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Queere Figuren vor dem Leser outen

Begonnen von Maja, 03. Mai 2016, 20:14:53

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wortglauberin

#30
Ach je, sind das spannende Antworten hier! Da trau' ich mich als Neuling ja fast nicht, mich so ganz dreist einzuklinken. Aber eben nur fast :)
Wie anscheinend die meisten hier, finde ich, dass die Balance zwischen "mit den Erwartungen des Lesers spielen" und dem Knalleffekt gewahrt werden sollte, um das Ganze nicht in bloßer Effekthascherei enden zu lassen oder auch darin, dass sich der Lesende am Ende für dumm verkauft verkommt.
Ist natürlich die Frage, was genau man mit dem Roman/ der Geschichte bei den Lesern erreichen möchte- ich bin sicherlich nicht der Meinung, dass gute Geschichten immer leserfreundlich sein sollten bezwiehungsweise diese nicht auch an den Ohren herumführen können; aber eine bloße Enthüllung am Ende, ohne einen anderen Grund für das Outing in genau diesem Moment, als dem Lesenden einen Spiegel vorzuhalten, finde ich persönlich weniger geschickt- auch einfach, weil ich mir vorstellen könnte, dass das eine Trotzreaktion hervorrufen könnte, die in einer ablehnenden statt einer akzeptierenden Haltung resultiert.

Auf der anderen Seite ist es einfach verlockend, mit gewissen Klischees zu spielen, sie umzudrehen oder sich erfüllen zu lassen und die Umgebung der jeweiligen Figuren dann darauf reagieren zu lassen; kann gut sein, dass ich da falsch liege, aber ich glaube, bei homo- oder bisexuellen Figuren hat man es da beinahe noch einfacher als beispielsweise mit asexuellen, weil es zu ersteren eben Vorurteile gibt, die auch einer breiten Öffentlichkeit bewusst (und eventuell inhärent) sind. Wie Mondfräulein schon sagte, es ist nicht ganz so einfach, mit einer Sexualität beiläufig/ nur am Rande umzugehen, die das Gros der Leser ohne Infodumping überhaupt nicht kennt.

Natürlich kommt es auch darauf an, ob man gewisse Grundhaltungen mit seinen Geschichten (bewusst) unterstützt oder unterstreichen möchte.
In meinem jetzigen Projekt ist der Bruder der Protagonisten asexuell, und ich persönlich möchte hier einfach nicht ohne die Metaebene, auch, weil ich glaube, dass ein relativ unaufgeregtes Outing vor dem Lesenden storytechnisch in der Mitte weitaus mehr bewirkt als am Ende. Es gibt mir die Gelegenheit, durch die Reaktion der Figuren ihre jeweiligen Charakterzüge zu unterstreichen- ob nun jemand empathische Unterhaltung mit dem guten Gideon führt, seine Sexualität ignoriert, leugnet oder gar seine bisexuelle Freundin ist, mit der es natürlich einige Gespräche zu führen gibt- so viele Möglichkeiten zur Charakterentwicklung, die ich mir schon bei heterosexuellen Beziehungen nicht entgehen lassen möchte und in diesem Falle noch um Einiges deutlicher herausstellen kann!
Aber natürlich verfolge ich hier eine Agenda (Akzeptanz, Toleranz, verschiedene Lebensentwürfe, werde wer du bist etc.), und ich weiß manchmal nicht, wo die Grenze ist zwischen  "wir-haben-uns-alle-lieb"- Botschaft mit dem Holzhammer und gewissen Überzeugungen, die ich einfach mittrage.
Wie haltet ihr das? Wenn ein knackiges Outing am Ende besser zur Geschichte passt, ohne der Figur zu schaden, opfert ihr dann die Gelegenheit, Dinge zu sagen, die eurer Meinung gesagt werden sollen? Oder unterwerfe ich meine Geschichten zu sehr einer Botschaft?

@Nachtblick, ich fand es auch total schön, wie das in Tschick gelöst wurde! Bei Herrndorf kam das aber weniger als Knall, finde ich, eher als ein awww- Effekt mit eine Prise Überraschung.
@Mondfräulein, ich hatte den letzten Teil des Raven Cycles zwar auch noch nicht gelesen, aber jetzt ärgert es mich doppelt, dass ich erst Unizeug machen muss, bevor ich ihn lesen darf... ich liebe die Bücher, und das klingt großartig!  :wolke:

criepy

#31
Ich glaube, es gibt kein "richtig" und kein "falsch" bei diesem Thema, solange das Outing zum Charakter und dem Setting passt.
Wenn es zum Charakter passt, sich mit einem "Knall" zu outen, ist das doch ok. Wenn ein schüchterner und verschlossener Charakter auf einmal da steht und aus heiterem Himmel sagt "Ich bin homosexuell" ist das...komisch und wirkt gestellt.
Wenn die Sexualität für den Charakter an sich ein großes Thema ist, sollte dieses auch dementsprechend behandelt werden. Beispielsweise wenn er/sie eine homophobe Familie hat, ist das oftmals doch sehr belastend. Oder wenn man weiß, der Freundeskreis ist da eher intolerant.
Ist es für keinen ein großes Thema, ist es für die Figur auch keine große Sache und kann in einem Nebensatz erwähnt werden.
Auch ist finde ich wichtig, ob die Figur von Anfang der Geschichte an weiß, welche Sexualität sie hat oder ob dies erst im Laufe der Geschichte "erforscht" wird. Wenn der Prota beispielsweise anfängt, Gefühle für jemanden zu entwickeln und dabei erst bemerkt, dass er eben homosexuell ist.

Ich weiß um ehrlich zu sein noch gar nicht, ob ich meine Protagonistin als asexuell outen soll/muss. Für die Geschichte ist es eigentlich nur wichtig, wenn es um ihre Beziehungen geht. Sie selbst ist eine Jugendliche die sich niemals mit Sexualitäten oder Geschlechtern beschäftigt hat, demnach weiß sie auch nicht, dass sie asexuell ist bzw. sein könnte. Der Leser, der sich mit der Materie auskennt, weiß es, ohne das ich groß etwas dazu schreiben müsste.

wortglauberin: Uff, schwer zu sagen, um ehrlich zu sein. Wie bereits gesagt ist eine meiner Protagonisten auch asexuell, jedoch ohne wirklich geoutet zu werden. Sie hat demnach auch andere Erwartungen an eine Beziehung als ihr Freund, was zu Komplikationen führen wird und ich denke, dass diese Diskussionen zwischen den beiden genauso eine Botschaft sein können. Und das ohne, dass ich sie direkt geoutet habe. Demnach denke ich, dass du beides irgendwie vereinbaren kannst, ohne irgendeiner Figur zu schaden.

wortglauberin

@criepy, spannende Gedanken, und wenn es um ein Outing innerhalb der Geschichte geht, stimme ich dir auch vollkommen zu, das sollte schon zu der Figur passen- aber ein Outing vor dem Leser ist doch nicht zwangsläufig dasselbe, oder?
Wie hier auch bereits erwähnt wurde, kann das doch ebenfalls völlig unaufgeregt vonstatten gehen, eben durch einen flüchtigen Gedanken oder einen Traum oder ähnliches.
Klingt aber sehr schön, was du da für deine Protagonistin planst- und auch, als ob so ein sanfter Hinweis und das Gespräch mit ihrem Freund besser zu ihr passt als etwas deutlicheres.  :)

Snöblumma

Zitat von: wortglauberin am 10. Mai 2016, 17:28:28
aber ein Outing vor dem Leser ist doch nicht zwangsläufig dasselbe, oder?

Spannender Punkt. Habe ich ehrlich noch nie darüber nachgedacht...

Ich persönlich bevorzuge ja die eher leise, unauffällige Art, Figuren vor dem Leser zu outen, einfach weil in meinen Büchern bisher noch nie der Fokus auf diesem Thema lag und es noch bei keiner Figur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Probleme gab. In meinem aktuellen Fantasyprojekt ist der männliche Haupt-PoV schwul und zusammen mit seinem langjährigen Freund unterwegs, aber das stört in diesem Setting niemandem und ist allgemein bekannt. Das deute ich in der ersten Szene schon an (für die aufmerksamen Leser), und spätestens als der Freund verwundet wird und der Held sich die Augen rausheult merkt es hoffentlich auch der Letzte ;). Aber das kommt immer ganz auf die Geschichte an, wenn der Knalleffekt passt, dann passt er eben.

Simara

Bei mir ändert sich stetig, wie ich damit umgehe. Früher, als das Thema für mich persönlich auch noch "frischer" war, habe ich sehr häufig mit den Erwartungen der Leser gespielt und ihnen dann die Orientierung der Figur um die Nase gehauen oder sehr dramatische coming-out Szenen geschrieben. Und wenn es subtiler zuging, dann so subtil, dass tatsächlich alles zwischen den Zeilen stand und nichts bestätigt wurde. Letzteres finde ich, rückblickend, auch immer noch ganz legitim, solange die betreffenden Details nicht Plot relevant sind. Immerhin lässt man den Lesern dann alle Möglichkeiten offen. Natürlich verspielt man dann auch die Gelegenheit, positive Beispiele zu setzen, aber dazu eignet sich ja auch nicht jede Geschichte.
Erstere Variante, das große Erwartungsspiel, sehe ich inzwischen auch eher als zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite mag ich es, Leser zu überraschen, auf der anderen versuche ich aber auch, LGBT+ Themen in meinen Geschichten zu normalisieren und da ist eine "Große Enthüllung™" eher hinderlich.
Im Moment ist meine Faustregel, entsprechende Details mehr oder weniger "im Nebensatz" bekannt zu geben und auch eher zu Beginn der Handlung, damit sich niemand betrogen fühlt.
Allerdings hängt der Umgang mit solchen Themen natürlich immer stark vom jeweiligen Kontext der Geschichte ab und es ist, denke ich, sehr hilfreich, ein kleines Maßnahmen-Repertoire zur Verfügung zu haben, aus dem man sich immer stets die- hoffentlich- richtigen Werkzeuge auswählen kann.

Mondfräulein

Zitat von: criepy am 10. Mai 2016, 01:41:01
Ich weiß um ehrlich zu sein noch gar nicht, ob ich meine Protagonistin als asexuell outen soll/muss. Für die Geschichte ist es eigentlich nur wichtig, wenn es um ihre Beziehungen geht. Sie selbst ist eine Jugendliche die sich niemals mit Sexualitäten oder Geschlechtern beschäftigt hat, demnach weiß sie auch nicht, dass sie asexuell ist bzw. sein könnte. Der Leser, der sich mit der Materie auskennt, weiß es, ohne das ich groß etwas dazu schreiben müsste.

Ich persönlich würde sie auf jeden Fall outen, wenn sie asexuell ist. Das Problem, und darüber stolpere ich eben auch immer wieder selbst, ist dass sehr, sehr wenige Menschen wissen, was Asexualität überhaupt ist. Noch weniger Menschen würden so etwas erkennen, wenn es ihnen subtil begegnet. Ich persönlich kenne mich mit dem Thema wirklich aus, aber ich würde es nicht erkennen, weil ich es dem Autoren schlicht nicht glauben würde. Einfach, weil ich noch nie eine asexuelle Figur in einem Buch entdeckt habe und selbst ich würde mir vielleicht einreden, dass der Autor da etwas anderes meint, einfach, weil Asexualität so furchtbar unbekannt und missverstanden ist. Ich würde mich aber wahnsinnig freuen, so eine Geschichte zu lesen und umso mehr, wenn du sie vor dem Leser auch als asexuell outen würdest.

Zitat von: wortglauberin am 10. Mai 2016, 17:28:28
aber ein Outing vor dem Leser ist doch nicht zwangsläufig dasselbe, oder?

Das ist ein sehr wichtiger Punkt! Eine meiner asexuellen Figuren redet mit anderen nicht darüber, weil er selbst weiß, wie das bei ihm ist, weil er weiß, dass das okay und normal ist und mit sich selbst im Reinen ist. Aber der Leser erfährt durch seine Perspektive natürlich davon.

Zitat von: wortglauberin am 09. Mai 2016, 22:23:23
Wie haltet ihr das? Wenn ein knackiges Outing am Ende besser zur Geschichte passt, ohne der Figur zu schaden, opfert ihr dann die Gelegenheit, Dinge zu sagen, die eurer Meinung gesagt werden sollen? Oder unterwerfe ich meine Geschichten zu sehr einer Botschaft?

Ich glaube, das kommt einfach darauf an, was einem wichtiger ist. Mir sind diese Botschaften extrem wichtig, weil ich deshalb queere Figuren schreibe, und deshalb sorge ich von Anfang an dafür, dass die Geschichte nicht darunter leiden muss, dass das Outing meistens eben nicht erst ganz am Ende kommt. Aber die Geschichten, die ich schreibe, erfordern so ein Outing eben auch nicht, weil da andere Dinge passieren, die spannender sind, und ich Identitäten einfach nicht als Knalleffekt benutze. Das finde ich als Leser nicht spannend und schreibe es deshalb so aber auch nicht.

Das ist bei den Raven Boys vielleicht ein wenig anders (ich glaube, das wird hier im Forum mein Lieblingsbeispiel). Eine Figur ist schwul und theoretisch ist er es von Anfang an - wenn man es weiß, gibt es sehr viele Andeutungen. Es kommt am Ende von Band II raus und auf einmal macht viel mehr einen Sinn und man denkt so aaaach, das hätte ich doch die ganze Zeit wissen können. Das passt aber auch, weil es im zweiten Buch darum geht, diese Figur besser kennen zu lernen, er entblättert sich nach und nach vor dem Leser und am Ende steht er auch, vor dem Leser und sich selbst, dazu. Das passt einfach wunderbar zu seiner Entwicklung. Allerdings folgen dann noch zwei andere Bücher und eine wunderbare Liebesgeschichte, also ist es nicht ganz am Ende sondern eher in der Mitte. Das war ein "Knalleffekt", den ich passend und stimmig fand.

Lukas

Zitat von: Mondfräulein am 14. Mai 2016, 11:48:21

Das ist bei den Raven Boys vielleicht ein wenig anders (ich glaube, das wird hier im Forum mein Lieblingsbeispiel). Eine Figur ist schwul und theoretisch ist er es von Anfang an - wenn man es weiß, gibt es sehr viele Andeutungen. Es kommt am Ende von Band II raus und auf einmal macht viel mehr einen Sinn und man denkt so aaaach, das hätte ich doch die ganze Zeit wissen können. Das passt aber auch, weil es im zweiten Buch darum geht, diese Figur besser kennen zu lernen, er entblättert sich nach und nach vor dem Leser und am Ende steht er auch, vor dem Leser und sich selbst, dazu. Das passt einfach wunderbar zu seiner Entwicklung. Allerdings folgen dann noch zwei andere Bücher und eine wunderbare Liebesgeschichte, also ist es nicht ganz am Ende sondern eher in der Mitte. Das war ein "Knalleffekt", den ich passend und stimmig fand.

Ich möchte mal die Hand heben und eine Lanze für Alec(als Lieblingsbeispiel) aus "City of XY" brechen.  ;D Dessen Orientierung hat 90% des Romans im Subtext verbracht und wurde dann (YA-typisch) kurz vor der finalen, alles entscheidenden Schlacht enthüllt. Hab mir jetzt Dank euch allerdings den gesamt Raven-Cycle bestellt  ::) ich mochte zwar "Shiver" und "Linger" nicht besonders, aber ich habe gehört, dass der Raven-Cycle besser sein soll und jetzt habt ihr´s geschafft. Mein lokaler Buchhändler hat sich gefreut  :D

Zitat von: wortglauberin am 10. Mai 2016, 17:28:28
aber ein Outing vor dem Leser ist doch nicht zwangsläufig dasselbe, oder?

Nope, sehe ich genauso. Ich weiß nicht, wie sehr ihr mit der Thematik vertraut seid, aber in der "Szene" spricht man von einem "inneren" und von einem "äußeren" Coming-Out. Das "Innere" wäre Selbstakzeptanz und (falls PoV-Charakter) das wörtliche Eingestehen und damit Vermitteln an den Leser. Als das "Äußere" wird das Einweihen Dritter verstanden und ist somit das klassische Coming-Out (Nebenfigur, deren Innenleben man nicht mitbekommt).[ Das letztere wird auch noch in verschiedene Stufen eingeteilt. Die wohl häufigsten sind: "beste Freunde"-->"Geschwister"-->"Eltern"-->"Familie"-->der Rest der Welt(wenn danach gefragt wird). Das ist zumindest das, was ich in der Jugendarbeit festellen durfte.(Ich wurde da häufiger angesprochen, weil ich nie einen Hehl daraus gemacht habe und Jugendliche dann doch erstmal an der Stelle nachfragen, an der sie sicher sein können, dass sie nicht verurteilt werden)] So, ich schwöre, dass ist das letzte mal, dass ich ungefragt etwas zu dem Thema geschrieben habe.   :engel: :engel:

War nicht ursprünglich die Diskussion um Majas spezifisches Problem beim Outing ihres Charakters? Inzwischen ist es mehr zu einer Grundsatzdiskussion geworden :).  Haben wir dir irgendwie weitergeholfen, Maja?

Mondfräulein

Zitat von: Lukas am 14. Mai 2016, 13:02:12
Hab mir jetzt Dank euch allerdings den gesamt Raven-Cycle bestellt  ::) ich mochte zwar "Shiver" und "Linger" nicht besonders, aber ich habe gehört, dass der Raven-Cycle besser sein soll und jetzt habt ihr´s geschafft. Mein lokaler Buchhändler hat sich gefreut  :D

Shiver und Linger sind wirklich nicht mit den Raven Boys vergleichbar. Du wirst total begeistert sein, hoffe ich. Erzähl mir, was du davon hälst!

Zitat von: Lukas am 14. Mai 2016, 13:02:12
Nope, sehe ich genauso. Ich weiß nicht, wie sehr ihr mit der Thematik vertraut seid, aber in der "Szene" spricht man von einem "inneren" und von einem "äußeren" Coming-Out. Das "Innere" wäre Selbstakzeptanz und (falls PoV-Charakter) das wörtliche Eingestehen und damit Vermitteln an den Leser. Als das "Äußere" wird das Einweihen Dritter verstanden und ist somit das klassische Coming-Out (Nebenfigur, deren Innenleben man nicht mitbekommt).[ Das letztere wird auch noch in verschiedene Stufen eingeteilt. Die wohl häufigsten sind: "beste Freunde"-->"Geschwister"-->"Eltern"-->"Familie"-->der Rest der Welt(wenn danach gefragt wird). Das ist zumindest das, was ich in der Jugendarbeit festellen durfte.(Ich wurde da häufiger angesprochen, weil ich nie einen Hehl daraus gemacht habe und Jugendliche dann doch erstmal an der Stelle nachfragen, an der sie sicher sein können, dass sie nicht verurteilt werden)] So, ich schwöre, dass ist das letzte mal, dass ich ungefragt etwas zu dem Thema geschrieben habe.   :engel: :engel:

Die Ausführung finde ich aber total interessant, also schreib ruhig weiter Dinge zu diesem Thema! Allerdings bin ich nicht sicher, ob man das innere Coming Out mit dem vor dem Leser gleichsetzen kann. Wenn ich an Raven Boys denke, bin ich ziemlich sicher, dass die Figur, die ich meine, das schon von Anfang an weiß, aber wirklich deutlich gesagt bekomme ich es erst sehr viel später. Auch mein Tristan weiß zum Beispiel von Anfang an, dass er schwul ist und verheimlicht es vor dem Leser auch nicht, aber sein Coming Out vorm Leser hat er erst später, weil er vorher einfach keinen Grund hat, es explizit zu erwähnen (und ich ihn nicht gleich als den schwulen Tristan einführen wollte, weil er sehr viele Charaktereigenschaften hat, die ihn mehr definieren und der Leser erst diese kennen lernen sollte). Insofern könnte man da durchaus noch eine Unterscheidung machen, oder? :hmmm:

wortglauberin

#38
Zitat von: Mondfräulein am 14. Mai 2016, 11:48:21
Ich glaube, das kommt einfach darauf an, was einem wichtiger ist. Mir sind diese Botschaften extrem wichtig, weil ich deshalb queere Figuren schreibe, und deshalb sorge ich von Anfang an dafür, dass die Geschichte nicht darunter leiden muss, dass das Outing meistens eben nicht erst ganz am Ende kommt.

Geht mir genauso, aber, wie du schreibst, ist da natürlich nützlich, wenn man das schon im Kopf hat, während man die Geschichte plant, damit der Spannungsbogen eben nicht darunter leidet- wobei ich sicher bin, dass das auch nachträglich gut möglich ist, das erfordert dann eben ein bisschen Modellierungsarbeit.  :)

@Lukas Lustig, dass du Alec ansprichst, mit den Mortal Instruments hat nämlich mein Interesse für queere Figuren in Romanen und Repräsentation im Allgemeinen erst begonnen; ist jetzt auch schon wieder ein paar Jährchen her, dass ich die Bücher gelesen habe, aber ich meine mich zu erinnern, dass ich dort generell die Balance zwischen der Thematisierung seiner sexuellen Orientierung und gleichzeitig den anderen Aspekten seines Charakters sehr schön ausgewogen fand. Als einen Knalleffekt habe ich das auch gar nicht empfunden, es wird ja in den ersten beiden Büchern, glaube ich, sogar schon von den anderen Figuren spekuliert bzw. als gegeben genommen.
Und, OT: der Raven Cycle lohnt sich wirklich sehr :vibes:

Ich habe mal noch über das Thema nachgedacht, und mir ist jetzt gerade noch ein Beispiel eingefallen, das ich trotz Überraschungseffekt sehr gelungen fand: Kennt noch jemand die "Seraphina"- Bücher von Rachel Hartman? Dort wird
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
(Spoiler ohne Namensnennung). Ich muss also vielleicht mein Urteil revidieren, storytechnisch kann das wirklich ganz schön sein  :)


criepy

Zitat von: wortglauberinaber ein Outing vor dem Leser ist doch nicht zwangsläufig dasselbe, oder?
Nein, das selbe ist es natürlich nicht. Aber ich finde auch ein Outing vor dem Leser schwierig in vielen Situationen. Ich fände es sehr befremdlich, wenn man eigentlich immer sehr nah an dem Wissen der Figur schreibt und dann aus der neutralen "Erzählersicht" des Autors auf einmal outet, dass die Figur eben nicht heterosexuell ist und sie selbst die Art ihrer Orientierung nicht kennt, wie es beispielsweise in meinem Fall wäre. Dafür würde ein komplett neutraler Erzählerstil gebraucht werden und es gebe so gesehen keine richtige POV-Figur. Und sowas kann oftmals gut sein, natürlich, aber ich denke nicht, dass ich es richtig einbinden oder beschreiben könnte. Das liegt an mangelender Erfahrung, da ich auch irgendwie nur sehr selten solche Passagen gelesen habe.

Zitat von: MondfräuleinIch persönlich würde sie auf jeden Fall outen, wenn sie asexuell ist. Das Problem, und darüber stolpere ich eben auch immer wieder selbst, ist dass sehr, sehr wenige Menschen wissen, was Asexualität überhaupt ist. Noch weniger Menschen würden so etwas erkennen, wenn es ihnen subtil begegnet. Ich persönlich kenne mich mit dem Thema wirklich aus, aber ich würde es nicht erkennen, weil ich es dem Autoren schlicht nicht glauben würde. Einfach, weil ich noch nie eine asexuelle Figur in einem Buch entdeckt habe und selbst ich würde mir vielleicht einreden, dass der Autor da etwas anderes meint, einfach, weil Asexualität so furchtbar unbekannt und missverstanden ist. Ich würde mich aber wahnsinnig freuen, so eine Geschichte zu lesen und umso mehr, wenn du sie vor dem Leser auch als asexuell outen würdest.
Natürlich ist es beinahe unmöglich, jemanden als asexuell zu identifizieren, wenn dieser einen nicht mit der Nase voran dort hineinschupst. Das ist vor allem bei diesen ganzen Abspaltungen schwer, da diese teilweise auch einen normalen sexuellen Trieb haben. Wobei meine Prota einfach nur ganz klassisch stumpf asexuell ist - in seiner mehr oder weniger reinsten Form.
Und du hast Recht - ich würde es einem Autor denke ich auch nicht abkaufen, wenn dieser nur so subtil darüber schreibt. Aber soweit ich mich erinnere, kenne ich sogar einen asexuellen Charakter - nur weiß ich leider nicht mehr wo er vorkam.  :'(
Das Problem mit dem outen bleibt für mich leider trotzdem bestehen, wie ich im oberen Abschnitt geschrieben habe. Selbst wenn ich sie vor dem Leser outen wollen würde - ich wüsste nicht, wie ich das richtig anstellen sollte, wodurch dann trotzdem alle Figuren im dunklen bleiben. Allen vorran natürlich meine Prota. :/

Zitat von: LukasIch weiß nicht, wie sehr ihr mit der Thematik vertraut seid, aber in der "Szene" spricht man von einem "inneren" und von einem "äußeren" Coming-Out.
Das ist mir natürlich durchaus klar - aber in diesem Fall wird eben von einer dritten Partei geredet. Dabei geht es eben nicht um die Person an sich oder dessen Umfeld, sondern um den Leser. Dieser ist da finde ich ein neutralerer Part, der in dieser Situation mehr wissen würde als die fiktiven Charakter. Und das ist immer so eine komplizierte Geschichte.  :darth:

Zu den Beispielcharaktern kann ich leider nicht viel beitragen - ich hab keines davon gelesen.

Ich kann nur von einer Buchreihe berichten, wo homosexuell meiner Meinung nach am realistischten dargestellt wird. Auch was die Reaktion des Umfeldes betrifft. Aber in dieser Reihe bringen sich Kinder von max. 15 Jahren gegenseitig um und eine 14-jährige wird schwanger und bringt einen Menschen-Alien-Verschnitt zur Welt. Da ist die Homosexualität der Charakter noch das normalste.  ::)

Ansonsten...kennt jemand vielleicht die House of Night Reihe? Die Outings fand ich da immer SEHR schlecht - vor allem in Jacks Fall..."Der heißt Jack so und so, der ist schwul, weil Brokeback Mountain." Aaaah.  :wums:




Mogylein

Ein wichtiges und schönes Thema, dem ich mich auch immer wieder gegenüber sehe!

Zunächst @Maja
Ich denke, es ist die größere Überraschung, wenn du diesen "Widerspruch" von knallharter Krieger und Homosexualität eben nicht als Überraschung ausspielst. Ich liebe ja deine ganzen Plottwists, aber mal abgesehen davon, dass ich kein großer Fan des "Outings als Twist"* bin, denke ich, dass es schon ziemlich oft gemacht wurde und deshalb so gar nicht zu den typischen Maja-Twists passt.

*Meine einzige Ausnahme: Wenn ein Charakter es plotbedingt geheimhält, dass er_sie LGBTQIA ist, dann finde ich es okay

Ich versuche, es immer ziemlich eindeutig zu machen (meist, ohne die entsprechenden Wörter zu benutzen, da es nicht selten einfach nicht so richtig in meine Welt passt). Beispielsweise ist eine meiner Figuren mit einer Frau zusammen und hat aber noch viel Kontakt zu ihrem Ex-Freund. Oder eine Figur schaut sich in der Taverne nach dem hübschesten Menschen des gleichen Geschlechts um. Ich versuche auch, das möglichst früh zu erwähnen, damit kein falsches Bild entsteht, Repräsentation für LGBTQIA-Leser früh gegeben ist und damit niemand auf ein falsches Ship setzt/für die richtigen Charaktere mitfiebert.
Schwierig finde ich es bei asexuellen und transgender Figuren, da das in der Regel nichts ist, das meine Figuren miteinander besprechen würden. Der Bruder einer meiner Hauptfiguren ist trans und ich lasse es hauptsächlich daran erkennen, dass die Mutter das falsche Pronomen benutzt und den Geburtsnamen verwendet (was von den anderen Figuren sehr negativ bewertet wird, alle anderen sprechen den Bruder nur als Mann an), aber inwiefern das akzeptabel ist, kann ich als Cis-Person schlecht einschätzen, da muss ich meine transgender Freunde fragen, ob sie es gegenlesen würden und ob es so in Ordnung ist.
Bei meinen asexuellen Figuren bin ich bisher nur soweit, dass sie sagen (entweder im Monolog oder im Dialog), dass sowas nichts für sie ist und sie sich nicht danach sehnen, aber ich glaube, das kann ich besser.

Wie auch einige andere hier im Thread bin ich immer dafür, queere Figuren (also das ganze LGBTQIA-Spektrum) für den Leser zu outen. Das heißt nicht, dass die anderen Figuren es wissen müssen, das passt nicht immer (gerade in Gesellschaften, in denen Homosexualität illegal oder geächtet ist), aber allein schon der Repräsentation wegen finde ich es sehr wichtig. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mir die Finger nach der Serie Crazy Ex-Girlfriend geleckt habe, einzig und allein, weil ich herausgefunden habe, dass eine der wichtigen Figuren bisexuell ist. Ich bin es leid, mir zu allen Figuren einen bisexuellen Headcanon zu basteln und jeden Augenkontakt zu überinterpretieren und da bin ich nicht alleine. Deshalb arbeite ich gerne daran, mehr Repräsentation in meinen Romanen einzubauen und auch so früh wie möglich in der Geschichte anzusprechen.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Steffi

#41
Bei meinen Spionen habe ich auf Labels bisher bewusst verzichtet, auch wenn ich genau weiß, wie jede der Figuren tickt. Und das gefällt mir ganz gut so. Finley zum Beispiel hat als Halb-Fae ein völlig anderes Verhältnis zu Geschlechtern als Menschen, aber da er sich darüber keine Gedanken macht, spielt es auch in meinem Buch keine Rolle.

Ich habe auch eine asexuelle Figur mit dabei, auch wenn das bisher wahrscheinlich niemand vermutet hat. Aber da besagte Figur eben einfach kein Interesse an einer Beziehung hat, denkt sie auch nicht wirklich weiter darüber nach - da fällt das outen dann schwer. Ich denke in Band 5 wird es ein paar deutlichere Hinweise geben, aber laut sagen werde ich es nicht. Dafür ist es einfach nicht handlungsrelevant genug.
Sic parvis magna

Evanesca Feuerblut

Ich glaube, ein Problem des Outings gerade im Fantasysetting oder bei historischen Romanen / historischer Fantasy ist, dass es für Vieles auch nicht wirklich einen Namen gibt zu der Zeit, in der die Geschichte spielt oder in der Welt.
Dadurch kann man manchmal nur begrenzt deutlich werden. Meine Yaelle, die ungefähr 8.000 v.u.Z. in Atlantis lebt, kann sich nicht als asexuell outen, da sie kein Wort dafür hat. Ich kann nur durch ihre Aktionen zeigen, dass sie kein Interesse an Sexualität hat. (Aufgrund eines Traumas hat sie zusätzlich kein Interesse an einer Beziehung, aber das ändert sich in der ca. 6.000 Jahre später spielenden Folgereihe - sie ist nämlich zwar asexuell, aber nicht aromantisch). Und ich frage mich dauernd, ob das beim Leser so auch ankommt, ankommen kann, dass es sich bei ihr nicht nur um eine Phase oder sonstwas handelt, auch nicht die Folge ihres Traumas ist, sondern sie auch vorher schon so war, wenn ich streng personell schreibe und es keine Möglichkeit gibt, da als Erzählinstanz einzuwerfen: Ach ja, das ist ihre sexuelle Orientierung.
Also ja, asexuelle Figuren sind schwer darstellbar, wenn man mit impliziten Mitteln arbeiten muss/will :O.
Da ist alles andere schlicht darum einfacher, weil man es durch Interaktionen mit anderen Figuren zeigen kann, durch das schon angesprochene "dem schönsten Wesen des eigenen Geschlechts nachsehen" etc.
Aber wie soll man was zeigen, das nicht da ist? :D

Mondfräulein

Ich glaube, die Frage mit Asexualität haben hier schon einige, vielleicht wäre das ja fast schon was für einen eigenen Thread?

Maja

#44
Zitat von: Mondfräulein am 17. Mai 2016, 18:49:48
Ich glaube, die Frage mit Asexualität haben hier schon einige, vielleicht wäre das ja fast schon was für einen eigenen Thread?
Ich denke, einen Thread zur Asexualität können wir durchaus brauchen - dann aber allgemeiner und nicht spezialisiert auf das Coming Out, sonst gibt es ein Durcheinandeer.


Derweil hat mein schwuler Krieger in der Überarbeitung auf der zweiten Seite seiner Perspektive erklärt, mit Frauen nichts anfangen zu können (dem Leser, nicht seiner Umwelt), und von da an ist es nur noch ein kleiner Schritt, dass er in den Prinzen verliebt ist. Dann halt ohne Knalleffekt. Gefällt mir aber besser so.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt