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Imperative korrekt benutzen

Begonnen von chaosqueen, 03. September 2015, 22:43:30

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chaosqueen

Mir fällt in letzter Zeit immer mehr auf, dass der korrekte Imperativ vielen Menschen überhaupt nicht mehr gläufig ist.
Da mein bester Freund ja eh schon meint, ich sei auf einem Rechtschreib- und Grammatikkreuzzug (womit er nicht ganz Unrecht hat) und ich auch im TiZi immer wieder über falsche Imperative stolpere, mache ich mal einen Thread dazu auf.

Woher kommt eigentlich dieser recht konsequente falsche Gebrauch? Warum liest man neuerdings an allen Ecken "lese doch richtig" statt "lies"? Oder "gehe da vorne links", "esse abends keine Kohlenhydrate" oder Vergleichbares?
Warum wird die erste Pers. Sg. statt des Imperativs benutzt? Und woher kommt das?

Und: bin ich die einzige, deren Fußnägel unter akuter Aufrolleritis leiden, wenn sie das liest?

Maja

Zitat von: chaosqueen am 03. September 2015, 22:43:30Und: bin ich die einzige, deren Fußnägel unter akuter Aufrolleritis leiden, wenn sie das liest?
Nein, leider nicht. Das geht mir auch so. Es gibt einfach zu viele Menschen, die denke, der Imperativ wird grundsätzlich durch ein angehängtes E gebildet. Aber zumindest hier im Forum hab ich das noch keinen falsch machen sehen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Thaliope

Erstens: Nein, du bist nicht die Einzige :)
Zweitens: Über den Grund kann ich nur spekulieren, aber anhand der Beispiele würde ich mal vermuten, dass die Menschen im Zuge sprachlicher Ökonomie und Abschleifungen starke Beugungen vermeiden - also zu faul sind, den Stammvokal bei der Flektion zu verändern. Das geht ja auch bei den Konjunktiven gern verloren.

Tendenziell waren diese Fehler in der gesprochenen Sprache schon immer ziemlich verbreitet. Dass wir sie jetzt auch geschrieben sehen müssen, liegt wohl daran, dass dank Web x.o jeder das, was er früher nur gesagt hätte und was einem kurz unangenehm am Trommelfell gekratzt hätte, jetzt eben schreibt und damit dauerhaft die Augen belästigt :)

Aljana

Nachdem ich meinen PC neu aufgesetzt hatte und ein Rechtschreibprogramm runtergeladen, hat mir das sogar meine Imperative wegkorrigiert und in erste Person Singular geändert. Ich ab das Ding gleich wieder von der Festplatte geschmissen.

Also nein, du bist nicht allein. Aber es scheint, dem korrekten Genitiv folgend, das nächste zu seiner, was aus der Sprache verschwindet. Und da es in Werbung etc benutzt wird, kommt es den Leuten auch noch richtig vor.

Ilva

Zitat von: Thaliope am 03. September 2015, 22:48:40
Zweitens: Über den Grund kann ich nur spekulieren, aber anhand der Beispiele würde ich mal vermuten, dass die Menschen im Zuge sprachlicher Ökonomie und Abschleifungen starke Beugungen vermeiden - also zu faul sind, den Stammvokal bei der Flektion zu verändern. Das geht ja auch bei den Konjunktiven gern verloren.
Und beim Präteritum. "Ich bewerbte mich", "ich leste", zum Beispiel, alles schon gesehen. Hier im Forum noch nicht, aber das scheint sonst weit verbreitet zu sein. Ich bin mir nicht sicher, ob ich zetern und über die Verrohung der Sprache schimpfen soll, oder ob der Verlust der starken Beugung "zur normalen Abnutzung" gehört. Schliesslich war Sprache kaum jemals eine Konstante, nicht? Auch wenn ich es schade finde und es mir in den Ohren wehtut.

OT: Was mich aber umgehauen hat, war die falsche Verwendung von "das" und "dass" in einer Fernsehwerbung. (Ok, war auf MTV, das N steht übrigens für Niveau. ;) Dennoch, wie sollen die Kinder es denn lernen, wenn sie es schon falsch vorgelebt bekommen?)

Sascha

Ich muß da leider sagen, daß ich diese Ohrenschmerzen gerne mal von meiner Frau verpaßt kriege.
"Esse jetzt!" oder "Setze dich hin!" oder "Lese doch mal ein Buch!". Und mir hat sogar mal jemand in einer Zeitungsanzeige aus "Laß [uns dies und jenes machen – NEIN, nicht was Ihr denkt!]" ein "Lasse" gemacht. Argh!
Ich weiß ned, meine Frau hat ja nun aufgrund des familiären Backgrounds nicht viel Schulbildung mitbekommen (und ärgert sich heute noch drüber), und manchmal hab ich den Eindruck, das hat auch was damit zu tun, daß sie aus dem Osten kommt (Dresden). Aber das kann auch völlig daneben sein. Die Zeitungsanzeige auf jeden Fall wurde auch im "Osten" bearbeitet.
Ich mag sie natürlich nicht jedes Mal verbessern, achte aber umso mehr darauf, es meinen Kindern gegenüber deutlich richtig auszusprechen, "Iss", "Setz" und "Lies". Prompt komt ab und zu ein "Aber Mama sagt doch ..." :(

Die Präteritum-Fehler (oder ist es Imperfekt??) hab ich so noch nicht wahrgenommen, außer natürlich von meinen Kindern ( 6&8 ), aber die verbessere ich dann halt eifrig. Das ist ja glatt noch grusliger.

Lauren Mandrake

Witzig, genau über solche Fälle hatte ich in der Uni mal eine Vorlesung.
Viel ist nicht hängengeblieben, allerdings weiß ich noch, dass Sicks Aussage "der Dativ sei des Genitivs Tod" so auch gar nicht stimmt. Nur eine Funktion des Genitiv übernimmt in der Alltagssprache der Dativ. Ich müsste in meinem Hirn wirklich tief graben, um das jetzt zu finden.

Zum Imperativ:
Ich lebe in Hessen. Hier gibt's den gar nicht *lach*
Also, wirklich nur mit "ess", les" und so weiter. Allerdings sind in den Anfangsbeispielen auch schon Sachen drin, die richtig sind. So ist z.B. der Imperativ von "Gehen", tatsächlich "gehe", bzw. "geh". (Das Schwa am Ende wird ja eh gern mal geschluckt.)
Ich find das im Alltag jetzt gar nicht schlimm, ehrlich gesagt.

Ich habe mich mit dem guten, alten, unabwendbaren Sprachwandel angefreundet. Bastian Sick kriegt von so was tatsächlich Zeh-Aufrolleritis, aber aufhalten kann man solche Prozesse gar nicht.
Das heißt, ja klar, für viele sieht's nach Verfall der deutschen Sprache aus, aber eigentlich verändert sich die Sprache.
Gründe dafür gibt's viele. Meine Professorin mag den hier am liebsten: "Der Mensch ist faul."

Ja, klar, ich bin dafür, dass man es nach den Duden-Standards an Schulen und Unis ordentlich in der Schriftsprache lehrt.
Und dass es auch außerhalb von Bildungsanstalten, im Beruf z.B. so gehalten werden sollte.
Aber was wir im Alltag mündlich damit machen, können wir damit ja kaum beeinfllussen.

Falls ihr nur und rein von der Standard-Schriftsprache sprecht, stimme ich euch zu.
Falls ihr auch mit an die mündliche Sprache denkt, habe ich eben ein paar milde Einwände :)

@Ilva hat auch schön gesagt: "Schliesslich war Sprache kaum jemals eine Konstante, nicht?"

cryphos

Sprache lebt und verändert sich. Das sieht man im Deutschen zum Beispiel daran, dass die starken Verbformen aussterben (buk vs. backte). Aber auch im Englischen, wie wohl in jeder lebenden Sprache, kann man das beobachten. Dort wurde das vertrauliche thou (du) durch das formelle Sie (you) ersetzt (s. Hamlet).
Grund dafür ist, dass der Mensch nun einmal zu Optimierungen neigt oder schlicht faul ist. Erst verändert sich das gesprochene Wort, dann, nach einiger Zeit, fasst es in der Schrift Fuß und schlussendlich landete s so in der Grammatik oder im Wörterbuch.
Für einige ist das befremdlich und störend aber wir können den Prozess nicht umkehren, sondern nur verlangsamen.
Imperativ, Genetiv, Konjunktiv starke Verformen sind mir gerade die präsentesten Beispiele wie sich die deutsche Sprache vereinfacht. Auch ich finde das weder schön noch wünschenswert, doch ich versuche mich damit zu arrangieren.
Ansonsten hilft mir oft, Zeh- und Fingernägel ganz kurz zu schneiden und eine große Portion spöttischen Humors.

Merwyn

Ich krieg auch immer die Krätze, wenn ich sowas lese. Besonders "gebe" statt "gib" find ich ganz schlimm.
Lernt man die starken und schwachen Verben nicht schon in der Grundschule? Das müsste dann doch eigentlich in Fleisch und Blut übergehen. Denke ich mir zumindest immer.

Wenn jemand dauernd "lasse" und "esse" und "lese" verwendet, hört sich das in meinen Ohren auch nicht nach Weiterentwicklung der Sprache an, sondern eher nach einem riesigen Rückschritt. Jetzt mal unabhäng davon, dass es grammatikalisch nicht stimmt, klingt es für mich auch einfach nur altertümlich. "Gebe er mir das königliche Zepter", so in die Richtung ;)

Inzwischen ist das glaub ich schon so eine Art vererbtes Problem. Die Eltern wissen nicht, wie's richtig heißt, die Kinder übernehmen es falsch, und meistens steckt man noch ein paar Leute im Umfeld an.
Ist euch das schon mal passiert? Irgendwer im Bekanntenkreis hat einen Worttick, und ihr ertappt euch dabei, wie ihr das selbst benutzt? Das ist total ansteckend und man kann es sich ganz schlecht wieder abgewöhnen, auch wenn man es möchte.
Wahrscheinlich ändert es dann deswegen nicht mehr viel am aktiven Sprachgebrauch, wenn man z.B. in der Schule beigebracht kriegt, wie es richtig heißen müsste.

Zit

Aber sind Menschen wirklich so lernresistent? Und muss man alles immer mit einem Schulterzucken hinnehmen "ist halt Wandel"?
Ich weiß nicht, mir sind falsche Imperative noch nie begegnet, jedenfalls nicht in den letzten Wochen, dass ich mich daran erinnern könnte. Weder im realen Leben noch privat. (Aber ich habe ja auch kein Kabelfernsehen.) Jedenfalls, was mir im Internet öfter ins Auge sticht, ist allgemein eine schlechte Rechtschreibung, Ausdrucksweise und völlige Ignoranz der Groß- und Kleinschreibung. Von halbwegs korrekten Satzzeichen will ich gar nicht reden. ("Wie, hinter Kommata und Punkte muss ein Leerzeichen? Und was sind überhaupt Kommata?" ::) ) Da fällt der falsche Imperativ schon gar nicht mehr auf, weil alles andere schon krumm ist.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

flowrite

Meiner Meinung nach hat die Sprache, oder vielmehr haben die Sprecher in Bezug auf die Sprache, größere Probleme als die richtigen Imperativformen. Was ist schon dabei im Vergleich etwa zur Anrede mit "Alter" oder "Bitch". Zwar handelt es sich bei diesen Ausdrücken um Jugendslang der "bildungsfernen" Schichten. Wenn sich auch nicht verallgemeinernd sagen lässt, dass die Jugend das Deutsch von morgen spricht – es ist schließlich der Sinn von Jugendslang, so zu reden, wie es die Erwachsenen am meisten ärgert – , ein paar solcher Ausdrücke werden die Einkehr der Vernunft aber überstehen. Und wenn man dann ankommt und sagt: "Sprich erst mal ordentliches Deutsch, Mann!", so kriegt man es postwendend zurück mit "Sprech du ers' ma rischtisch, du Schneemann von Gestern!"

Um auf deutsch von morgen einstimmen, können wir ja schon in diesen thread so reden. :D


Sprotte

Der falsche Imperativ ist mir noch nicht so häufig begegnet wie das schauderhafte "alswie" (als Ersatz für den korrekten Gebrauch von als oder wie der Einfachheithalber immer alswie) oder der Deppengenitiv: Thomas sein Auto.

Thaliope

Ach, Sprotte, das "alswie", ne? Das hat schon der Goethe benutzt, des kann so falsch net sei. ;)

Und es ist natürlich dem Thomas sein Auto - ich liebe den Deppengeneitiv, gerade bei Namen, die auf s enden, ist er ungemein praktisch :)

Miezekatzemaus

Zitat von: Sascha am 04. September 2015, 09:30:27
"Esse jetzt!" oder "Setze dich hin!" oder "Lese doch mal ein Buch!".
Was ist denn an "setze" falsch? "Sitz" gibt es ja nicht, das hab ich gerade nachgeguckt. Oder meinst du das e? Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es optional, das hinten anzuhängen.

Mein Lieblingsspruch darauf ist ja "das schreibt man aber mit I wie Imperativ", nur wirkt man damit so schnell arrogant. Ich verbessere es manchmal, wenn ich es höre und zu der Person einen guten Draht habe/weiß, dass sie es mir nicht übel nimmt. In meiner Klasse würde niemand "iss", "lies", "gib" oder "nimm" sagen, sondern "ess", "les", "geb" und "nehm". Na gut, bis auf zwei, drei Ausnahmen.

Sprotte

Thali, du machst kleiner Sprotte Angst! *mimimimi*  :schuldig: