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Frauenunterhaltung

Begonnen von Korahan, 21. Juli 2014, 18:41:24

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Maja

Zitat von: Korahan am 22. Juli 2014, 03:01:32Es war (bisher) auf jeden Fall sehr erhellend. Ich musste ein bisschen schmunzeln, als ich den Eindruck bekam, dass sich die Antworten männlicher Mitglieder insofern von den der weiblichen unterscheiden, dass sie tatsächlich, wie bereits beschreiben, eher zur Sachlichkeit und zu Fakten tendieren. Dagegen haben Frauen eher davon geschrieben, was ihnen gefällt und warum oder was sie sich wünschen würden.
Das mag daran liegen, dass Frauen in dem Fall persönlich betroffen sind (und sei es von der Unterstellung, sie müssten sowas lesen wollen, nur weil sie den entsprechenden Chromosomsatz haben), während Männer in dem Fall eher neutral bleiben können. Hätten wir ein Genre Männerunterhaltung, in dem die Protagonisten anstelle kichernder Zicken grunzende Neanderthaler wären - ich denke, das würde sich großartig verkaufen, aber vermutlich eher an Frauen. ;)

Ich würde auf meinen Romanen nie den Stempel "Frauenunterhaltung" habe wollen, weil ich denke, damit schneide ich mir ins eigene Fleisch - will ich doch nicht schlappe 48% der Bevölkerung als Käufer ausschließen, sondern an das Geld von allen, Männlein wie Weiblein. Auch, wenn ich bis jetzt 90% Feedback von Frauen bekommen habe, ist mein größter Fan ein Mann (mein Lektor *g*). Ich denke, um meine Texte wertzuschätzen - die einen hohen Dialoganteil haben, einen manchmal noch höheren Monologanteil, und meistens mit sehr wenig Action auskommen, braucht es nicht ein bestimmtes Geschlcht, wohl aber eine bestimmte Geisteshaltung.

Und genauso, wie ich als Frau Metzelspiele und Egoshooter liebe, je blutier, desto besser, und zurecht beleidigt wäre, wenn sie unter dem Label "Männerunterhaltung" verkauft würden (sie werden das. Ich weiß es. Ich bin beleidigt), möchte ich auch meinen männlichen Lesern nicht das Gefühl geben, unerwünscht oder aus der Art geschlagen zu sein. Ich kenne viele Frauen, die mit Chicklit und andererer speziell für Frauen vermarkteten Literatur nicht viel anfangen können, und zugegeben wenig Männer, die das lesen, aber das liegt daran, dass ich meinen Umgang überwiegend mit Geeks pflege und der Chicklitleseranteil im Geekdom doch entsprechend gering ist.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Snöblumma

Zitat von: Korahan am 22. Juli 2014, 03:01:32
Es war (bisher) auf jeden Fall sehr erhellend. Ich musste ein bisschen schmunzeln, als ich den Eindruck bekam, dass sich die Antworten männlicher Mitglieder insofern von den der weiblichen unterscheiden, dass sie tatsächlich, wie bereits beschreiben, eher zur Sachlichkeit und zu Fakten tendieren. Dagegen haben Frauen eher davon geschrieben, was ihnen gefällt und warum oder was sie sich wünschen würden.

Man könnte auch frech sein und sagen: Die Männer bleiben bei der Analyse der Situation stehen. Die Frauen bringen Veränderungsvorschläge (was dann mit dem Klischee einhergehen würde, dass Frauen per se kreativer und innovativer sind als Männer, das so ja tatsächlich in Personalabteilungen herumgeistert).  :P Aber ich sehe es wie Zit: Lassen wir die Geschlechterdebatte in dem Thread, in dem sie schon so schön aufgearbeitet ist und gehen wir mal vom Status quo aus. Rosa Bücher mit Mops und Sektglas drauf für Frauen, Fantasyepen mit Held vornedrauf für Männer, Krimi für alle...

