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Schreibt ihr eigentlich über euch selbst?

Begonnen von Grey, 21. Juni 2007, 00:20:54

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Halblingschruut

Habt ihr denn schon mal eine Geschichte verfasst, in der ihr euch als Protagonisten dargestellt habt?
Nicht unbedingt auf den Namen und die Vorgeschichte bezogen, aber vielleicht vom Aussehen her oder den Entscheidungen die sie trifft?
Also dass man alle Entscheidungen so trifft, wie man selbst (der Autor) sie treffen würde.

Da würden mich eure Meinungen/Erfahrungen sehr interessieren.  :buch:  :hmmm:
Den Tod als Gewissheit,
geringe Aussicht auf Erfolg.
Worauf warten wir noch?
~ Gimli, Glóins Sohn

Maubel

Jein, ich habe bisher keine Geschichte verfasst, in die ich mit dem Gedanken reingegangen bin, mich selbst reinzuschreiben. ABER in den meisten meiner Geschichten und Charakteren steckt etwas von mir drin und seien es nur die Wertvorstellungen, ganz spezielle Erinnerungen/Gefühle/Beobachtungen und vor allem Gedankengänge. So ist in "Geruch des Sommers" zum Beispiel mein Erlebnis als ich nach sechs Jahren Abwesenheit den Geruch des brandenburgischen Sommers wahrgenommen habe und was er ausgelöst hat, zentral für die Geschichte. In kleinerem Maßen spielt ein Baum eine Rolle, der im Spiel zu einem Raumschiff wird, etwas, das ich damals auch hatte.
In "Far Beyond Reality" werden meine Gedankengänge zum Thema: Ob die Realität lebenswert ist, im Vergleich zur bunten Fantasiewelt verarbeitet.
In "Ravenblood" kommen viele psychologische und philosophische Ideen zu tragen, eingebettet in einen politischen Dark Fantasy Plot.
In dem zukünftigen "Time to Remember" verarbeite ich meine Erdbebenerfahrungen und meine Liebe zu der Stadt, die sechs Jahre meine Heimat war.

Und so steckt halt immer etwas von mir in den Büchern drin, mal mehr mal weniger. Dabei geht es aber nicht darum, mich darzustellen, sondern meine Ideen in die Welt hinauszutragen. Ich kann zwar ohne Weiteres Protagonisten schreiben, die gänzlich anders an Sachen rangehen und andere Wertevorstellungen haben, aber ein Buch, mit dessen Aussage ich mich selbst null identifizieren könnte, würde ich nicht hinbekommen und wenn würde es mir kaum etwas bedeuten.

Ich mache gerade die Masterclass von Neil Gaiman und er scheint da eine ähnliche Herangehensweise zu haben. Zumindest in der ersten Stunde betont er das "ehrlich sein", womit gemeint ist, über etwas zu schreiben, was einem wichtig ist und was persönlich ist. Wie man das dann nun verkleidet, ist eine ganz andere Sache - und natürlich gibt es viele Autoren, die nichts von sich in Geschichten packen. Bei mir resonieren die nur meist deutlich weniger.

Antennenwels

Zitat von: Maubel am 07. Februar 2019, 22:36:54
Und so steckt halt immer etwas von mir in den Büchern drin, mal mehr mal weniger. Dabei geht es aber nicht darum, mich darzustellen, sondern meine Ideen in die Welt hinauszutragen. Ich kann zwar ohne Weiteres Protagonisten schreiben, die gänzlich anders an Sachen rangehen und andere Wertevorstellungen haben, aber ein Buch, mit dessen Aussage ich mich selbst null identifizieren könnte, würde ich nicht hinbekommen und wenn würde es mir kaum etwas bedeuten.

Ich hatte nie so wirklich darüber nachgedacht oder war mir dessen bewusst, aber dieser Abschnitt hat mir gerade ein wenig die Augen geöffnet. Es gibt paar wenige Eigenschaften an mir, die sich teils auch in meinen Protagonisten wiederfinden. Oft geht es dabei eher um ethische Grundsätze, oder die Denkensweise generell. Ich dachte eigentlich bisher, dass dies vor allem dazu dient es mir leichter zu machen mich in die Hauptprotagonisten hineinzuversetzen. Aber ich vermute nun, es hat definitiv auch damit zu tun, dass diese Dinge mir persönlich sehr wichtig sind und ich sie deshalb in meinen Texten verarbeiten möchte.

Ich muss allerdings auch sagen, dass ich Charaktere bisher nie konkret geplant habe; die sind irgendwie einfach aufgetaucht und die Handlung der Geschichte hat sich dann rund herum gebildet. Ich habe nie wirklich bewusst bestimmte Eigenschaften einer Figur zugeteilt, das hat sich jeweils einfach so entwickelt.

Ich hatte aber definitiv noch nie die Absicht mich selbst in eine Geschichte reinzuschreiben. Ich glaube kein Mensch würde eine Geschichte mit mir in der Hauptrolle lesen wollen; ich schon mal gar nicht.
"You still prided yourself on three things: firstly, bloody-minded composure; secondly, an inhuman intellect for necromancy; thirdly, being very difficult to kill."

- Muir, Tamsyn. Harrow the Ninth

Sascha

Als Prota hab ich mich nie irgendwo reingeschrieben, allerdings hatte ich mir mal einen kleinen Cameo-Auftritt erlaubt als überforderter Vater, der an meinen Protas vorbeikommt. Ist leider der Überarbeitung zum Opfer gefallen. ::)
Ansonsten steckt aber natürlich in vielen Figuren von mir irgendwas drin, Wertvorstellungen oder auch mal kleine Macken oder so. Was man kennt, beschreibt man am besten, oder?

Ach, hier isser, mein gelöschter Cameo-Auftritt: http://fantasy.raubal.de/kurt2_goody_cameo.html ;D

CarlH

Ich hole das ganze noch mal aus der Versenkung. Ich hoffe ihr verzeiht mir das. Ich will auch mal was ins Forum Kritzeln.

Ich plane gerade eine Geschichte (ich bin noch beim entwerfen der Charaktere) in der die Protagonistin ein inneres Erleben der Welt besitzt, wie ich sie in Kindheit selber erfahren habe. Deshalb kann ich sie glaubhaft schildern, und ich hoffe auch handwerklich umsetzen. Das wird für mich unerfahrenen Autor keine einfache Sache, aber wenn es schief geht ... ich brauche kein Geld damit verdienen.
Ich habe noch sehr intensive Bilder von damals in meinen Kopf, und ich traue mir zu dieses Erleben von Wirklichkeit der Protagonistin zu geben, so das der Leser in der Lage ist, diese selber zu erleben, wenn er sich dadrauf einlässt.
Ich will den Leser mitnehmen in eine magische Welt, eine unsichtbare Welt, eingerahmt von der Welt die wir Realität nennen. Das kann ich nur in einer Fantasiewelt. In einer wahren Welt habe ich schon mal versucht, aber abgebrochen, da ich diese beiden Welten nicht ineinander bekam.
Ich habe schon einige Ansätze gehabt, aber sie aus verschiedenen Gründen nicht weiterführen können.
Bilder aus den 50er Kindertagen gibt es nicht, die Orte meiner Kindheit sind für mich nicht erreichbar. Es bleiben nur die Erinnerung.
Ist die Propagonistin der Autor?
Nein. Sie erlebt die Welt zwar wie ich, aber da sie in einer Fantasy Welt lebt, ist sie eine eigenständige Figur, die anders Handeln muss, weil die Welt eine andere ist.

Maria

In meinen Geschichten steckt nicht viel Autobiographisches. Mein Leben ist einfach nicht dramatisch genug.
Ab und an "verarbeite" ich eine nervige Angewohnheit eines Mitmenschen in einer Geschichte, oder einige der Charakterzüge, die ich haben soll, gebe ich veredelt einer Prota, aber meine Lebensgeschichte spiegelt sich in keinem meiner Bücher.

Ich habe auch zu viel Respekt vor den Menschen in meinem Umfeld, als dass ich sie mit Wiedererkennungswert in eine Geschichte packen würde oder gar eine Story schreibe, die den Stempel "autobiographisch" bekommt. Sowas macht sich gut in der E-Literatur, vor allem wenn es um traumatische Erlebnisse oder schwierige Familiensituationen geht, in meine Fantasygeschichten passt es mein (normales, undramatisches) Leben einfach nicht.

CarlH

Ist dann auch immer die Frage, ob Frau/Mann objektiv sein kann. Ich denke nicht. Man sieht sich anders, man erlebt die Welt anders, und bewertet anders. So gesehen ist alles was man über sich selber schreibt, reine Fiktion. Die innere Welt ist nicht die äußere.

Belgerog

Also ich würde glaub ich keine Geschichte über mich schreiben und/oder mich als Muster nehmen.

Sicherlich hat der eigene Charakter Einfluss auf den geschriebenen Charakter und das eigene Handeln, oder wie man handeln würde, lässt auch den geschriebenen Charakter anders handeln.

Aber geplant könnte ich mir das garnicht vorstellen. Höchstens mal als Satire oder so :P

Erin

Ich schreibe bevorzugt aus der Ich-Perspektive. Da kommt es schnell vor, dass man Gefühle beschreibt, die den eigenen ähneln. Aber ich mache es teilweise auch absichtlich, das heißt, meine Protagonistinnen beinhalten häufig einen Teil meiner Persönlichkeit, der dann allerdings überspitzt dargestellt wird. Meine gelegentlichen Momente, in denen ich mir Wer-bin-ich-und-was-ist-der-Sinn-meines-Lebens?-Fragen stelle, werden zu einer ausgewachsenen existenziellen Krise. Meine Selbstkritik wächst in einem Buch zum Selbsthass. Diverse Tage, in denen ich etwas gereizt bin, werden zu einem Aggressionsproblem. Kurz, ich verwende Konflikte, die ich kenne, als Konflikte für meine Charaktere und lasse sie diese lösen, aber nicht, um es zu verarbeiten, jedenfalls nicht primär (ein bisschen passiert das beim Schreiben ja sowieso), sondern eher, um eine Aussage damit zu machen, nämlich, dass man all diese Konflikte überwinden kann! Abgesehen davon haben meine Protas auch positive Eigenschaften von mir, allerdings dient das auch nur dazu eine Aussage zu machen.

Ich glaube also, über sich selbst zu schreiben ist in Ordnung, so lange man diese Tatsache nicht in den Mittelpunkt schreibt. Für den Charakter sollte die Geschichte, das Geschehen, die anderen Charaktere von Bedeutung sein, und nicht ständig nur die eigene Persönlichkeit. Dann kommt es glaube ich gern mal etwas... ich weiß auch nicht, erzwungen/verzweifelt/unecht rüber. Aber das zählt so insgesamt bei Charakteren. Das hängt mit diesem Show-not-tell-Prinzip zusammen, falls man versteht, was ich meine.


Was Situationen und Ärgernisse angeht, die mir so im Alltag begegnen, da kann es mir schon mal passieren, dass ich mich beim Schreiben darüber ausheule. Aber dann komm ich nach ein paar Tagen wieder zurück zu der Stelle und bemerke, dass es einfach nicht da rein gehört, und ich entferne es wieder. Die therapeutische Wirkung hatte es trotzdem! Also würde ich sagen, tut euch keinen Zwang an, Leute, schreibt, was euch auf der Seele brennt. Wenn der Charakter damit fertig wird, geht es einem häufig besser. Aber ich würde eine solche Szene nicht im Endeffekt drin lassen (es sei denn sie ist wirklich gut, es gibt ja immer Ausnahmen).


Fazit: Eigene Gefühle/Gedanken/Erfahrungen/Konflikte sind durchaus ein nützliches Werkzeug beim Schreiben. Ja, ich würde sogar sagen, ein wichtiges Werkzeug. Jedenfalls solange all dies als Inspiration dient und nicht als... *Metapher such* ... *keine passende find* Ach, ihr wisst, was ich meine! ...Hoffentlich. ...vielleicht.

Lisa Bell

Von einem richtigen Self-Insert halte ich wenig. Das wäre bei mir auch nicht sonderlich spannend zu lesen. Aber es ist schon bezeichnend, dass bisher nur weibliche Figuren bei mir die Ich-Perspektive erobern konnten. Dabei hält sich das Geschlechterverhältnis bei den Protagonisten bei mir im etwa die Waage. Dazu hab ich die Ich-Perspektive zwar bewusst gewählt, viel weniger aber das Geschlecht der Protagonistin. Das war wohl immer unterbewusst und ist mir erst kürzlich klar geworden.

Bestimmte Beziehungskonstellationen, die ich einerseits gern lese und andererseits aus dem richtigen Leben kenne, tauchen auch vermehrt auf. Das sind Beziehungen, die ich gut von innen kenne und deshalb wohl auch meine, glaubhaft erzählen zu können.

Und sobald die wörtliche Rede ins Spiel kommt, legt man den Figuren Phrasen in den Mund und jedes ihrer Worte ist ja irgendwie auch das eigene. So ganz entfernt von einem selbst oder Menschen aus der näheren Umgebung ist es schwer, eine authentische Person zu erzählen, die nicht blass bleiben soll oder nur so vor stereotypen Verhaltensmustern strotzt. Da ist die Balance für mich schwer zu finden.

Fazit: Teils, teils. Ganz ohne könnte ich wohl aber nicht.

Lana

Die Frage ob ich über mich selbst schreibe finde ich sehr interessant.
In gewisserweise sollten wir schreiben, über das was wir kennen und erlebt haben. was wir wissen und von was uns begeistert. Deswegen denke ich, steckt in jedem meiner Geschichten ein Teil von mir.

Mein NaNo dieses Jahr wird sogar sehr persönlich. es ist die Geschichte, wie sie meine Oma nach dem Krieg erlebt hat in ihrer Familienkonstellation. Aber untergemischt sind mystische Aspekte und eine Familie in der Gegenwart.
Außerdem hat jeder meiner Protas irgendetwas an sich, was ich an anderen schon beobachtet habe, was interessant war oder lustig.

Ich - ganz persönlich - stecke auch immer irgendwo in meinen Figuren. Nicht komplett, aber Fasetten, Lebensabschnitte, die ich in meinen Leben erleben musste und zu Papier bringe.

moonjunkie

Doch, in vielen meiner Bücher steckt irgendein Teil von mir. Es gibt keine Figur, die genauso ist wie ich, aber manche haben Charaktereigenschaften, die ich auch habe oder andere haben Hobbies, die ich auch habe (in vielen meiner Bücher macht zum Beispiel irgendwer Yoga, meist vertraute Menschen der Hauptfiguren und die probieren es dann in Krisensituationen mal aus - ist mir neulich erst wieder aufgefallen). Oft wohnen sie dort, wo ich zumindest schon mal war.