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Fantasy - Nur noch "Zyklen" und "Chroniken"?

Begonnen von Sturmbluth, 03. Mai 2016, 10:11:50

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Aljana

@Tintenteufel Ja, ich stimme dir teilweise zu. Qualität immer vor Quantität und sicher, es gibt die aufgeblasenen Werke, die unnötigen Plot noch und nöcher haben. Aber ebenso wenig, wie man perse sagen kann, alles ist gut, was der Künstler für nötig hält, kann man eben auch anders herum nicht pauschalisieren und das hast du mit deinem Post gemacht. Darum habe ich bewusst in meinem übertrieben.

Der Hobbit war ein tolles Buch. Auch das letzte Einhorn, was ebenfalls mit unter 400 Seiten auskommt. Doch nicht weniger hat mich Harry Potter vom Hocker gehauen und ich habe jede einzelne Seite gebraucht. Sogar den langgezogenen 5ten Band mit all seinen (nötigen?) Subplots, denn der fünte Teil ließ Harry warten, außen vor sein. Man wurde in diesen inneren Kampf und diese Frustration gerade zu magisch hineingezogen und hat völlig verstanden, warum er am Ende diese schwachsinnige Aktion gerissen hat, bei der sein Patenonkel den Löffel abgab. J.K. hat nicht seitenweise erklärt und gerechtfertigt, warum Harry und seine Freunde das tun, sondern es dem Leser vor Augen geführt.
Show don't tell. Ein Leitspruch, an den ich mich immer versuche zu halten. Wenn ich eine langweilige einseitige Abhandlung schreiben kann, darüber was sich noch so alle ereignet, weil ich das brauche um weiterzumachen, oder aber in einer knackigen fünfseitigen Szene zeigen kann, was da passiert, würde ich mich für die längere Variante entscheiden. Vielleicht würdest du das als unnötig und falsch ansehen, doch bei einem Werk, wo es für mich Sinn macht, würde ich es immer wieder tun.


Evanesca Feuerblut

Zum Thema "Lassen Reihen sich leichter verkaufen?" wollte ich noch anmerken, dass ich als relativ neue Autorin versuchen werde, meine Reihe an eine Agentur zu vermarkten. Alleine sehe ich keine Chance, sie an einen Verlag zu bringen, weil neun Bände eben doch ein recht großes finanzielles Risiko sind. Selbst wenn alle neun zusammen am Ende "nur" auf rund 2k Normseiten kommen.

Grey

Tintenteufel hat insofern recht, als dass es vielen Autoren einfach wirklich schwerfällt, zu beurteilen, was gekürzt werden kann und was nicht. Einfach, weil man seine Figuren oft so sehr liebt, dass man es auch genießt, sie bei stundenlangem Blablabla mit Käsesoße zu beobachten. Den Leser interessiert das aber nicht. Oder sehr oft muss sich der Autor die Geschichte auch erstmal selbst sehr detailliert erzählen, um zu verstehen, wo die Reise hingeht. Aus so einer kurzen Distanz ist es einfach schwer zu überblicken, was die Geschichte noch braucht und was nicht. Das ist in den meisten Fällen vermutlich nicht mal übermäßige Selbstverliebtheit (das würde auch gar nicht mit all den Zweifeln und dem Weltschmerz zusammengehen, den man als Autor so hat), sondern einfach mangelnde Distanz, die das Urteilsvermögen einschränkt. Dafür gibt es ja Lektoren und Agenten.
Meine Agentin erzählt gern die Anekdote von der Historien-Autorin, die sich auch immer sehr darin verloren hat, alle zwischenmenschlichen Feinheiten und alles, was sie über die Epoche recherchiert hatte, in den Roman zu packen. Sie gab das 1300-Seiten-Manuskript schließlich der Agentin und sagte kleinlaut: "Ich glaube, da müssen wir kürzen ..."
Und die Agentin erwiderte: "Ohhhh ja. Das müssen wir."
"Aber ich kann es nicht!", sagte die Autorin verzweifelt. "Ich weiß nicht, wo man da noch etwas rausnehmen soll, das ist doch alles wichtig zum Verständnis der Handlung!"
"Na gut", sagte die Agentin. "Dann mach mal die Augen zu und sei tapfer. Ich erledige das für dich."
Und zack! - waren plötzlich 600 Seiten weg und aus dem Schinken ein richtig gutes Buch geworden, das innerhalb weniger Tage einen Verlag gefunden hat. Und auch die Autorin musste zugeben, dass es sich viel besser las. ;D Aber allein hätte sie einfach gar nicht sehen können, wo sie ansetzen soll, allein schon weil man bei seinem eigenen Text immer viel zu viele SKrupel hat. Oder sich an Textstellen klammert, die man sehr mag, die dann aber rausfallen würden. Deswegen vermute ich, wenn ein Buch sehr zerfasert ist und zu viel Infodump betreibt, dann ist es einfach nicht optimal lektoriert worden.

Entropy

Ich persönlich finde längere Reihen unglaublich langweilig. Einzige Ausnahmen waren bisher ASOIAF und die Foundation-Reihe von meinem Lieblingsautor Isaac Asimov. Bei allen anderen Reihen habe ich spätestens beim zweiten Band, der meist den Zweck zu verfolgen schien, die Nachwirkungen der Ereignisse des ersten Bands möglichst detailliert auszuwalzen, abgebrochen. So erging es mir bei den "Sturmlicht-Chroniken" von Sanderson, beim "Drachenbeinthron" von Tad Williams und natürlich auch bei "Wheel of Time". Ich habe Besseres zu tun als mich durch tausend Seiten irrelevante Szenen zu quälen bevor ich endlich mal mit dem verschollenen Plot konfrontiert werde. Das hat nichts damit zu tun, dass ich es nicht leiden kann, wenn der Autor ausführlichen Weltenbau betreibt oder einen Haufen Details in das Buch einbringt. Ich liebe es Bücher zu lesen, in denen man in eine Welt mit Hintergrund eintauchen kann. Das Problem bei den meisten Fantasyreihen ist, dass der Autor es nicht schafft trotz allem den Plot und den Spannungsbogen im Vordergrund zu halten.

Ich nehme mal das Beispiel vom "Drachenbeinthron": Insgesamt drei Bücher, von denen das dritte in der deutschen Übersetzung auch noch in zwei Teile aufgespalten wurde. Den ersten Band hatte ich letzten Sommer gelesen und dass ich es bis zum Ende geschafft habe, war auch nur der Tatsache geschuldet, dass der Autor einen wirklich außergewöhnlichen Stil besitzt. Das Buch ist ein gutes Beispiel, warum ein toller Stil nicht ausreicht, um ein tolles Buch zu schreiben. Der Spannungsbogen war einfach eine Katastrophe. Das erste Drittel sollte anscheinend den Leser in die Ausgangssituation einführen, schön und gut, aber dafür braucht man nicht 300 Seiten, und das zweite Drittel glich einer weitschweifigen Reisebeschreibung durch einen gewöhnlichen Wald in Mitteleuropa. Erst auf den letzten 200 Seiten wurde das Buch einigermaßen spannend, da es nun auf die Endschlacht zuging. Die meisten argumentieren nun, dass die ersten (unnützen, langweiligen) 800 Seiten des Buches notwendig waren, um die Handlung aufzubauen, die Welt einzuführen und den Protagonisten zum Helden zu schmieden. Waren sie aber nicht. Ich lese lieber drei Absätze, in denen die historische Schlacht kurz erklärt wird und keinen aufgebauschten Dialog, der sich über zehn Seiten erstreckt und alle fünf Zeilen mal eine neue Information einstreut. "Show, don't tell" ist ohne Zweifel wichtig, aber gerade beim Weltenbau ist es manchmal besser einen Absatz mit Fakten einzuschieben als die Information auf möglichst kreativem und langwierigem Weg an den Leser zu bringen.

Dieses Problem ist mir nicht nur beim "Drachenbeinthron", sondern auch bei zahlreichen anderen Fantasy-Reihen aufgefallen. Weil sich der Plot durch die Aufteilung auf X Bände auf unbegrenzt viele Seiten erstreckt, muss sich der Autor nicht damit befassen, kontinuierlich die Handlung voranzutreiben. Je mehr Bände, desto mehr Platz zum Schwafeln und das wird im Effekt zum Spannungskiller. Bei manchen Reihen geschieht das bereits am Anfang (Drachenbeinthron, Sturmlicht-Chroniken), bei anderen Reihen im Mittelteil (Wheel of Time, Sonea) und den schlimmsten Reihen geht kurz vor dem Ende die Luft aus. Wenn ich ein Fantasybuch in die Hand nehme, will ich aber keine mit Plot und Charakteren versehene Enzyklopädie oder Reisebeschreibung, sondern ein atmosphärische und dennoch fesselnde Geschichte lesen. Die meisten Chroniken und Zyklen sind in der Hinsicht ein Desaster, weswegen ich grundsätzlich lieber Einzelbände lese. Da weiß ich, worauf ich mich einlasse - ein Buch, das entweder gut oder schlecht ist und das mir in absehbarer Seitenzahl ein Ende präsentiert.

Da ich selbst Fantasygeschichten schreibe ist mir das Schwafelproblem allerdings nicht unbekannt. Wie Grey bereits gesagt hat: Die Welt, die man selbst erschaffen hat, begeistert einen so sehr, dass man es spannend findet jede Blume einzeln zu beschreiben. Die Charaktere, aus deren Perspektive man schreibt, wachsen einem so sehr ans Herz, dass man es für nötig hält den Smalltalk am Lagerfeuer auf 20 Seiten auszudehnen. Der Leser allerdings, muss erst einmal von Welt und Charakteren überzeugt werden, bevor er beginnt die Blumenbeschreibung und den Lagerfeuer-Smalltalk spannend zu finden. Der Autor darf nicht annehmen, dass Agent, Verlag und Leser von Welt und Charakteren genauso begeistert ist wie er selbst, denn das werden sie niemals sein. Und hier komme ich zum Thema Überheblichkeit: In vielen Fällen wird es wohl das von Grey genannte eingeschränkte Urteilsvermögen sein, das Autoren veranlasst das tausendseitiges Manuskript des ersten von zehn Bänden einzusenden und sich dann schwarz zu ärgern, wenn der Lektor sich anmaßt Blumenbeschreibung Nummer 10 zu streichen. Als Autor, der ein sehr langes Manuskript veröffentlichen will, muss man sich darauf gefasst machen, dass dieses Manuskript massiv gekürzt wird. Am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Warum schreibst du Fantasy? Weil es dir Spaß macht deine erfundene Welt bis ins kleinste Detail zu beschreiben oder weil du willst, dass möglichst viele Leute deine Geschichte lesen wollen? Für den Verlag ist der zweite Faktor entscheidend, für den Autoren vermutlich der erste. Eine Kürzung hat überhaupt nichs mit "Vergewaltigung der Kunst" zu tun. Blumenbeschreibung Nummer 10 ist keine Kunst. Kunst ist eine hintergründige Geschichte mit Weltenbau, Atmosphäre und allem Drum und Dran zu schreiben und TROTZ ALLEM den Spannungsbogen nicht zu verlieren. Die Streichung aller für den Hauptplot irrelevanten Szenen, Subplots, Love Stories und Sherlock-Einlagen ist dafür absolut notwendig.

Aljana

Zitat von: Grey am 05. Mai 2016, 14:18:41
Sie gab das 1300-Seiten-Manuskript schließlich der Agentin und sagte kleinlaut: "Ich glaube, da müssen wir kürzen ..."
Und die Agentin erwiderte: "Ohhhh ja. Das müssen wir."
"Aber ich kann es nicht!", sagte die Autorin verzweifelt. "Ich weiß nicht, wo man da noch etwas rausnehmen soll, das ist doch alles wichtig zum Verständnis der Handlung!"


Aber dein Beispiel zeigt doch, dass die Autorin immerhin schon mal wusste DASS sie zu viel blabla mit Käsesoße geschrieben hat. Ic hfinde es schlichtweg anmaßend, wenn jemand sagt 'Die Autoren können nicht'. Ich kann immer nur von dem sprechen was ich kenne und was ich lese. Wenn da ätzende Längen drin sind, mag da stimmen. Doch vielleicht ist es nur einfach nicht mein Geschmack. Ich finde einfach, Autoren kommen immer ganz schnell mit dieser Masche 'Kuck mal der macht ..., der kann ja keine Ahnung haben." Aber vielleicht hat er die sehr genau und vielleicht will er ja was damit bezwecken. Das sit einfach was mich stört, dass so pauschalisiert wird.

FeeamPC

Vielleicht sind wir als Leser ja auch ein klein wenig ungeduldig geworden in dieser schnelllebigen Zeit. Wir wollen vorankommen, auch beim Lesen, wir wollen rasche Ergebnisse, auch im Buch, und wir wollen ununterbrochene Spannung, wie in den sattsam bekannten Fernsehserien.
Aber manchmal sind es gerade die kleinen, sanften, langsamen Szenen, die einen faszinieren.

Guddy

#51
Unnötige/langweilige Szenen sind immer ungünstig - egal, ob es sich um einen Ein- oder Mehrteiler handelt. Denn natürlich sind in sich abgeschlossene Romane nicht davor gefeit.
Und ich schreibe hier lediglich als Leserin, nicht als in die Figuren oder in den Plot verliebte Autorin: Ich mag Mehrteiler, ich liebe es, länger in Welten einzutauchen und Charakteren zu folgen. Natürlich gibt es gute und weniger gute Vertreter ihrer Art (genau wie bei Einteilern), tendenziell bevorzuge ich jedoch definitiv die Reihen. Diese kann man wunderbar mit interessantem Plot füllen, wo jede Szene sitzt und gegen die manch in sich abgeschlossener Roman wirkt wie ein Einschlafmittel.

Ich hätte übrigens auch "Besseres" zu tun, als zu lesen oder Serien zu schauen. Aber solange es mir Spaß macht, ist das ok. Da muss man Mehrteiler nicht gleich so diffamieren. ;) (Irgendwie finde ich den Ton gegen Mehrteiler gerade nämlich dezent aggressiv?)

edit: Fees Eindruck teile ich auch, guter Aspekt!

Entropy

Zitat von: Guddy am 06. Mai 2016, 00:57:37
Ich hätte übrigens auch "Besseres" zu tun, als zu lesen oder Serien zu schauen. Aber solange es mir Spaß macht, ist das ok. Da muss man Mehrteiler nicht gleich so diffamieren. ;) (Irgendwie finde ich den Ton gegen Mehrteiler gerade nämlich dezent aggressiv?)

Du missverstehst meine Worte.
Ich habe nicht gesagt, dass ich Besseres zu tun habe als Bücher zu lesen, sondern dass ich Besseres zu tun habe als 800 Seiten Langeweile über mich ergehen zu lassen. Das macht mir keinen Spaß. Andere Menschen können diese Leseerfahrung anders empfinden, das habe ich nicht in Frage gestellt. Es wurde nach meiner Erfahrung mit Mehrteilern gefragt und die fällt eben negativ aus, da mir besagte Langeweile vor allem bei Fantasy-Zyklen wie den Sturmlicht-Chroniken oder anderen genannten Werken begegnet. Ja, ich "muss" diffamieren.

Coppelia

#53
Naja, niemand muss meiner Ansicht nach lesen, was ihm nicht gefällt, zumindest, falls es nicht schulisch/beruflich irgendwie erforderlich ist. Man ist ja schon gezwungen, genug andere Dinge zu tun, die einem nicht gefallen. Mich erinnert die Diskussion, dass Texte immer möglichst kurz sein sollten, etwas an die aus der Computerspiel-Szene, dass das Lösen von Aufgaben in Spielen möglichst keinerlei Aufwand und Zeit erfordern sollte. Teilweise verständlich, aber man vergisst dabei, dass das Spiel aus dem Lösen von Aufgaben besteht. Wenn man hier zeiteffizient vorgehen möchte, spielt man am besten überhaupt nicht. Man sollte sich meiner Ansicht nach also fragen, warum man überhaupt spielt, und, falls man weiterhin spielen möchte, die Spiele so auswählen, dass sie den eigenen Vorlieben entgegen kommen.

Natürlich gibt es das Phänomen, sich nicht kurz fassen zu können. Aber ich sehe auch eine Verbindung zwischen der "modernen" Art zu schreiben, die dann auch so von Verlagen/Lesern eingefordert wird, und der Länge von Romanen. Erstmal sind bei Fantasy die Hintergrundwelt und die Handlung dem Leser normalerweise nicht vertraut. Also muss der Leser mit den nötigen Informationen versorgt werden. Man muss* aus der Sicht einer Person erzählen. Das kostet normalerweise mehr Wörter, als wenn man aus Erzählersicht erzählt. Dann muss man die Prinzipien des "Show, don't tell" beachten. Das kostet besonders viele Wörter. Wer's nicht glaubt, kann ja mal zwei Texte auf entsprechend unterschiedliche Art schreiben. Man muss konfliktreiche, lebendige Dialoge schreiben. Auch das kostet wieder Wörter (und Absätze erst und damit Seiten!), mehr Wörter, als wenn man einfach zusammenfasst, worüber gesprochen wurde. ;) Aber diese Dinge tragen eben auch dazu bei, dass das Lesen unterhaltsam und spannend wird. Sie würden vermisst, wenn sie fehlen würden. Man kann sich hier vielleicht manchmal, aber nicht immer kürzer fassen, indem man sie weglässt.

Dann ist es einigermaßen leicht, eine in sich abgeschlossene (auch eine "große") Geschichte auf ca. 400 Seiten zu erzählen, wenn man sich dabei auf einen Perspektiventräger konzentriert, aus dessen Sicht man schreibt, und auf das Schicksal dieser einen Person. Wenn man aber, wie in Mehrteilern üblich, mehrere Perspektiventräger hat, sollte jeder seine eigene, in sich stimmige, abgeschlossene Geschichte mitbringen. Und schwups hat jeder seinen eigenen Hintergrund mit entsprechend wichtigen Informationen, seine Perspektive mit lebendigem Erleben seines Umfelds und seines Innenlebens, seine eigenen Dialoge. Das potenziert sich. (Wenn man zwei Perspektiventräger hat, wird normalerweise die Geschichte dieser beiden und ihrer Beziehung zueinander erzählt, sodass hier kein so großer Wortzuwachs entsteht, aber wenn man z. B. die Geschichte von 8 Personen erzählt, dann ... ja.)

Die Frage ist dann natürlich, was man mit dem Roman eigentlich möchte. Große gesellschaftliche und politische Umwälzungen wirken sich immer auf das Leben vieler aus. Will man das zeigen, oder will  man eine Figur in den Mittelpunkt stellen?
Zu Mehrteilern, die sich auf eine Perspektive beschränken, kann ich nichts sagen, dazu kenne ich zu wenige.

Antike Epik kann wunderbar komplexe Zusammehänge, die viele Menschen betreffen, auf wenigen hundert Seiten abhandeln. Aber sie muss die Leser nicht zusätzlich informieren (die waren informiert), und sie hält sich an keine moderne Schreib"regel". Sie ist für die meisten Leute heute Gründen unlesbar, weil sie nicht nur sehr schwer verständlich ist, sondern in ihrer Erzählweise auch als langweilig, konfus usw. empfunden wird, so aufregend ihr Inhalt dabei sein mag.

Und jetzt, wo ich das geschrieben habe, kann ich vielleicht auch wieder schlafen.

*muss im Sinne von: wenn man die erwünschten Schreib"regeln" beachten will

Klecks

Wenn eine Reihe gut geschrieben ist (was Plot und Stil betrifft), dann empfinde ich sie ebenso wenig als langweilig wie einen Einzeltitel, der gut geschrieben ist; deshalb verstehe ich die Schlussfolgerung "lang" = "langweilig" nicht ganz. Vor allem unter Berücksichtigung dessen, dass jeder einen anderen Geschmack hat und manche Leser gerade dieses Ausschweifen und eine ausführliche Beschreibung der Welt toll finden. Man kann also für sich persönlich sagen, dass man ein Buch langweilig findet, aber das muss nichts zwangsläufig daran liegen, dass es sich um einen Einzeltitel oder eben eine Reihe handelt.  :hmmm:

Ich fand "Game of Thrones" extrem langweilig und werde den Hype nie nachvollziehen können, aber damit, dass es so viele Bände gibt und die Handlung entsprechend aufgebaut werden muss, hatte das nichts zu tun. Mir haben einfach weder die Figuren noch der Schreibstil noch der Plot gefallen.

Für mich ist das Hibbeln auf den zweiten, dritten, vierten, ... Band ein sehr schönes Gefühl geworden. Früher habe ich mich mehr darüber aufgeregt, inzwischen habe ich die nötige Geduld und genieße die Vorfreude.  :vibes:  Die ist für mich mindestens genauso schön wie dann das Lesen selbst. Und während dem Lesen zu wissen, dass es mit den Figuren noch weitergeht, ist ein ganz besonderer Genuss.  :D

Aljana


Denamio

#56
Zitat von: Guddy am 06. Mai 2016, 00:57:37
(Irgendwie finde ich den Ton gegen Mehrteiler gerade nämlich dezent aggressiv?)


Der Ton gegenüber Leuten, welche kürzere Texte bevorzugen ist auch nicht gerade kollegial, weiter vorne wurden sie noch gleichgesetzt mit dem "modernen Leser" der ja stupide nur Dauer Action wolle. Wobei ich ehrlich sagen muss, der gereizte Ton hockt gefühlt die letzten Wochen ein wenig im Forum drin. Vielleicht Frühjahrslaune.
Was in der Diskussion für meinen Geschmack momentan verquer läuft, ist eine Gleichschaltung zwischen langsamen Szenen und Füllinhalten. Das eine hat für mich mit dem anderen nicht wirklich etwas zu tun. Es kann nämlich die tollste Schlacht noch ein Füllinhalt sein. Im Umkehrschluss kann auch die ruhige Szene plot-technisch Sprengkraft haben. Füllinhalte - oder um mein Wort zu bemühen: Hobbit-Reiseberichte, sind eher Momente wo die Handlung plötzlich den Wind aus den Segeln verliert und im Kreis rudert. Das kann bei kurzen wie langen Texten passieren. Aber wenn der Autor zu so etwas neigt, dann akkumuliert sich das bei langen Texten sehr viel deutlicher als bei kurzen. Bei kurzen Texten kann der Editor da auch besser kürzen, weil die Szene nicht vielleicht in Buch 27 nochmal gerade wichtig wird.

Da entwickeln sich plötzlich keine Charaktere mehr, dann werden neue Figuren vorgestellt die weder vorher noch nachher auch nur irgendwas wieder mit dem Ganzen zu tun haben. Das ist in meinen Augen einfach tödlich für jegliches Bedrohungsszenario. Wenn in den ersten Büchern und Kapiteln die ganz große Nummer aufgemacht wird, die Helden in der Mitte dann aber plötzlich allzu bereit sind, sich für irgendwelche Paralellplots einspannen zu lassen, während nach Erzählung eigentlich gerade die Welt untergeht.

Und nicht falsch verstehen, wenn es charakterisiert wird, dass die Helden einfach Panik haben und etwas erfolgreiches brauchen, dann ist das auch kein Füllinhalt. Auch nicht wenn sie Ruhe brauchen um Kräfte zu sammeln. Zum Füllinhalt wird es, wenn es keine oder nur sehr periphere Relevanz zum Plot hat.

Trippelschritt

Zunächst einmal möchte ich, wie bereits recht oft, Denamio recht geben. Ich sehe aber auch noch eine grundsätzlich andere Schwierigkeit in der Argumentation. Um zu beurteilen, welche Rolle die Verlage bei der Frage "Sereien oder Einzelbände" spielen, sollte man mehr über die Entscheidungsprozesse in den Verlagen wissen. Ich kenne mich da zu wenig aus, um etwas zu sagen.

Dann werden Beispiele "schlechter" Bücher als Argumente gegen Serien benutzt. Und was ist mit den gelungenen Beispielen? Es gibt schlechte Serien und hundsmiserable Einzelbücher. Und was ist eigentlich Füllmaterial. Ich habe manchmal den Eindruck in dieser Diskussion, Füllmaterial ist alles, was langweilig ist. Was langweilig ist, ist aber eine höchst subjektive Angelegenheit und hat nur wenig mit Qualität zu tun. Was mich dazu gebracht hat, Fantasy zu schreiben, war der für mich bisher unübertroffene erste Band der Erdsee-Trilogie von Ursula LeGuin. Die Macht der Sprache hat mich einfach umgehauen. Irgendwann, 25 oder 30 Jahre später las ich eine Leserstimme, wie langweilig diese Trilogie doch sei. So viel zur Geschmackfrage.

Und vor diesem Hintergrund auch noch in den Kopf eines Autors zu steigen und zu behaupten, dieser Autor bezwecke dieses oder das, besäße diese oder diese charakterlichen oder schreiberischen Schwächen, weil man etwas langweilig fand, ist schlichtweg in der ursprünglichen Bedeutung dieses Wortes und ohne Vorwurf vermessen. Charakterliche Bewertungen kann man vielleicht versuchen, wenn man jemanden persönlich sehr gut kennt - dann wäre es nur unhöflich - aber sonst macht es sich nicht gut. Und Beurteilungen seines schreiberischen oder handwerklichen Könnens sollte man an handwerklichen Kriterien messen und detailliert am Text nachweisen. Anderenfalls hat das Urteil wenig Wert. Und davon finde ich in diesem Thread zu wenig. Aber wir könnten ja noch einmal von vorn anfangen und anders argumentieren. Die Ausgangsfrage ist dafür spannend genug. Oder ist doch alles nur eine Geschmackfrage?

Liebe Grüße
Trippelschritt

Sturmbluth

Zitat von: Coppelia am 06. Mai 2016, 03:14:05Aber ich sehe auch eine Verbindung zwischen der "modernen" Art zu schreiben, die dann auch so von Verlagen/Lesern eingefordert wird, und der Länge von Romanen. Erstmal sind bei Fantasy die Hintergrundwelt und die Handlung dem Leser normalerweise nicht vertraut. Also muss der Leser mit den nötigen Informationen versorgt werden. Man muss* aus der Sicht einer Person erzählen. Das kostet normalerweise mehr Wörter, als wenn man aus Erzählersicht erzählt.
Das finde ich interessant. Ist es wirklich so, dass Verlage Geschichten aus der Ich-Perspektive fordern?

Lothen

@Sturmbluth : Ich glaube nicht, dass Coppelia das sagen wollte. Ich glaube, sie meinte, dass die personale Erzählweise einer auktorialen vorgezogen wird (personal ist ja nicht gleich Ich-Perspektive).