Ich würde ja Frauenunterhaltung (was für ein Wort!) in zwei Kategorien einteilen: in die leichte Sommerstrandlektüre ohne viel Tiefgang und in die Bücher, die tatsächlich die ganz großen Themen des Lebens behandeln. Ersteres - okay. Nicht meines, nicht immer jedenfalls, und ich würde mir wünschen, das wäre noch deutlicher gekennzeichnet ;). Manchmal habe ich echt Bock auf sowas (und frage mich dann, was eigentlich Männer lesen, wenn sie nur mal eine Story für zwischendurch konsumieren wollen ;) ). Zweiteres ist der Grund, warum ich bekennende "Frauenromanleserin" bin. Liebe, Tod, der eigene Platz im Leben, die Spannung zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Wünschen, das sind ja die Themen, die in vielen dieser fälschlicherweise als seicht verschrieenen Romane beackert werden. Ich finde es immer wieder schön, mit Charakteren mögliche Lösungen dieser Probleme durchzuspielen. Das ist quasi wie mehrere Leben leben und gleich mal ausprobieren, nur dass man eben doch nicht das eigene Leben für Experimente verbraucht.

Insgesamt würde ich mehrere Kategorien "Frauenromane" ausmachen, die jeweils noch ganz anderen Gesetzen unterliegen:

  • die klassische Chicklit à la "Bridget Jones" (Liebeskummer, wie finde ich "the one and only")
  • Romane à la "Sex and the City" (urbanes Milieu, berufliche Selbstfindungsprobleme, ekelhaft überspitzter Schuhtick, eher humorvoll)
  • Romane mit Fokus auf Alleinerziehenden und Selbstfindung
  • Landschaftsromane, Historicals
  • New Adult - Zielgruppe bis ca. 30, Hauptfrage ist: Wo ist mein Platz im Leben?
  • Liebesromane mit erotischem Touch
  • Erotik

Und ja, es ist leider tatsächlich so, dass die Zielgruppen sehr Männer-/Frauenlastig gebaut werden. Frauenunterhaltung braucht einen starken Liebesplot und Fokus auf die Charaktere (characterdriven), während Männerromane auf pure Action ausgelegt sind (plotdriven). Ich finde es immer wieder schade, auch wenn ich verstehen kann, was die Verlage dazu treibt. Der Durchschnitts-Wenig-Käufer kauft eben, was er so schon kennt, bei den klassischen Liebesromanen lässt sich gut eine Werbung in den Frauenzeitungen schalten, Männer lesen eh nicht...  ich sehe da auch eine gewisse Unsicherheit bei den Verlagen, die in diesen Mustern verharren lässt.

Ich selber schreibe ja per se characterdriven, einfach weil mir das mehr liegt. Darum habe ich im Bereich Frauenunterhaltung (auch wenn ich das Label nicht mag, aber meine Güte, wenn meine Romane sich mit dem Stempel drauf verkaufen ;) ) eher Chancen als bei Fantasy. High Fantasy, die sich auf die Charaktere fokussiert? Will doch keiner lesen! Männer interessieren sich nicht für die Beweggründe der Figuren und wenden sich bei einem Kuss schon ab, die wollen Gemetzel, Frauen brauchen unbedingt eine Lovestory und bloß nicht zu viel Haudrauf...  ::)  Total schade eigentlich, weil Schubladen zwar für bequeme Verkäufe sorgen, aber was großartig Neues ist dann ja nicht dabei.

