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Eure Arbeitsschritte

Begonnen von TheMadZocker, 06. September 2017, 15:55:32

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Soly

Nachdem nun so viele hier sich zu Wort gemeldet haben, gebe ich auch mal meinen Senf dazu.

Für mich hat sich das Bauchschreiben auch nicht wirklich bewährt, weil ich am Ende  immer vor haufenweise Handlungssträngen stand und selbst keinen Überblick mehr hatte.
Wie genau ich eine Geschichte tatsächlich plane, hängt davon ab, wie viel ich nebenbei zu tun habe. Gibt es relativ viel freie Zeit, in der ich mich voll auf das Schreiben einlassen kann, dann überlege ich mir Anfangs- und Endpunkt und lasse den Rest von selbst passieren, wäre schreibe. Wenn ich aber genau weiß, dass es hunderte anderer Dinge gibt, die ich im Kopf habe und die erledigt werden wollen, dann fange ich gar nicht est an zu schreiben, sondern plotte sehr kleinschrittig; ich schreibe die komplette Handlung auktorial auf, dann noch einmal aus Sicht jedes einzelnen wichtigen Charakters, dann noch mindestens einmal auktorial. Für mich funktionieren beide Arten der Planung, je nachdem, wie viel Stress ich gerade habe.
Was Figurenentwicklung angeht, bin ich tendenziell eher bei Churke - die pasiert von alleine, während die Handlung fortschreitet.

Letztlich liegt es aber wirklich am Autor selbst, wie viel er vor dem, während des oder nach dem Schreiben(s) plant und plottet.
Veränderungen stehen vor der Tür. Lassen Sie sie zu.

HauntingWitch

Ich bin immer wieder erstaunt, wie strukturiert ihr alle arbeitet. Bei mir ist das alles ganz anders, intuitiver irgendwie. Ideen "fliegen mir zu". Das klingt total doof und ist so auch nicht direkt wahr, denn Ideen haben und fassen kann man trainieren und daran liegt es wohl eher. Aber das nur am Rande.

Meine Arbeitsweise verändert sich gerade. Bisher lief das bei mir so:

1) Szenensammlung. Die Szenensammlung besteht aus allen möglichen Szenen, die mir zu einer Idee in den Sinn kommen. Also, wenn z.B. die Idee ist: "Paar aus erster Liebe trifft sich nach 10 Jahren wieder. Happy End oder nicht?" So. Das gibt mir automatisch zwei Protagonisten/Protagonistinnen, in meinem konkreten Fall ein Mann und eine Frau. Wer sind die, was machen sie, woher kommen sie, warum begegnen sie sich nach so langer Zeit wieder? Das gibt mir die ersten Szenen, wie z.B. die Wiedersehensszene, Szenen zur Ausgangslage/aktuellen Beziehungen für die beiden einzeln, Szenen aus der Vergangenheit (z.B. die Trennung oder das erste Kennenlernen) usw. Das alles schreibe ich auf, ungeordnet und wie es gerade kommt, aber mit Überschriften, damit ich später auch alles wieder finde.

2) Plot/Konzept. Irgendwann habe ich so viele von diesen Szenen, dass ich allmählich so etwas wie Plot herausbildet. Ein Konzept. Das notiere ich mir dann grob, eine ultrakurze Zusammenfassung sozusagen. Ohne Ende, weil ich das Ende nicht aufschreiben darf, sonst vergeht mir die Lust. Ich muss aber im Kopf das Ende wissen, denn schliesslich muss ich ja wissen, wohin es gehen soll.

3) 7-Punkte-System-Check. Ich prüfe das Konzept auf die 7 Punkte und halte fest, wo in der Handlung sich diese befinden. Das mache ich, weil ich festgestellt habe, dass alle meine Geschichten 7-Punkte-Plots haben und das ein gutes Mittel ist um zu prüfen, ob die Romanstruktur stimmt. (Wir haben einen Thread zu dem System, hier im Workshop, wer sich damit tiefer befassen möchte).

Bisher habe ich dann den Rohentwurf heruntergeschrieben, dass für ein Buch gehalten, Logik und Verständlichkeit überarbeitet, Sprache und Grammatik überarbeitet, fertig. Das werde ich in Zukunft anders machen und zwar ungefähr so (ich probiere noch ein bisschen aus, es wird sich vielleicht auch wieder ändern):

4) Charakter-Check. Habe ich alles, und ich meine wirklich alles, was ich mir zu ihrer Biographie ausgemalt habe in einem Charakterdokument aufgeschrieben? Herkunft, Familienverhältnisse, soziales/kulturelles Umfeld, finanzielle Verhältnisse, Lebenseinstellung, Wertvorstellungen usw. usw. Die Liste ist endlos. Ich versuche nicht zu forcieren, sondern einfach alles, was ich herausfinden kann, festzuhalten. Dabei kommen Sachen zum Vorschein, die mir gar nicht bewusst waren.

5) Runterrasseln Rohentwurf, da das nicht schon der Grundausbau des fertigen Buches sein muss, brauche ich mir auch nicht besonders viel Mühe machen und bin somit schneller. Jedenfalls hoffe ich das.

6) Überarbeitung. Und zwar so viele Male und so lange, bis alles stimmt. Das beinhaltet dann nicht mehr nur Plot, Logik und Verständlichkeit, sondern auch Sachen wie Beschreibungen des Settings, Darstellung von Gefühlen, Balance zwischen Action und Emotionalität, Tempo, Check Try-Fail-Cycles (auch etwas aus dem 7-Punkte-System) usw. Ich habe vor, das zukünftig wirklich genau zu machen und erhoffe mir, so mehr Tiefgang und Komplexität zu erlangen.

@MadZocker: Darf ich dir noch einen ehrlichen Tipp geben, also eigentlich zwei? Versuche, von dieser Sturheit und dem Perfektionismus wegzukommen. Die Sturheit bringt dich nicht weiter, sondern führt dazu, dass du Dinge behältst, die völlig überflüssig oder längst überholt sind und den Roman nicht weiter bringen. Das nimmt nie ein Ende. Härte und Herzlosigkeit antrainieren und überflüssige Szenen oder solche, von denen es mittlerweile eine bessere Version gibt, rausschmeissen. ;) Gnadenlos. Es ist nicht einfach, aber ich bin sicher nicht die einzige hier, die den magischen Effekt davon bezeugen kann. ;)

Zum Perfektionismus. Bukowski soll gesagt haben: "Vergiss Perfektionismus, du wirst ihn nie erreichen." Das stimmt. Du wirst immer - immer! - etwas finden, was du noch Verbessern oder ändern kannst, selbst nach der zehnten Version. Auch hier ist eine gewisse Gnadenlosigkeit angebracht. Oder mit den Worten von Krimiautorin Zoe Beck: Ein Roman ist nie wirklich fertig, aber irgendwann muss man damit fertig sein. Sonst verrennst du dich.

Und das mit der Tiefgründigkeit: Auch vorerst einmal vergessen. Es ist dein erster Roman, richtig? Fange mit den einfachen Dingen an, um das andere kannst du dich später noch kümmern. Ich habe jetzt 7 oder 8 Jahre gebraucht (gerechnet von meinem ersten fertigen Manuskript an), um festzustellen, dass ich alles immer viel zu oberflächlich angegangen bin. Und das, obwohl ich immer tiefgründig schreiben wollte und angestrebt habe, so gut zu sein, wie meine Idole, die das natürlich können. Dabei musste ich erst einmal lernen, wie man überhaupt eine strukturierte, spannende Geschichte schreibt. Versuche, nicht zu viel auf einmal zu wollen. Du hast noch Zeit. :) :knuddel:

Christopher

Zitat von: Witch am 07. September 2017, 16:35:10
Ich bin immer wieder erstaunt, wie strukturiert ihr alle arbeitet. Bei mir ist das alles ganz anders, intuitiver irgendwie. Ideen "fliegen mir zu".

Trotz aller Struktur (auch nur über Erfahrung herauskristallisiert) läuft es bei mir genauso. Die Grundidee fliegt mir zu und während des Schreibens/Plottens genauso ;) Ganz strikt etwas nach Plan verlaufen lassen funktioniert bei mir auch nie. Ich weiche bisher immer von meiner Planung ab. Aber die Grundidee, der Anfang und das Ende bleiben.
Be brave, dont tryhard.

Evanesca Feuerblut

Exakt. Es sieht nur strukturiert aus, weil man es für andere zum Mitlesen aufgeschrieben hat und auf einmal feststellt "Holla, ich habe ja eine Struktur" (ich habe mal einen längeren Blogpost darüber geschrieben, dass ein Roman bei mir in 14 Phasen entsteht. Wie viele es sind, habe ich erst erkannt, als ich fertig war. Mir ist zwischendurch immer wieder ein Zwischenschritt eingefallen.)
Aber mir fliegen Ideen auch eher zu. Beziehungsweise meist Namen, dann kriegen diese ein Gesicht und irgendwann sowas wie eine Geschichtenidee drumherum, die relativ konstant bleibt. Egal was sich alles ändert.

Appletree

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 07. September 2017, 09:53:33

@Appletree bei mir sind auch die Charaktere vor der Story da. Oft Jahre vorher. Aber sie verändern sich trotzdem oft beim Schreiben.

Das kenne ich durchaus auch, allerdings nur von Nebencharakteren.
Meine Margrit war zunächst ganz anders, als sie es jetzt ist, allerdings richtete sich nach ihr auch nicht die Story aus.

Zitat von: Evanesca Feuerblut am 07. September 2017, 17:43:03
Exakt. Es sieht nur strukturiert aus, weil man es für andere zum Mitlesen aufgeschrieben hat und auf einmal feststellt "Holla, ich habe ja eine Struktur" (ich habe mal einen längeren Blogpost darüber geschrieben, dass ein Roman bei mir in 14 Phasen entsteht. Wie viele es sind, habe ich erst erkannt, als ich fertig war. Mir ist zwischendurch immer wieder ein Zwischenschritt eingefallen.

Dem kann ich zustimmen.
Ich schrieb die Rohfassung zwar einfach drauflos, eine gewisse Struktur hatte ich dabei aber dennoch. Das wird mir nur erst jetzt klar. Ich würde sagen: Man muss eben erst seinen Weg finden, und sich ausprobieren.

Zitat von: Witch am 07. September 2017, 16:35:10
Ich bin immer wieder erstaunt, wie strukturiert ihr alle arbeitet. Bei mir ist das alles ganz anders, intuitiver irgendwie. Ideen "fliegen mir zu". Das klingt total doof und ist so auch nicht direkt wahr, denn Ideen haben und fassen kann man trainieren und daran liegt es wohl eher.

Ich würde auch sagen: Die 'Struktur' ergibt sich viel mehr aus der Idee, die einem zufliegt, oder aus den Helden, die sich lange vor der eigentlichen Geschichte im Kopf entwickeln ;-)


Soly

@Witch Das geht mir ähnlich mit den einzelnen Szenen, um die herum man eine Geschichte schreiben will. Ich lasse die aber immer einfach im Kopf gären und bastele vor dem Einschlafen oder so daran herum, bevor ich dann irgendwann tatsächlich mal zum Stift greife. Meistens erwächst aus dem ersten Geistesblitz eine Geschichte, in der man vergeblich jenen Geistesblitz sucht...
Veränderungen stehen vor der Tür. Lassen Sie sie zu.

TheMadZocker

Gut. Ich lese hier schon einiges Raus, woraus sich auch eine ungefähre Struktur von Vielen herauskristallisiert hat. Das ist schön, jetzt habe ich schon einige Optionen mehr, die ich ausprobieren kann.

Ich stimme zu, dass eine lang gegarte Idee es wert ist, weiter ausgearbeitet zu werden. Sie gefällt einem und gibt einem noch Ideen. Ich hatte aber jüngst das Problem gehabt, dass man sich dann auch zu sehr in diese Idee verfährt und keinen Spielraum für Alternativen lässt. Man kann es abwenden, wenn man die für sich nötigen Gedankengänge dafür entdeckt...

Und mit diesen Schreibphasen (7-Punkte-Struktur, und so) habe ich eigentlich auch keine gute Erfahrung, da ich mich wie zuvor in diesen Plan festgefahren habe und die Motivation flöten geht. Mitten in der Geschichte einen Turn zu machen ist halt nicht schön, wenn man bereits eine Richtung gefunden hat. Sonst kann man halt nur noch Umwege gehen. Deswegen versuche ich momentan, alles etwas knapper und grober zu halten, damit ich noch ein wenig Spielraum habe...

Appletree

#22
Zitat von: TheMadZocker am 07. September 2017, 22:24:03
Gut. Ich lese hier schon einiges Raus, woraus sich auch eine ungefähre Struktur von Vielen herauskristallisiert hat. Das ist schön, jetzt habe ich schon einige Optionen mehr, die ich ausprobieren kann.

Ich stimme zu, dass eine lang gegarte Idee es wert ist, weiter ausgearbeitet zu werden. Sie gefällt einem und gibt einem noch Ideen. Ich hatte aber jüngst das Problem gehabt, dass man sich dann auch zu sehr in diese Idee verfährt und keinen Spielraum für Alternativen lässt. Man kann es abwenden, wenn man die für sich nötigen Gedankengänge dafür entdeckt...

Und mit diesen Schreibphasen (7-Punkte-Struktur, und so) habe ich eigentlich auch keine gute Erfahrung, da ich mich wie zuvor in diesen Plan festgefahren habe und die Motivation flöten geht. Mitten in der Geschichte einen Turn zu machen ist halt nicht schön, wenn man bereits eine Richtung gefunden hat. Sonst kann man halt nur noch Umwege gehen. Deswegen versuche ich momentan, alles etwas knapper und grober zu halten, damit ich noch ein wenig Spielraum habe...


Ich habe mich eine Zeitlang sehr geärgert, dass ich einfach mal so losgeschrieben habe, ohne Regeln, Plan und Handwerk, weil das überarbeiten dadurch entsprechen mühselig war. Ich hatte das Gefühl, mir dadurch unnötig viel Arbeit gemacht zu haben.

Im Nachhinein bin ich froh, das ich zunächst einfach schrieb.
Denn auf diese Weise hatte ich den Roten Faden bereits und eine Grundlage, an der ich üben konnte, ohne den Stress im Hinterkopf, mir könnten die Ideen mittendrin ausgehen oder gar die Lust abhanden kommt.

Während der Bearbeitung sind nämlich zusätzlich viele Ideen entstanden, das Skript wurde Schritt für Schritt nicht nur handwerklich besser, sondern auch inhaltlich voller und runder.

Der Unterschied war nur, das ich, wenn sich neue Szenen in meinem Kopf formten, eben diese gleich strukturiert habe und nicht wie zuvor, ohne Rücksicht auf Perspektive  und anderes etwas hinschrieb. So blieb mir zumindest eine völlige Baustelle an der Stelle erspart, die Bearbeitung ist weniger aufwändig, auch wenn sie noch immer viel Raum einnimmt, wegen der Art, wie ich einen Text produziere.

Durch die ganzen Antworten hier bin nun überzeugt:

Letztlich muss jeder seinen Weg aus den vielen Ratschlägen selber finden, aber sie geben schon Hinweise und Orientierungshilfe.

EDIT: Der Beitrag ist im falschen Thread gelandet ...
[EDIT chaos]
Nun ist alles wieder heil! ;)
[/EDIT]

Appletree



EDIT: Der Beitrag ist im falschen Thread gelandet ...
[EDIT chaos]
Nun ist alles wieder heil! ;)
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Danke!
Fühl dich geluftküsst  :-)

Culham

Ich leide auch unter der Tendenz jeden Text perfekt machen zu wollen, bevor ich weiter schreibe. Aber das ist der grösste Zeitfresser, den es gibt. Man schreibt und korrigiert sich tot und wenn man weiterschreibt, muss man später dann doch wieder etwas ändern. So bin ich jahrelang festgehangen und habe den Mut verloren. Inzwischen schreibe ich sehr unsauber und korrigiere nur ein oder zweimal bevor ich einfach weiterschreibe ohne zurückzuschauen. Ausführlich feilen kann man wenn man fertig ist. Seitdem bin ich für meine Verhältnisse erstaunlich produktiv.