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Romance mit einer starken, unabhängigen Frau?

Begonnen von chaosqueen, 02. Oktober 2017, 22:37:39

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HauntingWitch

Erstens mal: Danke für den Thread, chaosqueen, er hilft mir auch gerade ungemein (einfach bei einem anderen Problem).  :)

ZitatIst die Lösung, der starken Frau einen ebenso starken Mann an die Seite zu stellen, der kein Problem mit aktiv flirtenden Frauen hat und es am Ende auch noch voll knorke findet, mit ihr um die Welt zu segeln? Oder ist das dann total kitschig, an den Haaren herbeigezogen etc.?

Jaa! Genau das möchte ich lesen. Ich finde sowieso, dass es zu wenige Romane oder auch Filme dieser Art gibt und zu viele "Mäuschen trifft Hengst"-Geschichten. Ich schliesse mich dem allgemeinen Tenor an: Warum nicht? Was spricht dagegen, etwas mit zwei selbstbewussten, unabhängigen Charakteren, die einen gemeinsamen Weg finden, zu schreiben? Ich kenne einige solche Paare und die sind alle sehr glücklich, das funktioniert gut. Ich glaube sogar, das ist der Optimalfall und funktioniert langfristig auch besser, als "Mäuschen und Hengst", aber ich schweife ab. Mein Punkt ist, ich finde, das sollte eher der Standard in Romanen sein und nicht die Ausnahme.  ;D

Und da liegt eines der Probleme mit der Sache begraben, denke ich. Der Markt ist so zugemüllt von diesem "Mäuschen und Hengst"-Scheiss, dass wir das Gefühl haben, dass ausschliesslich das dem Genre Romance entspricht. Wie du ja selbst sagst, es ist, als wäre es sonst keine Romance. Dabei ist das Quatsch, es gibt sie tatsächlich, die gute Romance mit den selbstbestimmten Figuren, bei denen keiner sein ganzes Leben für den anderen über den Haufen wirft. Siehe z.B. die Bücher von @Alana. ;D Mir ist in letzter Zeit klar geworden, dass es wie zwei Arten von Romance gibt, nämlich einmal dieses klischeebeladene Zeug mit den fragwürdigen Botschaften und die Bücher, die eben das beinhalten, was du anstrebst. Für mich ist das "echte" Romantik und ich versuche, meine aktuellen und zukünftigen Geschichten auch so zu gestalten. Beispiele habe ich jetzt gerade leider keine zur Hand, ich sehe es aber auch in Filmen und in Sideplots - warum sollte es also nicht auch mal die Haupthandlung sein? Ich jubele dann immer, eben weil es immer noch eine gefühlte Mehrheit von "Mäuschen und Hengst"-Geschichten gibt.

Da fällt mir auch noch ein, dass auch eine "Mäuschen und Hengst"-Geschichte nicht zwangsläufig auf ein Unterdrückungs- oder Abhängigkeitsszenario hinauslaufen muss. Der Film "Ein ganzes halbes Jahr" ist ein gutes Beispiel dafür finde ich (ja, ich habe auch das Buch gelesen und mir gefällt der Film besser).
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Toll finde ich dort übrigens auch (wie auch bei unserer @Alana), dass die Love Story nicht das einzige zentrale Thema ist, aber ich glaube, da schweife ich wieder ab. Du sagtest ja, du willst, dass die Love Story das zentrale Thema ist.

Ansonsten: Was Leann sagt. Das versuche ich zurzeit auch und ich glaube, das ist ein sehr guter Ansatz. Versuchen, nicht in "aber Männer sind so und so" und "Frauen sind doch so und so" (wer bestimmt denn das überhaupt?) zu denken, sondern eben in Individuen. Männer müssen nicht immer stark sein und Frauen brauchen nicht immer verzweifelt eine Schulter zum Anlehnen, es kommt eben auf die Person an. Aber jede Person soll stark oder schwach sein dürfen, sich selber retten oder gerettet werden dürfen. Egal, ob Mann oder Frau.

ZitatIch versuche eigentlich immer, das genauso zu machen, auch, wenn es mir wahrscheinlich nicht immer gelingt, weil man doch mehr in diesen Rollenschemata festhängt, als man denken möchte und ich mir manchmal auch ganz bewusst ein schönes Herzschmerztrope gönne.

@Alana: Sorry, dass ich dich hier dauernd als Beispiel nenne, aber ich finde, das kannst du sehr gut. ;D Was du sagst, dass man sehr stark in diesen Rollenbildern gefangen ist, kann ich für mich bestätigen. Ich bin z.B. mit sehr klischeehaften Rollenbildern aufgewachsen, aber das war mir nie bewusst, bis vor ein bis zwei Jahren. Meine Figuren geraten manchmal zu weich oder zu unterwürfig, ohne dass ich das will. Ich will sie ja stark und unabhängig machen, aber diese jahrelang anerlernten Schemata (ein sehr passendes Wort) drängen sich immer wieder in den Vordergrund. (Was übrigens der Grund ist, warum mir der Thread so hilft. Ich möchte das auch, aber ich weiss nicht, wie ich eine selbstbewusste, ausgeglichene Beziehung am besten darstellen soll.)

chaosqueen

Zitat von: Witch am 03. Oktober 2017, 13:11:20
Du sagtest ja, du willst, dass die Love Story das zentrale Thema ist.

Ich sollte das Schreiben aufgeben, wenn ich mich schon nicht drumherum richtig ausdrücken kann. ;D Was ich sagen wollte: Ich will Romance schreiben, nicht "beliebiges Genre einfügen" mit einer Liebesgeschichte. So würde ich halt Sprottes Heroen einsortieren. Die Liebesgeschichte ist zentral genug, dass der Roman nicht ohne sie funktioniert, aber es geht eigentlich um etwas anderes.
Ich hätte halt gerne ganz klar den Fokus auf "zwei Menschen finden zueinander", aber die sollen nicht nur, die müssen noch ein eigenes Thema haben, und sei es eben "nur", dass sie herausfinden müssen, wie sie ihre beiden unabhängigen Leben so koordnieren, dass sie als Paar funktionieren, ohne dass einer sich oder seine Selbständigkeit aufgeben muss.
"Ein ganzes halbes Jahr" ist toll! Ich hab sowohl das Buch gelesen als auch den Film gesehen (glaube ich, ggf. fand der auch nur sehr lebendig in meinem Kopf statt ...). Wäre das Ende ein anderes, hätte das Buch in meinen Augen nicht funktioniert. Letztlich kann sie nur mit diesem Ende stark sein. Womit sich mir die Frage stellt, ob so ein Ende im Genre Romance eigentlich "erlaubt" ist? Das geht ja ein bisschen in die Richtung "und dann segelte sie glücklich und allein in den Sonnenuntergang". :hmmm:

Trippelschritt

Ich bin ja wirklich kein Fachmann für Romance, aber immerhin kenne ich mit Pride and Prejudice von Jane Austen ein gutes Buch. Aber grundsätzlich sehe ich außer dem ständigen Kampf gegen das Klischee keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Wenn zwei starke Menschen aufeinandertreffen und beide ihre Stärken und Schwächen haben, dann gibt es  Konflikte, denn sie müssen lernen, mit den Schwächen des anderen umzugehen. Und das ist wie im wirklichen Leben, wo die Inkompatibilität zweier Menschen meist daher kommt, dass sie unterschiedliche Ziele oder unterschiedliche Wege, ihre Ziele zu erreichen, haben. Und wenn sie aufeinander zugehen, dann müssen sie sich dabei verändern.

Ich würde vielleicht mal eine Geschichte versuchen von einem Paar, das jung verheiratet ist und nun erst merkt, was das bedeutet. Auf jeden Fall bin ich damit aus dem Klischee raus, das mit Atemlosigkeit beginnt, dann dumme Missverständnisse auftürmt, und dann mit dem ersten Kuss oder der Verlobung endet.

Aber wie schon gesagt, nicht mein Genre, aber wenn ein Buch gut geschrieben ist, lese ich es gern. Nur schreiben kann ich es nicht. Und mir haben sowohl Szenen einer Ehe von Bergmann gefallen wie auch Pretty Woman. Und das ist schon ein Spagat.

Liebe Grüße
Trippelschritt

canis lupus niger

#18
Eine Romanreihe, die ich als Teenager gerade wegen der starken Hauptprotagonistin sehr geliebt habe, war in den 80er Jahren "Modesty Blaise", eine Art weiblicher James Bond. DieReihe bietet hinsichtlich Unabhängigkeit und Selbstbestimmung (trotz ausgeprägter Weiblichkeit!) alles, was man sich nur wünschen kann.

In meinem aktuellen Projekt thematisiere auch ich eine Frau (die Schwester des Prota), die bei leidenschaftlich ausgelebter Weiblichkeit selbstbestimmt und freiheitsliebend ist. Dass das in einem pseudomittelalterlichen Umfeld (mit allen entsprechenden religiös begründeten Tabus) funktioniert, versuche ich dadurch zu ermöglichen, dass die Frau aus einem anderen Kulturkreis stammt und nur zu Besuch ist. Die Unterschiede der gesellschaftlichen Gepflogenheiten unter anderem in diesem Bereich erzeugen ziemlich intensive Konflikte. Ein bisschen Romance ist auch vorhanden, ohne das wäre Sascha auch nicht sie selber, aber unter den gegebenen Umständen steht die Romantik zwangsläufig sehr im Hintergrund.
Der Umgang mit "verbotenen" Handlungsweisen ist eines der Grundthemen in der Geschichte, und ich bin gespannt, wie ich das hinkriege. Die wunderbare @Dämmerungshexe hat als Plothelferin meine ursprünglichen Planungen völlig neu aufgewirbelt und mich vieles neu überdenken lassen. Bis dahin fehlten mir, wie ich jetzt weiß, die erforderliche Prämisse und der rote Faden.  ;D

HauntingWitch

Zitat von: chaosqueen am 03. Oktober 2017, 13:54:15
Ich hätte halt gerne ganz klar den Fokus auf "zwei Menschen finden zueinander", aber die sollen nicht nur, die müssen noch ein eigenes Thema haben, und sei es eben "nur", dass sie herausfinden müssen, wie sie ihre beiden unabhängigen Leben so koordnieren, dass sie als Paar funktionieren, ohne dass einer sich oder seine Selbständigkeit aufgeben muss.

Ich glaube, dann meinen wir doch das Gleiche (und reden aneinander vorbei). ;D Um bei dem Beispiel von "Ein ganzes halbes Jahr" zu bleiben, da liegt der Hauptfokus ja auch auf der Liebesgeschichte bzw. die Geschichte funktioniert ohne die Romance nicht. Aber es ist eben nicht nur ihre Liebesgeschichte, sondern auch die Geschichte von ihm und seiner Entscheidung und davon, wie es jemandem mit seiner Situation gehen kann. Und sie hat ja auch ihre eigenen Lernaufgaben mit sich selbst. Das finde ich toll, es ist dann nicht so platt.

Zitat von: chaosqueen am 03. Oktober 2017, 13:54:15
Wäre das Ende ein anderes, hätte das Buch in meinen Augen nicht funktioniert. Letztlich kann sie nur mit diesem Ende stark sein. Womit sich mir die Frage stellt, ob so ein Ende im Genre Romance eigentlich "erlaubt" ist?  :hmmm:

Das möchte ich nicht denken, denn das wäre wieder so: Die Frau ist nur wegen dem Mann, was sie ist, und das ist für mich auch ein Abhängigkeitsszenario. Ich denke, ihre Entwicklung hätte trotzdem stattfinden können, da sie ja vor diesem Ereignis am Ende schon beginnt. Aber sie wäre vielleicht langsamer verlaufen oder so. Es wäre dann einfach eine andere Geschichte. Aber vielleicht geht das zu weit vom Thema weg, ich habe nicht mehr den Überblick, wo es anfängt und wo es aufhört. Es erscheint mir alles sehr komplex.

Hm, ob es "erlaubt" ist? Ich denke, erlaubt ist alles. Die Frage wäre für mich eher, ob es funktioniert? Aber siehe Jojo Moyes, das Buch ist ein internationaler Bestseller und die Hauptrolle im Film spielt eine der beliebtesten Schauspielerinnen zurzeit... Wenn man da mal nicht sagen kann, dass es funktioniert hat, dann weiss ich auch nicht. ;) Ein Romance-Buch ist es ja, so weit ich das sehe, oder? (Korrigiert mich, wenn das Quatsch ist). Also, was spricht dagegen, weitere Romane mit solchen Enden auf den Markt zu bringen?  ;D


FeeamPC

Eine Romanze bricht für mich dann aus dem Klischee aus, wenn die Basis nicht mehr Anschmachten ist, sondern gegenseitige Achtung und Schätzung.

Carolina

Das Klischee vom starken Mann und dem widerspenstigen, und dann willigen Weibchen ist schon sehr "beliebt". Ist eben das Aschenputtel-Prinzip. Trotzdem stellt sich die Frage (und das habt ihr schon diskutiert), was der tolle Mann mit dem hässlichen Entlein denn will.

Am Wichtigsten finde ich, dass die Charaktere auf der Reise etwas lernen. Das kann natürlich sein, dass das hässliche Entlein lernt, dass es schön und begehrenswert ist, aber es gibt auch andere Möglichkeiten.

In einer meiner Reihen habe ich eine starke Frau als Hauptprotagonistin genommen, die aber zu verbissen im Job war. Sie stand völlig in der Pflicht. Von ihm lernte sie, auch mal fünf gerade sein zu lassen, das Leben zu genießen und sich auf die Unsicherheit und Unplanbarkeit einer Beziehung einzulassen.
Im Laufe der drei Bände versöhnte sie sich mit einer beruflichen Pleite aus der Vergangenheit, die ihr immer noch nachhing. Und sie wagte den Schritt in eine langfristige Beziehung inklusive Kind.
Es war trotzdem keine Entwicklung zurück zum Hausweibchen, denn sie hat ihre Firma weitergeführt und mehr Verantwortung an ihre Mitarbeiter übertragen. Trotzdem wurde sie auf dem Weg etwas weicher. Und er wiederum lernte, Verantwortung zu tragen und sich zu entscheiden, statt sich aus allen Konflikten herauszuhalten.

Ich würde gerne mal ein richtiges Rampenschwein darstellen, oder eine übertrieben starke Frau, aber ich habe Angst, dass ich mich da nicht richtig hineinfühlen kann.
In "Throne of Glass" von Sarah Maas fand ich den Ansatz klasse, dass sie sogar eine Auftragsmörderin genommen hat, nur leider entwickelte die Prota sich in atemberaubender Geschwindigkeit zu einer normalen Frau. Das hat mich im Laufe des Buches echt enttäuscht.

Welche Rolle man immer wählt, man sollte sie auf jeden Fall durchziehen und sich eine Entwicklung für den Charakter überlegen.


HauntingWitch

Mir ist noch etwas eingefallen, der Film "Die Schadenfreundinnen". @chaosqueen, vielleicht kennst du den? Das ist so seichte Comedy, aber ich finde den ehrlich lustig und die Geschichte ist im Grunde auch ganz gut. Es ist sozusagen eine Umkehr der Mäuschen-verliebt-sich-in-Hengst-Story. Es gibt nun aber nicht eine Protagonistin, sondern zwei und die eine ist zu Beginn eine super erfolgreiche, unabhängige, selbstbewusste Frau und - geht leider nicht ohne Spoiler -
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
Dort finde ich das recht gut gelöst, trotz allem Kitsch, der auch vorkommt.  ;D

chaosqueen

Was mir gestern Nacht so durch den Kopf schoss (wenn man nicht schlafen kann, ne?): Ich habe keine Ahnung von Motivationen und Wegen, diese zu erreichen.

Ich weiß nicht, ob ich das sinnvoll erklären kann, aber ich bin jemand, der sehr genau analysiert, aber wenig deutet. Ich kann ganz gut sagen, warum etwas nicht so funktioniert, wie es sich jemand vorstellt, wenn ich die Gesamtsituation betrachte. Aber das, was das Schreiben ausmacht, eine dreidimensionale Figur zu erschaffen, die in sich konsistent ist, geht mir ziemlich ab. Ich beobachte halt mehr, als dass ich werte, weshalb mir auch ein Banker, der plötzlich alles hinwirft, um Tauchlehrer zu werden, einfach nur ein "okay" entlockt. Ich nehme die Dinge hin, weil ich einfach davon ausgehe, dass die Menschen schon wissen, was sie da tun.

Das führt im Umkehrschluss aber dazu, dass meine Figuren irgendwie immer alles machen, was mir gerade in den Sinn kommt, weil ich gar nicht auf die Idee komme, dass das nicht zu ihr passt.

Hm, das trifft es noch immer nicht so richtig. Wenn ich konkret von mir ausgehe: Ich kann grundsätzlich besser benennen, was für mich absolut nicht geht als das, was geht - weil ich nur durch das Erreichen von Grenzen erkenne "okay, da geht es nicht weiter". Ich weiß daher ziemlich genau, was ich beruflich alles nicht machen will, aber nicht konkret, was ich machen will. Das Gleiche in Bezug auf Beziehungen: Ich weiß inzwischen, das ich wohl ziemlich heterosexuell bin und sehr anpassungsfähig. Ich weiß, dass ich nicht mit einem Mann zusammen sein kann, der mir intellektuell deutlich unterlegen ist, keinen Humor hat und sich als Zentrum des Universums sieht, aber bei ganz vielen Dingen kommt von mir ein "kommt darauf an" - und das tut es. Egal, ob optisch oder charakterlich, letztlich muss es irgendwie passen, irgendwas muss mich reizen.

Wenn ich jetzt versuche, Figuren zu entwerfen, dann bekommen die irgendwie automatisch auch immer das "alles geht, nichts muss, schauen wir mal"-Label. Das ist aber für jede Geschichte tödlich, weil einfach kaum Reibungspunkte entstehen. Er will ins Kino? Cool, sie geht mit. Szene zuende. ;D

Sie will die Welt umsegeln? Klar wartet er auf sie  (überspitzt ausgedrückt).

Ich fürchte, ich bin eine tolle Analytikerin, aber absolut keine Entwicklerin - und das muss man halt sein als Autor. :hmmm:

KaPunkt

1. Du brauchst einen Würfel.

2. Mach Skizzen, bevor du das Historienwerk in Öl angeht.

Übersetzt:
Das mit dem Würfel meine ich ernst.
Fang mit einer Figur an, mit einer Eigenschaft, die dir wichtig ist. Und alles andere überlässt du dem Zufall, also dem Würfel. Mannlich oder weiblich?
Groß oder klein?
Wie steht er/sie zu ihrer Größe? Toll? Peinlich?
Angst vor neuen Dingen?
Angst vor Routine?

Na, du verstehst schon.

Dann hast du diesen vielleicht etwas unbequemen, zusammengewürfelten Charakter, und vielleicht noch einen zweiten, und machst ein paar Skizzen mit Ihnen. Für solche Fingerübungen gibt es unzählige Vorlagen im weiten Netz.

Ich vermute, ein bisschen unschuldiger Spaß / Wahnsinn mit ungewohnten Charakteren könnte dir in verschiedenen Punkten weiterhelfen.

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Zit

Was mir beim Lesen von Take off your Pants! von Libbie Hawker klar geworden ist: Die Motivationen von Figuren speisen sich aus sehr wenigen Dingen, und alle Entscheidungen, die diese Figuren während der Geschichte treffen müssen, müssen an diesen Dingen gemessen werden.

Für das Kino-Beispiel: Wenn die Charakterschwäche von Betty darin besteht, ihre eigene Meinung nicht durchbringen zu können, dann wird sie Alex wohl bald nachgeben. Alex hingegen ist vielleicht etwas blind für Bettys Bedürfnisse oder kann ihre Gesten nicht deuten/ sehen und überrdet sie aus Überzegung, dass es gut für beide ist. Auf dem Weg zum Kino kann Betty sich ja dann im Stillen ärgern. Wenn dann noch ein paar mehr solcher Sachen passieren (das Hauptziel der beiden kann man wohl mit "glückliche Beziehung" definieren), dann platzt Betty vermutlich irgendwann und sagt schlimme Dinge zu Alex (das wäre ein unglücklicher Versuch, ihre Charakterschwäche zu überwinden) – oder sie sagt genau im falschen Moment "Nein" zu ihm (Schatz, ich muss das Wochenende mit XY verreisen, um zu arbeiten. – Jetzt lässt du mich das sechste Wochenende in Folge schon wieder allein.), was dann dazu führt, dass beide meinetwegen in Schulden geraten und das Auto verlieren oder so.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Alana

#26
Aber du schreibst doch selbst, dass es bei dir in möglichen Beziehungen viele Reibungspunkte gibt, nur eben andere als bei anderen Leuten. Also trifft das sicher auch auf deine Figuren zu. Das ist doch gut, dräng doch deine Geschichten nicht in den Rahmen, den andere haben. :) Ich würde mir einfach eine Liste mit möglichen Reibungspunkten machen, also genau überlegen, wo könnten deine Figuren aufgrund ihrer Einstellung, Ziele und Wünsche anecken und wo liegt der größtmögliche Konflikt zwischen den beiden, und dann schauen, in welcher Reihenfolge sie sich steigern lassen. So mache ich das auch. Dann bist du beim Schreiben vorbereitet.

Ich habe übrigens einen Mann, der alles mitmacht und sich freut, dass ich mich immer drum kümmere, was wir machen. Das ist toll und hat viele Vorteile, kann aber auch manchmal nervig sein, weil man gelegentlich das Gefühl bekommt, dem anderen ist eigentlich alles egal und er wäre vollkommen antriebslos, wenn man nicht existieren würde. So ist es natürlich nicht und unser Fall ist natürlich auch nicht genug Reibung für einen Roman (Gottseidank ;D) , aber sowas kann man ja auch überspitzen und einen ordentlichen Konflikt draus machen.
Alhambrana

Trippelschritt

Zitat von: chaosqueen am 05. Oktober 2017, 17:18:43

Ich weiß daher ziemlich genau, was ich beruflich alles nicht machen will, aber nicht konkret, was ich machen will. Das Gleiche in Bezug auf Beziehungen:
Ich fürchte, ich bin eine tolle Analytikerin, aber absolut keine Entwicklerin - und das muss man halt sein als Autor. :hmmm:

Das sind aber zwei wirklich happige Schwierigkeiten. Zu Deiner zweiten Bemerkung kann ich mich kurz fassen: Was hilft eine Analyse, wenn man sie nicht für eine neue Synthese verwendet. Eine Analyse um der Analyse willen ist ziemlich wertlos, wenn man sie nicht nutzt oder sie in ein Team einbringt, in dem jemand ist, der den zweiten Schritt beherrscht. Die löung ist: Einfach machen, auch wenn es am Anfang Mist ist. In kleinen Dingen des Alltags kannst Du es ja, denn würdest du es nicht können, würdest Du überall scheitern.

Das mit den Zielen ist schwieriger, denn der Umgang mit Zielen ist eine Sache für sich. Darüber gibt es Literatur. Ich habe leider alles weggeworfen, aber ich habe auch mal Seminare darüber gegeben. Das erste, was man überhaupt wissen muss, ist, dass es ganz unterschiedliche Arten von Zielen gibt.

Zum Beispiel gibt ein Ja- und Nein-Ziele. Du liebst Nein-Ziele. Sie haben den Vorteil, dass man leicht Bündnispartner findet. Merkel muss weg. Initiative gegen Regen etc. Das Problem ist, dass nemand weiß, was man machen soll, wenn das Ziel erreicht ist.

Dann gibt es Weltziele (allgemeine Ziele) und spezifische Ziele. Welt-, Allgemin-, übergeordnete Ziele sind immer Mehrfachziele. Mehrfachziele bestehen aus Einzelzielen, die sich gegenseitig widersprechen können, wenn man versucht, sie zu erreichen. Gerne mehr, wenn das jemanden interessiert.

Mit Nein-Zielen kommt man nicht weiter. Wenn man die Kiste mit den Ja-Zielen nicht automatisch einigermaßen richtig macht, dann gibt es jede Menge Probleme. Also hilft nur, sich dait zu beschäftigen. Vor allem dann, wenn man ein Kopfmensch ist. Und das könnte bei Dir zutreffen. Am Intellekt liegt es ganz bestimmt nicht bei Dir. Du bist eine intelligente Frau.
Wenn man sich damit beschäftigt könnte es s.o. schwierig werden. ABER: Irgendwo im Kleinen muss es ja funktionieren, sonst kommt man keinen Schritt weiter. Also auch hier: Nachdenken, ausprobieren und üben. Und was die Schriftstellerei angeht. Da muss man unbedingt Menschen beobachten und herausfinden, wie sie ticken. Denn wir alle werden von unseren Zielen oder dem, was wir dafür halten, gesteuert. Die Starken noch viel mehr als die Schwachen, die sich vieles einreden lassen.

Trippelschritt


Leann

#28
ZitatWenn ich jetzt versuche, Figuren zu entwerfen, dann bekommen die irgendwie automatisch auch immer das "alles geht, nichts muss, schauen wir mal"-Label.
Daraus können ja interessante Konflikte entstehen, wenn sie auf Figuren treffen, die das so richtig nervt.  ;)

Kann es sein, dass du bei der Figurenentwicklung einfach zu sehr von dir ausgehst? Natürlich kann man eigene Erfahrungen einfließen lassen, macht man ja automatisch, aber deine Romanfiguren müssen nicht sein wie du (außer du schreibst eine Autobiographie). Entwirf doch zur Übung mal eine Figur, die absolut das Gegenteil von dir ist und schreib eine Geschichte mit ihr. Das kannst du gut so machen, wie KaPunkt vorgeschlagen hat. Vor allem brauchst du in einem Roman mehrere unterschiedliche Figuren, die sollten möglichst nicht alle gleich ticken. Für die ersten Übungen können die Figuren auch ruhig überzeichnet sein. Viel Spaß macht auch gerade, zwie völlig unterschiedliche Figuren aufeinandertreffen zu lassen, z.B. Chaotin trifft Erbsenzähler.

HauntingWitch

ZitatIch beobachte halt mehr, als dass ich werte

Aber genau das ist doch die Aufgabe eines Autors! Ich finde, das ist die Meisterdisziplin. Charaktere oder ein Thema zu beschreiben und den Kern ihres Wesens hervorzubringen, ohne sie oder die Situation selbst zu bewerten. Einfach nur analysieren und wiedergeben. Das soll nicht heissen, dass man als Autor kein Statement abgeben darf, aber ich finde, das sollte eben eine Option des Autors sein und nicht ein Muss. Das zu erreichen ist aber sehr schwierig, denke ich.

Dann, was Leann sagt. Ich ertappe mich auch immer wieder bei dem Fehler, zu stark von mir selbst auszugehen. Dabei gibt es noch so viele andere Einstellungen und Betrachtungsweisen.

Was mir immer hilft, wenn ich nicht weiter komme, ist Typenkunde. Es gibt ja für alle möglichen Verhaltensweisen, Eigenschaften und Situationen im Zusammenhang mit Menschen eine Typ-Zuordnung. Natürlich ist das nie vollständig, denn man kann einen Menschen nicht darauf reduzieren, da er komplexer ist als das, aber ich benutze sie gerne als Anhaltspunkte.
Kennst du z.B. die 5 Grundmotivationen nach Werner Correll? Hier sogar schreibbezogen aufgeführt: http://www.schreibmeer.com/2017/03/die-5-grundmotivationen-was-treibt.html  ;D Das finde ich eine grosse Hilfe oder auch allgemein Charakterkunde-, Physiognomik-, etc.-Bücher. (Wie gesagt, man darf sich nur nicht zu sehr darauf festbeissen und die Charaktere darauf reduzieren.)