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Kleidung der Charaktere

Begonnen von TheMadZocker, 12. September 2017, 20:42:26

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Soly

Ich würde auch denken, das wesentliche Kriterium, wieviel von der Kleidung ich beschreibe(n sollte), ist die Situation.
Habe ich gerade eine lange Beschreibung irgendeines neuen Ortes mit neuen Charakteren, dann stimme ich zu, dass Kleidungsstile stark zur Atmosphäre beitragen und in gewisser Weise sogar sein müssen, um ein möglichst genaues Bild zu erzeugen.
Meistens hat man ja aber sowohl als fiktive Figur als auch im Real-Life irgendetwas im Kopf, wo man hinwill, was man tun muss, was hinter einem liegt. Dann fallen mir persönlich Bekleidungen auch nur dann auf, wenn sie wirklich ausgefallen sind. Ansonsten gehören sie zur visuellen Reundanz, und das geht Charakteren wahrscheinlich ähnlich, denn sie haben ja meistens ein Ziel, dem sie und der Plot folgen - da fällt man als Leser doch eher aus dem Fluss raus, wenn die Erzählung sich plötzlich um Klamotten dreht.

Ich empfinde Beschreibungen von Kleidung immer als Nebensache, die nur dann Platz in der Erzählung beanspruchen sollte, wenn der POV auch wirklich gerade die Zeit und Stimmung hat, über Kleidung nachzudenken oder wenn sie als Symbol wichtig für Setting und/oder PLot ist.
Veränderungen stehen vor der Tür. Lassen Sie sie zu.

Aphelion

Zitat von: cryphos am 13. September 2017, 10:14:06
Gleichzeitig gibt es aber keinen Charakter der permanent, die gleiche Kleidung trägt. Ich stöhne nämlich innerlich stets, wenn in einem Buch der Held immer die gleiche Kleidung, den gleichen Trenchcoat, das gleiche Hemd und den gleichen Hut trägt. Kleidung ist wandelbar in Form, Farbe, Schnitt, Passform, etc und jeder Mensch zieht sich um, wenn er kann.
Die Betonung liegt für mich auf "wenn er kann", was wiederum viel über den Status, das Vermögen oder die Umstände aussagt. :)

Ich nutze Kleidung gern, um indirekt zu charakterisieren, @Tinnue. Nicht nur bei High Fantasy, sondern generell. Meistens ist die Kleidungsbeschreibung in die Szene eingebettet, d.h. ich habe keinen Beschreibungsblock im Text, sondern die Kleidung wird mit der Handlung verwoben.

In Contemporary und Urban Fantasy (u.ä.) sagt die Kleidung oft etwas über das Individuum aus, weil die Kleidungswahl eher persönlich ist.

In High Fantasy und Science Fiction kommt es auf die Welt an: Gibt es soziale Normen, die sehr spezifische Kleidung vorschreiben? Kann sich jemand nur ein Outfit leisten? Legt die Gesellschaft überhaupt keinen Wert auf Kleidung oder sind die Menschen überwiegend nackt? Wie viel Entscheidungsspielraum hat das Individuum? ... Je nachdem, wie die Bedingungen sind, kann die Kleidung auch in High Fantasy und Science Fiction eine Person charakterisieren oder "nur" ihre soziale Gruppe (als Teil des Weltenbaus). Ich finde aber schon, dass beides geht. Wenn die Kleidung gar nichts aussagen würde, würde ich die Beschreibung nicht schreiben oder später rauskürzen.

Außerdem kann eine Figur auf ihre eigene typische Weise auf Kleidung reagieren. Ein Klassiker ist die feien Dame, die Korsetts hasst, obwohl sie wegen ihres Standes eines tragen soll.

Mir fällt dazu auch ein Beispiel von Terry Pratchett ein: In "Helle Barden" haben zwei Wächter, der "böse" Schrulle und der "gute" Karotte, einen polierten Brustharnisch. Aber Schrulle will damit angeben und Karotte ist einfach nur gewissenhaft. Daraus entstehen unterschiedliche Beschreibungen und Charakterisierungen, obwohl es äußerlich eigentlich keinen Unterschied gibt.

cryphos

Zitat von: Aphelion am 13. September 2017, 14:35:26
Zitat von: cryphos am 13. September 2017, 10:14:06
Gleichzeitig gibt es aber keinen Charakter der permanent, die gleiche Kleidung trägt. Ich stöhne nämlich innerlich stets, wenn in einem Buch der Held immer die gleiche Kleidung, den gleichen Trenchcoat, das gleiche Hemd und den gleichen Hut trägt. Kleidung ist wandelbar in Form, Farbe, Schnitt, Passform, etc und jeder Mensch zieht sich um, wenn er kann.
Die Betonung liegt für mich auf "wenn er kann", was wiederum viel über den Status, das Vermögen oder die Umstände aussagt. :)
Du hast mich verstanden.   ;D

Kleidung kann man auch gut nutzen um die Charakterentwicklung zu umschreiben. Auch hier wieder ein Beispiel aus Rad der Zeit, Rand al'Thor. Er reift vom Knaben zum Mann, vom unerfahrenen Bauernjungen zum Beherrscher der Welt. Jordan nutzt eine Beschreibung der Kleider um zu zeigen, wie sich rand ins eine Rolle fügt. Die Kleidung wird immer stattlicher und auch individueller. Irgendwann sagt allein die Kleidung, ich bin der Boss. Kleidung gekonnt zu beschreiben ist hier ein Stilmittel um etwas indirekt auszudrücken, in diesem Fall die Reifung von Kind zum Herrscher.
Umgekehrt sieht man in dieser Reihe auch den Verfall einer Person vom stolzen Heerführer königlicher Abstammung zum heruntergekommenen "Straßenritter" mir "Raubrittern" ans einer Seite, indem Rüstung und Kleidung während des Feldzugs immer mehr verschleißen, während bei anderen Heeren, der Standard bleibt oder gar steigt.

Kleidung ist nicht das Non Plus Ultra in einem Roman, es ist nur ein Mittel zum Zweck um eine Botschaft zu transportieren und wenn man es falsch macht, ist es ein Stimmungskiller.

Rakso

#18
Im Großen und Ganzen stimme ich dem zu, was hier bereits ausdiskutiert wurde. Kleidung trägt zur Stimmung einer Welt, einer Geschichte bei und als Detail finde ich sie sehr wichtig. Selbst dann wenn man dem Leser nur einen verhältnismäßig kleinen Teil von dem präsentieren kann, was man sich ausgedacht hat. Auch den kulturellen und sozialen Aspekt finde ich wichtig und spannend. Wie kleiden sich diverse ethnische, soziale, religiöse Gruppen? Gibt es innerhalb dieser Gruppen unterschiede, wenn ja sind sie eher finanzieller oder hierarchischer Natur? Wie wirken sich gesellschaftliche Tabus auf die Kleidung aus, bzw. gibt es in gewissen Kreisen die Tendenz diese zu brechen, usw.

Wie cryphos ja schon bereits gesagt hat, kann man die Beschreibung von Kleidung auch nutzen um die Entwicklung einer Figur zu zeigen. Was er aber nur andeutend beschrieben hat, kann man auch mit einfließen lassen. Nämlich den Zustand der Kleidung. Ist sie neu, gepflegt, abgewetzt, verblasst, zerrissen. Auch das kann einiges über die Figur aussagen, bzw. über finanzielle Kapazitäten, sozialen Status oder Gesellschaftssysteme. Natürlich wiederum abhängig vom erzählerischen Kontext, in dem man das einbettet.

Interessant finde ich dann auch, die Machart der Kleidung zu berücksichtigen. Ist sie selbstgemacht,  maßgeschneidert oder von der Stange. Sind Verarbeitung und Stoffe von schlechter Qualität und versucht die Figur sich trotz kleinen Geldbeutels für Außenstehende einem höheren/prestigeträchtigeren Status zugehörig zeigen. Oder versucht die Figur mit Reichtum zu protzen und zeigt das, unter anderem, auch an der Extravaganz der Garderobe. Oder ist es der Figur nicht wichtig, was sie trägt, Hauptsache die Kleidung ist praktikabel oder/und entspricht den klimatischen Gegebenheiten.

AlpakaAlex

Ich beschreibe die Kleidung nur eingeschränkt - aus dem einfachen Grund, dass ich immer nur Personalerzähler verwende und die Charaktere meistens nicht darauf achten. Meistens gebe ich eine Übersicht dazu, was so der Stil eines etwaigen Charakters ist (bspw. dass meine Protagonistin in Schleier der Welt ihre Kapuzenpullis in zwanzig Variationen liebt) und das war's. Danach gehe ich nur noch drauf ein, wenn die Kleidung irgendwie bewusst verändert wird. Ausnahme sind Charaktere, die sich immer wieder auffällig kleiden. Es gibt zwei Magierinnen, die 90% der Zeit gekleidet sind, als wären sie auf den Weg zu einem Ball oder zumidnest einer formellen Veranstaltung. Diese fallen natürlich entsprechend auf, so dass ich bei ihnen häufiger die Kleidung beschreibe. Nun, und bei Mosaik wird Kleidung eventuell dann interessant, wenn es darum geht, Waffen in effektiv dieser zu verstecken.  ::)

Allerdings sei natürlich auch gesagt: Ich schreibe durchweg Urban Fantasy, dass heißt die meisten meiner Charaktere sind in Jeans unterwegs und dem etwaigen Oberteil der Wahl. Weil ... Nun, so sieht es in der heutigen Welt halt nun einmal aus.

Selbst bin ich auch häufiger genervt, wenn eine Geschichte zu viel Zeit und Wörter auf Kleidung verschwendet, sofern es keine eigene Kleidungsart in einer anderen Welt ist, bei dem eine Erklärung wichtig wäre. Ich kenne allerdings leider diverse Romane, in denen besonders Kleider über eine Seite beschrieben werden können - ohne, dass dieses Kleid und die intrinsische Stickerei eine größere Rolle spielt. Da werde ich dann schnell genervt.