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Wie geht eigentlich Schreiben?

Begonnen von chaosqueen, 24. Februar 2015, 11:48:56

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chaosqueen

Weil ich den SdT-Thread nicht endlos kapern will und mein Problem breiter gefächert ist, mache ich mal einen eigenen auf.

Ich versuche, mein Problem zu umreißen, weiß aber jetzt schon, dass da widersprüchliche Aussagen enthalten sein werden, weil es auch auf die Situation ankommt. Fragt gerne nach, wenn ihr verwirrt seid, ich brauche eh die Diskussion, um hoffentlich irgendwann zu verstehen, wie Schreiben überhaupt funktioniert.

Ich zäume das Pferd mal von hinten auf: Mein Output ist unterirdisch. Und zwar qualitativ (quantitativ auch, aber das hat damit zu tun, dass ich einfach nicht noch mehr Schrott schreiben will als eh schon).

Ich lese mir durch, was ich gelesen habe und finde es furchtbar. Keine Emotionen, nur nackte Fakten, kein literarisches Drumherum, kaum Innenansichten und sehr wenig Details.

Ich sehe das alles, ich weiß auch, wie ich gerne schreiben würde - aber ich habe keine Ahnung, wie ich diese Lücke schließe. Null. "Lernen durch Anwenden" hilft bei mir absolut gar nicht. Ich kann fremde Texte betalesen und den Finger auf Kleinigkeiten legen. Das kann ich mit meinen auch, nur dass es keine Kleinigkeiten sind. Ich habe sehr selten einen Satz, bei dem es nicht funktioniert, es ist der ganze Text.
Es fehlt eigentlich an allem. Ich zähle auf, was die handelnden Personen machen, wenn es nötig ist auch, wo sie sich befinden - und da war es. Seit Januar zwinge ich mich, auch mal Gedanken und Überlegungen der Figuren mit einzubringen, aber überzeugend wirkt das auch nicht.

Mein Problem: Ich sehe meine Figuren nicht. Ich habe ein grobes Konzept, wie meine Geschichte verlaufen soll, aber mehr nicht. Für mein konkretes Projekt lautet das: Sechs Menschen stehen in unterschiedlicher Beziehung zueinander. Einer von ihnen entpuppt sich nach und nach als starker Narzisst, auch wenn er selber sich für einen Altruisten hält. Durch den Verlauf der Handlung wird immer deutlicher, wer er wirklich ist, die fünf anderen wenden sich einer nach dem anderen von ihm ab, bis er alleine dasteht.

An sich ein spannendes Projekt, das ich nach wie vor mag. In meiner Vorstellung sind alle Figuren vielschichtig. Sebastian ist eben nicht nur der knallharte Geschäftsmann, der beruflich über Leichen geht, er ist auch der liebevolle Vater, der zärtliche Ehemann, er hat Humor, einen weichen Kern und ein offenes Ohr für seine Freunde. Aber dann ist er eben auch wieder derjenige, der sagt, wo es langgeht, der seiner Frau einredet, wie sie zu leben hat, der für seine Tochter "nur das Beste" will, ohne zu hinterfragen, ob es denn wirklich für sie das Beste ist etc.
Seine Frau hat seinetwegen viel zurückgesteckt, ist eine aufopferungsvolle Mutter und liebt ihren Mann sehr, aber sie ist auch unzufrieden, sucht nach Möglichkeiten, aus dem Trott auszubrechen und beginnt eine Affäre in dem festen Glauben, dass ihr Mann das auch schon längst tut.
Die Tochter ist intelligent, ein bisschen pubertär, lehnt sich gegen die Mutter auf, liebt ihren Vater - und deckt eine frühere Affäre von ihm auf, weshalb sie sich plötzlich gegen ihn wendet.
Und so weiter und so fort.

In der Theorie ist das prima, meine Figuren haben Stärken und Schwächen, alles toll.

Aber: Ich sehe sie nicht, spüre sie nicht, bin nicht "in ihnen drin". Ich sitze mit dem Fernglas auf dem Berg, beobachte, was im Dorf passiert und interpretiere aus der Entfernung Taten, Handlungen und Emotionen der Handelnden. Das klappt nicht.

Und nun zu meinem Dilemma: Ich sehe das. Ich weiß, wie schlecht ich schreibe. Wäre ich der Betaleser meiner eigenen Texte, stünde ständig am Rand: "Näher ans Geschehen", "überarbeite das noch mal" und "das funktioniert so nicht". Sicher wäre hier und da auch ein Smiley an einer gelungenen Szene, aber das wäre die Ausnahme. Und ich habe nicht nur keine Ahnung, wie ich den ganzen Murks beim Überarbeiten in geordnete Bahnen lenken soll, sondern auch nicht, wie ich schon im ersten Entwurf mehr Stimmung, Atmosphäre und "Drumherum" unterbringe.

