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Präteritum oder Perfekt in wörtlicher Rede?

Begonnen von Berjosa, 25. September 2014, 16:37:11

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THDuana

Da ich nicht viel über den Sprachgebrauch im Norden weiß, kann ich nur Klecks zustimmen, dass in Baden-Württemberg sowohl junge, als auch ältere Menschen das Perfekt verweden.

Zitat von: Maja am 07. Oktober 2014, 15:16:10
Ich muss sagen, wenn ich in einem Roman in wörtlicher Rede die Präteritumsform finde, stört mich das, und ich habe das Gefühl, dass der Autor sich nicht mit den Unterschieden zwischen gesprochener und geschriebener Sprache befasst hat - meistens kommt mir das bei Übersetzungen aus dem Englischen unter. Ich empfinde das Präteritum in wörtlicher Rede nicht als antiquiert, sondern als holprig und handwerklich ungeschickt.
Das kann ich gut verstehen, mir geht es aber als Leser gar nicht so. Viele Dialoge sind ganz anders, als sie in der Realität gesprochen werden würden und das hat oftmals - für mich! - auch etwas mit dem Roman an sich zu tun. In den wenigsten Romanen lese ich Gesprochenes bei dem ich sagen würde, ich höre das so tatsächlich jemanden im Alltag sagen. Daher stört es mich auch nicht, wenn ein Autor für Gesprochenes mal (!) das Präteritum verwendet, auch wenn es sprachewissenschaftlich falsch ist.

Lisande

Ich empfinde es wie Maja. Zwar ist es richtig, dass wörtliche Rede im Roman oft von der Alltagssprache abweicht und das auch oft gut ist, aber eben nicht immer. Und wenn die Sprache zu gestelzt klingt, dann ist es nicht mehr gut. Das Präterium in der wörtlichen Rede empfinde ich tatsächlich als gestelzt.
Aber ich finde es logisch, Duana, dass Du es nicht so empfindest, denn Du sagst ja, dass, Du aus einer Gegend kommst, in der man es häufig so hört. Weiter nördlich ist es aber nicht so. Es wäre mal interessant, wo die Grenze ist, denn im Moment haben wir überwiegend Stellungnahmen von Nordlichtern und Südländern. :)

THDuana

#17
Zitat von: Lisande am 07. Oktober 2014, 17:27:38Aber ich finde es logisch, Duana, dass Du es nicht so empfindest, denn Du sagst ja, dass, Du aus einer Gegend kommst, in der man es häufig so hört.
Ähm, vielleicht verstehe ich dich gerade falsch, aber das Präteritum ist in meiner Gegend keinesfalls üblich oder häufiger. Trotzdem finde ich es im Gebrauch in Bücher, wenn es nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, nicht schlimm oder störend. Wenn ein Autor natürlich in jeder wörtlichen Rede das Präteritum als Vergangenheitsform verwendet, wirkt das auf mich auch gestelzt und nur verständlich, wenn damit eine Eigenart der Figur, aber nicht die Normalität aller Figuren dargestellt wird.

[Off Topic] Mich interessiert schon lang, wo die Nord-Süd-Grenze in Sachen Sprache in Deutschland gezogen wird. :psssst:

Waldkatze

#18
Also bei uns wäre diese Aussage ganz normal :) Aber das haben dir die anderen Südländer ja schon bestätigt. Dafür gibt es bei uns eine Region, die nur 3. Fälle verwendet  :hmhm?: Vielleicht gibt es in der Region, in der sich deine Figuren herumtreiben, ein besonderes Merkmal (abgesehen von der Tempusform).


Zitat von: Duana am 07. Oktober 2014, 18:57:24
[Off Topic] Mich interessiert schon lang, wo die Nord-Süd-Grenze in Sachen Sprache in Deutschland gezogen wird. :psssst:

Uff, lange ist es her, aber meine Unterlagen behaupten folgendes:
Südlich der Benrather Linie wird das Perfekt verwendet. Hat mit der kath. Religion und den romanischen Sprachen zu tun.
Das Niederdeutsche (protestantischen) ist eher mit den anderen germ. Sprachen verwandt.

Maja

Zitat von: Waldkatze am 07. Oktober 2014, 19:20:14
Uff, lange ist es her, aber meine Unterlagen behaupten folgendes:
Südlich der Benrather Linie wird das Perfekt verwendet. Hat mit der kath. Religion und den romanischen Sprachen zu tun.
Das kann man so nicht sagen. Südlich der Benrather Linie (wo ich lebe) wird das Perfekt verwendet. Nördlich der Benrather Linie (wo ich aufgewachsen bin) ebenfalls. Beiderseits der Linie sind katholische und evangelische Menschen. Das kann es also nicht sein.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Waldkatze

Oh - ein lebendes Beispiel  ;D  Darf ich dich eintüten und meinem alten Uni-Prof bringen?

Ne, im Ernst. Diese Grenzen sind natürlich fließend und es ist - wie geschrieben - laaange her. Ich war nur so überrascht, dass etwas, was ich während des Studiums lernen musste, tätsächlich mal nützlich sein könnte, dass ich es einfach anbringen musste  ::)
Wenns dich stört, lösche ich es aber gerne raus.

Lisande

Zitat von: Duana am 07. Oktober 2014, 18:57:24
Ähm, vielleicht verstehe ich dich gerade falsch, aber das Präteritum ist in meiner Gegend keinesfalls üblich oder häufiger.


Sorry, dann habe ich Dich falsch verstanden. Damit hast Du dann natürlich keine Ausrede mehr, warum es Dir nicht unnatürlich erscheint ... ;)
Nein, Blödsinn, es ist auch viel persönliches Empfinden dabei, das man nicht immer erklären kann, das ist ein Aspekt, den ich immer sehr spannend finde.

Dass es etwas mit der Religion zu tun haben soll, kommt mir eher spanisch vor - im Ruhrgebiet ist das wild gemischt.


Waldkatze

#22
Zitat von: Lisande am 07. Oktober 2014, 20:26:51
Dass es etwas mit der Religion zu tun haben soll, kommt mir eher spanisch vor

Mit der Religion hat es insofern etwas zu tun, als dass das, was wir heute als "hochdeutsch" bezeichnen, auf Luthers Bibelübersetzung beruht. Und der sprach auch nur seinen regionalen Dialekt. Ich glaube, sächsisch?!

Maja

Das "reinste" Hochdeutsch wird meines Wissens nach in der Gegend um Hannover gesprochen, die zwar evangelisch ist, aber sonst keinen direkten Bezug zu Luther hat. Die Benrather Linie ist ganz ohne Religionsbezug und geht durch ein durch die Bank katholisches Gebiet (evangelisch geht erst richtig um Osnabrück herum los, deutlich norddeutscher). Und das, was südlich der Benrather Linie gesprochen wird, ist genauso wenig mit dem Lateinischen verwandt wie das, was nördlich gesprochen wird, auch wenn es aus Zeiten der Napoleonischen Besetzung ein paar mehr Wörter französischen Ursprungs gibt.

Die Benrather Linie entscheidet zwar über "was" (südlich) und "wat" (nördlich) und verschiedene andere Ausspracheelemente, das hat sich aber lange vor der Reformation herausgebildet (soweit ich weiß, zur Völkerwanderungszeit) und ist daher ohne einen religiösen Bezug, und dass das nördliche Deutschland tendenziell protestantisch ist, hängt sicher nicht damit zusammen, dass sie wegen ihres Dialekts die Lutherübersetzung besser verstanden hätten und deswegen alle konvertiert wären. ;)
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Waldkatze

Zitat von: Maja am 07. Oktober 2014, 20:55:03
dass das nördliche Deutschland tendenziell protestantisch ist, hängt sicher nicht damit zusammen, dass sie wegen ihres Dialekts die Lutherübersetzung besser verstanden hätten und deswegen alle konvertiert wären. ;)

:hmhm?: Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen.
Ich dachte mehr an die Verbreitung dieses Dialektes. Immerhin war die gedruckte Bibel das erste Buch, das sich relativ "viele" Menschen leisten konnten.

Sternenlicht

Zitat von: Duana am 07. Oktober 2014, 18:57:24
Trotzdem finde ich es im Gebrauch in Bücher, wenn es nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, nicht schlimm oder störend. Wenn ein Autor natürlich in jeder wörtlichen Rede das Präteritum als Vergangenheitsform verwendet, wirkt das auf mich auch gestelzt

Das sehe ich genauso. In Fällen, in denen die Perfektform im Vergleich zu der Präteritumform sehr lang ist (z.B. "war" "ist gewesen") und die direkte Rede sich über mehrere Sätze hinzieht, kann es auf mich sogar verkrampft wirken. Ist vermutlich Geschmacksache. Auch im normalen Sprachgebrauch würde ich eher sagen "ich war um 5 zu Hause", als "ich bin um 5 zu Hause gewesen".