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Qualitätsanspruch in der Fantasy/Phantastik

Begonnen von Trippelschritt, 23. Oktober 2017, 14:21:13

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Silvia

#45
Zu dem Thema ist mir gerade auch ein Artikel untergekommen: "IST DER MARKT FÜR ANSPRUCHSVOLLE PHANTASTIK IM ARSCH?"

https://translateordie.wordpress.com/2018/11/08/ist-der-markt-fuer-anspruchsvolle-phantastik-im-arsch

Maja

Ich habe mal den unnötigen Hash aus der URL genommen, so ist sie besser lesbar.


Ich muss sagen, dieser Artikel verletzt mich gerade. Jemand schaut sich die aktuellen Vorschauen der deutschen Fantasy-Verlage an und kommt zu dem Schluss "alles Schrott, kein Anspruch" - und das allein aus der Vorschau herzuleiten, finde ich vermessen. Es verletzt mich vor allem deswegen, weil eines der Bücher in diesen Vorschauen von mir ist. Und ich halte es für durchaus anspruchsvoll. Steht das so in der Vorschau - "anspruchsvoll"? Nein, natürlich nicht. So blöd ist kein Verlag. Wenn man das dranschreibt, kann man das Buch vergriffen melden, bevor es auch nur erschienen ist. Aber ebensowenig steht dran "seichte, leichte Kost".

Mein Buch ist ein Buch, das schlichtweg noch kein Schwein kennt. Außer dem Verlag, meinen Agenten, den Vertretern, und natürlich tapferen Betalesern aus dem Tizi. Die Vorschau zu sehen und dann zu sagen "anspruchsvolle Fantasy in Deutschland ist tot" - nicht "bis auf wenige Ausnahmen tot" oder "wir wissen es von vielen Büchern einfach noch nicht, weil wir sie noch nicht gelesen haben", sondern pauschal "tot", das tut mir weh. Das empfinde ich als ein ungerechtfertigtes Vorab-Urteil. Das heißt nicht, dass jeder mein Buch toll finden muss, oder auch nur meine Vorstellung von Anspruch teilen. Aber es einfach in den Raum zu stellen, nur auf Basis der Vorschau, das kann ich so nicht unterschreiben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Slenderella

Warum verletzt dich das? Das ist doch nur irgendein Hansel, der seine eigenen Präferenzen hat und meint, sein Geschmack ist allgemeingültig. Dabei ist das schlicht subjektiv und er/sie hat das zum Glück nicht allein zu entscheiden.
Ich brauch noch eine Katze
Und ein Beil wär nicht verkehrt
Denn ich gehe heute abend
Auf ein Splatter-Pop-Konzert

Zit

#48
Im Artikel selbst steht doch etwas anderes, was wir uns auch immer wieder mal gegenseitig sagen: Es gibt viel Schrott, aber nicht alle Bücher sind so. Dass viele Genre immer noch gut gehen oder sich Jungverlage mit ambitionierten Anfangsprogramm dann umentscheiden und doch Romance machen oder Romantasy – wissen wir doch auch alles. Im Blogbeitrag steht genau das drin, was wir alle längst wissen. Da musst du dich nicht angegriffen fühlen. Zumal:

Ich hab mir mal das "Die Schwerter von Dara: Seidenkrieger" angesehen, abgesehen von dem völlig generischen Titel, ist auch das Cover nicht so pralle – ja, es ist das englische Cover – aber gerade das sieht wie ein Cover jeder anderen, europäischen High Fantasy aus. Da hat man, meiner Meinung nach, es verpasst, das "fremdartige" Setting zu betonen. :omn: Also, das könnte ein Grund sein. Aber natürlich hab ich keine Zauberkugel, um zu sagen, ob ein andres Cover besser gepasst hätte. Was ich sagen will: Dass sich neuartige/ andersartige Titel nicht verkaufen kann auch daran liegen, dass sie eben als solches nicht beworben werden und damit im Bulk der "laschen" Fantasy untergehen. Was dann auch zu dem Schluss führen kann, dass in Verlagsvorschauen überwiegend Einheitsbrei angekündigt wird.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Amber

#49
Ich finde den Artikel, obwohl ich den Impuls dahinter nachvollziehen kann, sehr vereinfachend und übertrieben negativ. Zudem habe ich die Erfahrung gemacht, dass sehr viele Bücher besser - damit meine ich auch: individueller - sind als ihre Cover. Ich würde nicht allzu viel auf die Meinung dieses einzelnen Bloggers geben.

Ryadne hier aus dem Zirkel hat sich auf ihrem Blog übrigens auch dazu geäußert und ist zu einem anderen Schluss gekommen: https://fragmentansichten.com/2018/12/02/novemberansichten-2018/ (zweiter Absatz)

Ryadne

Danke, @Amber.

Ich sehe es in der Tat anders als Markus von oben genanntem Post, finde seinen Beitrag aber wichtig. Klar, wir Autoren rümpfen da die Nase und sagen, dass wir doch alle tolle, anspruchsvolle Phantastik veröffentlichen. Na, alle vielleicht nicht, aber ich finde meine eigenen Romane auch nicht flach oder oberflächlich, und es frustriert mich schon, wie viele Bücher durch diese Sichtweise scheinbar ignoriert werden. Aber wir müssen uns halt auch vor Augen halten, in einer gut informierten Autoren-Blase zu leben. Ich finde Markus' Beitrag sehr spannend, weil er die Sicht von jemandem zeigt, der sich einerseits in der Phantastikszene gut auskennt, andererseits aber als Übersetzer einen anderen Blick auf sie hat. (Er betrachtet ja hauptsächlich übersetzte Romane.) Das bietet einen guten Ausgangspunkt für Diskussionen; genau dazu wurde der (mit Sicherheit bewusst polemisch formulierte) Beitrag auch bereits rege auf Twitter genutzt und allein dafür finde ich ihn schon wertvoll.

Übrigens hat Markus seine Sicht hier selbst relativiert:
https://translateordie.wordpress.com/2018/11/12/aktuell-auf-deutsch-erscheinende-anspruchsvolle-originelle-oder-herausfordernde-phantastik/

Aphelion

#51
Zitat von: Maja am 09. Januar 2019, 20:38:01
Jemand schaut sich die aktuellen Vorschauen der deutschen Fantasy-Verlage an und kommt zu dem Schluss "alles Schrott, kein Anspruch" - und das allein aus der Vorschau herzuleiten, finde ich vermessen.
In dem Artikel steht, dass ein Gespräch über Verlagsvorschauen der Ausgangspunkt für die Überlegungen war. Die Überlegungen selbst basieren ganz offensichtlich nicht nur auf den Vorschauen.

Dem Artikel kann man zustimmen oder nicht, aber da schreibt schon jemand, der sich in der Phantastikszene sehr gut auskennt und auch der Frage nachgeht, warum sie so aussieht, wie sie aussieht.

Ary

#52
Eigentlich wollte ich hier gar nicht rumsenfen, weil ich inzwischen fast nur noch als SPler unterwegs bin und meinen ganzen Marketingbrei selbst koche, aber:

Was ich aus dem Artikel für mich extrahiere ist, dass es einmal sehr verschiedene Definitionen von anspruchsvoller Phantastik gibt (der Artikel setzt in meinen Augen in hohem Maß Anspruch mit Originalität und "Neuheit" gleich, nicht in erster Linie (aber natürlich auch) mit inhaltlichem oder sprachlichem Anspruch). Und, dass originelle, neuartige Fantasy oft und gerade, wenn sie aus einer anderen Sprache übersetzt wurde, die Leserschaft nicht erreicht. Die Gründe dafür finde ich spannend und sehe sie in Phänomenen, unter denen hier ja auch schon einige zu leiden hatten: unpassendes Cover, kein Mitspracherecht bei der Cover-und Titelwahl, kein oder kaum Marketing, mangelner Einsatz des Verlags für das Buch, zu wenig Werbung, Autor*innen fühlen sich allein gelassen und sollen plötzlich den ganzen Marketing-und Werbezirkus alleine stemmen.
Seit ich hauptsächlich als Selfpublisherin veröffentliche, weiß ich, wie viel Zeit das frisst, dass es aufwändig und manchmal auch kostspielig sein kann.

Aber wenn alle unken, es gäbe ja keine anspruchsvolle Phantastik mehr - warum fassen sich dann nicht auch mal die großen Verlage, die es sich doch eigentlich erlauben können sollten, an ihre Nasen und machen für die innovativen, originiellen, themen-und sprachlich anspruchsvollen Werke vernünftige Werbung, die auch Leser*innen erreicht? Ich habe das Gefühl, dass da der Hund gemeinsam mit dem Hasen im Pfeffer begraben liegt.

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Amber

#53
@Ryadne: Ah, seinen neueren Post dazu kannte ich noch nicht, danke. Das ist doch mal ein konstruktiverer Ansatz.

@Aphelion: Ich will ihm nicht absprechen, dass er sich auskennt, aber viele von uns kennen sich ebenso gut aus, und manches ist auch Geschmackssache. Ich z.B. finde es toll, dass es heute - den Eindruck habe ich jedenfalls - in der Phantastik deutlich mehr Autorinnen gibt als früher (wie diese vermarktet werden, steht auf einem anderen Blatt) und muss bei manchem hochgelobten Klassiker gähnen.

Amber

#54
Zitat von: Aryana am 11. Januar 2019, 13:25:48
Aber wenn alle unken, es gäbe ja keine anspruchsvolle Phantastik mehr - warum fassen sich dann nicht auch mal die großen Verlage, die es sich doch eigentlich erlauben können sollten, an ihre Nasen und machen für die innovativen, originiellen, themen-und sprachlich anspruchsvollen Werke vernünftige Werbung, die auch Leser*innen erreicht? Ich habe das Gefühl, dass da der Hund gemeinsam mit dem Hasen im Pfeffer begraben liegt.

Weil den Personen, die in den Vertriebs- und Marketingabteilungen größerer Verlage das Sagen haben, der Zustand der deutschsprachigen Phantastik meistens relativ wurst ist, zumindest, solange sie mit anderen Genres leichter Geld verdienen können.

Ary

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

FeeamPC

Die Leute, die da herumunken, kriegen zwangsläufig von der ganzen Bandbreite der Kleinverlage und Selfpublisher nur einen Bruchteil mit. Da liegen genügend Perlen - und da werden sie leider auch mangels Sichtbarkeit liegenbleiben. Für jemanden wie einen Übersetzer sind die Kleinstverlage nicht relevant, weil die eh nie eine Übersetzung bezahlen könnten. Und zudem genügend deutsche Autoren haben, die teils verdammt gut sind. Aber eben völlig unter dem Radar der breiten Lesermasse. Also wird er die nur in Ausnahmefällen überhaupt zur Kenntnis nehmen.
Und was den rest angeht- wir alle wissen aus unserem Alltag, dass Kritik in Deutschland gerne und Häufig gegeben wird  und nicht immer sehr sachlich), dass aber Lob eher in die Kategorie selten fällt. Leider trifft das auch für Bücher zu. Man muss sichnur selbst beobachten. Ein Buch, das ich schlecht fand? Das kriegen meine Bekannten zu hören, wie sehr ich davon abrate. Ein Buch, das man gut lesen konnte? Komischerweise muss das schon verdammt gut sein, damit ich genauso häufig darüber positiv rede, wie über die anderen schlecht.
Und nein, ich meine damit keine Rezensionen, sondern die fast noch wichtigere Mundpropaganda.