Ich liebe Bücher, in denen der Autor auch mal etwas weiter ausholt, in dem nicht alles der reinen Plotentwicklung dient, sondern auch einfach mal der Atmosphäre. Nur: Ich selber bekomme es nicht hin. Ich denke beim Schreiben nicht mal darüber nach. Ich hetzte durch meine Szene, und nach 800 Wörtern hab ich ein eben noch halbwegs glückliches Pärchen getrennt. Zack. Dann lese ich Szenen anderer Autoren und bin beeindruckt, wie viele Wörter sie benutzen, um einfach nur ein kurzes Gespräch wiederzugeben. Wie viel "Drumherum" sie mit reinpacken, das anscheinend gar nichts mit dem Inhalt des Gesprächs zu tun hat und trotzdem genau dieser Szene die Würze gibt, die sie braucht.

Dann bin ich ganz euphorisch und versuche es auch, aber meistens verpasse ich das richtige Maß, und dann hab ich am Ende einen langweiligen Dialog, der in eine noch langweiligere Raumbeschreibung eingebettet ist.

Eigentlich wäre es zum Lachen, wenn mir nicht so zum Heulen zumute wäre. Ich würde gerne schreiben können, aber ich weiß nicht, wie. da schaffe ich es noch eher, eine halbwegs erkennbare Ente zu zeichnen, als eine Geschichte stimmungsvoll aufzuschreiben - und es gibt Gründe, warum ich Kunst nach der achten Klasse abgewählt habe. ;)

Wie also habt ihr Schreiben gelernt? Ich glaube nicht daran, dass man es "in sich haben" muss, zumindest nicht auschließlich. Ich glaube, dass vieles auch Handwerk ist, und Handwerk kann man lernen. Aber wie? Ich bin echt ratlos zur Zeit. Schreibratgeber haben für mich übrigens das Problem, dass sie mich überfrachten. Da sind dann ganz viele tolle Ideen drin, die ich eine Weile alle der Reihe nach umzusetzen versuche, aber irgendwann geraten sie wieder in Vergessenheit, zumal es einfach zu viele sind und ich eh nicht alles auf einmal umsetzen kann.
Und dann ist da halt wieder das Problem der Wichtigkeit: Was ist wichtig, was nicht so? Welchen Tipp sollte ich unbedingt umsetzen, welchen nicht?

Weil es im anderen Thread angesprochen wurde: Beim kochen ist es einfach. Hält man sich ans Rezept, bekommt man ein schmackhaftes Essen. Beim Schreiben bekommt man aber nur die Anleitung zur Zubereitung und muss sich seine Zutaten selber suchen. Und dazu bin ich irgendwie nicht in der Lage. ::)

Thaliope

#1
Ich wiederhole mich dann auch hier nochmal.
Ich glaube nicht, dass dir die Technik fehlt, wie du eine Szene aufbauen musst. Dein Problem ist, wenn ich es richtig verstehe, dass der Text nicht "lebendig" wird. Und ich glaube, dass du Angst davor hast, dich in die Figuren hineinfallen zu lassen.
Es gibt viele Techniken, die man lernen kann und lernen sollte. Aber es gibt auch den Teil des Gefühls, des Empfindens, den man nicht über den Kopf lernen kann, sondern in sich finden muss.

Versuch vielleicht, nicht gleich einen Roman zu schreiben, sondern dich schreibend (frei schreibend) mit den einzelnen Figuren auseinanderzusetzen. Lass dir von ihnen erzählen (konkret, nicht abstrakt - nicht, "hi, ich bin Volker und ich bin ein Narzisst", sondern, was macht ihn dazu, woran merken das andere Leute? Woran merkt er es? Wie geht des ihm damit? Welche Erfahrungen hat er bis dahin damit gemacht? Hat er deswegen vielleicht schon jemanden verloren, den er geliebt hat? Wer war das?
Wenn du eine solche Geschichte erzählen willst, musst du ganz tief in die Figuren eintauchen, mit ihnen fühlen, leiden, wüten.
Glaub ich jedenfalls ;)

LG
Thali

EDIT: Sorry, dass ich mich so wiederhole, aber ich hab einfach das Gefühl, dass du dich über die Technik ums Fühlen rumdrücken willst. ;) Wenn ich damit falsch liege (und ggf. nur meine eigenen Erfahrungen projiziere), halt ich ab jetzt auch brav die Klappe.

Sipres

Es gibt kein Patentrezept für dieses Problem. Ich habe mir die Ausarbeitung von Charakteren schwer erarbeiten müssen. Zuerst habe ich Biographien geschrieben, dann habe ich auf Teufel komm raus alles aus der Biographie in die Geschichte einfließen lassen, bin viel zu oft und viel zu extrem auf die Gefühle eingegangen. Und dann (zirka ein Jahr später) habe ich angefangen, Dinge zu streichen und nur die wichtigen Fakten stehen zu lassen. So wurde aus quasi gleichen Charakteren eine ganze Palette einzigartiger Personen, die alle ihre eigenen Sorgen und Nöte hatten.

Auch das Schreiben von Kurzgeschichten aus der Ich-Perspektive hat mir sehr geholfen. Dabei muss man einfach auf die Gefühle eingehen. Das schöne dabei ist, dass man sie schildern kann, als wenn man sie selbst erlebt. Und das kann man dann später auch auf andere Perpektiven ausweiten.

