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Wuppsi, fast hätt ich ...

Begonnen von Maja, 11. Februar 2015, 08:20:52

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Maja

Dieser Thread ist nicht dazu da, um Recherchefragen zu stellen. Er hat vielmehr den umgekehrten Sinn, als Mahnmal zu fungieren. Die erste Regel beim Recherchieren ist: Recherchier alles. Wenn du dir nicht 100% sicher bist, dass etwas historisch oder geographisch korrekt ist, schlag es nach. Selbst wenn du dir zu 95% sicher bist, schlag es nach. Nachschlagen ist schnell getan, und hinterher ärgert man sich sonst sehr lange.

Dieser Thread ist ein Sammelthread für die Dinge, die man glaubte, nicht nachschlagen zu müssen, und die dann doch völlig danebengelegen hätten, wäre man nicht im letzten Augenblick doch noch eben schnell in die Wikipedia rübermarschiert. Geht ja schnell, und ist hinterher nur peinlich. Namentlich, wenn das am Ende beim Leser landet.


So hätte ich, in der Überzeugung, mich in den 20ern auszukennen, gerade fast ins Klo gegriffen bei den aktuellen Modetänzen. Was tanzt man in den Zwanzigern? Klar, den Charleston! Und weil der schon zu abgedroschen und bekannt ist, schmeiße ich noch einen zweiten Tanz mit dazu: Den Lindy Hop, Vorläufer des Jive ... Moment mal. Buch spielt 1925. Lindy Hop ist nach Charles Lindbergh benannt. Gibt es den Lindy Hop schon? Nein, der kommt erst Ende der 20er. Nochmal Glück gehabt. Was wird dann mein zweiter Tanz neben dem Charleston? Irgnedwas obskures wird sich doch noch finden lassen ...

So war ich dann doch am Recherchieren. Was gut war. Denn in England im Sommer 1925 hätte kein Schwein den Charleston gekannt. In Amerika vielleicht, aber nach Europa kam der erst mit Josephine Baker an. 1925. Aber erst im Oktober. Statt Lindy Hop und Charleston stehen jetzt also Tango und Foxtrott auf dem Programm. Längst nicht so hip. Aber immerhin gab es die damals schon.

Und was hättet ihr fast verbockt? Hier ist Platz für eure verhinderten Patzer.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Janika

Ich war der festen Überzeugung, in einem stark mittelalterlich angelehnten Setting problemlos Dynamit zur Sprengung einer Höhle verwenden zu können.
Erst meine damalige Lektorin schob mir einen Link unter, dass selbiges nicht im Mittelalter erfunden wurde. Hupps ... ::) Wir haben uns dann auf einen Weg der Alchemir geeinigt.
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Sipres

Als ich mal eine Kurzgeschichte geschrieben hab, hätte ich München beinahe die U-Bahn aberkannt, weil ich einfach davon ausgegangen bin, dass es dort keine gibt. Beinahe hätte ich die Geschichte an eine Ausschreibung geschickt, hab dann aber vorher nochmal nachgeguckt. Und siehe da: München hat doch eine U-Bahn. Das wäre peinlich geworden.

Waldkatze

#3
Wuppsi - ich habe tatsächlich ...  :-[
Es ist zwar schon eine Weile her, hat aber für viele Lacher gesorgt und mich für das restliche Schuljahr verfolgt:

In einer KG ging es um ein kleines Mädchen, das mit leichten Verbrennungen dritten Grades im Krankenhaus lag.

Da hätte ich wohl besser vor dem Vorlesen recherchiert  :versteck:

PS:
Sipres, you made my day  :rofl: Danke, für diese tolle Geschichte!

Thaliope

Ich weiß nicht genau, ob das direkt hierunter gehört, aber: Ich hab mich mal bei einer Übersetzung übel verrechnet.
Da war die Protagonistin 5 Fuß 10 Inch groß. Und beim Umrechnen in Meter, hab ich natürlich 5,10 Fuß bei Google eingegeben, is ja logisch. Kam also raus, dass sie etwa 1,55 groß ist. Joa, denk ich. Und an die 70 Kilo wiegt. Joa, denk ich, ist doch mal nett. Ist ja auch mal schön, wenn in Romances nicht immer dieser Schlankheitswahn gilt.
Aber als sie dann ständig als ach so dünn und sogar dürr bezeichnet wurde, als von ihren ach so schlanken Fesseln die Rede war, da kam mir das doch irgendwann sehr seltsam vor. *kopfkratz*
Nachgerechnet - stimmte aber. Wird dann wohl so sein ... Im letzten Moment hab ich das nochmal nachgerechnet, und dabei ist mir aufgefallen, dass man 5 Fuß 10 Inch nicht einfach mit nem Komma zusammensetzen kann, sondern einzeln zusammenrechnen muss, weil ja nicht metrisches System und so. Da kam dann raus, dass sie 1,77 groß ist, und auf einmal passte auch alles wieder zusammen.
Das wär mal richtig peinlich geworden :D

Sprotte

Ich war 20, als ich meinen zweiten Roman schrieb. Wikipedia gab es noch nicht.
Ich verbockte einen Schneesturm in Arizona, bis Mama mir freundlich unser Lexikon in die Hand drückte.

Nycra

Ich hab gerade kürzlich erst ein Exposee geschrieben und den Schwarzwald nach Bayern verlegt. Zum Glück ist es Nika aufgefallen. Ich hätte das eiskalt so verwendet. Da merkt man mal wieder, das Geographie nicht mein Ding ist.  :d'oh:

Nachtblick

Ich kam mir sehr klug vor, als es mir gelungen ist, für meine Figur mit Schulterdurchschuss auf der Flucht noch logisch Schmerztabletten aufzutreiben. Ich wurde in der Textbesprechung mit Kommilitonen dann freundlich darauf hingewiesen, dass Aspirin, da blutverdünnend, allerdings eine schlechte Idee ist. Paracetamol war in den 70ern zum Glück auch akzeptabel. Bei allen medizinischen Sachen sehe ich jetzt dreifach nach.

Mein bester Freund brachte in unsere erste Textwerkstatt an der Uni einen Text über zwei alte Damen mit, deren Söhne sich in den Schützengräben im, glaube ich, Kosovo kennengelernt hatten. Ein sonst sehr stiller Kommilitone sprach an diesem Tag einen einzigen Satz: "Im Kosovo gab es keine Schützengräben."

Außerdem habe ich einer meiner Figuren 1982 einen Discman gegeben, die gab es aber erst drei Jahre später. Die CD war zwar schon erfunden, aber noch nicht populär oder gar günstig. Auch der Sony-Walkman war 1979 noch so teuer, dass ich mir die Geschichte, wie meine Protagonistin an ein solches Ding kommt, ohne es zu klauen, gut überlegen musste. Michael Jackson und Madonna waren leider auch noch nicht populär genug.

Kati

Ich habe während des NaNos meine Protagonisten in die total gefährliche Kirchenruine St. Dunstan in the East in London geschickt, schön beschrieben, wie dort alles verfallen ist und wie sie die einzelnen Räume durchsuchen - bis ich dann doch mal genauer gegoogelt habe und festgestellt habe, dass St. Dunstan nichts weiter ist, als vier Mauern mit ein bisschen Efeu dran, drinnen steht eine Bank und oben kommt schön viel Sonnenlicht rein. So viel zu "große, dunkle, gefährliche Kirchenruine". Ich habe da jetzt erst einmal einen Platzhalter eingefügt, ich hätte nämlich eigentlich schon gern eine echte Kirchenruine. Aber bitte eine, die kein idyllischer Ort ist, an dem Leute heiraten und Büromenschen ihre Mittagspausen verbringen.   :-X

Maja

@Janika
Das ist der Grund, warum man als Autor selbst recherchieren sollte. Weil Lektoren nämlich schon mal Mist reden. So auch bei dir. Erstmal, du hast keinen historischen Roman geschrieben, sondern einen Fantasyroman, angesiedelt in einer phantastischen Welt, in der du selbst entscheidest,  was es gibt und was nicht. Wo es Magie gibt, läuft Entwicklung nicht identisch ab wie in unserer eigenen unmagischen Welt.
Und selbst wenn, gab es im Mittelalter durchaus schon Sprengstoffe. Die Entdeckung des schon mit einfachsten Mitteln herzustellenden Schwarzpulvers wird bis ins 7. Jahrhundert zurückdatiert. Du hättest deine Höhle sprengen dürfen, so viel du wolltest. Deine Lektorin hatte schlichtweg keine Ahnung, weder von Geschichte, noch von Fantasy.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Naudiz

#10
Ich glaube, mein schlimmster Fauxpas war die Annahme, dass im Mittelalter bereits "Stangenware" erhältlich war, sprich Kleidung, die nicht maßgeschneidert war. Die Logik einer Vierzehnjährigen ohne jede Ahnung: Bauern konnten sich ja keinen Schneider leisten, also müssen sie wohl vorgefertigte Klamotten getragen haben. Dass die Leute ihre Sachen vielleicht auch selbst genäht haben, kam mir damals nicht in den Sinn ::)

Janika

Zitat von: Maja am 11. Februar 2015, 22:34:45
@Janika
Weil Lektoren nämlich schon mal Mist reden. So auch bei dir. [...] Deine Lektorin hatte schlichtweg keine Ahnung, weder von Geschichte, noch von Fantasy.
Eben nicht. Es ging nun einmal explizit um Dynamit, nicht irgendeinen Sprengstoff. Und weder Entwicklungslevel noch Magiemenge und -art hätten eine Entsprechung zugelassen. Ich hatte also Mist gebaut und die damalige Lektorin hat es als einzige erkannt. Sie mag sonst eine Menge übersehen oder verpfuscht haben, aber da hat sie ihren Job genau richtig gemacht.
Immer eine Handbreit Plot unter dem Federkiel haben.

Sprotte

Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...

Nachtblick

Zitat von: Sprotte am 12. Februar 2015, 00:02:30
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...

Ich erinnere mich an ein "orientalisch aussehendes Messer" in einer meiner ersten Romanversionen vor Jahren ;D

Maja

Zitat von: Sprotte am 12. Februar 2015, 00:02:30
Dynamit (Danke, Herr Nobel) gehört in die unauffällige Sparte der Dinge, die vom Namen her nicht in einer nicht-irdischen Welt funktionieren: Bunsenbrenner, Zeppelin, Schrapnell ...
Dynamit wurde zwar von, aber nicht nach Herrn Nobel benannt (anders als das Element Nobelium), und der Name ist damit auch nicht anders als andere Kunstwörter, die auf der lateinischen Sprache basieren (und über deren Verwendung in der Fantasyliteratur wir an anderer Stelle ausführlic diskutiert haben). Zu Sprottes Beispielen, die alle nach historischen Personen unserer Welt benannt sind, gehört vielmehr das Schwarzpulver - nach einem seiner Erfinder, dem Mönch Berthold Schwarz.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt