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Perspektiven-Wechsel bei Mehrteilern

Begonnen von Cailyn, 08. Februar 2017, 09:05:01

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Cailyn

Ich wollte fragen, ob dieses Perspektiven-Modell eurer Ansicht nach vetretbar ist:

Es geht um meinen Mehrteiler.
Der erste Band ist aus der Ich-Perpektive geschrieben. Das muss auch so sein.
Nun möchte ich aber beim zweiten Band in die personale Perspektive wechseln, weil die Story etwas komlpexer wird und die Hauptfiguren in Band 3 und 4 getrennt voneinander agieren.

Meint ihr, es ist ok, einen Mehrteiler im ersten Band aus der Ich-Perspektive und bei weiteren Bänden aus der Personalen zu erzählen?

Maubel

Fände ich, ehrlich gesagt, doof. Was ich jetzt aber vermehrt sehe, sind gemischte Perspektiven, also eine als ich und andere dann als personal. Bin ich kein großer Fan von, wird aber akzeptiert. Nur, wenn ich den ersten Band einer Reihe gelesen habe und mich dort auf die Ich-Perspektive eingestellt habe, wäre ich enttäuscht, wenn im zweiten Band diese Nähe dann nicht mehr gegeben ist.

caity

Diesen kompletten Wechsel fände ich auch nicht sooo glücklich. Warum "muss" denn Band 01 aus der Ich-Perspektive geschrieben sein?
Oder könntest du sonst in Band 01 auch schon Szenen aus der Sicht des zweiten Protagonisten einbinden? Dann hättest du das, was Maubel meint, mit durch die Bände hinweg Abwechslung zwischen Szenen in der "Ich"- und Szenen in der "Er/Sie"-Perspektive?
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Kaeptn

Da gebe ich Maubel weitgehend recht. Weitere Perspektiven sind kein Problem, aber wenn die Figur, die ich vorher als Ich-Erzähler kannte, plötzlich nur noch personal erzählt wird, das fände ich seltsam. Allerdings kenne ich so ein Beispiel nicht, von daher ist das nur ein theoretisches Gefühl, möglich, dass ich es gar nicht so störend fände, wie ich es mir vorstelle.

Joe Abercrombie hat in seiner neuen Trilogie (Königsschwur...) in jedem Buch eine andere Hauptfigur. Der Perspektivträger des Vorgänger-Bandes taucht aber auch wieder auf, wird dann aber aus den Augen des neuen P-Trägers betrachtet und ist selbst nicht mehr PT. Das hätte ich wohl vorher auch komisch gefunden, es las sich aber eigentlich ganz gut. Hier war es aber immer personale Erzählform.

Tanrien

Wenn ich mich richtig erinnere - bitte korrigiert mich! - hat Steph Swainston in ihrer Castle/Fourlands-Reihe die Perspektive öfters so gewechselt. Das erste Buch war praktisch nur Ich-Erzähler, das zweite vielleicht auch, aber danach (in den Prequel(s)?) hat sie mehr den personalen Erzähler drin gehabt. Ich fand das nicht so prickelnd, aus den hier genannten Gründen: Man entwickelt ja schon eine besondere Beziehung zum Ich-Erzähler, vor allem, wenn es zu Anfang keine Alternative(n) gibt. Da dann zu wechseln erschafft eine ganz andere Dynamik.

Elona

Ein weiteres Beispiel "Düsterer Ruhm" von Stackpole. Teil eins war in der Ich-Perspektive, die nachfolgenden Bände nicht mehr.
Aus Autorensicht finde ich das mittlerweile gelungen, weil er soweit ich mich erinnere (ist leider schon wirklich echt lange her) damit auch die Charakterentwicklung unterstreicht. Aus Lesersicht hat mich aber die Lust für die Reihe schlicht und ergreifend verlassen, weil ich dermaßen enttäuscht davon war. 

Cailyn

Die Idee, Ich-Perspektive und Personal zu mischen, war eigentlich der bisherige Plan. Vermutlich werde ich dies dann auch so belassen.

Der erste Band muss in Ich-Perspektive sein. Schon sprachlich macht das mehr Sinn, weil die Protagonistin viele Selbstgespräche führt. Alles bezieht sich stark auf die Entwicklung der Protagonistin. Daher die Ich-Perspektive. Im zweiten Band dreht sich natürlich auch fast alles um sie, aber nicht nur. Gerne würde ich da eben auch aus der Perspektive des "Love interest" schreiben. Aber ihn im ersten Band bereits einzubinden, macht auch wenig Sinn, da er erst ab der Hälfte des Buches seinen ersten Auftritt hat und noch gar kein "Love interest" ist. Ein weiterer Grund für die Ich-Perspektive ist ein späteres Ereignis, für welches es nötig ist, dass die Protagonistin diese Zeilen verfasst hat. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen, aber ich hab's jedenfalls neunmalklug geplant  ;D.

Ok, ich werde die Ich-Perspektive in den Folgebänden beibehalten, damit ich die Leser nicht vergraule, die das im ersten Band gemocht haben. Nehme aber dann einfach die Personale noch dazu. Mir persönlich gefällt diese Mischung sogar sehr. Habe ich auch schon öfters so gelesen und fand den Wechsel toll abwechslungsreich. Ich glaube, mann muss der personalen Erzählweise eine gut gelungene Figur zuteilen, damit diese Perspektive im Vergleich zur Hauptfigur nicht langweilig wirkt. Aber das sollte ich hinkriegen (hoffe ich mal).

canis lupus niger

In einer König-Arthus-Trilogie war mal jeder Band aus der Perspektive eines anderen "Ich" geschrieben. Das fand ich dann (nach einem ersten Zusammenzucken) irgendwie doch wieder gut.

Thistle

Hallo,

in Bartimäus von Jonathan Stroud ist auch Ich- und personaler Erzähler gemischt, da allerdings ab dem 1. Band schon. Ich fand es sehr gelungen, aber ich gebe den Anderen Recht, dass es den Leser etwas überrumpeln würde, wenn ab 2. nur noch der personale Erzähler auftreten würde.

Du kannst ja (theoretisch) dein Love Interest auch vorher schon einbringen, bevor es zu Selbigem wird. Ich weiß natürlich nicht, was du geplant hast, aber ich persönlich finde es immer schön, wenn sich später alles zusammen fügt und ich als Leser merke, dass Person A und Person B zueinander gehören.

LG Thistle

Culham

Ich finde auch: einmal ich, immer ich :-) personale Erzähler dazu finde ich unproblematisch.
Habe ein ähnliches Problem. Band 1 einer Geschichte, die ich schreibe ist auch nur aus einer Perspektive erzählt. Möglicherweise kommen später noch andere Perspektiven dazu.
Meine Frage hier: wenn ich nur einen Erzähler habe, kann ich dann trotzdem eine personale Erzählform wählen oder sollte ich es auf ich umschreiben?

PinkPuma

Ich kann mich meinen Vorredner nur anschließen. Wenn die Protagonistin im 1. Band als Ich-Erzählerin auftritt, würde ich das in den Folgebänden so belassen. Klar kannst du dann im 2. Band noch einen personalen Erzähler hinzunehmen, Beispiele gibt es in der Literatur ja genug. Ich persönlich bin allerdings überhaupt kein Fan solcher Mischungen, sondern würde dann zwei Ich-Erzähler wählen. Vielleicht wäre das auch eine Option?

Trippelschritt

Es geht, so wie ich es verstehe, um zwei Fragen.

Die eine ist, ob man das erste Buch in der Ich-Perspektive schreiben kann und das zweite aus einer oder mehrer personalen Perspektiven. Auch wenn mein Credo ist: Es geht alles. Es muss nur finktionieren, möchte ich dringenst davon abraten, wie einige andere hier es ja auch schon getan haben. Das Risiko ist einfach zu groß, dass der Leser das als einen verrat am Autoren-Leser-Vertrag ansieht. Aber da gibt es einen ausweg.

Die zwei ist, ob man so ohne weiteres die Ich-Perspektive mit anderen Perspektiven wechseln kann. Das war lange Zeit ein No Go von siten der Verlage oder des Lektorats. Bis Lian Hearn ihren Bestseller "Clan der Otori" schrieb. Für den Protagonisten wurde die Ich-Perspektive gewählt, für die verwickelten Handlungsstränge ohne Protagonisten die personale Perspektive. Es geht also und man kann auf diese Art Bestseller schreiben, was immer der beste Nachweis ist, dass etwas möglich ist.

Doch ist das nicht so ganz einfach. Was macht man beispielsweise mit Szenen, in denen der Protagonist nur randlich erscheint? Vermeiden? Oder fällt jemandem etwas besseres ein?

Wer es sich zutraut, das zu schreiben sollte es versuchen. Und der Autorenvertrag mit dem Leser? Es geht mit einem Übergang. Vielleicht ist es besser, schon im ersten Band beide Perspektiven zu benutzen. Aber das muss der Plot auch anbieten. Sonst geht es eben erst in Band 2. Ein Restrisiko bleibt, aber wo bleibt das nicht, egal, was man tut.

viel glück
Trippelschritt

Cailyn

Thistle
Das mit dem am Ende Zusammenbringen ist eine schöne Idee. Das gefällt mir selber auch immer sehr gut. Aber in meinem Buch funktioniert das nicht. Es wäre dann zu viel drin, was eigentlich für den Hauptplot einfach total irrelevant ist.

PinkPuma
Ich denke, das ist Geschmacksache. Zwei Ich-Erzähler sind für mich eher ein No-Go. Ich als Leserin bin dann immer so hin- und hergerissen, mit wem ich mich jetzt identifizieren soll. Zwei Ich-Erzähler funktionieren bei mir nur, wenn diese sich kaum treffen; sagen wir, zwei Leute, die an ganz anderen Schauplätzen agieren und sich erst am Ende treffen. Ansonsten hätte ich Mühe. Aber eben, Geschmacksache.

Trippelschritt
Ich finde es weniger schwierig, Ich + Personal zu mischen. In meiner Geschichte ist es so, dass der Prota in der Personalen ziemlich viel über die Ich-Erzählerin erzählt, weswegen die Personale eigentlich neue Infos über die Hauptprota aufdeckt. Und genau das finde ich besonders spannend an der zweiten Perspektive. Bei einer einzigen Ich-Perspektive kann die Erzählerin ja alles quasi falsch erzählen, wenn ihr danach ist. Der Leser weiss ja dann nie, ob dies oder jenes nur ihrer persönlichen Meinung entspricht. Durch die Zugabe der weiteren Perspektive klart sich dann so manches auf, erstens durch die Sicht des anderen Protas, zweitens durch den Wechsel zu einer objektiveren Perspektive. In diesem Sinne finde ich die zwei Perspektiven nicht schwierig umsetzbar, sondern sie helfen mir sogar, dem Leser ein grösseres Bild zu bieten.

Das einzige, was ich mir vorgenommen habe, ist innerhalb der Kapitel nicht die Perspektiven zu mischen. Entweder ist ein Kapitel in Ich oder in Personal.

Culham
Das ist ganz dir überlassen. Du kannst alles aus der Perspektive einer Figur nehmen und in Ich- oder Er-Form schreiben. Beides absolut gängig.  ;)

Aljana

Ich bin ja selbst sehr experimentierfreudig, was die Perspektiven angeht. Darum würde ich jetzt sagen: Mach doch einfach mal.

In meinem Stern mische ich wild Perspektiven und springe selbst in einzelnen Szenen, wie es in der E-Literatur manch expressionistischer Roman getan hat. Das habe ich bewusst gemacht um ein Gefühl zu erzeugen, wie in einem Film, wen die Kamera von einem auf einen anderen PT wechselt. Bisher habe ich nur gute Kritiken für die Reihe.

Man sagt ja immer, kenne die Regeln des Schreibens und dann brich eine davon bewusst. Wenn du weißt, warum du das tust, würde ich es ausprobieren, Testleser geben, hören, was die dazu meinen. Wenn es nicht die gewünschte Wirkung hat, kannst du es immer noch ändern. Oder du findest etwas völlig einzigartiges für deine Geschichte.


Liebe Grüße.

Matthias

Zitat von: Cailyn am 08. Februar 2017, 15:32:05
Der erste Band muss in Ich-Perspektive sein. Schon sprachlich macht das mehr Sinn, weil die Protagonistin viele Selbstgespräche führt. Alles bezieht sich stark auf die Entwicklung der Protagonistin. Daher die Ich-Perspektive. Im zweiten Band dreht sich natürlich auch fast alles um sie, aber nicht nur. Gerne würde ich da eben auch aus der Perspektive des "Love interest" schreiben. Aber ihn im ersten Band bereits einzubinden, macht auch wenig Sinn, da er erst ab der Hälfte des Buches seinen ersten Auftritt hat und noch gar kein "Love interest" ist. Ein weiterer Grund für die Ich-Perspektive ist ein späteres Ereignis, für welches es nötig ist, dass die Protagonistin diese Zeilen verfasst hat. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen, aber ich hab's jedenfalls neunmalklug geplant  ;D.

Hallo Cailyn, ich stelle mir die Frage, ob du den ersten Band aus Perspektive deiner Protagonistin schreiben kannst, ohne als Ich-Erzähler aufzutreten. Dann wäre der Bruch zum Folgeband für deine Leser weniger stark. Nach meinem Empfinden, lassen sich auch dann Selbstgespräche und tiefe Emotionen gut darstellen.
Darüber hinaus könntest du in einem Epilog den Perspektiv-Wechsel zum zweiten Band vorbereiten.
Hilfreich für deine Leser wäre sicher auch eine Ankündigung im ersten Buch zum zweiten Teil, die erklärt, warum es darin aus der Perspektive von ... weitergeht. Formuliert als Aufforderung oder Apell vielleicht: "Seid dabei wenn es im zweiten Band der Trilogie ... Erlebt eure Heldin aus den Augen von ... und erfahrt dadurch aus nächster Nähe ..."
Auch ein Vorwort im zweiten Band, in dem du die Leser einlädst, die liebgewonnen Figuren des ersten Teils durch die Augen von ... noch intensiver kennenzulernen, könnte hilfreich sein. Denn du hast dir ja etwas dabei gedacht. Das sollten deine Leser wissen. Wenn das Buch gut geschrieben ist, und du deine Leser mitnimmst, sie sich also nicht überrumpelt fühlen, kann das gelingen.
Wo ein Motiv für den Leser erkennbar ist, kann er in der Regel auch folgen. Und deine sprachliche Handschrift wird doch sicher erhalten bleiben, oder?
Magische Grüße  :) Matthias