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Nebencharaktere - geht es zu interessant?

Begonnen von Siara, 20. August 2014, 04:52:16

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Siara

Hallo zusammen. ;D

Die Suche hat in diese Richtung nichts ergeben, wenn ich nichts übersehen habe. Vielleicht kennt ja trotzdem jemand dieses Problem oder hat sich schon Gedanken dazu gemacht. Für gewisse Szenen sind gewisse Nebencharaktere nötig, die nicht für sich selbst stehen sollen, sondern vielmehr einen Zweck für die Handlung erfüllen. Geplant sind sie lediglich als Instrumente. Nun passiert es mir in letzter Zeit immer öfter, dass diese Charaktere so rein gar keine Lust haben, ihrer pragmatischen Rolle zu entsprechen.

Die "oberflächliche" Dame, die meinem Protagonisten im Grunde nur seine Feigheit vor Augen führen sollte, ist plötzlich sehr interessant, tiefgründig und außerdem genau sein Typ.

Der finstere Fremde, der meinen Helden aus einer misslichen Lage retten und danach für sein Überleben Bezahlung verlangen sollte, ist plötzlich humorvoll, gerissen und damit eine Grundlage, auf der ich ganze Romane schreiben könnte.

Einerseits freue ich mich ja über interessante Charaktere, die sofort über sich plaudern. Aber andererseits frage ich mich, ob es nicht irgendwann zu viel wird. Denn wenn der finstere Typ meinem Protagonisten das Leben rettet, dann verschwindet und vielleicht noch ein weiteres Mal am Rande auftaucht, wäre ich als Leser vermutlich enttäuscht, weil er zunächst als außergewöhnlich dargestellt wurde. Kurz gesagt: Meine Nebencharaktere wären am liebsten allesamt Protagonisten und verlangen nach mehr Ausarbeitung und Aufmerksamkeit, als ihre Rolle zulässt.

Klar, wenn man realistisch sein wollte, könnte man argumentieren, dass eben überall interessante Leute auftauchen können. Aber ich frage mich, ob in manchen Fällen ein reines Instrument ohne weiteren Wiedererkennungswert nicht angebrachter wäre. Was meint ihr?
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Naudiz

Oh, dieses 'Problem' kenne ich nur zu gut! Meiner Erfahrung nach bringt es rein gar nichts, wenn man solchen Figuren die Kandare anlegt. Sie winden sich da ohnehin wieder raus. Außerdem würde ich mir, wenn ich das Ganze aus der Leserperspektive betrachte, ziemlich vereimert vorkommen, wenn interessante Nebencharaktere nach einem Auftreten auf Nimmerwieder verschwinden (diese Feststellung hast du ja bereits selbst gemacht).

Deswegen lasse ich die Figuren einfach die Rolle spielen, die sie haben wollen, zumindest, wenn es in den Roman passt und mir nicht den Plot zerschießt. Meistens ist es aber so, dass mein Plot dadurch komplettiert wird. Puzzlestücke, von denen ich nicht wusste, dass sie fehlten, fügen sich dann zusammen. Ein kleines Beispiel aus meiner Trilogie: Ursprünglich war der Grenzerlord Livian nur als eine Nebenfigur im zweiten Band gedacht, die ein Ereignis auslösen und danach nicht mehr auftauchen sollte. Allerdings hat er sich beim Schreiben dann als sehr viel lebendiger erwiesen als gedacht und darauf bestanden, auch einen Auftritt im ersten Band zu haben. Das habe ich ihm erlaubt, eigentlich in einer kleinen Nebenrolle. Tja, stattdessen war er auch hier beharrlich und, oh Wunder, auf einmal löste er ein ganz großes Plotloch mit seiner Anwesenheit - und hat sich damit auch gleich eine konstante, wichtige Rolle in der ganzen Trilogie erschlichen.

Was ich mit dieser Anekdote sagen möchte, ist, dass man diese Figuren am besten von der Leine lässt, anstatt sie zu "instrumentalisieren". Manchmal entwickeln sich ganz erstaunliche Dinge daraus.

(Livian ist übrigens heute die beliebteste Figur in meinem Repertoire. Was zuerst störend scheint, ist stattdessen eine positive Ergänzung zu meinem Protagonisten. Manchmal braucht man interessantere Figuren, um zu zeigen, wie viel Luft nach oben der Held noch hat. Naja, außer, man hat einen Gary Stu zum Prota, aber dann ist meiner Meinung nach eh schon Hopfen und Malz verloren. No offence.)

Miezekatzemaus

Ah, das hatten wir gestern ganz kurz in der Schreibbar besprochen. Ich hatte dieses Problem bei meinem Erstling sehr stark, weil eine der Nebenfiguren - sie war eigentlich nur in der Geschichte, weil ich mir Sorgen gemacht hatte, ob der Leser sich langweilt, wenn es immer nur um vier bestimmte Personen geht - unbedingt Protagonistin werden wollte.
An und für sich fand ich das nicht allzu schlimm, aber da der Roman auf den vier Protagonisten aufbaute und unmöglich einen weiteren dazukommen konnte, ist die Figur schließlich gestorben, im Kampf, und das ehrenvoll, es war eine schöne Absicht.
Es ist erst ärgerlich, dann, wenn man überlegt, wozu man die Figur gebrauchen kann (ich gehe bei mir so weit, zu sagen, dass die Geschichte durch ihren Tod gewonnen hat), in den meisten Fällen nützlich. Von Instrumenten halte ich nur bei Krimis etwas, weil sie da für den Plot sehr wichtig sein können, ich selbst bin meistens Bauchschreiberin, deshalb mag ich es nicht, wenn Figuren zu geplant wirken. :)

Ilva

Das ist mir auch bekannt. :)

In meinem neuen Projekt habe ich so nebenbei eine Figur erfunden, die am Anfang nur dazu da war, die Welt etwas zu erklären. Mittlerweile hat der Typ mir schon so vielmal einen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben, dass ich ihn zu früh abgemurkst habe, dass ich mit dem Gedanken spiele, seine Geschichte danach als eine Art Prequel aufzuschreiben.

Ich mag das gerne, von meinen Figuren überrascht zu werden. Für mich zeigt das, dass ich allmählich beginne, lebendige Menschen zu erschaffen und nicht nur Marionetten. :)
Das hat mir auch schon bei ein paar Stichpunkten in meinem nicht im Detail ausgearbeiteten Plot geholfen, weil mir eine Nebenfigur plötzlich die Motivation des Protagonisten gezeigt hat. Ich hatte beispielsweise einen Punkt "er muss aus dem Orden geschmissen werden" - dank einer Nebenfigur, die ich im Vorbeigehen entworfen habe, hat mein Prota auch einen Grund, den Rauswurf zu provozieren.

Meiner Meinung nach sind lebendige Figuren besser (weil realistischer), obwohl sie nur als einmalige Informationsquelle ihren Auftritt haben, aber es ist nicht immer nötig, ihre Geschichte in allen Einzelheiten aufzurollen.

Es kann auch eine geschickte Irreführung sein, wenn man die interessante Figur einfach nicht mehr auftauchen lässt, weil der Leser sich ständig fragt, wann die Person zurückkommt und dabei die kleinen, feinen Hinweise für das richtige Problem überliest und sich erst danach an den Kopf langt. Hach, ich wünsche mir gerade, dass ich sowas wirklich schreiben könnte. ;)

Ich als Leser wäre auch nicht enttäuscht, wenn der interessante Typ nicht mehr auftaucht.

canis lupus niger

#4
Solche interessanten Nebencharaktere hatte und habe ich auch. Ich halte es da ein wenig mit Naudiz: Ich gestehe ihnen ihre Tiefe zu. Warum auch nicht? In der Realität gibt ea ja auch hochinteressante Menschen, denen man begegnet, die man näher kennenlernen, mit denen man gerne den Kontakt aufrecht erhalten würde, die man aber trotzdem ewig nicht wieder sieht. "Wie im richtigen Leben" gebe ich diesen Nebencharakteren ihren Hintergrund, von dem ich aber nur so viel verrate, wie notwendig und sinnvoll ist, lasse sie ihre Rolle spielen und dann wieder ihrer Wege gehen.

Da ich bisher nur innerhalb von Reihen geschrieben habe, sind derartige Charaktere manchmal ausgesprochen brauchbare Reservoirs, aus denen man in späteren Kapiteln oder Büchern schöpfen kann. Ein gefangener Straßenräuber (dessen ursprüngliche Aufgabe es nur war, ein besonders schwer zu fangender, weil gut kämpfender Straßenräuber zu sein) stellt sich zum Beispiel als geheimnisvoller ehemaliger Offizier heraus, der sein früheres Leben vollständig hinter sich lassen musste und jetzt völlig verbittert das Leben eines Gesetzlosen führt. Der Prota zwingt ihn, wieder in ein normales Leben zurückzukehren und ein wichtiges Amt zu übernehmen, In einem späteren Buch taucht dieser Mann noch einmal auf, in einem dritten wird seine persönliche Geschichte endlich erzählt und dem Mann eine überraschende Zukunftsperspektive geboten.

Einen anderen "interessanten" Nebencharakter habe ich allerdings auch mal sterben lassen. Daran war ein Betaleser schuld. Dessen Idee hat dem Manuskript so gut getan, dass ich diese Wendung nicht mehr aus dem Kopf bekommen habe. Der arme Kerl! Ach ja, und in meinem Drachenprojekt stirbt auch einer der wichtigsten Nebencharaktere, quasi sinnbildlich für die Hoffnungen, die sich das ganze Land im Rahmen der erzählten Auseinandersetzungen gemacht hat.   

Das bringt mich darauf, dass ich Nebencharaktere gerne verwende, um Nebenstränge der Geschichte zu erzählen (oder zum Beispiel von ihnen erzählen zu lassen), um bestimmte Situationen oder Stimmungen zu erzeugen. Mit uninteressanten Charakteren geht das irgendwie nicht. Warum sollten die auch auf die Geschichte einen so großen Einfluss haben? Es ist natürlich auch möglich, dass das Uninteressant-Sein ihr besonderes Charaktermerkmal ist. Dafür gibt es in der Literatur ja auch unzählige Beispiele.

Aber um auf das Beispiel mit Siaras Dame zurückzukommen, die dem Prota seine Feigheit vor Augen führen soll, warum muss eine derartige Dame, mag sie noch so interessant sein, seitenweise plotrelevanten Text bekommen? Da reicht es doch, dass sie ihre Funktion erfüllt und der Prota nur die Überlegung anstellt, dass sie eine faszinierende Persönlichkeit ist, die er wahnsinnig gerne näher kennenlernen würde. Er könnte sich vornehmen, später herauszufinden, wer sie ist. Er könnte innerlich darüber fluchen, dass er eine so anziehende Frau, die genau sein Typ ist, ausgerechnet dann trifft, wenn er ganz andere Probleme und keine Zeit für Privates hat. Und weil sie eine so interessante Persönlichkeit ist, beeindruckt ihn auch nur, was sie ihm zu sagen hat.

Churke

Zitat von: Siara am 20. August 2014, 04:52:16
Denn wenn der finstere Typ meinem Protagonisten das Leben rettet, dann verschwindet und vielleicht noch ein weiteres Mal am Rande auftaucht, wäre ich als Leser vermutlich enttäuscht, weil er zunächst als außergewöhnlich dargestellt wurde.
Leute, die einem das Leben retten, sind nun mal außergewöhnlich. Das ist Berufsrisiko.  ;)

Zitat
Klar, wenn man realistisch sein wollte, könnte man argumentieren, dass eben überall interessante Leute auftauchen können. Aber ich frage mich, ob in manchen Fällen ein reines Instrument ohne weiteren Wiedererkennungswert nicht angebrachter wäre. Was meint ihr?
Ganz klar nein. Bessere Figuren - besserer Geschichte.

Norrive

Selbst die interessantesten Leute verschwinden wieder aus dem Leben, gerade weil sie interessant sind und eigene Ziele und Aufgaben haben. Das ist relativ plausibel, dass jemand zufällig auftaucht und dann wieder weg ist, weil er eben in dringender Mission unterwegs ist. Und genau durch diese eigenen Eigenschaften verhindert der Autor in meinen Augen immer dieses 'Ich muss jetzt meinen Hauptcharakter retten, weil ers allein nicht hinbekommt'. Du kannst den Prota ja immer noch irgendwie in losem Kontakt stehen lassen oder ihn einladen wie 'wenn du Mal nach Stadt XY kommst, schau in meinem Haus vorbei!'. So hast du die Möglichkeit, die Geschichte der Nebenfigur vielleicht später noch zu erzählen oder ihn wieder auftauchen zu lassen.
Zitat von: Churke am 20. August 2014, 10:32:02
Ganz klar nein. Bessere Figuren - besserer Geschichte.

Kann man so nur unterschreiben :)

HauntingWitch

Im Grunde wurde schon alles gesagt. Das Problem kenne ich auch nur zu gut. Ich halte das gleich wie Naudiz und schliesse mich auch Norrive und Churke an. Manchmal ist es einfach so, dass diesen Figuren ein anderer weiterer Weg jenseits von diesem Roman bestimmt ist und sie nach einer Szene wieder verschwinden. Natürlich ist das schade, aber das ist nur der Lauf des Lebens, wenn man so will. Ist ja auch wie mehrfach erwähnt in der Realität so.

Es gibt allerdings auch Figuren, die einfach eine grössere Rolle wollen (und brauchen). Oft stelle ich fest, dass dies notwendig ist und sich mir neue Möglichkeiten auftun, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existieren. Letztens hatte ich mich im einen Projekt völlig verfahren, bis ich festgestellt habe, dass die eine Nebenfigur eigentlich der Anta ist. Wo vorher noch eine riesige Wand war, tat sich plötzlich ein ganz klarer Weg auf. Das hat der Geschichte nur gut getan. Also, lasse sie ein bisschen machen, vielleicht sind sie wichtiger, als du denkst. ;) Und falls sie zu viel Platz einnehmen sollten, gib ihnen einen Grund, woanders hinzugehen, eigene Ziele zu verfolgen.

zDatze

#8
Mir passiert es öfter, dass sich gerade die Nebenfiguren verselbstständigen, die sich von Anfang an aktiv in eine Szene eingebracht haben. Heißt, sie stehen nicht nur dekorativ herum, sondern machen auch etwas - und das löst oft auch das Problem aus, dass sie später noch mehr Platz haben wollen. Ein weiterer Auftritt in einer anderen Szene, dann noch ein paar Worte, die sie an die Hauptfigur richten und - Tada! - ich hab eine weitere Nebenfigur an der Backe, die sich nicht mehr zurechtstutzen lässt. :wart:

Auch wenn sie manchmal nerven und ich mir Sorgen mache, dass immer die gleichen Figurentypen in jeder meiner Geschichten auftauchen, muss ich zugeben, dass mir meistens genau diese Nebenfiguren ans Herz wachsen. Sie sind immer für eine Überraschung gut, und bringen mich oft auch zum Lachen, wenn ich schreibe. Das mag ich dann doch nicht missen.

Ein wirklich uralter Thread, der auch zu dem Thema passt: Wenn Figuren ein Eigenleben entwickeln ...

Siara

#9
Super vielen Dank erst einmal für eure Antworten!

Zitat von: Naudiz am 20. August 2014, 07:31:28
Deswegen lasse ich die Figuren einfach die Rolle spielen, die sie haben wollen, zumindest, wenn es in den Roman passt und mir nicht den Plot zerschießt. Meistens ist es aber so, dass mein Plot dadurch komplettiert wird.
Das mal eben schnellvertretend für alle ähnlichen Meinungen. Das Komplettieren des Plots kenne ich auch sehr gut, nicht allein durch Charaktere mit eigenem Willen, sondern auch durch andere eingestreute Kleinigkeiten. Toll, wie das immer wieder klappt. ;D Allerdings hast du schon recht, manchmal kann es dem Plot leider auch schaden, wenn plötzlich jemand ungeplant auftaucht und seine Stimme verlangt. Dieses Mal ist das bei mir die Regel, da ich nur einen Einteiler schreibe und bereits kurz vor dem Finale stehe - momentan ist die Handlung so dicht, dass es zu keiner wichtigeren Rolle für die Nebencharaktere mehr kommen wird.

Meine interessante Dame wird auf jeden Fall noch einmal auftauchen, wenn auch vielleicht nur in Gedanken meines Protagonisten. Was ich mit dem Lebensretter anstelle, weiß ich noch nicht. Erst einmal habe ich durch die noch nicht beglichene Schuld einen Zwang gebaut, weswegen mein Protagonist ihn noch einmal aufsuchen muss. Mal sehen, ob da noch was draus wird. Ansonsten hatte ich an ein kurzes Sequel mit seiner eigenen Geschichte gedacht, in der die Rettung meines "Helden" nur Nebenhandlung ist. Damit hätte ich etwas, das ich bis November schreiben könnte. :D

Zitat von: Ilva am 20. August 2014, 08:32:49
Es kann auch eine geschickte Irreführung sein, wenn man die interessante Figur einfach nicht mehr auftauchen lässt, weil der Leser sich ständig fragt, wann die Person zurückkommt und dabei die kleinen, feinen Hinweise für das richtige Problem überliest und sich erst danach an den Kopf langt. Hach, ich wünsche mir gerade, dass ich sowas wirklich schreiben könnte. ;)
Klingt gut, und für falsche Fährten habe ich wirklich eine Schwäche. Mal sehen, ob ich da was draus machen kann, ohne die Enttäuschung über die fehlende Rolle des Neuen noch zu verstärken. Danke für den Tipp.

Zitat von: Churke am 20. August 2014, 10:32:02
Ganz klar nein. Bessere Figuren - besserer Geschichte.
Da das hier die vorherrschende Meinung zu sein scheint, lasse ich meine Nebencharaktere jetzt mal ihren eigenwilligen Charakter ausleben. Und dann werde ich mich überraschend lassen, was aus ihnen noch so wird - selbst wenn es beim beischeidenen Lebensretterdasein bleibt. ;D

@zDatze: Danke für den Link, das werde ich mir gleich mal genauer ansehen.
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Vic

Schwieriges Dilemma. Kenne ich nur zu gut.
Also die Frage ist, glaube ich, wie nebensächlich sind die Charaktere.
Tauchen sie wirklich nur in einer einzigen Szene auf und dienen einem bestimmten Zweck (Informationen zu liefern, etc.) dann müssen sie meiner Ansicht nach nicht besonders interessant sein.
Wenn sie aber Nebencharaktere sind, die durchaus immer mal wieder auftauchen, dann ist das völlig in Ordnung. Im Gegenteil, dann fänd ich es schade und als Leser sehr ermüdend wenn das alles nur so uninteressante Pappfiguren sind. ;)

Hin und wieder ist ein Nebencharakter ja auch so interessant, dass man ihn wirklich zum Hauptchara befördert und ihn auf die Heldenreise mitnimmt. Hat es alles schon gegeben und hat manchmal auch toll geklappt.
Schwierig sind oft allerdins die "Author's darling" Charaktere. ;) Davor ein bisschen Achtung - dazu neigen wir nämlich alle ganz gerne mal.
Das sind die Charaktere wo man als Leser sofort merkt, dass der Autor sie besonders toll findet und die immer eine Art Bonus kriegen, denen Macken und Fehler immer ganz schnell verziehen werden und die immer etwas besonderer und witziger und interessanter sind als die anderen Charaktere. Das kann manchmal hinhauen, wenn es zufällig auch der Liebling der Leser ist - aaaber in den meisten Fällen geht das ziemlich nach hinten los.
Dann sind es genau die Charaktere, die man im Geiste gerne mal als Mary Sue/Gary Stue erlebt, weil man als Leser einfach nicht nachvollziehen kann was denn jetzt so toll an X/Y sein soll und warum alle, inklusive dem Held ihm/ihr alles verzeihen und wieso sie immer die besten Storylines kriegt. Deswegen Vorsicht vor den Nebencharas in die man sich Hals über Kopf verliebt.


Szazira

Ich empfehle dringend die Lektüre der "Unendlichen Geschichte". Ich habe den Satz "Doch das ist ein andere Geschichte, die soll ein andermal erzählt werden" nicht gezählt, aber er kam oft vor. Er führt sehr gut vor Augen, welche Geschichten sich aus dieser einen Geschichte noch ergeben über die man schreiben könnte.

Freu dich über diese Gelegenheiten, denn, sofern du die Welt in der du schreibst nicht am Ende in die Luft jagst, kannst du eine andere Geschichte aus dieser Welt erzählen und damit ein weiteres Puzzlestück hinzufügen. Die Geschichte muß keine Fortsetzung sein, sie spielt nur in derselben Welt und bei einer Gelegenheit begegnen sich vielleicht die Protagonisten der Bücher. Einer der Gründe, warum ich Terry Pratchett so mag ist genau dieses Phänomen. Figuren sind vollwertige Charaktere, die man bei Gelegenheit besser kennen lernen kann. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass du die Charaktere nicht verheizen mußt, sondern stellst sie in die Warteschlange.

Ansonsten schliese ich mich Naudiz an (auch wenn ich sie jetzt nicht nochmal zitiere).

Johannes Lauba

Ich hoffe, meine Antwort findet noch eine Gültigkeit zu diesem Beitrag.
Im Grunde genommen, kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen. Wenn man seinen Charakteren (ob Haupt- oder Nebencharakter) mehr Tiefe verleiht, ihnen eine erzählenswerte Geschichte in die Schuhe legt und sie damit interessanter macht, dann reichst du dem Leser eine Welt in der er sich verlieren kann. Er sinkt mit in die Tiefe der Geschichte und der Charaktere.

Klar ist es traurig, wenn er liest, dass sein Lieblingscharakter stirbt. Ich erinnere mich an einige Momente, in denen ich vollkommen geschockt ein Buch angestarrt habe, weil ich es einfach nicht fassen konnte, dass die Geschichte für einen Nebencharakter an dieser Stelle endet. Aber genau das soll ein Buch ja mit einem Leser machen. Uns reissen nicht nur immer die Geschichte des Protagonisten mit (klar soll sie das, aber sie ist es nicht allein, die uns lesen lässt), sondern auch die Schicksale der Nebendarsteller. Je tiefer diese sind, desto stärkere Emotionen kann man bei dem Leser hervorrufen, desto mehr Fragen über den Weiterverlauf der Story wird er in sich tragen (Sieht er ihn wieder? Kommt der nochmal vor?) und das wird ihn an das Buch binden. Er wird sich an die Geschichte, die er gelesen hat, erinnern und immer wieder zu dem Buch greifen, weil er wieder in diese Welt eintauchen will, die nicht nur aus einem fantastischen Setting und einem heroischen Protagonisten, sondern auch aus einzigartigen Nebencharakteren besteht.

Ich finde, es geht nie zu interessant, wenn es um solche geht. Aber als Autor muss man schon aufpassen, dass man die Geschichte der Hauptfigur nicht aus den Augen verliert, weil man zu verliebt in die Nebenfiguren ist. Wenn man möchte, kann man immer noch einen anderen Handlungsstrang eröffnen, der sich mit dem Nebencharakter beschäftigt (aber trotzdem Storybezogen sein sollte) und ihm eine wichtigere Rolle zuteilt. Oder man schreibt sein nächstes Buch über diese Figur (und freut sich schonmal über diese wunderbar herrliche Gefahr, eine neue Lieblingsnebenfigur zu finden ;D).

Wie gesagt: Im Grunde kann ich mich den anderen nur anschließen. Aber ich hoffe, ich verteile hier noch ein paar Extraantriebe, sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ein Nebencharakter jetzt zu interessant ist, um einfach zu sterben oder zu verschwinden. Das ist er nie. Er kann höchstens in wichtigen Momenten einfach zu uninteressant sein.  :D

Mithras

Ich hatte erst heute wieder so einen Geistesblitz: Ich arbeite mittlerweile seit Jahren an zwei vergöttlichten Wesen, die für die Vorgeschichte meines Ketzerritters immens wichtig sind, so dass ich mich an ihnen regelrecht festgebissen habe. Mal feile ich hier, mal setze ich noch einen Pinselstrich dort, alles schön und gut. Nur leider hatte ich eigentlich nie eine Vorstellung davon, wie diese beiden Charaktere in meine eigentliche Geschichte passen sollen, weshalb ich begonnen habe, zumindest einem von ihnen eine Kurzgeschichte zu widmen. Heute kam dann die Erleuchtung, und plötzlich gibt es ein Aufeinandertreffen zwischen den beiden, womit ich selbst nie gerechnet hätte.

Meine Geschichte habe ich in den frühen Stadien übrigens explizit um Nebencharaktere herum aufgebaut, da ich mir erst einmal über die Hintergrundgeschichte, die grobe Fahrtrichtung und die wichtigsten Spieler hinter den Kulissen im Klaren sein musste. Da diese Spieler zu viel wissen, um als Perspektivträger zu taugen, mussten die eigentlichen Charaktere her, und so startete ich bereits mit einem großen Repertoire an lieb gewonnenen, detailliert ausgearbeiteten Nebencharakteren, an denen ich noch immer gerne feile. Ich muss nur aufpassen, dass ich mich nicht in den Details verliere (was ein generelles Problem bei mir darstellt), und entsprechend abwägen, ob unter dem "Aufbauschen" von Nebencharakteren nicht vielleicht die eigentliche Geschichte leidet, doch prinzipiell können diese für mich nicht interessant genug sein. Jeder Mensch ist etwas Besonderes (gut, ich nicht, zumindest laut meinem Deutschlehrer in der 11. Klasse), und wenn man die Vielschichtigkeit und Komplexität unserer Welt halbswegs auf fiktive Welten übertragen will, kann und soll man gerne mit den Charakteren anfangen. Ein Beispiel: Mir als eifrigem Grabenkämpfer für George Martin und gegen Steven Erikson ist das Argument, Erikson habe eine viel komplexere und detailreiche Welt erschaffen als Martin, bestens bekannt. Das mag sogar stimmen, aber das ist für mich nicht der ausschlaggebende Punkt. Eine komplexe und detailreiche Welt ist für mich nichts wert, wenn sie nicht glaubhaft mit Leben gefüllt werden kann, und dazu braucht es Charaktere - möglichst viele, und darunter möglichst viele interessante. Man muss ihnen gar nicht zu viel Aufmerksamkeit widmen - es reicht vollkommen, dass sie da sind und dem Leser das Gefühl vermitteln, dass die Welt lebendig, farbenprächtig komplex ist.

Problematisch wird es aus meiner Sicht erst dann, wenn Nebencharaktere teils über Bücher hinweg immer mehr Raum zugebilligt bekamen, um dann für immer in der Versenkung zu verschwinden. Da könnte man nämlich rasch auf die Idee kommen, der Autor habe das Interesse an einer Person verloren, von der er kurz zuvor noch völlig besessen schien. Vielleicht hat er alles aus der Figur herausgeholt, was sich herausholen ließ, und plötzlich hatte er für sie keine Verwendung mehr. Das kann dann - je nach Figur - ziemlich ärgerlich sein.

Ich muss zugeben, dass ich eine besondere Vorliebe für Nebencharaktere pflege, die schon zu Beginn der Geschichte erwiesenermaßen tot sind, denn auch tote Menschen haben eine Geschichte zu erzählen. Wie viele interessante Personen der Weltgeschichte sind schon seit Jahrzehnten, Jahrhunderten oder Jahrtausenden tot und faszinieren uns doch noch immer. Bei mir sind das unter anderem Echnaton, Nofretete, Ptolemaios I., Ashoka, Mithridates VI. Eupator, Augustus und Shah Ismail I., um nur die prominentesten zu nennen. Auch in Büchern gibt es eine ganze Menge von ihnen - bestes Beispiel: Rhaegar aus ASOIAF, der tragische Held der Targaryen-Dynastie, dessen Liebe zu Lyanna Stark in einem Bürgerkrieg und der Auslöschung nahezu seiner ganzen Familie führte. Und obwohl er uns niemals persönlich begegnet ist, ist er allgegenwärtig und eröffnet damit die historische Dimension für den Leser, da Geschichte durch Personen wie ihn nicht trocken, sondern im Gegenteil sehr persönlich und mitreißend ist.

canis lupus niger

Sind es nicht eigentlich sogar die interessanten Nebencharaktere, die einen Roman richtig lebendig machen? Sie verhindern auf jeden Fall, dass die Hauptcharaktere zu perfekt sein müssen, denn die Nebencharaktere können diesen viel "Arbeit" abnehmen. Damit meine ich, dass von ihnen etwas erzählt, herausgefunden oder erlebt wird, das der Hauptcharakter dann von ihnen erfahren kann, und dass sie etwas zeigen können, das man (als Autor) sonst vielleicht erzählen müsste. Ich denke, viele mittelmäßige Bücher könnten sehr viel besser sein, wenn ihr Plot nicht so auf die drei oder vier Hauptcharaktere fixiert wäre. Man muss die Interessanten Nebencharaktere ja nicht mit jedem Detail ihrer Persönlichkeit vorstellen. Es reicht, wenn sie eine detailreiche Persönlichkeit haben.