Valkyrie Tina

Hast du mal versucht, die Szenen mehrfach zu schreiben? aus dem Blickwinkel der Beteiligten und in der Ich-form? Da kommen oft ganz von allein Gefühle und Untertöne dazu.

Siara

Also erst einmal: Ich kenne deine NaNo-Schnipsel, chaos, und die wirkten auf mich sehr wohl atmosphärisch und schön erzählt. Wenn du nun bei diesem Roman solche Probleme hast, vielleicht liegt es dann nicht an deinen Fähigkeiten, sondern schlicht am Projekt?

Ich glaube, dass nicht jeder Autor jeden Roman schreiben kann. Selbst, wenn es die eigene Idee war. Selbst, wenn man sich von dieser Idee begeistern lässt und Lust auf das Schreiben hat. Aber für manche Geschichten entwickelt man einfach nicht das richtige Gefühl, kann nicht ganz eintauchen. Andere brauchen Zeit, weil entweder die Geschichte selbst oder der Autor noch reifen muss. (Das hat nicht unbedingt etwas mit den Fähigkeiten, sondern manchmal auch einfach nur mit einer bestimmten Entwicklung der eigenen Einstellung oder mit Erfahrungen zu tun). Ob das bei dir der Fall ist, weißt du sicher am besten, und es war auch nur eine Idee.

Was die eigentliche Frage angeht: Wenn ich mal wieder mit einem Dialog komplett unzufrieden bin, suche ich eines der richtig guten Bücher raus und gehe dort einen Dialog ganz langsam durch. Stück für Stück, um herauszufinden, was dort erwähnt wird, an welcher Stelle und mit welchen Worten. Manchmal bringt das Ideen, aber im Regelfall kann zumindest ich diese Techniken nicht einfach auf meinen Roman übertragen.

Für mich steht wirklich im Mittelpunkt, ein Gefühl für die Geschichte zu entwickeln. Dazu gehört auch die beste Methode zur Planung. Ein Kapitelplan beispielsweise bringt mich nur dazu, durch die Handlung zu hetzen und am Ende mit dem rohen Gerüst eines Romans darzustehen. Vielleicht findest du eher in die Geschichte, wenn du dich ein wenig treiben lässt und siehst, wo du landest? Das führt zwar oft zu mehr Aufwand bei der Überarbeitung, kann aber gleichzeitig auch ganz neue Seiten am Roman hervorbringen.

Auch habe ich für mich festgestellt, dass ich keinen Roman mit noch so toller Handlung schreiben kann ohne eine unbedingte Empathie und das vollkommene Verständnis jeder einzelnen Figur. Ich muss von einer zur nächsten springen können und sofort in ihre Rolle eintauchen. Um zu diesem Punkt zu gelangen, brauche ich meistens etwa hundert Seiten. Wenn ich bis dahin immer noch nur an der Oberfläche kratze, hat das Weiterschreiben erst mal nicht viel Sinn. Hin und wieder hilft es, sich auch im Alltag immer wieder in die Charaktere hineinzuversetzen und sich durch die Geschichte und ihre Gefühle zu denken, um die Empathie quasi zu üben.

Ich fürchte irgendwie, das alles sind so simple (und doch so schwere) Ansatzpunkte, dass sie dir wohl nicht viel zu sagen haben. Aber auch wenn man das Schreiben lernen muss, denke ich einfach nicht, dass man sich die Atmosphäre und die Stimmung aneignen kann. Eine Verbundenheit zum Projekt muss da sein, sonst wird man nie erkennen, an welcher Stelle welcher Stil, welche Details, welche Handlungen passend sind.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

chaosqueen

Thali, ich will mich nicht davor drücken - ich kann es schlicht und ergreifend nicht. Ich war vier Jahre mit einem Narzissten zusammen, der immer erwartet hat, dass ich doch wissen muss, wie es in ihm aussieht, denn wenn ich mich nicht in ihn hineinversetzen kann, dann liebe ich ihn schließlich nicht. Umgekehrt "wusste" er natürlich immer ganz genau, was in mir vorgeht und hat sich darin von mir auch nicht beirren lassen.

Wie um alles in der Welt soll man schreiben, wenn man nur weiß, wie es in einem selber aussieht, aber nicht den blassesten Schimmer davonhat, wie es in anderen aussieht? Menschen haben kein Fenster, durch das man reingucken kann. Ich kann Vermutungen anstellen, die nicht immer falsch sind, aber die wirklichen, echten Gefühle werde ich nie selber mit-fühlen können, wenn ich nicht zufällig schon mal exakt diese Situation selber erlebt habe. Und selbst dann nicht, weil jeder Mensch anders reagiert.

Wie gesagt: Kurzgeschichten kann ich. Aber vermutlich, weil ich da grundsätzlich nur Emotionen verwende, die ich kenne. Und der Versuch, mich schreiberisch meinen Figuren zu nähern, hat bisher nicht geklappt.

Tina: Jein. Ich hab nur so lange an einer Szene herumprobiert, bis ich wusste, aus wessen Perspektive sie erzählt werden will.

Mein Problem ist ja irgendwie auch alles, nicht "nur" die fehlenden Innenansichten, sondern eben auch die Atmosphäre der Szene, die Dialoge, die Umgebungsbeschreibung, die Intention der Szene - alles.

Siara: Das sind Schnipsel. Die suche ich ganz bewusst danach aus, dass sie mir gefallen. Bedeutet: Auf jeden Schnipsel, der mir gefällt, kommen etwa hundert Abschnitte Schrott. Und alle meine NaNo-Romane laufen auf dem gleichen Niveau, es liegt also nicht am aktuellen Roman, den habe ich nur als Beispiel herangezogen.
Und ich lasse mich ja schon wieder durch den Roman treiben. Ich freue mich ja auch jedes Mal, dass "ich hab keine Ahnung, was passiert, ich nehme mal X und Y und lasse X erzählen und dann sehen wir" zu Szenen führt. Aber eben nicht zu etwas, das sich gut und flüssig liest, Atmosphäre verbreitet oder einfach den Leser in den Text tauchen lässt.

Anj

Huhu Chaos,

ich glaube ehrlich gesagt auch nicht, dass alles wirklich so schlecht ist. Vor allem nicht, wenn du dich vor allem auf dein eigenes Urteil berufst. Denn wenn man in so einer Situation ist, in der man davon überzeugt ist, dass alles eher schlecht ist, kann man es gar nicht mehr neutral beurteilen.

Abgesehen von der Ich-Perspektive für einzelne Szenen oder Kurzgeschichten, würde ich dir eine kleine Schreibübung vorschlagen, die mir sehr geholfen hat. Du hast doch bestimmt ein Vorbild, bei dem der Text unheimlich lebendig wirkt, oder? Versuch ihn ganz klar zu kopieren. Du kannst nur einige Aspekte verändern und dann versuchen Stil und Inhalt zu kopieren, oder einen ganz neuen Text als dein Vorbild schreiben.
Inwiefern das allerdings gleich schon mit dem Anspruch literarisch zu schreiben funktioniert, da bin ich selbst noch ratlos. Literarisch funktioniert meinem Empfinden nach noch mal wieder ganz anders als Unterhaltungliteratur, die ich beispielsweise schreibe. Vor allem, weil ich da oft den EIndruck habe, das sehr vieles auf einer Metaebene passiert und nicht vorrangig auf der normalen Ebene wie in der Unterhaltungsliteratur.

Letztendlich wirst du um das Fühlen aber nicht herumkommen. Wenn du dich da wirklich unbewusst vor drückst, dann könnte es eine Variante sein, mal eine ganze Szene nur in Innensicht zu schreiben.

Liegt es tatsächlich daran, dass du die Szene nicht mehr schreiben magst, wenn du dich zu sehr einfühlst, dann versuch herauszufinden, wie sehr du eintauchen musst, um die Szene lebendig zu bekommen und dann fang einfach an, die Szene zuschreiben. Und wenn es aus dem Zusammenhang gerissen ist, egal. Es geht ja dann erstmal um das Schreiben mit Gefühlen.

Ansonsten kann ich wirklich nur empfehlen mit betalesern konkret an Schreibübungen zu arbeiten. Und zwar mit welchen, die nicht nach der einen perfekten Lösung suchen, sondern verschiedene Versionen zeigen können und die unterschiedlichen Wirkungen erklären können. Ich habe durch solche Betas gelernt, dass Empfindungen manchmal sogar gegensätzlich sein können und ich es nie objektiv richtig machen kann. Denn es gehören durchaus auch Erfahrungen, Stimmungen und Gewohnheiten des Lesers dazu, wie er eine Textstelle empfindet.


Und dann noch etwas zum Thema, man kann es lernen: Ja, ich denke schon, dass das geht. Ich habe selbst eine Szene in meinem ersten Roman, die ich null gefühlt habe, obwohl sie randvoll mit Emotionen ist. Ich hab die Stelle zusammenkomponiert aus Versatzstücken anderer Autoren in dem Genre und keine Betaleser hat dazu etwas angemerkt. Bei konkreter Nachfrage zu der Textstelle kommen sehr positive Rückmeldungen. Aber, und das ist ein ziemlicher Knackpunkt, wenn man allein für sich schreibt, ich empfinde das bis heute nicht so. Für mich ist die Stelle völlig blutleer, ich finde sie nicht wirklich gut, es fehlt etwas ...
Also ja, für den Leser kann ich das lernen und ihn etwas empfinden lassen, das ich selbst nicht empfinde. Aber ich als Autor werde dieser Erfahrung nur durch Handwerk für diese Textstellen nicht bekommen. Und damit kann ich sie selbst eben auch nicht wirklich einschätzen, es sei denn ich kann auf Erfahrung zurückblicken.

Soweit mal meine Gedanken dazu.

Und ich bin mir sicher, dass du das hinkriegen wirst!

lg
Ani
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Thaliope

Du kannst zum Beispiel darüber schreiben, wie sich ein Narzisst verhält und welche Emotionen dieses Verhalten in anderen auslöst. Wie fühlt sich diese Hilflosigkeit an?

Wenn du deine Charaktere und ihre Geschichte kennenlernst, wirst du dir vorstellen können, was sie in bestimmten Situationen empfinden. Das ist nicht mit dem Anspruch identisch, anderen in den Kopf gucken zu können, schließlich sind die Figuren alle deine Erfindung und damit ein Teil von dir.

Ob du damit in der Lage bist, die Innensicht eines Narzissten darzustellen, sei dahingestellt. Das brauchst du auch gar nicht.

Aber ein Stück weit Einfühlungsvermögen in andere, Empathie, Mitgefühl ist natürlich schon wichtig zum Schreiben.
Menschen sind prinzipiell in der Lage, die Emotionen andere mitzuempfinden. Dass man Mitleid mit jemandem hat, dass man, wenn im Kino jemand in einer lebensgefährlichen Lage ist, ebenfalls Angst hat ... das sind die Grundmechanismen, auf denen Geschichten aufbauen: Emotionen erlebbar, nachfühlbar machen.
Dass man im echten Leben nie genau wissen kann, was im anderen vorgeht - und dass ein ausgewachsener Narzisst echt kein guter Ratgeber in Sachen Gefühle ist, steht auf einem anderen Blatt.

Emotionen zu vermitteln, zu denen man selbst noch nie Kontakt hatte ... das heben wir uns vielleicht für die Masterclass auf ;)




Alana

#8
Chaos, ich glaube nicht, dass es wirklich so dramatisch ist, wie es sich für dich anfühlt. Mir haben deine Schnipsel jedenfalls auch immer gefallen. :) Ich verstehe aber auch, dass du an dir arbeiten möchtest. Es fällt mir nur wirklich schwer, abstrakt Tipps zu geben. Wenn du möchtest, kannst du mir mal eine Stelle schicken, die dir Probleme macht, und ich gucke mal, was mir dazu einfällt. Ich habe leider keine Zeit für komplettes Betalesen, aber vielleicht kann ich dir helfen, den Finger auf das zu legen, was dich stört. Schreib mir einfach eine PM, dann gebe ich dir meine Mail-Adresse, falls du das möchtest. :)
Alhambrana

Leann

Okay, du hast mich überzeugt. Du kannst nicht schreiben und hast überhaupt kein Talent dafür. Hiermit bestelle ich für den Anfang zehn Makrameeeulen. Nein! Quatsch. Ich kenne ja auch deine NaNo-Schnipsel. Die passen für mich so überhaupt nicht zu dem, was du sagst. Jetzt zum Thema.

Du verwendest Emotionen, die du kennst. Na und? Was ist schlimm daran? Ich finde, genauso kann Schreiben gehen. Kann, denn ein Patentrezept, das für alle gilt, gibt es meiner Meinung nach gar nicht. Wir sind ja nun beide keine ganz jungen Hüpfer mehr und können aus einem großen Erfahrungsschatz und einer Menge selbst erlebter Emotionen schöpfen. Das ist doch super. Warum siehst du das so negativ? Weil du unbedingt von etwas schreiben möchtest, das du noch nie gefühlt hast? Vielleicht findet sich ein Zipfel dieses auf den ersten Blick unbekannten Gefühls in einem, das du doch schon mal in der Art erlebt hast. Manchmal müssen wir diesen Zipfel nur finden und daran ziehen. Und wenn dir andere Menschen ein Rätsel sind, dann schreib doch einfach genau darüber, denn ich wette, dass es nicht nur dir so geht. So geht zum Beispiel schreiben.

Wie "man" schreiben soll, kann keiner pauschal sagen (finde ich jedenfalls). Es gibt gewisse Grundregeln für Liebesromane, Science-Fiction, etc. und natürlich Rechtschreibregeln und grundsätzliches Handwerkszeug. Aber selbst wenn es einem gelingt, all diese Regeln zu befolgen, heißt das noch lange nicht, das das Ergebnis einem selbst oder dem Leser gefällt. Gerade Autoren, die es wagen, mit Regeln zu spielen und sie zu brechen sind es, die unvergessliche Werke schaffen. Was wäre passiert, wenn die geschrieben hätten, wie "man" schreiben soll? Das ist es auch, wie Schreiben geht. Mut haben, etwas wagen, den ganz persönlichen Stil finden. Und, leider manchmal auch, die eigenen Grenzen erkennen und die Ansprüche an sich selbst herunterschrauben. Nicht jeder ist dazu gemacht, ein Meisterwerk der Weltliteratur zu schaffen. Muss ja auch nicht sein, denn nicht jeder Leser will so ein Meisterwerk lesen.

Ich glaube, dass man das selbst oft gar nicht beurteilen kann, am wenigsten während eines Schreibprozesses oder in einer Zweifelphase. Dazu brauchen wir dann wirklich Leser. Denn was uns in einer schwarzen Stunde als flach und langweilig erscheint, kann ein Leser als fesselnd empfinden.

Gerade merke ich, dass das ein wenig am Thema "Wie geht schreiben" vorbeigeht, aber ich finde, dass es auf diese Frage keine Antwort gibt, die alle befriedigen kann, sondern jeder für sich selbst herausfinden muss "Wie geht für mich schreiben". Und das können wir wohl nur durch eins herausfinden: Durch Schreiben.

Mogylein

Chaos, es geht mir sehr ähnlich wie dir. Auch ich habe nur weiße Blobs statt Figuren in meinem Kopf (mit einem Standbild als "Das ist Charakter X" dazu, damit ich Gesicht, Körperbau und Kleidungsstil halbwegs weiß) und finde, dass ich nur erzähle, was die Figuren tun und damit war's das. Oder ich versuche, es anders zu machen, kriege aber nur langweiligen Output raus, weil ich nicht weiß, wie man das anwendet.
Wenn es dir wie mir geht, ist da eine Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen und dem eigentlichen Schreiben. Es fehlt eine Methode, das gelernte zu opperationalisieren und dann zielgerichtet (nicht "wir nutzen nur noch show, nie tell und das ist richtig so", sondern wissen, wann man show einsetzt, wann man tell nutzt und wie man die beiden Sachen am effektivsten verwendet) einsetzt.

Was mir ein bisschen geholfen hat, war diese Reihe zum Thema perfekte Szene: http://www.schriftsteller-werden.de/kreatives-schreiben/die-perfekte-szene-teil-1/ (gibt mehrere Teile, habe nur Teil 1 verlinkt). Wirklich gut ist es leider trotzdem nicht.

Was ich mir auch vorstellen könnte, was ich aber noch nicht ausprobiert habe, ist das Abschreiben und anschließende aus-den-Gedanken-nochmal-Schreiben von Szenen, die man wirklich klasse fand. Vielleicht macht es dann klick.

PS: Es fühlt sich an, als würdest du schriftstellerisch in einem Loch stecken und alles negativer sehen, als es ist. Ich kenn das und kein "aber ich finde deine Schnipsel gut" könnte mir da helfen. Aber lass dir sagen, dass ich das Gefühl habe, du steigerst dich in dein eigenes, vermeintliches Unvermögen rein. Versuche, da ein wenig Abstand zu gewinnen.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

moonjunkie

Bestimmt ist alles gar nicht so schlimm, wie du meinst, Chaosqueen, aber ich kenne das Gefühl auch. Dass irgendwie alles nur noch hölzern klingt und hingeklatscht. Manche meiner Szenen finde ich auch so hin und wieder.

Ich finde Schreiben lernen nach Schreibratgebern zum Teil etwas schwierig. Ein bisschen hat mir das sicherlich auch schon geholfen, aber was mir noch viel mehr geholfen hat sind Schreibseminare oder Workshops. Zum Beispiel an der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel, aber es gibt auch diverse andere solcher Akademien quer durch Deutschland. Mittlerweile war ich schon viermal in Wolfenbüttel (einmal zum Basiskurs "Mit allen Sinnen schreiben", einmal zum Fantasyseminar speziell zu Figuren und zweimal beim "Text TÜV"). Jedes Mal habe ich ganz viel gelernt, weil man die eigenen Texte beleuchtet und daran viele Tipps bekommt. Klar, am Anfang tut die Kritik weh und man ist erst mal erschrocken, aber ich glaube schon, dass meine Texte schon sehr viel besser geworden sind.

Und natürlich hilft auch weiterschreiben, aber du sagtest ja schon, dass das bei dir nicht so richtig hilft. Vielleicht könntest du auch einfach mal verschiedene Dinge ausprobieren. Andere Stile nachahmen, nur zu Übungszwecken. Manchmal bedarf es auch einfach einer häufigen Überarbeitung einer Szene. Wenn dir dein Dialog langweilig vorkommt, guck mal, woran das liegt und such dir aus einem Lieblingsbuch einen Dialog raus und guck dir an, was dir daran gefällt.

Wenn du deine Figuren noch nicht richtig "kennst", hilft es manchmal einfach mal Episoden aus deren Alltag zu schreiben, die dann gar nicht in den Roman kommen. So lernst du vielleicht etwas über sie, zum Beispiel wie es aussieht, wenn dein Geschäftsmann mit seinem Kind spielt, wie er sich gibt, wenn er ein liebevoller Ehemann ist, etc. Was auch gut ist, ist möglichst viel über die Figuren herauszufinden, man kann z.B. Vorstellungstexte schreiben, so von wegen: "Mein Name ist Johann Müller, ich bin 300 Jahre alt und beiße am liebsten blonde Jungfrauen. Ich wohne in einem alten Schloss und habe panische Angst vor Fledermäusen ..." Irgendwie so, das muss kein Meisterwerk sein, hilft dir aber schon mal deine Figuren kennenzulernen.

Ein weiterer Tipp ist: liegen lassen. Den Text beiseite legen, vielleicht etwas Neues anfangen und dann später nach mehreren Wochen oder gar Monaten kannst du dir den problematischen Text noch einmal ansehen und dann fällt es dir vielleicht leichter, die Problemstellen zu finden.

Dieses zu schnelle Vorantreiben mache ich auch oft, wird mir zumindest in meiner aktuellen Leserunde öfter gesagt. Dagegen muss ich auch noch angehen.

Zum Überarbeiten helfen mir übrigens Szenenpläne total gut - so nenne ich sie zumindest. Es ist genau genommen eine Tabelle mit drei Spalten, vorne steht das Kapitel, in der zweiten steht wer in der Szene mitspielt und wo es stattfindet und in der Dritten fasse ich dann die Handlung zusammen. Dafür kopiere ich den kompletten Romantext unten ins Dokument und lese es Stück für Stück und lösche es dann raus, sobald es oben in der Tabelle drinsteht wie eben beschrieben. Mir hilft das immer total Schwachstellen zu finden - Inhaltliches, aber auch am Stil. Dann vermerke ich mir direkt in die Tabelle farbig markiert, was ich im Originaltext noch ändern muss oder ich gehe direkt in den Text und schreibe die entsprechende Szene um. Hier hilft es glaube ich Stück für Stück oder Szene für Szene vorzugehen, bis man zufrieden ist. Sonst ist es einfach zu viel auf einmal.

Vielleicht hilft dir ja irgendwas davon weiter, ansonsten frag doch mal einen Betaleser, wo sie deine Schwachstellen sehen. Bestimmt sind es gar nicht so viele, wie du meinst.  :knuddel:

Anj

#12
Dass man nicht in andere Menschen hineinschauen kann, stimmt natürlich. Aber wir sind in der Lage mitzuempfinden, wie Thaliope schon angedeutet hat. Das funktioniert durch sogenannte Spiegelneuronen im Hirn, die Emotionen bei anderen erkennen und diese Areale in unserem eigenen Hirn aktiv werden lassen. Dass hier im echten Leben eine große Gefahr lauert, wenn man überzeugt ist, man kenne die Wahrheit ist unbestritten. Aber im Roman gilt das eben nicht, denn es sind quasi persönlichkeitsanteile oder Erinnerungen von dir, die du nach Außen bringst und sie wachsen lässt, bis sie mehr sind als die ursprünglichen Anteile oder Erinnerungen und damit kennst allein du die Wahrheit über diese Figuren. Und niemand anders. Und da auch der Leser in keinen anderen Menschen hineinschauen kann, kannst du auch nichts falsch machen. Zumindest nicht, wenn du Ettiketten wie Narzist weglässt. Dann kann niemand sagen "Aber ein Narzist empfindet anders", weil du nie gesagt hast, er sei ein Narzist.
In unserem Leben sind wir sogar darauf angewiesen immer wieder davon auszugehen, dass wir die Wahrheit kennen, denn das allein macht uns interaktionsfähig. Wie weit wir bereit sind, uns zu hinterfragen, wenn wir erkennen, dass da doch ein Irrtum ist, macht dann echte Empathen und einfühlsame Menschen aus.

Natürlich ist es schwierig über etwas zu schreiben, dass man wirklich noch nie erlebt hat, da verlässt sich jeder Autor letztlich auf seine Fantasie, auf Klischees oder auf angelesenes Wissen.

Vielleicht wären somatische Marker ein Weg für dich, den Emotionen auf die Spur zu kommen, denn du wirst sicher schon einige Erfahrungen gemacht haben, die du vielleicht einfach nur nicht so richtig übertragen kannst. Somatische Marker sind körperliche Reaktionen. Verschiedene Emotionen manifestieren sich in unterschiedlichen Bereichen des Körpers. Wenn du dir eine Erinnerung suchst und dich bei der darauf konzentrierst, wie du die Emotion damals gespürt hast und vor allem welche kleinen Nuancen anderer Gefühle auch noch dabei eine Rolle gespielt haben und warum, dann kannst du durch diese Informationen abstrahieren.
Ein Beispiel: Als ich noch recht klein war, ist mein Hund abgehauen. In der Nähe war eine Hauptstraße. Meine Mutter rief nach ihm, ich hab versucht sie davon abzuhalten, weil ich irgendwie wusste, dass es bös ausgeht, wenn sie ihn ruft. Meine Emotionen: Angst, dass mein Hund überfahren wird (überzieht meine ganze Haut, lähmt mich fast); Hoffnung, dass alles doch noch gut ausgeht (ein kribbeln in Herzgegend); Hilflosigkeit, weil meine Mutter mich ignoriert (minimale Wut entsteht als Anspannung in den Händen) und weil ich meinen Hund gerade nicht beschützen kann (enge Kehle).
Dann knallt es auf der Straße und wir rennen los, denn es ist klar er ist angefahren. Meine Hauptemotion ist immer noch Angst (nun aber nicht mehr lähmend sondern mit Herzrasen, schweiß und Tränen, die in die Augen schießen), aber nun ist die Hilflosigkeit erstmal weg, dafür ist eine riesen Wut auf meine Mutter da (Im Bauch, schwarz und verknotet und Aggression, die vor allem in den Armen brodelt). Und ein verzweifelte Hoffnung, dass es doch nicht so schlimm ist (Eine Art Stein im Magen)
Letztendlich ist mein Hund tatsächlich angefahren worden, hatte aber nur einige Prellungen, was einem Wunder gleichkam und weswegen ich das Beispiel schön nutzen kann. ;) Ich denke, man kann die verschiedenen "Zutaten" der Emotionen mit bestimmten Situationen verbinden und sie dann losgelöst von dem Inhalt auf andere übertragen.
Angst und Hilflosigkeit zeige ich als Autorin dann wieder mit einer Mischung aus diesen somatischen Markern (oder dem, was ich empfinde, wenn ich mich in diese Marker reinversetze, aber ich weiß nicht, ob das bei jedem funktioniert), Wut und Hoffnungslosigkeit erzeugen eine andere Mischung und Verzweiflung und Angst wieder eine andere.

Vielleicht wäre das ein relativ kopflastiger Weg sich in das Thema einzuarbeiten?

Edit: Moonjunkie hat noch etwas interessantes erwähnt: Die Sinne nutzen. Vielleicht ist es auch ein wenig, in manchen Situationen innezuhalten und ganz bewusst die Sinne der Figuren miteinzubinden. Auf welchen Sinn verlässt sie sich gerade und warum? Könnte man die anderen Sinne ausbauen und dadurch Leben in den Text bringen? Ich liebe solche Momente in Büchern, weil sie es wirklich dreidimensional machen, denn auch wenn wir den Großteil der Sinne nur unbewusst nutzen, gelangen die Infos in unser Gehirn. Und manchmal wird es plötzlich bewusst, wie ein Geruch, der eine Erinnerung weckt und plötzlich nehme ich den Geruch genau wahr. Oder ein Lied ...
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Dämmerungshexe

Zitat von: chaosqueen am 24. Februar 2015, 12:21:55

Wie um alles in der Welt soll man schreiben, wenn man nur weiß, wie es in einem selber aussieht, aber nicht den blassesten Schimmer davonhat, wie es in anderen aussieht? Menschen haben kein Fenster, durch das man reingucken kann. Ich kann Vermutungen anstellen, die nicht immer falsch sind, aber die wirklichen, echten Gefühle werde ich nie selber mit-fühlen können, wenn ich nicht zufällig schon mal exakt diese Situation selber erlebt habe. Und selbst dann nicht, weil jeder Mensch anders reagiert.


Darf ich mal ganz knapp einwerfen, dass wir hier nicht von tatsächlichen Menschen sprechen, sondern von Romanfiguren?
In die MUSST du als Autor hineinschauen können, weil sie deine Kreationen sind. Vielleicht verstehst du sie beim ersten Mal  nicht ganz. Ich schreibe auch einfach nur Zeug runter und nach und nach ergibt sich ein Bild von den Figuren, das ich wirklich analysieren, auswerten und dann ausbauen und differenzieren kann.

Aber ganz klar: Figuren sind keine realen Personen - sie können nie so vielschichtig und detailliert sein wie echte Menschen. Und echte Menschen sind nie zu klar zu durchschauen, nie so logisch, wie Romanfiguren es im Normalfall sein sollten.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Lothen

Ich hab auch das Gefühl, Chaos, dass dein Problem nicht darin liegt, dass du nicht schreiben kannst. Für mich klingt das eher nach einem fiesen Frustloch.

Wenn einem irgendwie jeder Satz doof vorkommt und man das Gefühl hat, so ziemlich gar nichts zu können, ist das meistens ein ziemlich sicheres Anzeichen dafür, dass man sich selbst nicht mit realistischen Augen betrachtet, sondern einfach alles schwarz sieht. Denn mit Sicherheit ist nicht alles schlecht. Vielleicht auch nicht alles gut. Aber wenn die Ausgangslage schon sehr negativ ist ("ich kann das nicht", "ich lerne das nie") findet man auch nur schwer Zugang zu Ratschlägen, selbst wenn sie noch so gut gemeint und hilfreich sein mögen. Einmal in dem negativen Strudeln drin, kommt man von selber schwer wieder raus.

Ich schließe mich deswegen den Vorrednern an: Suche dir Betaleser, die dir aufzeigen können, wo WIRKLICH deine Schwächen liegen und wo deine Stärken sind - denn die hast du mit Sicherheit, egal, was du sagst. ;) Lass den Text eine Weile liegen, mach was Anderes, plotte, lerne deine Figuren kennen, schreibe Kurzgeschichten - lenk dich von dem ab, was dich nervt. Mit dem nötigen Abstand sieht alles sicherlich wieder nur halb so schlimm aus.

Was die "in andere hineinversetzen"-Sache angeht: Vielleicht hilft es auch, Erfahrungsberichte zu lesen, von Leuten, denen genau das passiert ist, worüber du schreiben willst. Dann hast du einen Anhaltspunkt, wie es sich anfühlen KÖNNTE. Und nicht vergessen: Gefühle sind hochgradig subjektiv. Jeder erlebt Situationen anders. Insofern können fünf Personen auch sechs unterschiedliche Meinungen zu einer bestimmten Situation haben.