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Sehr viele (unwichtige) Nebenfiguren

Begonnen von Cailyn, 30. Mai 2018, 08:53:11

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Cailyn

Hallo Allerseits!

Ich habe bei meiner Saga ein Problem mit meinen Nebenfiguren. Die Saga dreht sich u.a. um die Schifffahrt, und meine Protas befinden sich häufig auf Schiffen. Folgedessen gibt es auch eine Besatzung.
Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.

Natürlich habe ich schon ein paar rausgesucht, die viel häufiger vorkommen als andere. Aber ich finde es auch unrealistisch, wenn ich immer nur 3-4 Namen erwähne und alle anderen einfach weglasse. Darum kommen halt hier und da auch ganz unwichtige Namen vor. Sonst würde ja der Eindruck entstehen, die Mannschaft bestünde nur aus einer Handvoll Seemänner.

Wie löst ihr so ein Problem, wenn viele unwichtige Randfiguren vorkommen und der Eindruck entstehen soll, dass da nicht nur ein paar Wenige ihre Arbeit verrichten (oder was auch immer), sondern ganz viele, OHNE dass der Leser damit überfordert ist? Habt ihr eine Idee?

Araluen

Hmm schwierige Frage aber interessante Frage. Ich hatte das Problem in der Form jetzt noch nicht, würde abr vermutlich mit Umschreibungen statt konkreten Namen arbeiten, je nachdem wie deine Protas die anderen wahrnehmen: Hakennase, Einbein, der Tätowierte... sowas. Dann kannst du auf dem Schiff noch mit den Rängen arbeiten, ohne den Leuten Namen zu geben.

zDatze

Wenn es wirklich unwichtige Nebenfiguren sind, dann würde ich die meisten gar nicht mit Namen versehen. Namen lenken Aufmerksamkeit auf die Figur und du hast ja schon berichtet, was passieren kann: man erwartet mehr Präsenz/Relevanz von ihnen.

Der beste Ansatz wäre für mich, den Lesern das Gefühl zu vermitteln, dass es viele Leute auf dem Schiff gibt. Das kannst du einerseits über den/die Perspektivträgerin und deren Gedankenwelt machen, z.B. indem sie sich von so wenig Platz gestresst fühlt oder nach einem Platz zum Alleinesein sucht. Oder sich auch einfach fragt, wie man bitte so etwas dauerhaft aushalten kann.
Oder eben auch direkt zeigen z.B. indem die unwichtigen Figuren in eine Tätigkeit verstrickt sind, die deine Figur beobachten kann. Auf deinem Schiff könnten sie sich nach getaner Arbeit in einer größeren Runde zum Würfel- oder Kartenspielen hinsetzen. Oder ein ständiges Kommen und Gehen in der Messe. Oder in kurz: zeig, dass sie durchaus Menschen sind, die fernab von ihrer Arbeit auch noch ein Leben haben.

Andereseits könntest du den Spieß aber auch umdrehen und den unwichtigen Figuren auch ein kleines Plätzchen einräumen. Falls das in deinen Plot passt. ;)

Arcor

Es hängt in meinen Augen auch vom Perspektivträger ab. Einer von meinen ist Kapitän. Der redet seine Mannschaft ständig mit Namen an, wenn er Befehle erteilt etc., einfach weil es unlogisch ist, dass er sie nicht verwendet. Da muss in meinen Augen der Leser dann durch, selbst wenn die Mannschaft in den Geschichten eher eine untergeordnete Rolle einnimmt.
Kommt dagegen mein anderer Perspektivträger aufs Schiff, der nichts mit der Mannschaft am Hut hat, verwende ich die Namen sehr viel sparsamer, weil er halt keinen Bezug zu den einzelnen Matrosen hat.

Im Übrigen glaube ich, dass der Leser durchaus in der Lage ist, über eine gewisse Zahl an Namen einfach drüberzulesen. Wenn sie immer wieder auftauchen, wird er sie schon von selber als wichtig einstufen. In den marinehistorischen Romanen von C.S. Forrester und Patrick O'Brian gibt es alle Nase lang neue Matrosen, Seekadetten, Master und Mastergehilfen, Offiziere etc. Ein paar tauchen durch viele oder alle Bände hindurch auf und zu denen baut man dann als Leser automatisch eine Beziehung auf. Die anderen nimmt man so hin, wie sie sind. Wobei da natürlich die Ränge auch eine Rolle spielen und helfen, wie Araluen ja schon vorgeschlagen hat. Dabei muss man nur bedenken, dass es richtig viele Ränge primär auf Marineschiffen gab. In der Handelsschifffahrt gab es da bedeutend weniger, meist unter dem Kapitän nur 2 oder 3 und der Rest waren einfache Matrosen.
Not every story is meant to be told.
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Faye - Finding Paradise

Dämmerungshexe

Ich stelle mal die Vermutung in den Raum, dass es auch auf die Art des Lesens ankommt. Ich selber "scanne" Texte eher, wenn ich nicht gerade auf der Suche nach spezifischen Informationen bin. Namen sind für mich oftmals komplett abstrakt - ich erkenne die Form des Wortes und kann sie zuordnen. Wenn man mich nach bestimmten Person fragt, weiß ich oft nicht sofort, um wen es geht und könnte den Namen wahrscheinlich nicht einmal aussprechen, aber ich glaube für reine Statisten ist das durchaus legitim. Bei Hauptcharakteren, bei denen genügend Infos geliefert wurden und deren Namen auch oft genug genannt wird, entwickelt sich irgendwann eine "echte Person" in meinem Kopf. Der Rest bleibt aber eher Hintergrundrauschen.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Churke

Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11
Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.

Ich habe da einen Verdacht: Möglicherweise sind dein Problem nicht die Namen der Figuren, sondern, dass du ihnen kein Gesicht gibst. Du haust - reine Vermutung meinerseites  ;) - dem Leser bloß Namen an den Kopf, mit denen er nichts verbindet, und das strengt den Leser an. Beispiel: Seemann A und Seemann B rackern an einer Winde. Da ist halt Seemann A ein stiernackiger, über beide Arme tätowierter Riese und Seemann B ein blässliches Bürschlein, das seinen Mangel an Kraft mit einem Übermaß an Kraftausdrücken kompensiert. Da wird kaum noch jemand die Namen A und B anstrengend finden.

Sturmbluth

Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.
Früher habe ich genauso gedacht. Aber seitdem ich "Das Lied von Eis und Feuer" lese, finde ich es sogar gut, dass jede Nebenfigur einen Namen bekommt. Es macht das Setting einfach lebendig.

Simara

Ich glaube, dass es da grundsätzlich auch um die individuellen Vorlieben der Leser*Innen geht. Ich persönlich bin jemand, der auch gerne die Namen der Statisten kennt, einfach um ein besseres Gefühl für die Welt zu bekommen. Auf der anderen Seite kann ich jedoch sehr gut verstehen, wenn andere Leute genau diese Liebe fürs Detail als ablenkend empfinden. Beim Schreiben versuche ich daher immer einen Mittelweg zu finden, heißt konkret: Wer nur wenige Male vorkommt und keinen bleibenden Eindruck bei den Hauptfiguren hinterlässt braucht keinen Namen, sondern kann dann auch einfach nur "der Wirt" oder "der Steuerman" heißen. Bei Figurengruppen, wie etwa auch auf Schiffen, versuche ich immer mindestens ein oder zwei gut ausgearbeitete Nebenfiguren zu haben und die restlichen dann meist eher als "Hintergrundmusik" zu benutzen. Wenn man sehr viel Spaß an Detail hat (so wie ich) kann man ja auch unbenannte Figuren unterschwellig charakterisieren. Eine unbenannte Wache, die bei der Wachablösung auf dem Boden vor der Zelle sitzt und mit dem Gefangenen Karten spielt macht immerhin einen ganz anderen Eindruck als eine, die auf dem Weg nach draußen vor lauter Müdigkeit beinahe über einen Wassereimer stolpert.  :hmmm:
Mir fällt zu dem Thema übrigens gerade 20.000 Meilen unter dem Meer. Da ist die Crew eine anonyme Gruppe und wird auch nicht namentlich benannt, da sie einfach nicht wichtig für die Geschichte sind, die Verne erzählen möchte. Nun ist meine Meinung zu dem Roman im Allgemeinen nicht unbedingt die positivste, aber er ist zumindest ein ganz gutes Beispiel dafür, dass man mit Namen auch minimalistisch umgehen kann. Am Ende muss wohl jeder selber wissen, wie wichtig einem die Nebenfiguren sind und ob man sich zutraut, den Leser trotz schmückendem Beiwerk bei Laune zu halten. Generell würde ich mir aber immer die Frage stellen: Wenn ich eine Figur als unwichtig empfinde, brauche ich sie dann überhaupt oder sollte ich sie entweder wichtiger machen oder streichen?

Arcor

Zitat von: HSB am 30. Mai 2018, 11:26:42
Zitat von: Cailyn am 30. Mai 2018, 08:53:11Im zweiten Band fanden es einige Leser und Buchblogger etwas anstrengend, weil so viele Namen vorkommen, die eigentlich gar nicht wichtig sind - also eben vor allem von den Seemännern, die hier und da etwas tun oder sagen, auch wenn sie sonst keine wichtige Rolle in der Geschichte einnehmen.
Früher habe ich genauso gedacht. Aber seitdem ich "Das Lied von Eis und Feuer" lese, finde ich es sogar gut, dass jede Nebenfigur einen Namen bekommt. Es macht das Setting einfach lebendig.
Stimmt, allerdings war GRRMs Reihe irgendwann an dem Punkt, wo ich über Namen einfach drübergelesen habe, weil es mir bei der Masse einfach wurscht war, wie Ser XYZ aus demunddem Königreich wieder heißt, der sowieso kaum eine Rolle spielt.
Ich würde aber auch sagen, dass GRRM da absolut an der Obergrenze kratzt, was Namen von Figuren angeht. So viele dürften ja nur die wenigsten Autoren einbauen.
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Gizmo

Zitat von: Arcor am 30. Mai 2018, 09:44:15
Es hängt in meinen Augen auch vom Perspektivträger ab.

Da stimme ich absolut zu. Ein Mannschaftsmitglied z.B. kennt die Namen seiner Kameraden. Ist dein Perspektivträger ein Passagier, kann er zu Anfang gar nicht alle Namen kennen. Wahrscheinlich kann er sich auch nur die Namen der Leute merken, mit denen er häufiger zu tun hat. Das wäre dann die 'repräsentativen' Nebenfiguren, die detaillierter ausgearbeitet sind.
Ansonsten kommt es auch auf den Leser an, wie u.a. Simara schrieb. Als ich das erste Mal Game of Thrones gelesen habe, hatte ich Probleme mit der Masse an Namen. Irgendwann konnte ich für mich aussortieren, welche Charaktere wichtig genug waren, dass ich sie mir merken musste. Mittlerweile schätze ich es, dass es diese vielen Namen gibt, denn es lässt den Perspektivträger für mich als reale Person erscheinen. Er oder sie kennt diese Leute und kommentiert ihre Taten. Es wäre merkwürdig, wenn dabei nicht deren Namen genannt würden.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt, da ich im Moment ein ähnliches Setting habe. Ein Charakter ist Kapitänin eines Kriegsschiffes mit ungefähr 60 Besatzungsmitgliedern. Das ist viel zu viel, weshalb ich mich auf die wichtigsten Nebenfiguren beschränkt habe. Mir wurde allerdings gesagt, dass diese Besatzung nicht ausgearbeitet genug sei.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Arcor

Zitat von: Gizmo am 30. Mai 2018, 13:11:24
Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich das Thema weiter entwickelt, da ich im Moment ein ähnliches Setting habe. Ein Charakter ist Kapitänin eines Kriegsschiffes mit ungefähr 60 Besatzungsmitgliedern. Das ist viel zu viel, weshalb ich mich auf die wichtigsten Nebenfiguren beschränkt habe. Mir wurde allerdings gesagt, dass diese Besatzung nicht ausgearbeitet genug sei.

OT, ich weiß, aber mein erster Gedanke war: Das ist viel zu wenig.  ;D Ich denke da aber auch direkt an Segelschiffe und weiß jetzt nicht, in welchem Setting/welcher Epoche du dich bewegst oder wie deine Schiffe aussehen.
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Dämmerungshexe

Ich gehe mal vom Beispiel StarTrek aus - die Voyager hat ca. 150 Besatzungsmitglieder, eine echte Rolle spielen aber nur ca. 10 davon. Die haben eine Hintergrundgeschichte und echte Persönlichkeiten, die sich auch weiterentwickeln. (Dazu kommen ab und zu noch Antagonisten, die über einige Zeit die Handlung begleiten und ebenfalls näher charakterisiert werden.) Andere Besatzungsmitglieder sind im Normalfall nur Komparsen, ihre Figuren haben - bis auf wenige Ausnahmen - keine Namen und man erfährt auch sonst nichts über sie.
Der Aufnahmemechanismus ist bei einer TV-Serie natürlich nochmal etwas anderes als bei einem Roman. Aber allgemein gilt, dass der Rezipient sich eben nicht unendlich viele Details merken kann - sowohl Namen als auch Charaktermerkmale und Hintergrundinfos. Insoweit finde ich es sinnvoll, wenn man sich als Autor tatsächlich auf einen kleinen Kreis wirklich handelnder und relevanter Figuren beschränkt und den Rest vor allem "Hintergrund" sein lässt - Aussehen, besondere Merkmale und Eigenschaften sind (meiner Meinung nach) in dieser Hinsicht also wichtiger als Namen, um Atmosphäre zu erzeugen.
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Zauberfrau

#12
Hm, ich habe mir auch schon sehr viele Gedanken um meine Statisten gemacht. Im Anhang habe ich daher Namenslisten mit kleinen Beschreibungen (meist der Beruf) angelegt, teilweise auch mit ihren Verwandschaftsverhältnissen (Sohn von ... , Tocher von ..., Lebenspartner von ...), jeweils nach Ortschaften getrennt.

Meine Testleser haben mir jedenfalls schon viel positives Feedback über diese Listen gegeben.  :vibes:

Dämmerungshexe

Hab gerade bei mir nochmal durchgezählt: Königskinder hat 10 Hauptfiguren und 40+ Nebenfiguren, die einen Namen haben. Die meisten davon haben nur kurze Auftritte, aber meistens bemühe ich mich, sie "wieder zu verwerten", ihnen also mehrere Aufgaben zukommen zu lassen.
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Gizmo

#14
Zitat von: Dämmerungshexe am 30. Mai 2018, 13:35:14
Ich gehe mal vom Beispiel StarTrek aus - die Voyager hat ca. 150 Besatzungsmitglieder, eine echte Rolle spielen aber nur ca. 10 davon.

Ich glaube, das funktioniert u.a. deshalb so gut, weil es die Zuschauer von Star Trek bereits gewöhnt sind, dass es an Bord eigentlich nur Hauptcharaktere und Statisten gibt. Auch deshalb wusste man in der Originalserie sofort, dass jedes Besatzungsmitglied, das plötzlich auf eine Außenmission mitkommt und nicht zum Hauptcast gehört, so gut wie tot ist ("Er ist tot, Jim." TM).
Zudem hat man es im Film natürlich viel einfacher, den Hintergrund mit Statisten zu füllen. Sie sind da, laufen herum und sehen allgemein beschäftigt aus. Die Kamera bleibt auf den handelnden Charakter fokussiert, und allein dies sagt dem Zuschauer, dass der Rest nur Staffage ist. Ich finde es schwierig, das im richtigen Maße in einen Text einzuflechten, ohne den Eindruck zu erwecken, alles sei entweder zu wichtig oder papierdünne Kulisse.

Zitat von: Arcor am 30. Mai 2018, 13:32:24
OT, ich weiß, aber mein erster Gedanke war: Das ist viel zu wenig.

Es ist ein Luftschiff, von der Größe her am ehesten mit einem älteren U-Boot zu vergleichen. Mehr Leute passen da nicht einmal dann drauf, wenn man sie (noch mehr) stapelt.  ;D
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
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