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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Eluin

Für mich schreit diese Opfer-Perspektive auch nach Prolog. Gerade wenn dieser Perspektivträger gar nicht mehr auftritt. Ich finde man muss den Protagonisten nicht unbedingt im Prolog auftreten lassen oder auch mit einem Epilog schließen. Für mich trennt dieser Prolog eher die eigentliche Handlung / Perspektive vom Rest der Geschichte. Da wäre es dann für mich vollkommen passend, wenn du aus der Opfersicht schreibst. Wie es allerdings auf mich wirkt, wenn es nur das erste Kapitel ist bin ich mir nicht sicher. Aber Prologe sind ja bekanntlich Geschmackssache  ;D

Aber zu deinem Perspektiven-Problem: Ich persönlich hasse Bücher, in denen mitten in einem Abschnitt und innerhalb eines Perspektiv-Trägers die Perspektive gewechselt wird. Und das für meinetwegen nur ein paar Sätze. Das wirkt auf mich immer als hätte der Autor nicht nachgedacht, sich vertan oder sonst etwas. Es reißt mich beim Lesen raus. Bislang habe ich für einen Wechsel mitten im Fließtext noch kein Positivbeispiel gefunden.

Einen Perspektivwechsel, in einem neuem Abschnitt oder Kapitel, empfinde ich aber nicht als negativ. Das habe ich schon häufig gelesen. Ich finde daran spannend, dass ich als Leser neue Details entdecken kann, die der andere Charakter vielleicht noch nicht kennt.
Fies fand ich da ganz besonders Ken Follett "Die Tore der Welt". Er hat jedes Kapitel so spannend aufgebaut, dass man am Ende unbedingt wissen wollte, wie es mit diesem einen Charakter weiter geht und dann schwupps wechselt er zum nächsten Charakter und baut es genauso auf. Ich fand es sehr gut gemacht, aber auch jedes mal so einen Nervenkitzel, weil ich unbedingt wissen wollte, wie es mit dem Charakter weiter geht.

Ich denke am ehesten hilft wahrscheinlich ausprobieren. Wie wirkt es aus dieser Perspektive? Wie aus einer anderen. Was sagen Testleser dazu. Ich habe probeweise bei einem Romanprojekt zwischendurch in die Ich-Perspektive gewechselt. Ist mir gar nicht gelungen. Dadurch wusste ich aber, in welcher Perspektive ich mich für den speziellen Text wohler fühle.
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Moni

 :wache!:
Da der Thread Alles zur Perspektive heißt, soll hier auch wirklich alles zur Perspektive rein. Daher habe ich beide Threads verschmolzen und den Titel angepasst.
:wache!:
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
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Schwarzhand

Hallo allerseits!
Ich persönlich werde wohl mein neues Projekt in der Ego-Perspektive schreiben, da ich ausnahmsweise nur einen Protagonisten habe und ich dessen Erlebnisse auch so intensiv wie möglich beschreiben will. Dazu ist es ein kleines Experiment :vibes:. Der Protagonist ist kein Charakter mit dem man wirklich warm wird. Und das wird sich, wenn ich es so hinbekomme, auch nicht im Laufe der Geschichte ändern. Ich möchte sehen, ob und wie der Leser darauf reagiert, dass er mit solch einem Protagonisten in der Ich-Perspektive konfrontiert wird. Mal schauen wie es sich entwickelt  :).
Grüße Daljien.

Arcor

Mich treibt da gerade ein Gedanke zu meinem NaNo-Projekt um, aber ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist.

Und zwar geht es um eine Verwendung der Ego-Perspektive und der 3. Person-Perspektive für ein und dieselbe Figur innerhalb eines Romans.

Konkret plane ich eine Geschichte mit Rahmen- und Binnenhandlungen. Auf der Hauptebene soll die 3. Person als Perspektive funktionieren. Ob es dabei mehr als einen Perspektivträger geben wird, bin ich mir noch nicht sicher, aber gehen wir erstmal von 80-90% der Szenen aus Sicht des Protagonisten aus.
Zusätzlich möchte ich aber Einschübe schreiben, die philosophische Gedanken des Protagonisten darstellen, angereichert mit Erinnerungen, Erlebnissen etc. Die würde ich gerne in der Ich-Perspektive schreiben, aus dem einfachen Grund, da dies ja auch nur im Inneren stattfindet. In der 3. Person käme da eine Distanz zwischen Prota und Leser, die wahrscheinlich nur stört.

