher einige der Seeleute kennen. Den Namen des Kapitäns, Storik Elmo, wird sowieso kaum jemand vergessen können, und bei den anderen habe ich die Beschreibung hinzugefügt: Maro, der Koch, Jem, der Schiffsjunge, Cris, der erste Maat usw.  Ich finde, so etwas prägt sich dann besser ein als der Seemann im blauen Hemd ^^ Man sollte auch nie mehrere Namen zur gleichen Zeit innerhalb weniger Zeilen benennen, das ist dann zu viel.
Und was viele Nebencharaktere betrifft, es hat hier nicht zufällig jemand die Spiel der Götter-Reihe von Steven Erikson gelesen? Ich hab GoT nur als Serie gesehen, daher kann ich nichts zu den Büchern sagen, aber Steven Eriksons Bücher kann man nicht einfach so durchlesen, weil er so viele Handlungsstränge und Charaktere miteinander verwebt, dass man sich am besten ein Notizbuch dazunehmen sollte  ;D

canis lupus niger

#24
Wie notwendig ist es denn wirklich, dass der Leser jeden einzelnen Nebencharakter wieder erkennen kann? Wie notwendig ist es, dass sie ALLE namentlich oder sonstwie unterscheidbar sind?

Kannst Du Dich nicht doch darauf beschränken, nur die notwendigen Namen zu verwenden und den Rest der Mannschaft mit pauschalen Begriffen zu umschreiben? "Die Deckwache", einige "Matrosen, die XY im Dunklen nicht erkannte", "zwei Männer aus dem Maschinenraum", etc.
Das können ja durchaus wiederkehrende Personen sein, nur dass der Leser nicht unbedingt wissen muss, dass sie schon mal aufgetreten sind. Sie bleiben im wahrsten Sinne des Wortes namen- und gesichtslos. Na gut, man kann auch einem Namenlosen ein Gesicht geben: "Eines der langjährigen Mannschaftsmitglieder, ein wettergegerbter alter Seebär mit langen grauen Haaren ..."  Ob man dann "namens xy" dazuschreibt, kann man sich dann überlegen. Ist es erforderlich?

cryphos

Wenn ich es richtig recherchiert hatte, sprach man sich zur See oft nicht mit dem Namen sondern mit der Funktion an. Gerade wenn man seine Tätigkeit ausübte wurde die Funktion genutzt und nicht der Name. Der Rudergänger war nicht immer der gleiche Mann, aber wenn man was vom Mann am Ruder wollte rief man eben "Rudergänger, 2 Strich Backbord". Wenn du das konsequent durchexerzierst, benötigst du im Buch nur für jene Matrosen einen Namen, mit welchem man privat verkehrt. Wobei auch hier die Funktion über den Namen stand, insofern man damit den Angesprochenen identifizieren konnte. Frau Müller ist nuneinmal die Kapitänin und wird von der Mannschaft egal wann mit Käptn angequatscht und der Schiffsjunge wird wohl so lange der Junge bleiben, bis er einen anderen Posten einnimmt.