Ich kann nun nur für den Teilbereich "Erotik" sprechen, in dem ich einen Hauptunterschied zwischen Frauen- und Männerromanen auszumachen glaube (auch mithilfe männlicher Freunde, die allesamt meine Romane als "zu weiblich" klassifiziert haben):
Frauen-Erotik legt sehr viel Wert auf die Gefühle und braucht eine Backstory. Kein Sex ohne Grund, zwar gerne auch direkt, aber einfach drauflos ist nicht. Was nicht bedeutet, dass es keinen One Night Stand geben dürfte, aber auch da muss Gefühl dabei sein. Männer-Erotik konzentriert sich eher auf den mechanischen Akt, der bei Frauen-Erotik dagegen eher mal abgekürzt wird (das Spannende ist ja dann vorbei, nicht wahr? Der pure Akt ist ja doch immer gleich, kennt man ja  :rofl:). Story braucht Männer-Erotik nicht zwangsläufig, da tut es auch eine Aneinanderreihung von Begegnungen. Ich fand es sehr spannend, dass die Männer, die in meine Bücher reingelesen haben, häufig nach ein paar Seiten gesagt haben: "So ein romantischer Quatsch. Und wann geht es endlich zur Sache?" - während Frauen häufig mal zurückmelden, dass es zu viel Sex und zu wenig Story sei ;). Andererseits habe ich auch wunderbare Nachrichten von Männer bekommen, die sich für die Romantik bedankt haben, aber rein zahlenmäßig waren diese Ausnahmen wirklich in der Unterzahl.

Kaeptn

Ich finde, die Fantasy ist (leider) genau das Beispiel, wo man sieht, wie Verlage denken und wie das, was sich verkauft, sich durchsetzt und jedwede Innovation erstickt.

In den 80ern gab es vor allem klassische Quest-Kost und Ewig-Reihen wie Rad der Zeit, Midkemia, Hohlbein, Drachenlanze und so Zeugs. Fantasy war Geek-Ware, allenfalls Narnia, Tolkien und Ende waren noch als Literatur anerkannt. Den Rest schrieb man eher komischen Stubenhockern zu - so Leuten, die auch dauernd vor diesem seltsamen Brotkasten saßen und pixelige Computerspiele spielten - und ich glaube, die Vorstellung dieses Typus war in den meisten Fällen "Männer", obwohl sicher auch Frauen sowas gelesen und C64 gespielt haben.

Mit Harry Potter und den HdR-Filmen änderte sich das, Fantasy boomte, hierzulande schlugen die Völkerromane wie Bomben ein. Die Zwerge war dabei noch recht klassisch, die Elfen packten schon Romantik/Kitsch rein, aber auch da flutschten noch Gedärme raus, das war alles noch "transgender" wie man heute sagt.

Tja, und dann kam Stephenie Meyer mit ihrem unseligen Twilight. Wie sieht die Fantasy-Ecke seither aus? 80% Romantasy-Zeugs, gern mit bewährten Formeln wie "toll aussehender Vampir/Werwolf/Dämon/wasweißich verliebt sich in gewöhnliche Frau", "eine Frau zwischen zwei Männern" usw... Das verkauft sich, also wird das bis zum Erbrechen gemacht. Klassische Fantasy gibt es zwar auch noch (dank Game of Thrones, sogar wieder etwas mehr, scheint mir), aber weil Romantasy sich so viel besser verkauft, dominiert sie eben.

Natürlich muss nicht jeder Frau Romantasy gefallen, aber sie sind wohl klar in der Mehrheit bei den Käufern. Und das Frauen im Durchschnitt mehr Bücher(!) kaufen/lesen als Männer, ist glaube ich unstrittig.

Für uns als Autoren heißt das: Mit klassischer Fantasy (in der Romantik allenfalls eine Nebenrolle spielt) ist es sehr schwer irgendwo unterzukommen. Es gibt genug etablierte Autoren, die den Markt beliefern, folglich kaum freie Programmplätze bei den großen Verlagen - und die belegen sie dann noch oft mit übersetzten Romanen.

Ilargi

Kaixo,

ich finde ja immer das Romantasy etwas ist mit dem man viel falsch machen kann. Da muss man extrem vorsichtig sein, weil man zu leicht in Kitsch abrutscht.

Meine beste Freundin und ich wir lesen am liebsten Bücher wie Bernard Cornwell oder Oliver Plaschka, Romantik und Liebe, ja gerne aber bitte nicht im Vordergrund.

Zum Beispiel waren wir gestern im Hugendubel und haben uns nach unseren Lieblingsautoren erkundigt, die Verkäuferin hat uns blöd angeschaut und gemeint das die Damenunterhaltung (und ja, sie hat wirklich Damenunterhaltung gesagt!) im zweiten Stock wäre... Wir haben uns nach Game of Thrones (da vergess ich andauernd den Namen), Eoin Colfer, Christoph Marzi, Bernard Cornwell, Alan Bradley und D. J. MacHale erkundigt. Wir wissen das die normalerweise NICHT bei der Frauenunterhaltung stehen, anstatt zu sagen das sie keine Ahnung hat und uns zu ihren Kollegen schickt, sagt sie sowas.

Ich denke das wir etwas nach Geschlechtern aufteilen, ist nur gut um eine Statistik anzufertigen, diese wird allerdings verfälscht, weil wir ja nicht wissen wie viele Männer solche Bücher kaufen, angeblich um sie ihrer Freundin/Frau zu schenken, obwohl sie vielleicht nichts derartiges haben. Die Statistik sagt nur aus wie viele Bücher von einem bestimmten Genre gekauft werden, nur selten sagen sie auch aus, wer sie kauft. Heutzutage werden viele Kundenumfragen auch über Telefon oder Internet gestartet was es nochmal verfälscht. Ich zum Beispiel habe bei der letzten Kundenumfrage im Internet angegeben das ich Männlich, 50 und blond bin, sowas ist fehleranfällig wie sonst was und hat soviel Aussagekraft wie ein Märchen.

Das ist zumindest meine Meinung und daher denke ich das man schreiben sollte wie man selbst es gut findet, eine Einschätzung für Geschlechter gebe ich meist nicht an, ich sage bei meinem Genre immer Fantasy, Alternate History oder sonst was, irgendetwas jedenfalls das potentiell beide Geschlechter lesen können. Auf Nachfrage würde ich das vielleicht spezifizieren, aber ehrlich, Geschlechtsspezifisch denken und "Männlich" als "normaleinstellung" zu haben finde ich nicht so gut, Mann und Frau lesen was ihnen gefällt und ich kenne einen jungen Mann der Frauenliteratur liest in der Hoffnung so ein Gesprächsthema beim ersten Date zu haben und das funktioniert sogar ;D

lg

Ilargi

Christian Svensson

Das Thema hat angefangen, mich wirklich zu interessieren und deshalb bin ich ein wenig auf die Suche gegangen. Das Ergbenis fand ich sehr erstaunlich und widerspricht vielem von dem, was hier gesagt wurde. Allerdings sind auch Bestätigungen dabei. Ich hoffe, Ihr könnt damit leben, dass ich nur ansatzweise die Knackpunkte zitiere. Ich gebe die Quellen mit an, sodass jeder, der sich dafür interessiert, die Beiträge finden kann.

Bundesministerium für Unterricht zur geschlechtersensiblen Leseförderung:
- ,,... Die PISA Studien haben gezeigt, dass Mädchen und Frauen der Kulturtechnik Lesen näher stehen als Burschen und Männer ..."
- ,,... Diese Broschüre erläutert die besondere Herausforderung der geschlechtsspezifischen Leseförderung und zeigt mit Beispielen und praxisorientierten Anregungen neue Wege für eine geschlechtersensible schulische Leseförderung auf. Was Lesen für Mädchen bzw. Frauen bedeutet und was für Buben bzw. Männer,..."
- ,,... Die Leseforschung bestätigt, was Lehrerinnen und Lehrer in ihrer Unterrichtspraxis alltäglich erleben. Mädchen und Buben – und Frauen und Männer – verbinden mit ,,Lesen" und mit einzelnen Lesemedien Unterschiedliches. Sie geben dem Lesen in ihrem Alltag unterschiedliche Bedeutung und unterschiedliche Funktionen. Mädchen und Frauen stehen insgesamt dem Lesen näher als Buben und Männer und bewerten das Lesen allgemein deutlich positiver. Das gilt vor allem für das Buchlesen, im Besonderen erzählende Literatur. Für das männliche Geschlecht stehen beim Lesen eher informierende Genres und Massenmedien im Vordergrund. Diese Unterschiede sind bereits im Alter von acht bis zehn Jahren deutlich zu beobachten. ..."
Gefunden in: https://www.bmbf.gv.at/schulen/unterricht/ba/genderlesenwebfassung_15230.pdf?4dzgm2



"Im Vergleich zu früheren Erhebungen ist das informatorische Lesen rückläufig – Jungen wollen unterhalten werden: 'Die Mehrheit der Jungen erwartet, dass bereits die ersten Seiten eines Buches äußere Aktion bieten, dass dann eine Abfolge von Span nungshöhepunkten die Lektüre erleichtert.' (Bischof/Heidtmann 2002, S. 259) ... die Nennungen der Lektüremotivationen und -gratifikationen lassen sich in folgende Reihenfolge bringen: Unterhaltungs- und erlebnisorientiert lesen 40 % der Befragten, zum Informieren 11 %, aus Interesse an der Geschichte bzw. dem Genre 7 %, um mitreden zu können 2 %, und um Inhalte nochmals zu erleben, die aus audiovisuellen Medien bekannt sind, ebenfalls 2 %. Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis:
'Männer und Frauen erleben Lesen anders. Frauen, die insgesamt häufiger Bücher lesen als Männer, erleben diese Freizeitbeschäftigung intensiver und vielfältiger als Männer. Insbesondere die Emotionalität fällt auf: Alle Aussagen dieser Dimension werden von Frauen erkennbar häufiger genannt als von Männern.' (Dehm et al. 2005, S. 526)"
gefunden in: http://www.nwsb.ch/dokumente/lesen_und_geschlecht.pdf

Ary

Danke für die Links, Bardo! Kann ich auch für die Arbeit gebrauchen.

Bei meinen eigenen Schreibereien geht es mir wie Maja, ich möchte keinen Stempel "für Männer" oder "für Frauen" aufgedrückt bekommen. Ich schreibe für Menschen, die interessiert, was ich schreibe, dabei denke ich bei der Zielgruppenbestimmung nicht an Gender oder Geschlecht, eher an Alter oder "Leuten, denen das-und-das gefallen hat, könnte auch meins gefallen" als grobe Orientierung.

Ich selbst bin wahrscheinlich nicht die vom Marketing angesprochene typische Leserin. Ich mag Schlachten genauso wie schmachten, es darf gruseln und ich habe nichts gegen Gänsehaut und zu Berge stehende Haare, ich kann mich wunderbar an einem Egoshooter abreagieren, ohne dadurch zur Amokläuferin zu werden. Ich halte mich nicht so für den Chicklit-Mensch,  aber ich habe Bridget Jones-Filme gesehen und mich königlich amüsiert und ich habe ein kleines Bisschen Sex and the City gesehen und dachte nur, wahh, nein, geht nicht, ist nicht meins. Dafür lese ich Game of Thrones und gucke die Serie, und da spritzt das Blut ebenso wie die Erotikszenen knistern. ich kenne genug game of Thrones-Gucker, denen der Sex zu viel ist und das Blut zu hoch spritzt, ich bekenne mich, mit der Reichweite der Blutspritzer hatte ich zumindest bei einer gewissen Hochzeit wirklich ein Problem, nicht aber mit der Erotik.

Ich mag mich als Leserin nicht in Schubladen stecken lassen, und die schon zitierten süße-Tierbabys-und-Sektgläschen-Cover in Pastellfarben schrecken mich eher ab, genau wie die Bezeichnung "freche Frauen-Roman". Warum wird da Frauen, die sich selbst verwirklichen, sich durchsetzen und ihren Weg gehen, das Prädikat "frech" aufgedrückt, während es bei Männern "erfolgreich" heißen würde? Nein, ich will das nicht diskutieren, nur so als Denkanstoß.
Ich mag es nicht, als lesende Frau in eine Dummchenecke gestellt zu werden, auch wenn ich in meiner Freizeit tatsächlich in der Hauptsache lese, um mich zu unterhalten. Sachtexte lese ich im Büro genug, damit muss ich nicht auch noch meine Freizeit vollstopfen, es sei denn, es geht um Romanrecherche.
Ich finde es einfach schade, dass das Marketing auf so "platte Klischees" zurückgreifen muss, um Bücher an den Menschen zu bringen.

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Snöblumma

Zitat von: Aryana am 22. Juli 2014, 13:42:55
Ich mag es nicht, als lesende Frau in eine Dummchenecke gestellt zu werden, auch wenn ich in meiner Freizeit tatsächlich in der Hauptsache lese, um mich zu unterhalten. Sachtexte lese ich im Büro genug, damit muss ich nicht auch noch meine Freizeit vollstopfen, es sei denn, es geht um Romanrecherche.
Ich finde es einfach schade, dass das Marketing auf so "platte Klischees" zurückgreifen muss, um Bücher an den Menschen zu bringen.

Ja, das kann ich nur unterschreiben. Ich gebe gerne zu, dass ich nach der Arbeit und dem Schreiben nachts gerne mal noch eine viertel Stunde seichte Liebesromane lese, weil meine Kapazität für mehr nicht mehr reicht. Ein bisschen Humor, ein bisschen Drama, gut ist - aber ich finde solche Romane weder "einfacher" zu schreiben als andere (so sie handwerklich gut gemacht sind, es gibt überall Schund und Quatsch) noch "dümmer". Sie gehen eben nicht so in die Tiefe, was die großen Probleme des Lebens angeht - weil das auch gar nicht ihr Zweck ist. Ihr Zweck ist es, einfach nur ne viertel Stunde zu unterhalten, ohne dass man groß dabei sein muss.

Gibt es sowas ähnliches eigentlich "für Männer"? Und ich meine jetzt nicht Fantasy oder so, weil jedenfalls für mich Fantasy eigentlich immer auch Mitdenken voraussetzt (allein um den Weltenbau zu begreifen) - darum lese ich zur Zeit fast gar kein Fantasy mehr, außer eben Urban Fantasy oder Romantasy, weil ich dafür nicht den Kopf habe. Also einfach nur seichte Unterhaltung?

Lothen

Zitat von: Snöblumma am 22. Juli 2014, 13:59:09
Ich gebe gerne zu, dass ich nach der Arbeit und dem Schreiben nachts gerne mal noch eine viertel Stunde seichte Liebesromane lese, weil meine Kapazität für mehr nicht mehr reicht.

Da Liebesromane mir noch nie besonders lagen, läuft das bei mir dann eher auf seichte Lokal-Krimis à la Kluftinger raus (vermutlich ja auch eher "Frauen-Literatur" ;) )- aber ich verstehe voll und ganz, was du meinst, Snö :)

Interessanterweise habe ich übrigens in der Betaphase meines Romans festgestellt, dass Männer und Frauen (im Durchschnitt!) tatsächlich anders lesen, andere Anmerkungen oder Kritikpunkte bringen und unterschiedliche Aspekte positiv hervorheben. Ähnlich, wie das vorher schon einmal anklang, passen meine Beobachtungen ganz gut in die Vermutung, dass Männer eher plotbezogen lesen und Frauen eher charakterbezogen. Vor allem bei den emotionalen Stellen des Romans ist mir das recht deutlich aufgefallen. Ganz von der Hand zu weisen wäre diese Vermutung also nicht und ich sehe auch nichts Problematisches darin, abgesehen davon, dass man gerade als Autor nicht übergeneralisieren sollte.

Ich würde mich aus diesem Grund auch meinen Vorrednern anschließen und vermeiden, den Stempel "Frauen-" oder "Männerliteratur" zu verwenden. Natürlich muss man als Verlag und als Buchhandlung zielgruppenorientiert werben, aber man sollte zumindest versuchen, die eine Hälfte der Leserschaft nicht zu vergraulen :) (ich gehöre leider auch zu der Gruppe Leser, die ein Buch mit Sekt, Hündchen und pinken Highheels auf dem Cover nicht mit der Kneifzange anfassen würde, obwohl ich eine Frau bin  :rofl:)

Vielleicht sollte man bei manchen Büchern zwei verschiedene Aufmachungen wählen, so wie das damals in England mit Harry Potter für Erwachsene gemacht wurde? Eine Frauen- und eine Männerversion  :rofl:

Kati

Ich glaube, irgendjemand hatte schon dick lit angesprochen: Tommy Jaud und Konsorten. Ich habe mir mal Bücher von Tommy Jaud von meinem Vater ausgeliehen und fand die auch wirklich lustig. Ich würde also schon sagen, solche lustigen leichten Romane über Männer, die von einer Katastrophe in die nächste schlittern sind das Gegenstück zur chick-lit. Ich lese zum Beispiel viel Sophie Kinsella und das ist auch ähnlich aufgebaut: Deren Heldinnen stolpern auch ständig in neue lustige Katastrophen, der Fokus auf der Liebesgeschichte ist nur ein wenig stärker ausgebaut und man versucht halt jeweils "typisch Mann" und "typisch Frau" anzusprechen. Ich persönlich würde das tatsächlich als Gegenstück interpretieren, nur die Werbung macht das natürlich nicht. Während auf ähnlichen Büchern von Frauen mit weiblichen Hauptfiguren wirklich oft so ein Quatsch wie "Roman für freche Frauen" steht, habe ich das im Gegenzug bei ähnlichen Unterhaltungsromanen für Männer noch nicht gesehen und es ist auch allgemein akzeptierter als Frau Jaud zu lesen, als als Mann Kinsella, aber woran das liegt, hatte ich schon angesprochen und Maja auch.

Aryana hat etwas angesprochen, was ich dabei schon wichtig finde: Es sollte völlig in Ordnung sein, auch mal diese Sorte von Romanen zu lesen, ohne dafür als dumm oder anspruchslos verurteilt zu werden, besonders, wenn Männern, die Jaud lesen (auch nicht das große Ausmaß an intellektuellem Inhalt, was ja auch nicht sein muss) das eben nicht passiert. Ich finde es auch bezeichnend, dass viele Leute gar nicht darauf kommen, das einem mehrere Genres gefallen können. Man kann chick-lit lesen und Klassiker und Fantasy und nichts davon sagt etwas darüber aus, wie schlau man ist. Und das ist glaube ich auch das Problem bei diesen Covern mit Sektgläsern, Schuhen und Hündchen: An sich sind das nur Marketingsymbole, die einem sagen sollen, was man zu erwarten hat. Genauso, wie auf Dystopien in letzter Zeit oft solche Siegel drauf sind und auf High Fantasy Krieger oder Schwerter oder dergleichen. Das Problem ist einfach, wie diese Symbole gewertet werden. Denn an sich ist nichts Schlimmes an Hunden und Sektgläsern (oder Comicfrauen, die sind auch oft auf dem Cover), solang einem nicht jeder erzählt, das stünde für furchtbar dummen Schund. Und genau wie in jedem anderen Genre ist es schwer, das Gute vom Schlechten zu trennen und die guten Romane zu finden, wenn alles gleich aussieht, aber das ist ja nicht nur ein Problem innerhalb der "Frauenliteratur".

Leann

ZitatGibt es sowas ähnliches eigentlich "für Männer"?
Ich schätze mal, "Seichtes für Männer" könnten actionbetonte Thriller sein, wie z.B. Romane von Clive Cussler, Lee Childs oder Preston/Child. Ich bin zwar kein Mann, lese diese Art Bücher aber gerne, wenn ich etwas Unterhaltsames, Anspruchsloses konsumieren möchte. Dabei fällt mir auch eine Gemeinsamkeit zwischen "seichter" (ich meine das nicht negativ, sondern in dem Sinne, wie Snö es beschrieben hat) Männer- und Frauenliteratur: Die Handlung läuft immer nach dem selben Schema ab, man weiß, was man zu erwarten hat, obwohl die Roman durchaus spannend sein können. Besonders auffallend ist es, wenn man mehrere Bücher dieser Art nacheinander liest, da finden sich immer die gleichen Versatzstücke und Elemente. Ob das wohl zur Entspannung beiträgt?

Korahan

ZitatGibt es sowas ähnliches eigentlich "für Männer"?

Wenn ich bei meiner Freundin bin und mir der Trubel mit ihren Kindern zu viel wird (ist das gemein von mir?), verziehe ich mich in eine Ecke und lese die Halo-Romane. Ich glaube, das ist tatsächlich das, was man als seichten Männerroman beschreiben könnte. Im Wesentlichen murksen die Spartaner über 400 Seiten Aliens ab. Ich würde gar nicht sagen, dass das nicht spannend wäre oder schlecht geschrieben, ganz im Gegenteil. Aber Romantik oder Erotik kommen da keine vor und die Charaktere definieren sich über die Waffengattungen, mit denen sie am besten umgehen können. Ihre Charakterentwicklung zeigt sich darin, wie gute Soldaten die ursprünglichen Rabauken wurden. Ein Happy End ist ein heroischer Tod.

Interessant ist dabei, dass die Spieleserie tatsächlich eine ordentliche Portion "Männerromantik" beinhaltet - diese wurde in den Büchern völlig ausgeklammert. Als Männerromantik bezeichne ich die unerfüllbare Liebe zwischen dem Supersoldaten John und der KI Cortana. Diese Beziehung ist sogar der spannendste Bestandteil der Handlung und, wenn man so will, Herz und Seele der Serie. Offenbar denken da die Verlage noch viel zielgruppenorientierter als Entwicklerstudios. Das ist mir übrigens schon öfter aufgefallen.

Tanrien

Da finde ich das hier ganz spannend, ein bisschen Infotainment zu Gendered Marketing: Link zu Youtube. In dem Video geht es darum, dass oftmals gleiche oder sehr ähnliche Produkte mit unterschiedlichen Verpackungen, unterschiedlichen Namen und Zielgruppen vertrieben werden, um den Gewinn in die Höhe zu treiben. Marktsegmentation - wir kennen das ja schon alle von Fantasy allgemein, mit den ganzen teils vollkommen sinnfreien Untergenre, und ich denke, das findet man auch hier. Da gibt es dann nicht mehr diese humorvollen Lebensgeschichten für alle, sondern einmal für Männer (Kati hat es erwähnt, sowas wie Tommy Jaud und Co. würde ich darunter fassen) und einmal für Frauen (Chick Lit). Beide haben mehr oder weniger den gleichen leichten Inhalt, aber die Hauptcharaktere ein anderes Geschlecht und das Cover und Marketing sieht anders aus.

Lothen spricht es ja schon an:
Zitatin England mit Harry Potter für Erwachsene gemacht wurde? Eine Frauen- und eine Männerversion

ZitatDie Handlung läuft immer nach dem selben Schema ab, man weiß, was man zu erwarten hat, obwohl die Roman durchaus spannend sein können. Besonders auffallend ist es, wenn man mehrere Bücher dieser Art nacheinander liest, da finden sich immer die gleichen Versatzstücke und Elemente. Ob das wohl zur Entspannung beiträgt?
Wobei das ja eigentlich für alle Genre gilt.  ;D

Maja

#27
Danke für den Link, Tanrien! Das bringt das, was mich schon lange stört, auf den Punkt.
Ergänzend hierzu ein Link zu einem Produkt, der das Ganze buchstäblich auf die Spitze treibt: ein Stift, spezial für Frauenhände. Ja, es ist ein stinknormaler Kugelschreiber. Kostet nur das Fünffache. Man beachte die Kundenkommentare.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt