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"ihre Mutter" oder "Mutter" reichte ihr einen Keks

Begonnen von moonjunkie, 21. März 2016, 22:28:19

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moonjunkie

In der personalen Erzählweise sollte man vermutlich andere Menschen um die Hauptfigur herum, in deren Perspektive man gerade ist, so nennen, wie die Hauptfigur es auch tut. Soweit so gut, aber ich sitze gerade beim Lektorat und habe an einigen Stellen so etwas geschrieben wie:

ZitatSchade, dass ihre Mutter fast alle Bücher in Griechisch besaß.

Die Lektorin hat das "ihre" gestrichen, und so steht da jetzt nur noch:

ZitatSchade, dass Mutter fast alle Bücher in Griechisch besaß.

Irgendwie gefällt mir das nicht. Ich hatte am Anfang irgendwo geschrieben: "ihre Mutter Charmine" und so den Namen eingeführt und danach auch allein verwendet, so dass der Satz dann lauten würde:

ZitatSchade, dass Charmine fast alle Bücher in Griechisch besaß.
.

Das hat die Lektorin aber auch gestrichen, vermutlich, weil wir ja in Sotais Perspektive sind. Vermutlich ist die Schreibweise mit dem Wort "Mutter" ohne "ihre" richtig, aber ich glaube nicht, dass Sotai ihre Mutter auch wirklich "Mutter" nennen würde. Schöner fände ich zum Beispiel, wenn sie das Wort aus ihrer Sprache für Mutter nehmen würde. Nur glaube ich, dass das zu verwirrend ist. (Das Wort für Mutter wäre "Kani").

Wie würdet ihr das machen?

Lothen

Ich persönlich mag es auch nicht, wenn da die Pronomen fehlen, ich glaube, ich hab das auch noch nie in einem Roman so gelesen (zumindest nicht in der dritten Person). Man würde ja auch nicht schreiben: "Sie ärgerte sich, dass Schatz sich verspätete". Also ich zumindest nicht. ;)

Für mich ergibt das nur dann Sinn, wenn es wirklich die konkreten Gedanken der Person sind: Schade, dass Mutter fast alle Bücher in Griechisch besitzt, dachte sie.

ZitatSchöner fände ich zum Beispiel, wenn sie das Wort aus ihrer Sprache für Mutter nehmen würde. Nur glaube ich, dass das zu verwirrend ist. (Das Wort für Mutter wäre "Kani").
So hab ich das auch gelöst. Wenn man das Wort mal eingeführt hat, ist es ja auch nicht so schwierig, es sich zu merken.

Ryon

Ich sehe das genauso wie Lothen :) Fände es glaub ich auch komisch, den Satz ohne Pronomen zu lesen (außer es ist eben gedacht). Keine Ahnung, ob das so die gängige Praxis ist, mir wäre es bisher jedenfalls so noch nicht untergekommen.

Die Idee das Wort für Mutter aus ihrer eigenen Sprache zu verwenden finde ich super und glaube auch, dass man es sich leicht merken kann.

Tanrien

#3
Während ich geschrieben habe, haben Lothen und Ryon sich in der Warteschlange vorgedrängelt und zuerst gepostet.  ;)

Zitataber ich glaube nicht, dass Sotai ihre Mutter auch wirklich "Mutter" nennen würde. Schöner fände ich zum Beispiel, wenn sie das Wort aus ihrer Sprache für Mutter nehmen würde. Nur glaube ich, dass das zu verwirrend ist. (Das Wort für Mutter wäre "Kani").
"Mutter" klingt vielleicht auch seltsam, weil es eben (auch auf Deutsch) eher nicht so passt, je nach Alter der Hauptcharakterin? Meine jüngeren Charaktere - bis 30 Jahre - nennen ihre Eltern oft schlicht "Mama" und "Papa", auch in Gedanken. Da klingt dann auch "(Toms) Papa war immer so extrem beschäftigt."/"(Ihre) Mama hatte viel zu viele Bücher auf Griechisch." wieder anders/persönlicher. Eltern mit Namen anzusprechen klingt ja immer eher distanziert, es käme also auch auf das Verhältnis zu den Eltern an. Die älteren Charaktere würden vielleicht "Mutti" verwenden, etc. Wenn du es früh einführst, würde sicher auch "Kani" gehen, dann musst du es aber wirklich oft und von Anfang an verwenden und auch direkt am Anfang deutlich machen, was es heißt. (Und es vielleicht kursiv schreiben.)

Allerdings fände ich auch "ihre Mutter" noch okay... Es kommt halt drauf an, wie tief man in die Perspektive einsinken will, ob man auch zum Beispiel Jugendsprache und Schimpfworte im Erzählteil verwendet, und wie klar Gedanken und Erzählung abgegrenzt sind.

Zitat von: Lothen am 21. März 2016, 22:33:28
Für mich ergibt das nur dann Sinn, wenn es wirklich die konkreten Gedanken der Person sind: Schade, dass Mutter fast alle Bücher in Griechisch besitzt, dachte sie.
Ja, stimme ich zu. Aber "Schade," ist für mich schon so ein Indikator, dass es keine reine, vom POV losgelöste Beschreibung ist, sondern bereits eher in Gedanken-Richtung geht. Wenn die Lektorin das nur an der Stelle angestrichen hat und sonst "ihre Mutter Charmine" okay fand, denkt sie vielleicht da in eine ähnliche Richtung.

moonjunkie

Ja, so sehe ich es eigentlich auch. Sotai ist knapp über 30, Mama würde sie vermutlich nicht mehr sagen, den Vornamen zu verwenden fände ich auch zu distanziert.

In dem einen Satz (den hatte ich blöd gewählt) ist es ein Gedanke, ja. Aber auch im übrigen Text hat die Lektorin das "ihre" immer bei Mutter gestrichen.

Wenn ich mich jetzt entscheide das Wort "Kani" zu nehmen, fände ich einen Satz wie "Sotais Kani las den ganzen Tag." aber merkwürdig oder kommt mir das nur so vor? Alleine als Zusatz oder eben als Bezeichnung klingt es normaler: "Möchtest du noch etwas Tee, Kani?" oder "Als Sotai sie darum bat, machte Kani ihr einen Obstsalat."

:d'oh: Herrje, mittlerweile (beim zehnten Lesen) kommt mir der ganze Text merkwürdig und hölzern vor ...

Angela

Gedanken würde ich wie wörtliche Rede formulieren und geht dann nur Mutter, Mama oder wie immer sie ihre Mutter normalerweise im Zwiegespräch mit ihr oder anderen nennt.

Miezekatzemaus

Ich würde es bei ihre Mutter belassen. Die andere Ausdrucksweise ist mir zwar geläufig, aber ich finde die erste schöner. :)

Nebenbei bemerkt: Es muss doch "auf Griechisch" und nicht " in Griechisch" heißen, oder etwa nicht? :hmhm?:

Sanjani

Also ich werde in einem Monat 30 und nenne meine Mama immer noch Mama. Meine Schwester ist Mitte 30 und nennt unsere Mama auch immer noch Mama. Das Argument mit der Perspektive zählt aus meiner Sicht aber gar nichts. Wenn ich nämlich von meiner Mutter erzähle, dann sage ich auch nicht Mama, sondern eben genau das: Meine Mutter hat dieses oder jenes gemacht. Wenn ich mit meiner Schwester rede, sag ich natürlich Mama oder mit anderen Verwandten, aber sobald ich meinen Freunden irgendwas erzähle oder gar Bekannten oder Fremden würde ich immer "Meine Mutter" sagen. Ich würde nie nur "Mutter" oder "Mutti" oder sonst irgendwas sagen. Gut, ich bin jetzt nicht das Maß aller Dinge, aber wenn ich so überlege, fällt mir auch sonst niemand ein, der es anders machen würde. Ich würde die Pronomina, wenn überhaupt, nur weglassen, wenn ich in der Ich-Perspektive schriebe, und da würde ich dann vermutlich zu dem Wort greifen, das ich gegenüber meiner Mutter benutze, also Mama.

Ich finde es in der dritten Perspektive sogar legitim, den Vornamen der Mutter zu benutzen. Es klingt zwar schon etwas komisch, aber andererseits muss man dann wirklich immer nur mit dem Wort Mutter herumhantieren. Und das ist manchmal auch extrem umständlich, finde ich. Bin aber keine Lektorin ;)

VG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Layka

Ich bin da ganz bei Sanjani. Wenn ich mit anderen Leuten als meiner Schwester oder meinem Vater rede, sage ich immer "Meine Mutter". Ohne Pronomen hört es sich für mich eher altbacken an. Kann es sein, dass man früher eher nur "Mutter" Gesagt hat? :hmmm: Ich meine, das in älteren Büchern und Filmen eher in Gesprächen gelesen bzw. gehört zu haben.
lights out.

Maja

#9
Mutter ohne Pronomen bedeutet für mich, dass sie ihre Mutter mit Mutter anredet - und deswegen mag ich diese Formulierung genauso wenig, als wenn dort Mama, Mami oder Mutti stehen würde: Es drängt mir eine Intimität auf, die einer personalen Erzählhaltung nicht immer angemessen ist. Auch wenn sie ihren Partner mit Schatzi anredet, würde ich nicht lesen wollen "Schatzi war in der Garage und schraubte an seinem Motorrad", sondern "Eberhard war in der Garage". Nur weil eine Protagonistin ihre Mutter so anredet, heißt das nicht, dass auch ich das darf. Deswegen ist "ihre Mutter" in dieser Situation für mich ganz klar die bessere Lösung. Anders verhält es sich bei einer Erzählung in der ersten Person - aber die liegt hier ja nicht vor.

Und nur weil deine Lektorin es anders vorschlägt: Du musst nicht jeden Änderungsvorschlag annehmen. ;)
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Klecks

Für mich wären "Mutter", "Mama", "Vater", "Papa" und "Schatz", ähnlich wie Maja schon sagte, nur dann stimmig, wenn es eine Ich-Erzählerin gibt. Zu anderen Erzählperspektiven passt es für mich nicht so.  :hmmm:

Coppelia

#11
Die Frage wurde schon beantwortet, aber ich muss als Ex-Perspektivenforscherin da noch mal meinen Senf zugeben. ;)

ZitatIn der personalen Erzählweise sollte man vermutlich andere Menschen um die Hauptfigur herum, in deren Perspektive man gerade ist, so nennen, wie die Hauptfigur es auch tut.
Jein. Wenn man In-Perspektive schreibt, sollten andere Menschen so genannt werden, wie sie in den Gedanken der Hauptfigur heißen. Wie die Hauptfigur sie dabei tatsächlich nennt, ist gar nicht so wichtig (es kann natürlich aufs Gleiche herauskommen). Und man kann an denselben Menschen auf unterschiedliche Arten denken. Ich denke an meine Mutter auch als "meine Mutter" oder "Mama". Daher ist das, was im Text steht, in meinen Augen völlig richtig.
Wenn die Figur an ihre Mutter nie als "Charmine" denkt, dann wäre man bei der Verwendung dieses Namens tatsächlich nicht in ihrer Perspektive. Man kann tatsächlich auch für ein einziges Wort die Perspektive verlassen. Wenn man also gern in der Perspektive bleiben möchte, würde ich es eher lassen.

Dasselbe gilt wohl für das schöne Beispiel mit "Schatzi". Nur weil jemand seinen Partner so nennt, heißt das noch nicht, dass er ausschließlich so an ihn denkt. Wahrscheinlich denkt er/sie doch erstmal an den Namen des Partners. ;)

Ob personale oder Ich-Perspektive, sollte dabei keinen Unterschied machen.

moonjunkie

Danke schon mal für eure Antworten!  :knuddel:

Den Gedanken, dass es sich einfach altbacken anhört, einfach "Mutter" zu nehmen hatte ich nämlich auch. Da finde ich macht das "ihre" einen Riesenunterschied im Klang. Ich sage übrigens auch "Mama" und bin sogar ein bisschen älter als Sotai. Und ja, wenn ich mit anderen über sie rede, sage ich manchmal "Mama", manchmal aber auch "meine Mutter", je nachdem mit wem ich rede. Wenn man jetzt also "Mama" im Text nehmen würde, wäre man sogar möglicherweise dem Leser näher?  :hmmm: Bei "Mutti" finde ich das übrigens auch: es klingt älter. Das benutzen heute nicht mehr viele Leute in Sotais Alter, eher ältere Generationen.

Ich finde auch immer noch "ihre Mutter" besser. Die Handhabung mit ihrem Namen fand ich weniger sperrig, deswegen hatte ich es erst so eingeführt: "Ihre Mutter Charmine gab ihr einen Keks." und danach dann mit "Charmine legte ihre Hand auf die ihrer Tochter." Aber dagegen würde ja das Argument von Coppelia sprechen. Denn den Vornamen benutzt Sotai sicherlich nicht, wenn sie über sie nachdenkt oder sie beobachtet.

@Mietzekatzemaus: Das habe ich gestern auch gedacht und glaube du hast recht, muss das nochmal nachsehen. Möglicherweise geht auch beides: Bücher auf englisch und Bücher in englisch(er Sprache).

@Maja: Da hast du natürlich recht. Ich muss den Vorschlag nicht annehmen, war aber nicht ganz sicher ob meine Version richtig ist.

chaosqueen

Zur Sprachfrage: Bücher auf Griechisch. :)

Zur Mutter-Frage: Ich fände es schön, wenn Kani als Begriff eingeführt wird, so dass Sotai ihre Mutter so nennt und das dann eben auch als Möglichkeit für den Text besteht. Dann könnte dort stehen "Schade, dass Kani fast alle Bücher auf Griechisch besaß" und der Leser wird kein Fitzelchen stolpern. Anders als Tanrien bin ich übrigens der Meinung, dass man den Begriff Kani gar nicht im Text erläutern muss, das geht auch mit einem Glossar am Ende. Warum ein Mensch seine Eltern wie nennt, erklärt man ja nicht unbedingt. Mein Vater hieß bei uns allen Bär, was ursprünglich der Kosename meiner Mutter für ihn war. Haben wir Kinder so übernommen und unser Umfeld hat es meist ungefragt akzeptiert. ;)

"Ihre Mutter" finde ich auch legitim, "Mutter" alleine nur, wenn sie sie eben auch so nennt. Das stört mich in Büchern übrigens wirklich, wenn "Mutter" ohne Pronomen dasteht, die Kinder dann in der direkten Rede aber Mama oder ähnliches sagen. Und den Vornamen würde ich aus Sicht der Perspektivträgerin nur benutzen, wenn sie ihre Mutter beim Vornamen nennt, sonst wirkt es seltsam distanziert.

moonjunkie

#14
Danke, chaosqueen. Genauso sehe ich es auch mittlerweile. (Die Benutzung von "Mutter" ohne "ihre" finde ich wirklich störend.)

Ein Glossar am Ende geht natürlich auch, da hast du recht. Aber da wird nicht so wahnsinnig viel drin stehen, aber ein paar schon. Das lasse ich mir mal durch den Kopf gehen.

Das mit dem Stolpern dachte ich auch bezüglich der Tatsache, dass Sotai ihre Mutter zwar Kani nennt, aber das ja nicht ihr Name ist, sondern Charmine. Und wenn dann später eine andere Figur die Perspektive hat und über Charmine schreibt, denkt dann vielleicht der Leser, dass es zwei verschiedene Leute sind, oder?  :hmmm: