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Streichen und Weglassen

Begonnen von HauntingWitch, 14. Mai 2017, 12:46:28

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HauntingWitch

Haben wir wirklich keinen Thread über das Thema? :o Habe mit der Suche jedenfalls nichts gefunden...

Also, es geht um etwas, das wir alle kennen: Streichen und Weglassen. Beim Streichen während der Überarbeitung kann ich recht gnadenlos sein, alles, was ich nicht gut genug oder nicht relevant finde, kommt raus. Zurzeit habe ich aber eher das Problem mit dem Weglassen. Ich bin zwar noch beim Erstentwurf, aber ich kann mich mal wieder nicht entscheiden. Ich könnte fünf Perspektivträger haben, aber das ist natürlich zu viel für die Länge, die meine Geschichten meistens bekommen... In meinem letzten Roman hatte ich drei und mittlerweile erscheint mir schon das recht viel. Ich habe mich jetzt beim aktuellen Projekt erst einmal für 2-3 entschieden, das wird sich zeigen.

Weiter hatte das Projekt einmal drei Geschichten, die am Ende zu einer verwoben werden sollten. Ging nicht auf, es gab keinen Plot, also alles auf Anfang. Jetzt habe ich zwar einen Plot, aber darin hat bei Weitem nicht alles Platz, was ich mir so schön ausgedacht habe. Ich werde wohl oder übel einige Sachen weglassen müssen, auch wenn ich am liebsten alles drin hätte. Aber es gehört einfach nicht alles hinein.

Ganz zu schweigen, von all den Dingen, die man an Vorbereitungsarbeit leistet, von denen nur ein Bruchteil im fertigen Roman landet... Ist doch irgendwie schade, oder nicht?

Deshalb wollte ich mal fragen, wie ihr das so handhabt? Fällt euch das auch schwer? Wie trefft ihr die Entscheidung, was letztlich noch zur Geschichte gehört und was nicht? Seid ihr auch ein bisschen traurig, wenn ihr Dinge weglassen müsst, die ihr eigentlich gerne mit reingenommen hättet?

KaPunkt

 ;D
Am liebsten würde ich dich in den Prämisse-Thread rüber schubsen, denn das ist genau meine Antwort: Alles, was nicht zu der Geschichte gehört, die ich erzählen will, was nicht der Prämisse dient, kommt raus.
Das tut natürlich fürchterlich weh, aber bloß, weil es nicht im Buch ist, ist es ja nicht weg.
Ich stecke gerade im Lektorat und muss ziemlich umbauen / ändern und dafür habe ich mir eine Datei 'deleted scenes' gemacht. Alles, was raus muss, aber mir zu sehr am Herzen liegt (und in sich abgeschlossen ist) kommt in die Datei.
Ich habe ein paar vage Ideen, was ich damit später noch anfangen könnte.  :darth:

Ansonsten klingt es bei dir so, als sei deine Welt einfach zu groß für die Geschichte geworden. Was erstmal gar kein Problem, sondern sogar toll ist. Warum hebst du dir die Geschichten, die du nicht mehr erzählen kannst, nicht für später auf? Was spricht dagegen, die Geschehenisse des Jahre Rosenkohl nicht einmal aus der Sicht von Figuren A,B und C zu erzählen und in einem anderen Buch aus der Sicht von Figuren D,E und F?

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Angela

Brandon Sanderson hat auf der Buchmesse eine Frage dazu beantwortet: Schreib ein eigenes Buch, in dem dann die Geschichten vorkommen, die weggelassen wurden.
So sehe ich es auch, ich konzentriere mich aber beim Schreiben auch fast nur auf die Protas, habe das Problem also eher nicht so.

HauntingWitch

Zitat von: KaPunkt am 14. Mai 2017, 12:53:10
;D
Am liebsten würde ich dich in den Prämisse-Thread rüber schubsen, denn das ist genau meine Antwort: Alles, was nicht zu der Geschichte gehört, die ich erzählen will, was nicht der Prämisse dient, kommt raus.

Im Grunde mache ich das auch so. Aber das bedeutet dann eben, dass einiges rausfällt, was ich zwar toll finde, aber halt nicht reingehört. Und das muss ich dann weglassen und das finde ich schade.

Zitat von: KaPunkt am 14. Mai 2017, 12:53:10Warum hebst du dir die Geschichten, die du nicht mehr erzählen kannst, nicht für später auf? Was spricht dagegen, die Geschehenisse des Jahre Rosenkohl nicht einmal aus der Sicht von Figuren A,B und C zu erzählen und in einem anderen Buch aus der Sicht von Figuren D,E und F?

Stimmt, das ist eine gute Idee. :hmmm: Ich brauche nicht einmal ein Extrafile dafür, ich habe ja alles. Wenn ich überarbeite, speichere ich das Dokument neu, so auch Lektoratsdokumente etc. So habe ich die alten Versionen immer noch, mit allem, was darin ist.  ;D

Trippelschritt

Ich kenne das Problem in der von dir geschilderten Form auch nicht. Bevor ich meinen Zentralkonflikt oder etwas Ähnliches nicht benennen kann und bevor ich meine Figuren nicht gut kenne, fange ich erst agr nicht an zu schreiben. Und einen plot habe ich ja auch nicht. Der entsteht erst während des Schreibprozesses. Und Streichen? Der normalfall ist, dass mit jedem Überarbeitungsschritt meine Geschichte an Umfang gewinnt.

Liebe Grüße
Trippelschritt
(der vor allem bei Kurzgeschichten kürzt)

Cailyn

Liebe Witch

Ich finde KaPunkts Ansatz auch sehr gut. Es geht ja nichts verloren, wenn etwas nicht vorkommt.
Es würde sich eventuell auch anbieten, zu den "deleted scenes" eine Novelle zu schreiben, die z.B. du dem Leser nach dem Buch offerierst. So quasi für die Angefressenen, die sich so gerne in der Welt aufhalten und sich noch etwas tiefer reinbeissen wollen.  ;)

Da ich deinen Plot und die Figuren nicht kenne, ist mein nächster Punkt natürlich nur so ins Blaue gefragt. Aber wenn Figuren und Plot nicht so harmonieren, dann würde ich mich fragen, ob du überhaupt die richtigen Figuren für den Plot gewählt hast? Ich finde es persönlich sehr wichtig, dass Figuren und Plot nahtlos ineinander übergreifen, ja, sich sogar bedingen. Wenn du eine Figur hast, die einen bestimmten Charakter hat, dann sollten genau diese Charaktereigenschaften den Plot letztlich vorantreiben. Wenn die Figur zu viele Eigenschaften hat, die eigentlich für eine andere Geschichte taugen, ist es womöglich nicht die ideale Figur für den Plot. Es lauert dann auch die Gefahr, dass die Figuren austauschbar werden.

Ich bin ja jemand, der nicht so richtig daran glaubt, dass man sich entscheiden muss, ob eine Geschichte Plot- oder Figurengetrieben ist. Aber bei der Erstellung von Plot und Figuren ordne ich meistens eines dem anderen unter, was nicht heisst, dass Figuren oder Plot am Ende wichtiger sind. Aber einfach, um es besser aufeinander abzustimmen. Das mache ich aber wirklich, bevor ich überhaupt das erste Wort geschrieben habe. Wenn ich dann z.B. eine Figur im Kopf habe, die genau so (und nicht anders) sein muss, muss sich halt der Plot in dieser Hinsicht anpassen. Und wenn ich im Plot einen wichtigen Punkt habe, der drin sein muss, muss sich wiederum die Figur unterordnen. Und wenn beide - also Figur und Plot - sich nicht einigen können, dann ist das für mich das Zeichen, dass ich generell den falschen Plot oder die falsche Figur gewählt habe.

Bei mehreren Protas (oder auch bei Nebenfiguren) frage ich mich auch immer, welche Funktion diese für die Geschichte haben und welche Funktion sie (bei Nebenfiguren) für die Hauptfigur haben. Manchmal stellt sich da heraus, dass die Funktion die gleiche ist. Da ist dann klar, dass diese entweder rausfliegen oder verändert werden müssen.

Letztlich würde ich mich auch vom Gedanken lösen, dass es schmerzlich ist, wenn man tolle Ideen loslassen muss. Du wirst ja vermutlich noch viele Geschichten schreiben und dort kannst du diese Weggelassenen wieder hervorholen. In diesem Sinne: Kill your darlings ohne Wehmut  ;)

Trippelschritt

Dem kann ich mich nur anschließen. Cailyn hat das viel schöner und treffender gesagt als ich.  :vibes:

Trippelschritt

Inea

Ich kenne dieses Gefühl des Weglassens auch. Bei mir reifen manchmal mehrere einzelne Szenen im Kopf von ganz alleine, die ich dann auf jeden Fall auch in der Geschichte haben möchte. Und da ich nicht chronologisch schreibe, kam es bisher immer vor, dass ich mehrere Szenen hatte, die am Ende einfach keinen "richtigen Platz" mehr hatten.

Aber auch bei mir wandern diese Szenen dann in eine Extradatei und ich schaue, ob ich sie nicht entweder in einer neuen Geschichte unterbringen kann, oder vielleicht an einer anderen Stelle in der Geschichte einweben kann. Je nach Wichtigkeit und Bezug auf die Charakterentwicklung. Dennoch bleibt manchmal einfach etwas auf der Strecke und das macht mich dann auch traurig und schmerzt.
Und dennoch versuche ich ebenfalls, nach dem Motto zu handeln: was nicht zur Handlung beiträgt, muss raus.

Auch einen Fall den ich hatte, war das Problem, dass ich eine Szene hatte, die sehr deutlich machte, was Charakter A seinem geliebten Charakter B antun würde, nur um zu verhindern, dass dieser sich einer anderen Liebe zuwendet. Die Szene war schon vollkommen fertig und beim weiteren Schreiben ist mir dann aufgefallen, dass es nirgends auf dem Zeitstrahl möglich ist, genau diese Konstellation an Charakteren zusammenzubringen. Bis heute bin ich am Überarbeiten, um das Ganze nicht noch irgendwo unterzubringen. Denn ich finde die Szene unheimlich wichtig für den Plot, aber dafür muss ich ja wiederum andere Dinge rausstreichen.

Überarbeiten ist ein Abenteuer. :vibes:

HauntingWitch

Zitat von: Cailyn am 16. Mai 2017, 05:51:14
Da ich deinen Plot und die Figuren nicht kenne, ist mein nächster Punkt natürlich nur so ins Blaue gefragt. Aber wenn Figuren und Plot nicht so harmonieren, dann würde ich mich fragen, ob du überhaupt die richtigen Figuren für den Plot gewählt hast?

Über dieses Problem bin ich lange hinweg. Es geht nicht darum, ob eine Figur oder Szene "richtig" oder "falsch" ist, sondern darum, dass ich nicht alles, was ich möchte in dem Ausmass, in dem ich es möchte,  in die Geschichte einbauen kann.

Zitat von: Cailyn am 16. Mai 2017, 05:51:14
Ich bin ja jemand, der nicht so richtig daran glaubt, dass man sich entscheiden muss, ob eine Geschichte Plot- oder Figurengetrieben ist.

Ich glaube das schon. ;) Ich habe mich lange mit dem Thema befasst und festgestellt, dass bei jedem Buch und jedem Film eines dominanter ist. Bei Geschichten, die beides versuchen, bleibt keinem der beiden genug Raum.

@Inea: Endlich jemand, dem es gleich geht wie mir. :knuddel: Dachte schon, ich wäre damit alleine. ;D Aber stimmt, das mit dem Sammeln ist wirklich eine gute Idee. Vielleicht kann man auch eine Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählen, so dass man quasi pro Charakter ein Buch hätte? Selbe Geschichte, verschiedene Blickwinkel?  :hmmm:

Churke

Zitat von: Witch am 14. Mai 2017, 12:46:28
Wie trefft ihr die Entscheidung, was letztlich noch zur Geschichte gehört und was nicht? Seid ihr auch ein bisschen traurig, wenn ihr Dinge weglassen müsst, die ihr eigentlich gerne mit reingenommen hättet?

Ich drücke es mal so aus: Wenn man die Mona Lisa in die Alexanderschlacht hinein malt, hat man gleich 2 Bilder ruiniert.  ;)
Ist sie aber drin, darf man sich nicht von der Virtuosität des Details blenden lassen. Details, die das große Ganze stören, müssen raus.
Verloren sind sie darum nicht. Man muss nur einen andere Ort für seine Idee finden.

Cailyn

Zitat von: Witch am 16. Mai 2017, 10:18:58
Über dieses Problem bin ich lange hinweg. Es geht nicht darum, ob eine Figur oder Szene "richtig" oder "falsch" ist, sondern darum, dass ich nicht alles, was ich möchte in dem Ausmass, in dem ich es möchte,  in die Geschichte einbauen kann.

Ich weiss schon, was du meinst. Aber sofern alles irgendwie mit dem Hauptplot verstrickt ist, sollte dies ja kein Problem sein. Und der Plot sollte natürlich die Subplots schon dominieren. Aber abgesehen davon, gibt es ja auch viele Subplots, die zunächst unrelevant scheinen, am Ende aber dem Hauptplot etwas Wichtiges beisteuern.
Ist aber natürlich auch schwierig, da weiter drüber zu schreiben, weil wir ja nichts Konkretes als Beispiel haben. Bist du in einer Plotgruppe? Das könnte dir vielleicht helfen zu beurteilen, ob deine Subplots gerechtfertigt sind oder eher überflüssig.

zDatze

Der letzte Beitrag ist zwar schon ein Weilchen her, aber ich möchte doch noch meinen Senf zum Thema Weglassen abgeben. (Streichen ist noch einmal ein ganz anderes Kapitel, finde ich.)

Bei der Planung passiert es mir auch, dass ich versuche jede Menge Ideen hineinzupacken. Meistens muss das dann alles eine Zeit lang ruhen und vor sich hin brodeln, bis ich dann wieder klar sehe. Und ja, es passiert mir auch, dass ich Ideen wieder ausbaue, weil sie eben das Gesamtkonzept zerschießen oder auch in eine Richtung rücken, die mir nicht so gut gefällt. Manche dieser Ideen oder Plotfragmente gehen auf Nimmerwiedersehen verloren, aber es passiert mir auch, dass sie sich in andere Projekte einschleichen oder sich zu einem eigenständigen Projekt entwickeln. Ich habe hier auch immer die Worte "Gute Ideen kommen immer wieder" im Ohr. Wobei ich jetzt leider nicht mehr sagen kann von wem diese stammen.
Mit diesen Worten im Hinterkopf tut es mir weniger weh Figuren/Handlungsstränge/Plotelemente wieder aus meinen Projekten auszubauen und für später aufzuheben (wann auch immer das sein mag). Hartnäckige und wirklich gute Ideen notiere ich mir in einem Ideen-Ordner bzw Notizbuch, so ist auch mein Gewissen beruhigter.

Der andere Punkt ist dann wohl noch, dass eine Menge Recherche am Ende nicht ins Projekt findet - obwohl sie nötig und wichtig für das Projekt war. Da gibt es diese schöne Eisberg-Metapher, die lautet: 10% sind sichtbar (also im Buch), aber die anderen 90% liegen unter der Oberfläche und sind somit gewisserweise "verlorene Mühe". Wobei ich es gar nicht als verlorene Mühe betrachte, aber ich bin auch einer jener Menschen, die Spaß beim Recherchieren haben.

In welchem Ausmaß welche Themen/Szenen/Subplots in einem Projekt sein sollen, kann wohl manchmal auch im Vorhinein eher schwer abgewogen werden. Zumindest mir passiert es durchaus, dass sich beim Schreiben durchaus andere Schwerpunkte ergeben, als anfangs geplant. Vielleicht ist es auch der richtige Weg das "unnütze" Zeug hineinzupacken. Wer weiß, ob es tatsächlich unnütz ist am Ende? :)