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Glossar als Lösung gegen Infodump?

Begonnen von MynaKaltschnee, 23. März 2017, 17:45:37

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cryphos

Noch ein Hinweis zum Glossar. Mit 16 oder so hatte ich kurz die Angewohnheit, erst das Glossar zu lesen und dann den Text, um gleich alles richtig zu verstehen. Ich habe es schnell gelassen, weil ich als Leser zu viele Infos zur Welt, Personen und Handlungen bekam, manchmal in dem Ausmaß, dass ich 20% der Geschichte gelesen hatte und schon wusste was noch alles passieren würde, denn aus den Einträgen zu den Personen konnte man jetzt alle weiteren Handlungsbögen ableiten.

Da war z.B. Franz Xaver Schlagmichtot, erst König, aus dem Hause Perversovie, durch die Rebellion der unterdrpückten abgesetzt, der nach seiner Flkucht aus dem kerker als geläuterter Heckenritter durch das Land zog um seinen später geborenen Sohn, gezeugt mit Lisa Rechtschaffen, auf den Thron zu bringen.
Lisa Rechtschaffen, Anführerin der Rebellion, Verstoßene aus dem Hause ZuUnrechtBeschuldigt, spätere Mutter des Thronerben und Gemahlin von Franz Xaver Schlagmichtot und Begründerin einer neuen Dynastie.
>> Allein diese zwei Glossareinträge erzählen viel zu viel über den Handlungsverlauf. Jeder für sich ist ja schon grenzwertig, aber zusammen, da muss man die Geschichte schon gar nicht mehr lesen.

Tintenteufel

Man muss da aber zwischen Glossar und Charakterverzeichnis unterscheiden @cryphos. Obwohl ich dir in allen wichtigen Punkten natürlich zustimme: Sehr frustrierend, wenn einem das die wichtigsten Plotpoints auf die Nase bindet.
Persönlich mag ich sowas aber, sofern die Spannung gewahrt bleibt. Ich glaube Markus Heitz hat da immer ganz nette Ansätze, weil er die Charaktere (früher jedenfalls) nur vom Beginn der Handlung her erklärt. Da steht der Protagonist auch gerne noch als Blumenhändler drin, wenn er das am Anfang mal war.

Glossare für Begriffe, Länder, Gegenden, Kontintente usw. finde ich uneingeschränkt praktisch. Gerade bei Fantasy. Obwohl man dann natürlich die Beherrschung haben muss, das Ganze auf zwei bis drei Sätze runterzubrechen und den Sinn nicht aus den Augen zu verlieren: Nachschlagehilfe, nicht Lexikon.

Czara Niyaha

Zitat von: MynaKaltschnee am 23. März 2017, 20:13:35
In meiner Welt ist ein Jahr ein sogenanntes "paan". Ein Jahr dort entspricht etwa zwölf Menschenjahren. Jedes paan ist in zwölf Jahreszeiten untergliedert, die jeweils wieder in vier Monate untergliedert sind. Ein Monat hat 91 Tage. Somit hat eine Jahreszeit 364 Tage und entspricht etwa einem Menschenjahr. Die Tage sind wie bei uns gerechnet mit 24 Stunden. Ich wollte es nicht noch komplizierter machen. Jedenfalls weiß ich noch nicht, ob die Jahreszeiten und Monate so im Text vorkommen werden. Viel mehr frage ich mich, wie ich dem Leser klar mache, dass ein paan zwölf Menschenjahren entspricht. Das spielt ja z. B. auch beim Alter meiner Figuren eine Rolle. Meine Protagonistin ist zwei paan alt, also ungefähr vierundzwanzig Menschenjahre. Wie erkläre ich das am besten in meiner Geschichte? Ich bin mit der Aufgabe wirklich ein bisschen überfordert... *seufz*

Ich versuche gerade Deine Zeitrechnung zu verstehen...  ??? Und ja, ich weiß aus eigener Erfahrung wie kompliziert und verwirrend soetwas sein kann. In einem meiner anderen Projekte (was derzeit ruht) habe ich mir auch eine komplett andere Zeitrechnung ausgedacht.

Worüber ich bei Deiner Erklärung stolpere, ist die Aussage, dass jedes paan in zwölf Jahreszeiten untergliedert ist. Meinst Du mit Jahreszeiten, Frühling, Sommer, Herbst und Winter?! Das sind nämlich für mich die Jahreszeiten... Hast Du zwölf verschiedene Jahreszeiten?! Ach, ich habe eine Vermutung was Du mit "Jahreszeit" meinst, aber der Begriff ist etwas unglücklich gewählt, finde ich persönlich.

Generell ist es schwer Begriffe wie Jahr, Zeit, Jahreszeit, Monate usw. in einer anderen Zeitrechnung zusammenzufassen, so dass es dem Leser verständlich bleibt und nicht zu kompliziert wird. Wir alle verbinden mit diesen Begriffen, Zeitzyklen, die schon immer so waren, sprich ein Jahr = 365 Tage, ein Jahr = 12 Monate, 1 Monat = 30/31 Tage  (Ausnahme Februar! ;), 1 Tag= 24 Stunden. Wenn ich den Begriff Jahr höre, dann verbinde ich automatisch damit die eben genannten Begriffe. Hat das mit der eigenen Zeitrechnung eine Bedeutung, die wichtig für die Geschichte ist? Wenn Du es aus Augen Deiner Charaktere siehst, die in Deiner Welt exestieren, dann gibt es für die keine Begriffe wie Jahr usw., weil sie ja das Jahr als "paan" rechnen. Diese Begriffe brauchst Du ja in erster Linie, um dem Leser zu erläutern, wie Deine Zeitrechnung funktioniert. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann würde ja ein Charakter in Deiner Welt niemals sagen, dass er/sie 24 Jahre alt ist, sondern, dass er/sie 2 paan ist. Benutzt Du denn sonst die gängigen Begriffe wie Monate, Jahr, Tag usw. in Deiner Zeitrechnung? Wenn ja, dann fände ich das irgendwie verwirrend.
*Am Kopf kratz* Das ist aber schon ein verzwicktes, aber sehr interessantes Thema!

Ein Glossar generell finde ich keine schlechte Idee, aber die Geschichte sollte nicht so aufgebaut sein, dass man alle Begriffe erstmal nachschlagen muss, damit man der Story folgen kann. Viel schöner, aber auch weitaus komplizierter (siehe es als Herausforderung an!), finde ich es, wenn sich beim Lesen aus dem Kontext heraus die Zeitrechnung deiner Welt "erklärt".
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Aphelion

Zitat von: Lothen am 24. März 2017, 09:29:05Abgesehen davon sollte man auch immer bedenken, dass viele Leser mittlerweile zu Ebooks greifen und da ist das Nachschlagen im Glossar ziemlich lästig.
Mich wundert manchmal, dass es bei E-Books nicht öfter technische Umsetzungen gibt, die Zusatzmaterial (von mir aus auch Glossare) besser einbinden. So weit ich weiß, gibt es die Möglichkeit, aber der Aufwand ist vielen zu hoch?

Auch E-Books sollten in meinen Augen ohne Glossar verständlich sein. Trotzdem könnten durch interaktive Elemente (oder auch nur Sprungmarken) noch viel mehr Möglchkeiten ausgeschöpft werden.

Denamio

Zitat von: Aphelion am 24. März 2017, 19:06:36

Mich wundert manchmal, dass es bei E-Books nicht öfter technische Umsetzungen gibt, die Zusatzmaterial (von mir aus auch Glossare) besser einbinden. So weit ich weiß, gibt es die Möglichkeit, aber der Aufwand ist vielen zu hoch?

Auch E-Books sollten in meinen Augen ohne Glossar verständlich sein. Trotzdem könnten durch interaktive Elemente (oder auch nur Sprungmarken) noch viel mehr Möglchkeiten ausgeschöpft werden.

Was das angeht, einzelne Formate können eine Menge. Das Problem ist mehr ein gemeinsamer Standard. Wenn man sich die Mühe macht für EPUB (glorifizierte Webseiten praktisch) all die ganzen Spielereien einzubauen, dann läuft man bei MOBI oder PDF damit mitunter böse auf. Da ist es meist sinnvoller es möglichst einfach zu halten.

Was Glossare angeht, die sind für mich als Leser tote Seiten. Entweder der Autor ist so gut, dass Wissen natürlich im Laufe der Geschichte erworben und gepflegt wird - oder ich lese die Geschichte nicht lange. Auf der anderen Seite ist ein Glossar für mich so ein "Goodie", wie Stoffkarten, Lederbund, Metallecken und so weiter.

Steffi

Ich habe vor kurzem tatsächlich in meiner Lektüre immer mal wieder im Glossar nachgeschlagen, allerdings aus reinem Interesse. Der Roman spielte im 3. Jahrhundert in Britannien und ich wollte wissen, wie die Städte heute heißen. Für den Roman an sich war das aber nicht von Belang, der hätte auch ohne Glossar funktioniert. Er war als nette Zusatzinfo gedacht, und genau so habe ich ihn auch benutzt.
Sic parvis magna

Faye

Meiner Meinung nach sollten die wichtigsten Informationen trotz allem in der Geschichte deutlich werden, da man sonst immer hinter im Glossar nachgucken muss und manches einfach unklar werden kann. Trotzdem halte ich ein Glossar für eine gute Idee, um bereits erhaltene Informationen nochmal nachzuschlagen oder wie Steffi sagte aus Interesse mal durchzublättern. Vor allem wenn am Anfang eine Information über z.B. die Sprache gemacht wurde, die man auch zwischendrin braucht, ist so etwas sinnvoll. 

Erdbeere

In meiner Serie habe ich auch ein Glossar, allerdings mehr auf Wunsch des Verlags. Für die ersten paar Bände war es vermutlich ganz nützlich, um Steampunk-unerfahrenen Lesern meine Welt bzw. die Gadgets besser zu erklären, sollte das in der Geschichte selbst zu wenig klar sein. Mittlerweile sind wir bei Band 7, und ich finde das Glossar ziemlich überflüssig. Teilweise habe ich immer noch dieselben Sachen drin stehen wie bei Band 1 und füge nur ein paar weitere Punkte hinzu, wenn etwas neu auftritt. Wer nach den ersten drei Bänden weiterliest, kennt meine Welt und meinen Steampunk. Und ich finde, man darf Leser auch nicht zu sehr für dumm verkaufen.
Ich werde in den nächsten Wochen mal mit dem Verleger reden und fragen, ob ich die Glossare ab Band 8 weglassen kann. Mittlerweile sind sie wirklich überflüssig. ::)

Ansonsten gehöre ich selbst zu den Lesern, die solche Verzeichnisse am Ende eines Buches meistens gerne mögen. Aber auch mir ist schon sehr oft passiert, wie @cryphos, dass ich die Charakterverzeichnisse im Vorfeld, oder wenn eine Figur neu auftaucht, gelesen habe und dann böse gespoilert wurde. Bei Fantasy lasse ich nun meist die Finger von Glossar und Verzeichnis, bis ich das Buch fertiggelesen habe. Bei historischen Romanen allerdings schlage ich sehr gerne nach. Dort sind diese Zusatzinformationen ein Mehrwert für mich.

MynaKaltschnee

Sodele, jetzt melde ich mich doch auch selbst nochmal zu dem Thema. Erneut, vielen Dank für eure zahlreichen Antworten.

ZitatGibt es denn Dinge, die mit den paan zusammenhängen? Wird man in deiner Welt mit 1 paan volljährig/hat einen Initiationsritus? Oder wird man mit 2 paan volljährig?
Was hängt an diesen paan dran, das dir dabei hilft, indirekt die Bedeutung zu zeigen?

Das Alter wird in ganzen und halben paan gerechnet. Mit 1,5 paan gilt man als volljährig bzw. erwachsen, weil das meist das Alter ist, in dem man die Schule verlässt.

ZitatWie ist denn die Einstellung zum Altern und zu Alter in deiner Welt? Haben die Zwölf-Zyklen eine Bedeutung?

Eigentlich habe ich die Zwölf als Zyklus gewählt, weil diese Zahl ja oft mit Magie verbunden wird. Außerdem hat ein Menschenjahr auch zwölf Monate, daran habe ich mich orientiert. Wie die Einstellung zum Altern ist? Alte Menschen werden oft sehr geschätzt in meiner Welt. Sie haben wichtige Funktionen in der Gesellschaft und gerade bei meinen Dryaden befinden sie sich größtenteils in den höhergestellten Aufgaben wie Berater oder Heiler. Bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob es das war, was du wissen wolltest?  ???

ZitatSpontan fällt mir eine Anspielung auf den bevorzustehenden Pubertätsbeginn bei 12-jährigen Mädchen ein. Velleicht auch ein Hinweis darauf, dass die Protagonistin mit 2 Paan eigentlich schon Mutter sein sollte (oder ist), wenn das in die Gesellschaft passt.

Das ist eine sehr gute Idee! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen. :D Also, einfach das Alter umschreiben, sodass sich der Leser das selbst zusammenreimen muss. So ganz genau muss er das Alter ja auch gar nicht wissen. Es reicht ja, wenn er weiß, dass es sich um eine junge oder alte Person handelt oder ob sie eher so im mittleren Alter ist.

ZitatAbgesehen davon sollte man auch immer bedenken, dass viele Leser mittlerweile zu Ebooks greifen und da ist das Nachschlagen im Glossar ziemlich lästig.

Da gebe ich dir recht! So war es bei mir mit "Die Gilde der schwarzen Magier". Ich hatte das Buch als E-Book gelesen und kam gar nicht auf die Idee, bis ganz zum Schluss zu springen und dort nach einem Glossar zu schauen. Erst als ich das Buch gelesen hatte, ist mir der Glossar aufgefallen.  ;)

ZitatMach es so, als ob du ein Glossar hättest.

Ein sehr guter Tipp! Ich werde mein Bestes geben. :)

ZitatIch habe es schnell gelassen, weil ich als Leser zu viele Infos zur Welt, Personen und Handlungen bekam, manchmal in dem Ausmaß, dass ich 20% der Geschichte gelesen hatte und schon wusste was noch alles passieren würde, denn aus den Einträgen zu den Personen konnte man jetzt alle weiteren Handlungsbögen ableiten.

Das ist natürlich blöd.  :( Ich wollte zu den Personen z. B. auch gar nichts verraten, sondern nur so Dinge wie die Zeitrechnung erklären. Aber wahrscheinlich lasse ich jetzt doch erst mal die Finger davon.

ZitatHast Du zwölf verschiedene Jahreszeiten?!

Ähm, ja?! ;D Natürlich sind nicht alle Jahreszeiten grundverschieden, aber sie haben eben unterschiedliches Klima und vorherrschendes Wetter.  Aber vielleicht ist der Begriff doch etwas blöd gewählt.

ZitatBenutzt Du denn sonst die gängigen Begriffe wie Monate, Jahr, Tag usw. in Deiner Zeitrechnung?

Also Jahr nicht, da sage ich ja paan dazu. Für Monat habe ich auch einen extra Begriff (tela), den ich verwenden werde. Nach deiner Aussage, sollte ich das Wort "Monat" dann besser nicht verwenden, oder? Weil ein Monat bei mir ja ca. 91 Tage hat und nicht 30/31.
Tage sind ja gleich, wie in unserer Zeitrechnung, auch wenn es dafür einen extra Begriff gibt, werde ich den wohl nicht jedes Mal verwenden, sondern auch das Wort "Tag" benutzen.

ZitatFür den Roman an sich war das aber nicht von Belang, der hätte auch ohne Glossar funktioniert. Er war als nette Zusatzinfo gedacht, und genau so habe ich ihn auch benutzt.

Ja, ich glaube, das ist der Knackpunkt. Gerade bei historischen Romanen ist das sicher sehr interessant.

Auch wenn ich jetzt jemanden nicht zitiert habe: Ich fand all eure Antworten sehr hilfreich!!! Vielen lieben Dank  :knuddel:

Ich bin nur ein schwarzer Geist, dessen Spinnerei Wort für Wort auf das Papier tröpfelt.

Trippelschritt

Wahrscheinlich mache ich mich jetzt unbeliebt, aber ein Glossar ist ganz klar kein Hilfsmittel gegen Infodump, denn Infodump ist ein grober handwerklicher Fehler beim Schreiben, der sich auch durch Krücken nicht beheben lässt. Bleibt die Frage, ob ein Glossar grundsätzlich sinnlos ist. Als Leser mag ich sie in der Regel nicht, aber das ist Geschmacksache. Ausnahmen sind Romane, die aus dem einen oder anderen Grund lieber den Originalausdruck einer fremden Sprache benutzen als eine Übersetzung und dann die Übersetzung in einem Glossar angeben. Auch Personenlisten helfen manchmal und sind gern gesehen.

Aber - und jetzt wird es hart - wenn ich eine spezielle Zeitenzählung in einer fremden Welt einführe, dann muss sich diese in die Geschichte einpassen und sollte auch eine Funktion oder Bedeutung haben. Wenn sie nur um ihrer selbst willen in der Geschichte ist, weil sie vielleicht intelligent oder pfiffig ausgedacht ist, dann sollte man sie streichen, denn sie macht die Geschichte schlechter. Gleichgültig wie stolz ein Autor auf seine Idee ist. Das tut dann zwar immer weh, muss aber sein.

Liebe Grüße
Trippelschritt


LeO

Ich denke, man sollte die Figuren die Welt erklären lassen, ob direkt (etwa durch Dialog oder Gedanken) oder indirekt (durch Erkunden). Unverständliches - etwa Wörter in einer erfundenen Sprache - kann man dann immer noch in einer Fußnote schnell übersetzen oder so. Das kann man sogar als Stilmittel einsetzen (bei Terry Pratchett oder Jonathan Stroud z. B.). Aber den Glossar habe ich bisher glaube ich in jedem Fantasy-Roman ignoriert. ::)