Meine Frage nun: Geht das?  ??? Kann ich das in einem Roman machen, zwischen 1. und 3. Person in der Perspektive zu springen? Ich meine mal gehört zu haben, dass man das nicht machen sollte, aber ich bin gerade ein wenig auf Experiment eingestellt und würde die Szenen ja sehr klar abgrenzen von den anderen (z. B. auch durch Kursivsetzung).
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Malinche

Ach, warum sollte das nicht gehen? Zumal du ja gute Gründe hast, für die Einschübe die Ich-Perspektive zu wählen.

Blödes Beispiel: Ich habe z.B. bei meinem Mahagonibaum auch immer wieder Einschübe in der 1. Person. Das sind dann Briefe oder Tagebucheinträge, in denen es auch um Erinnerungen etc. geht. Das Buch hat einen Verlag gefunden, und niemand hat sich an dieser Struktur gestört (mal gucken, wie es dann die Leser sehen) - ich sehe also nicht, wo die Kombination der Perspektiven ein Problem sein sollte. :)
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Sanjani

Ich habe so etwas auch schon gemacht und sehe darin kein Problem. Ich habe die Szenen in der ersten Person mit Sternchen gekennzeichnet, und bei mir waren es eine Art Tagebucheinträge, wo die Person u. a. das Erlebte reflektiert hat. Ich habe es aber nie explizit als Tagebucheintrag gekennzeichnet. Ich finde, so etwas geht sogar sehr gut :)

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Arcor

@Malinche und Sanjani:

Danke für eure Einschätzung.  :) Das hilft mir schonmal sehr weiter, dass ihr beide so etwas auch schon mal gemacht habt und keine wüst-negativen Reaktionen darauf bekommen habt. Dann mache ich da mal einen Haken drunter und plotte weiter.  ;D
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Faye - Finding Paradise

HauntingWitch

Ich sehe da auch kein Problem, im Gegenteil, ich finde solche Sachen immer interessant. Wichtig finde ich nur, dass der Leser ganz klar erkennt, dass es sich um dieselbe Person handelt. Das müsste man also entweder irgendwie kennzeichnen oder es muss aus der Handlung hervorgehen.

Thaliope

Ich steh gerade ein wenig auf dem Schlauch.

Mein aktuelles Projekt spielt sich auf zwei Zeitebenen ab. Zum einen in der Gegenwart, zum anderen in der Vergangenheit des Fotografen.
Die Rückblenden werden jeweils dadurch eingeleitet, dass der Fotograf anfängt, in der Ich-Perspektive zu erzählen. Dann gibt es einen Szenenwechsel, wir tauchen in die Vergangenheit, und da wird dann seine Geschichte in der dritten Person erzählt.
Jetzt ist die Frage, ob ich in diesen langen Erzählabschnitten noch eine weitere Perspektive unterbringen kann. Zum Beispiel würde ich gern seinen Kunstlehrer zu Wort kommen lassen.
Streng logisch gesehen geht das ja nicht. Aber könnte man es trotzdem machen?

Schonmal danke für eure Meinung!
LG

Coppelia

#324
Ich werde aus deinen Erläuterungen leider nicht schlau, Thaliope. Du redest nur von Rückblenden und Erzählen in der Vergangenheit (wo da der Unterschied ist und warum du zwei verschiedene Perspektiven wählst, ist mir auch unklar). Wo ist das Erzählen in der Gegenwart, das du anfangs erwähnst?
Und warum meinst du, dass eine dritte Perspektive nicht logisch wäre?

Thaliope

Tut mir leid, wenn ich mich so missverständlich ausgedrückt habe :(
Da ich nicht weiß, wie ich es besser beschreiben kann, zeig ich es dir vielleicht an einem Beispiel:

Gegenwart:
Laura unterhält sich mit dem Fotografen Jonathan. "Erzähl doch mal, wie war das damals?"
Jonathan: "Ja, also. Das war ein regnerischer Tag, und ich war auf dem Rückweg von der Schule ..."

Dann der Szenenwechsel, wir gehen mit Jonathan in die Vergangenheit:

Als die Schultür hinter Jonathan ins Schloss fiel, war er sehr erleichtert. Er freute sich darauf, endlich wieder fotografieren zu können. ...

Hier folgt dann ein längerer, mehrere Szenen umfassender Abschitt, der in der Vergangenheit spielt. Und da wäre die Frage, ob ich in diesem Abschnitt auch Szenen von einem anderen Perspektivträger einbringen könnte.
Unlogisch könnte man es insofern finden, als es Jonathans Geschichte ist, und sie auch aus seiner Perspektive erzählt wird und er die Perspektive seines Lehrers ja streng genommen nicht kennen kann.

Ist es jetzt ein bisschen klarer geworden?

Coppelia

Also dann hat in der Gegenwart Laura die Perspektive?
Und so wie du es schreibst, klingt es eher so, als ob du mit direkter Rede in die Vergangenheit überleitest - wobei natürlich jede Figur, die direkte Rede benutzt, in gewisser Weise auch ein Erzähler ist. Aber ich glaube nicht, dass das bereits als Ich-Perspektive durchgeht.

Daher: Ja, du kannst meiner Ansicht nach eine zweite Perspektive in der Vergangenheit einbauen.
Könntest du aber ohnehin, unabhängig von allen anderen Voraussetzungen - logisch muss die Verwendung von Perspektive ja nicht zwangsläufig sein. ;)

Thaliope

Ja genau, die Gegenwart wird aus Lauras Perspektive erzählt und das mit der direkten Rede stimmt auch.
Bei langen Erzählabschnitten ist der Übergang zwischen direkter Rede und Ich-Perspektive für mein Empfinden fließend ... aber eigentlich gehts mir hier ausnahmsweise gar nicht um die korrekte Begrifflilchkeit, sondern eher darum, ob die Leser es als glaubwürdig empfinden, wenn in einem Abschnitt, der gefühlt aus Jonathans Sicht erzählt wird, noch jemand anderes zu Wort kommt.

Lieben Dank jedenfalls für deine Meinung. :) Sehen die anderen das auch so?






moonjunkie

Hmm, das klingt kompliziert. Es ist also Jonathans Perspektive und in der dritten Person geschrieben. In der Vergangenheit soll dann auch der Kunstlehrer zu Wort kommen. Kommt drauf an, wie du es machst. Am Ende darf es den Leser nicht verwirren und eben deutlich sein, das ist glaube ich das Wichtigste. Ginge es vielleicht, wenn der Kunstlehrer auch bei dem Gespräch zwischen Laura und Jonathan dabei ist, also in der Gegenwart und nicht in der Vergangenheit? Könnte er so seine Meinung mit einbringen?

Jonathan erzählt all dies ja eigentlich Laura, oder? Dann fände ich es tatsächlich schwierig die Perspektive des Kunstlehrers dazwischen zu haben. Ich kenne tatsächlich nur Bücher mit zwei Perspektiven, wo am Anfang so ein Gespräch ist und dann die eigentliche Geschichte kommt, aber das ist dann meistens auch wirklich nur die Sicht einer einzigen Figur.

HauntingWitch

Ich finde schon, dass solche Sachen logisch sein sollten. Aber könntest du den Kunstlehrer quasi durch Jonathan sprechen lassen? So, dass dieser aufgrund von Rückmeldungen, Aussagen und Bewertungen des Lehrers darauf schliessen kann, wie er ihn wohl gesehen hat? Oder in der direkten Rede des Lehrers oder durch Briefe, Tagebücher (die später entdeckt werden)... Einfach plötzlich in die Lehrer-Perspektive wechseln fände ich unschön. Andererseits habe ich schon Dutzende Bücher gelesen, in denen so etwas vorkommt und so richtig übel gestört hat es mich bei keinem.  ;)