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Einfluss von Charakterschwächen auf den Plot

Begonnen von Norrive, 08. Juli 2014, 23:12:46

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Norrive

Liebe Tintenzirkler,

mein erstes selbsterstelltes Thema behandelt ein Problem, dass ich eigentlich schon ziemlich lange mit mir herumtrage, und ich hoffe euch fällt dazu was ein  :jau:

Ich schaffe es nicht, meinen Charakteren Schwächen zu geben, die sie auch irgendwann mal  in Schwierigkeiten bringen, und die nicht völlig klischeehaft sind. Ich habe das Gefühl, diese Schwächen nur pro forma zu schreiben, weil ich weiß, dass das zu einem vielschichtigen Charakter dazugehört, aber sie haben keinerlei Auswirkungen.

Dazu kommt noch, dass ich bisher keinen (!) Charakter schreiben konnte, der sich Hals über Kopf in eine Situation stürzt, bei der die Schwäche zu tragen kommen würde. Die sind alle zu vernünftig, um nicht vorher noch Hilfe/das richtige Werkzeug oder ein anderes Schlupfloch zu besorgen. Oder die Protagonisten ergänzen sich so gut, dass immer einer der anderen das Problem umgehen kann.

Vielleicht einmal ein Beispiel aus einer meiner Geschichten.

Meine Hauptperson Victoria Christensen ist um die 350 Jahre alt. Sie ist durch Gaben des Ares übermenschlich stark, schnell und geschickt, zusätzlich noch praktisch unsterblich. Soweit eine durchschlagkräftige Kriegerin, aber nicht zu stark, da in dem Buch die Antagonisten zahlreich und ebenfalls mehr oder weniger unsterblich und/oder stark sind. Außerdem musste für den Plot eine sehr mächtige Heldin her.

Jetzt habe ich sie in meinem Charakterbogen in dem Unterpunkt 'Schwächen' als einschüchternd beschrieben, als verständnislos für einige Charakterzüge (bspw. Faulheit, Halbherzigkeit ...), ungeduldig, leicht reizbar und schwierig bezüglich emotionalen Beziehungen.

Soweit hat das Ganze eigentlich recht viel Potential, aber da die Story ein Fantasykrimi wird (ein bisschen im Stile von den Dresdenfiles), ergibt sich in meinem Plot einfach kein größeres Problem durch die manchmal mangelnde Sozialkompetenz, da für Vic zu viel auf dem Spiel steht um unvernünftig auf die Marotten ihres Ermittlerpartners Jesse einzugehen oder sich gegenüber Zeugen o.Ä. danebenzubenehmen. Dazu kommt, dass Jesse eigentlich der Obermotz im Plot ist, der ihre Ausbrüche im Zweifel auch abkann. :hmmm:

Solche Sachen kommen eigentlich in allen meinen Stories vor, obwohl ich eigentlich gerne einmal hätte, dass die Schwächen die Fallhöhe erhöhen, ohne gleich ins Klischee abzurutschen (wie zum Beispiel ein cholerischer Feuermagier, der sich mit seinem lodernden Temperament (höhö) vor seinem Erzmeister blamiert...)

Es stellt sich jetzt auch die Frage, ob das ein Charakterproblem oder ein eher Plotproblem ist. Ich könnte die Situationen im Plot ja auch heraufbeschwören, aber da muss ich die Protagonisten schon mit der Keule hineinprügeln, damit sie nicht doch noch rausschlüpfen.

Wie macht ihr das denn so, die Schwächen der Charaktere glaubwürdig und sinnvoll im Plot unterzubringen? Oder gebt ihr euren Charakteren nur Schwächen für den Charakterfluff? Und, MÜSSEN meine Schwächen zwangsläufig in den Plot greifen (das habe ich mal in einem Schreibratgeber und mehrfach im Internet gelesen)?

:vibes:
Grüße
Norrive

Sprotte

Hui, nettes Thema.

Frage ist dabei immer, was ist eine Schwäche? Ich nenne es "Kante", einfach weil es da ist, damit die Figur nicht allzu glatt wirkt. Ich denke nicht, daß eine Schwäche unbedingt Plotelevanz haben muß. Zum Beispiel habe ich einen überheblicher Weiberhelden, der überzeugt ist, die fleischgewordene Antwort auf alle Frauengebete zu sein. Wichtig ist für mich, daß diese Eigenheit die Figur auszeichnet und unverwechselbar macht. Ist das Fluff? Ich nenne es Profil und Erkennungszeichen. Auch einen Helden mit einer Phobie habe ich an Bord. Er erreicht seine Ziele, wenngleich unter erschwerten Bedingungen.

Wichtig finde ich bei solchen Kanten, daß die glaubhaft sind und der Figur durchaus menschlich ein wenig Steine in den Weg legen. Wegen sich keiner daran stört, die Eigenheit also sinnlos verpufft, würde ich mir etwas anderes überlegen.

Anmerkung: Ich schreibe Heroic Romance, da sind solche Kanten für die Beziehungsseite des Romans durchaus wichtig, nicht aber unbedingt für den Plot.

Melenis

Na ja, sagen wir's mal so: Schwächen auf deinen Charakternotizen sind an sich für den Mülleimer, wenn du sie nicht in die Geschichte mit einbaust. Der Leser kennt deine Notizen ja nicht. Die Schwächen die du deiner Protagonistin gegeben hast klingen für sich schon sehr gut und sie erscheinen mir auch passend. Aber wie gesagt, sie helfen dir nicht, wenn sie nicht zum tragen kommen.
Ich würde einfach mal behaupten, dass du deine Protagonistin zwingen musst, ihre Schwächen auszuleben. Ich habe auch eine Figur, die sehr kontrollsüchtig ist, und diese Schwäche wird zu einem tragenden Teil des Plots. An sich löst diese Schwäche einen großen Teil der Handlung erst aus. Das muss natürlich nicht immer sein, aber ich bin ein Fan von Schwächen. Ich bin ein Fan von Überraschungen  :)

Siara

Hallo Norrive. :)

Zuerst einmal zu dieser Sache:
Zitat von: Norrive am 08. Juli 2014, 23:12:46Es stellt sich jetzt auch die Frage, ob das ein Charakterproblem oder ein eher Plotproblem ist.
Ich denke eher, es ist ein Problem der Ansicht. Du als Autorin hast die Übersicht, du weißt, welche Folgen Fehlentscheidungen haben würden, wenn deine Figuren sie begingen. Allerdings geht es deinen Figuren da anders, denn die stecken immerhin mitten in der Sache drin.

Du sagst, deine Vic würde nicht unvernünftig handeln, weil zu viel für sie auf dem Spiel steht und sie deshalb anscheinend über manches hinwegsieht - aber dann ist Reizbarkeit auch keine ihrer Schwächen. Eine Schwäche ist für mich etwas, das einen Menschen in einer oder mehreren Hinsichten Steine in den Weg legt und gewisse Dinge erschwert. Wenn sie ihre "Schwächen" einfach ignorieren und umgehen kann, dann sind es keine Schwächen.

Kurz gesagt: Vic erscheint mir auf diese kurze Beschreibung hin noch zu stark. Gerade die Sache, dass sie wenig Verständnis für Andere aufbringen kann, ist aber ein guter Ansatz, mit dem sich bestimmt arbeiten lässt. Denn dies kann zu Missverständnissen führen, zu Feinden, dazu, dass sie jemanden unterschätzt oder Absichten Anderer nicht erkennt, ... All das sind Dinge, die für sie böse enden können.

Denn in meinen Augen, ja, sollten zumindest einige Schwächen Plotrelevanz haben. Das macht die Sache schlicht spannender und es festig außerdem die Figuren an ihrem Platz innerhalb der Handlung. Wenn es nur darum geht, dass ein starker Held her musste, der den Drachen besiegt, hätten das eine Menge Leute erledigen können. Aber nur der Held, der leider so gar keinen Orientierungssinn hat, verirrt sich unterwegs im Wald und stößt dort auf ... tja, auf was auch immer. Ich denke du, weißt, was ich meine. Schwächen sind einfach Teil eines Menschen (oder auch jedes anderen Wesens) und sie wirken sich auf deren Handlungen aus. Deshalb glaube ich, wenn du deinen Charakteren "echte" Schwächen gibst, die sie nicht einfach unbeachtet lassen können, gliedern diese sich ganz automatisch in den Plot ein. Das muss nicht bedeuten, dass sie den Plot groß verändern. Aber sie verkomplizieren vielleicht Kleinigkeiten, führen zu Umwegen und so weiter.

Sprotte gebe ich allerdings auch recht. Nicht jede Schwäche muss plotrelevant sein. Da verhält es sich wie jede andere Eigenschaft der Figur auch - sie treten je nach Situation mehr oder weniger zutage und sind auch schlicht zur Vertiefung der Charaktere zu gebrauchen.

Also: Nicht jede Schwäche muss tief in den Plot eingeflochten werden. Aber meiner Meinung nach sollte jeder Plot hier und dort durch Schwächen der Charaktere gezeichnet sein.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

heroine

#4
Charakterschwächen müssen nicht nur negative Konsequenzen haben, fällt mir dabei auf und genau dadurch kann ein Plot vorangetrieben werden. Im Beispiel von Vic, nur die Beschreibung "einschüchternd". Einerseits kann sie damit jemanden so verschrecken, dass die betreffende Person Vic nicht für die richtige Person hält um etwas zu erwähnen. Dieses Detail ist plotrelevant, aber Vic kommt aufgrund ihrer Art nicht dran. Gleichzeitig, wird diese einschüchternde Art bei jemand anderem richtig ziehen und er wird Infos rausgeben, die er für sich behalten hätte, hätte er nicht soviel Angst.

Damit will ich nicht sagen, dass aus jeder Schwäche automatisch eine Stärke wird und man den Superhelden heranzüchtet. Sondern eher wie schon erwähnt die Kante betonen. Es ist eben nicht schwarz und weiß ohne etwas dazwischen und ich denke allein damit, kann man dann schon mehr mit den Kanten anfangen.

Genau da fängt auch die Arbeit des Autors an. Er ist im Prinzip dafür zuständig die Situation so zu formen, dass aus den Kanten nicht nur positive Erlebnisse werden und nicht nur negative. Mit dem richtigen Setting kann nämlich aus dem absoluten Superprotagonisten immer noch ein anderes Bild geschaffen werden. Z.B. verständnisvoll, intelligent, aufmerksam und loyal. Setting 1: Der Held kommt großartig an, trumpft auf ganzer Linie und wird angehimmelt. Setting 2: Der Held ist ein absoluter Langweiliger und alles was er gut meint, wird ihm als arrogantes Angeben ausgelegt.

Edit:
Okay noch ein kurzer Nachtrag dazu wie ich es handhabe.
In Geschichten ergeben sich plotrelevante Ereignisse aus der Handlung meiner Charaktere und die ist maßgeblich durch die Charakterschwächen und -stärkeren beeinflusst. Ich muss nicht jedes Mal erwähnen, wenn er/sie etwas gutes oder schlechtes tut. Aber manchmal sind diese Taten eben so weitreichend, dass sie irgendwann wieder zurückkommen. Dann weigert sich ein Nebencharakter der Gruppe zu helfen, weil der Protagonist unfair zu ihm war. Darauf hin muss ein ganzer Plan über den Haufen geworfen und eine Alternative gesucht werden. Oder es ergibt sich aus einer freundlichen Handlung nochmal ein Hinweis, der im richtigen Moment auftaucht.

Vor allem im Bezug auf die Interaktion mit Antagonisten spielen die Stärken und Schwächen eine große Rolle. Weil in dem Fall zwei besonders starke Persönlichkeiten (meistens, also nicht immer) aufeinandertreffen.

Kadeius

Liebe Norrive,

anfangs hatte ich ebenfalls zwei Charaktere, die zu glatt waren. Der Effekt war: Einer war so langweilig, dass ich mich jedes Mal davor gedrückt habe, seine Perspektive weiter auszugestalten. Der andere war so fehlerlos und hat seinen einzigen "Fehler" (leicht rassisitisch veranlagt) auch noch zum Vorteil für sich nutzen können. Es ergab sich für mich nur eine Konsequenz: Es musste sich etwas ändern. Der zweite Charakter war irgendwie eine Synthese aus all den Helden, die ich immer sehen wollte, die Rassenfeindlichkeit hat sich irgendwie aus dem Plot ergeben.
Ich habe angefangen, die Figuren zu überdenken, "Was-wäre-wenn"-Fragen zu stellen und einfach mal geschehene Situationen anders ausgehen lassen. Fakt ist: Es ist zwar ganz nett, mal jemanden zu sehen, bei dem alles perfekt läuft, aber warum willst du seine Geschichte erzählen? Was ist das Besondere an seiner Geschichte und wie ist er hineingelangt? An Start-Ziel-Plot hat weder der Leser noch der Schreiber lange Spaß. Ich empfehle dir daher: Lass sie einfach mal spontan reagieren. Wie würdest du in ihrer Situation reagieren? Dir fällt vielleicht in dem Moment etwas ein, das du sofort verwirfst und wobei du sagst: "Oh, nein. Das kann ich jetzt nicht machen." Warum nicht? Deine Welt, deine Regeln. Das heißt, du kannst auch den "perfekten" Charakter konstruieren, aber du scheinst damit ja selbst unzufrieden zu sein. Also: Schreib' mal spontan drauf los, eine uralte Regel zum Ideensammeln.

Ich schreibe High Fantasy und habe keinen klassischen Frodo oder (nicht so klassischen) Eragon als Held; ich habe mehrere, die alle ihre Ecken und Kanten haben und dadurch in ihre Probleme geraten. Dadurch lebt der Plot und ich wüsste nicht, wie sie ohne ihre Probleme so weit gekommen wären und sich so weit entwickelt hätten.

Miezekatzemaus

Ich denke auch immer: Ja, sie kann ja so und so sein, dafür bekommt sie dann auch die negative Eigenschaft XYZ. Leider lässt sich das in der Praxis so kaum umsetzen, weil, wie Melenis schon richtig schrieb, Charakterbögen nicht nur der Übersicht dienen, sondern auch verwendet werden müssen.
Ich neige zudem dazu, allen Protagonisten die gleiche Schwäche zu geben, weil ich diese Schwäche einfach am besten - für mich - darstellen kann.

Wie man das umgehen kann ist eine wirklich gute Frage. Ich schätze, ich umgehe das Problem üblicherweise, indem ich den Protagonisten Schwächen verpasse, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Will zum Beispiel eine Polizistin gerne morden, dann darf sie in ihrem Beruf gerne schießen, wenn es Not tut. Der Leser merkt erst nach und nach, dass diese Sucht danach fast schon krankhaft ist, und dass man die Frau wohl doch nicht als so symphatisch einordnen kann.
Das ist meines Erachtens nach ein ganz guter Weg, weil es einem als Autor nicht wehtut, nur stückchenweise und man hinterher nicht mit einem Haufen Mary Sues mit Hang zum Perfektionismus.

Wenn ich recht überlege, haben meine Protagonisten meistens psychische Schwächen und leider kaum solche, gegen die man nichts machen kann. Eine hat beispielsweise Angst vor der Regierung und mutiert im Laufe des Buches zur Anführerin gegen den Staat und zur Führerin der Rebellion.
Ich nutze diese Schwächen meist, um meine Charaktere ausführlich darüber nachdenken zu lassen, denn dabei lernt man sie besser kennen.

Viele Grüße
Mieze

Ary

Ich mag die von Sprotte beschriebenen Ecken und Kanten und lasse meine Figuren diese auch hin und wieder ausleben. Das macht für mich Figuren erst richtig interessant - und ich meine nicht nur Charaktereigenschaften, auch blöde Angewohnheiten. Ein Typ aus meinem Urban Fantasy-Projekt ist nicht nur stinkarrogant und redet gern arg geschwollen und mit einem Hauch Zynismus. Er ist auch noch lungenkrank und raucht trotzdem wie ein kaputter Ofen und ist nicht gewillt, damit aufzuhören. Dazu steht er auf Halstücher und silberne Zigarettenetuis. Eine andere Figur gehört zu einem Volk, das eigentlich durch seine angeborene Gabe der Geduld besticht - der Held selber ist aber ein Ungeduldsbeutel, wie es schlimmer nicht sein kann, damit nervt er seine Umgebung und sorgt immer wieder für komische oder schräge Situationen. Wieder ein anderer wird in eine Welt voller Vorurteile hineingeboren und sieht absolut nicht ein, warum es diese Vorurteile gibt und warum sich keiner die Mühe macht, mal damit aufzuräumen. Damit eckt er natürlich bei den Konservativen an und reitet sich so richtig in die Sch***.
Macken, Angewohnheiten und Kanten machen eine Figur für mich erst so richtig lebendig. Plotrelevant ist Theos Raucherei zum Beispiel nicht, aber sein Sidekick kann sich so herrlich über das verqualmte Büro aufregen und immer wieder auf der angeschlagenen Gesundheit des Kettenrauchers rumreiten.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Klecks

Wenn Figuren keine Schwächen hätten, würden sich bei mir die meisten Probleme, die sie bekommen, gar nicht erst ergeben. Ich äußere die Schwächen selten; viel mehr sollen sie im Laufe des Plots dadurch offensichtlich werden, wie die Figuren sich verhalten. Schwächen sind auch immer ziemlich subjektiv. Es gibt Eigenschaften, die werden nicht allgemeingültig als Schwächen angesehen.  :hmmm: 

Ary

:) Deswegen ist mir der Ausdruck "Macken" eigentlich auch lieber.
Sowas wie Spontaneität kann eine Stärke sein, sie kann aber in Situationen, in denen es sinnvoll ist, erst zu planen, eher nerven, oder sogar alle in Gefahr bringen.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Churke

Zitat von: Norrive am 08. Juli 2014, 23:12:46
Soweit hat das Ganze eigentlich recht viel Potential, aber da die Story ein Fantasykrimi wird (ein bisschen im Stile von den Dresdenfiles), ergibt sich in meinem Plot einfach kein größeres Problem durch die manchmal mangelnde Sozialkompetenz, da für Vic zu viel auf dem Spiel steht um unvernünftig auf die Marotten ihres Ermittlerpartners Jesse einzugehen oder sich gegenüber Zeugen o.Ä. danebenzubenehmen.

Wenn man es kontrollieren kann, ist es keine Schwäche! Lass sie ausrasten, lass sie ihr soziales Umfeld gegen sich aufbringen, und dann sieh, was geschieht!

Außerdem halte ich das vorwiegend für ein Plotproblem. Man kann jeden Superhelden in Schwierigkeiten bringen und wenn er erst mal in Schwierigkeiten steckt, dann habe ich als Autor zwei Möglichkeiten: Ich kann zeigen, wie toll Mr. Superheld ist - oder ich zeige, wie er es versemmelt. In der ersten Variante spiele ich auf der Stärken-Tastatur, in der zweiten schlage ich die Schwächen-Saiten an. Und wie jeder weiß, steckt in einer guten Komposition beides drin.

Norrive

Guten Morgen :)

Beim Lesen der Posts ist mir aufgefallen, dass ich die Sache mit den Fehlern viel zu extrem betrachtet habe. Ich hatte jetzt eigentlich nur Szenarien im Kopf, die allein durch die Fehler ausgelöst wurden. Aber wie vor allem Heroine und Siara geschrieben haben, können die Schwächen die Sache ja einfach nur  verkomplizieren.

Und wenn eine Schwäche, deren sich meine Protagonisten bewusst sind, irgendetwas schwierig gemacht hat, bietet das natürlich auch Raum für Einiges an Innenleben. Lässt sich Vic von einem Zeugen so provozieren, dass sie ihn verprügelt, wird Jesse sie aufhalten müssen. Danach wird sie sich, wenn sie wieder klar im Kopf ist, schuldig fühlen, genervt von sich selbst (''Verdammt nochmal, wieso bin ich denn bloß so ausgerastet? Ich weiß doch, dass Zeuge X ein Dummschwätzer ist.'') und es gibt die Möglichkeit die Beziehung zwischen Vic und Jesse zu beeinflussen.

Und klar, mit den Schwächen die Vic hat, kann ich sie gerade unter vielen Unsterblichen, mit all ihren Regeln und Traditionen, eigentlich gewaltig in Schwierigkeiten bringen, ohne dass der eigentliche Plot (die Aufklärung einer Mordserie) sich allzu sehr ändern muss. 

Ich finde Miezes Methode übrigens sehr cool, einfach etwas Positivem (diensteifrige Polizistin) einen sehr unangenehmen Beigeschmack zu verpassen, der sich erst im Laufe der Handlung als richtiges Problem (Polizistin hat Mordlust)

Vic

Ich finde viele Fehler ergeben sich tatsächlich aus den Stärken. ;-)
Also jemand, der sehr gutherzig und großzügig ist, ist vielleicht auch ein bisschen naiv und lässt sich leicht ausnutzen. Jemand der sehr selbstbewusst und eigenständig ist, schafft es vielleicht nicht immer um Hilfe zu bitten und fällt deswegen auf die Nase, weil er/sie halt doch nicht ALLES so gut kann wie jemand anderes. Jemand, der ein Witzbold ist, wird vielleicht in kritischen Situationen nicht mehr ernst genommen. Jemand der sehr zynisch und misstrauisch ist, verbaut sich vielleicht dadurch wunderschöne Freundschaften/Partnerschaften. Jemand der bescheiden und zurückhaltend ist, ist vielleicht auch unsicher und schnell eifersüchtig, etc.

Also ich finde es gibt so typische "Alibi"-Schwächen wie "jemand ist tollpatschig" oder "chaotisch" oder "schüchtern", die eigentlich keine richtigen Schwächen sind, sondern eher liebenswerte Eigenheiten.
Damit muss man vorsichtig sein, weil dann schnell Mary Sues entstehen.
Bei jemandem der sehr selbstbewusst und stark ist, kann ich mir vorstellen dass derjenige auch manchmal barsch ist und vielleicht ungerecht Leute verurteilt. Das kann im Rahmen schon ein Problem sein, wenn der Protagonist dadurch z.b. bei manch anderen Charas nicht so gut ankommt.
Wenn jemand Hunger Games kennt - das ist ja z.b. Katniss große Schwäche. Sie ist sehr tough und selbstbewusst und kompetent, aber sie kann halt nicht gut mit Menschen und die meisten Menschen mögen sie erst mal nicht, weil sie so barsch rüberkommt. Das ist für sie aber ein ganz schönes Problem im Rahmen des Plottes weil um die Hunger Games zu überleben reicht es eben nicht tough und kompetent zu sein - man MUSS eben auch gut ankommen bei den Leuten.
Sowas ist z.b. ist eine in sich total plausible und für den Plot relevante Charakterschwäche.

HauntingWitch

Ich finde nicht, dass Schwächen zwangsläufig den Plot beeinflussen müssen. Aber sie müssen für mich als Leser als solche erkannt werden, damit der Charakter nicht einseitig wirkt. Die Frage ist natürlich, inwiefern man Schwächen erkennbar einbauen kann, ohne dass sie in den Plot greifen... Ich denke, das eine zieht das andere ein bisschen nach sich, aber wie gesagt, ich betrachte das nicht als unausweichliche Regel.

Bei mir passiert es intuitiv. Meine Charaktere haben Schwächen auf dem Charakterbogen, mit denen sie natürlich ebenso durch die Welt gehen wie mit ihren Stärken. Demzufolge spielt das automatisch in den Plot hinein. Ich plane das aber nicht in dem Sinn oder versuche gezielt, ihnen ihre Schwächen zum Verhängnis zu machen. Das wäre mir viel zu krampfhaft. Die Frage ist auch, was ist Plotrelevanz? Ich habe einen Charakter, der konfrontationsscheu ist. Letztlich kämpft er gegen Ende der Geschichte doch gegen einen übermächtigen Gegner (weil ihn etwas antreibt, das seine Scheu kurzfristig aushebelt). Jedenfalls: Ist diese Schwäche nun plotrelevant? Ich würde sagen, insofern, dass es ihn zuvor langsamer macht und manches Mal in eine prekäre Situation bringt, ja. Aber sie ist nicht wichtig für den Ausgang der Geschichte. Macht das die Geschichte schlechter? Ich denke nicht (und hoffe mal, dass andere das auch noch so sehen ;)).

Nach deinem letzten Post, Norrive, scheinst du mir aber auf einem guten Weg zu sein. Gerade diese Beziehung zwischen den beiden Partnern bietet sicher eine Menge Möglichkeiten, die Schwächen deiner Prota darzustellen. Ob sie dann dadurch in Lebensgefahr gerät oder nicht, spielt keine Rolle. Solange die Szenen mit den Schwächen nicht allein dem Zweck des Schwäche Zeigens dienen und auch noch irgendeine andere Funktion haben.  ;)

Atra


Zitat von: NorriveWie macht ihr das denn so, die Schwächen der Charaktere glaubwürdig und sinnvoll im Plot unterzubringen? Oder gebt ihr euren Charakteren nur Schwächen für den Charakterfluff? Und, MÜSSEN meine Schwächen zwangsläufig in den Plot greifen (das habe ich mal in einem Schreibratgeber und mehrfach im Internet gelesen)?

Um die Schwächen meiner Charaktere im Plot unterzubringen, erschaffe ich sie vorher durch die Vergangenheit der Charaktere bzw. versuche es. Oft genug muss ich da nachbessern oder umdenken, aber je mehr ich das übe, desto besser sind die Ergebnisse für mich in Sachen "natürlich in den Plot passende und wirkende Schwächen/Kanten/ect."  :D

Z.b. ist einer meiner Charaktere einzelgängerisch und frauenfeindlich bzw. der Meinung, dass Frauen in den Haushalt gehören. Er wettert gegen Kolleginnen und verhält sich ihnen gegenüber wie ein A*** Später im Plot existieren Situationen, in denen er alles daran setzt, das weibliche Geschlecht vor der Gefahr zu retten.
Das ergibt sich daraus, dass seine Frau (mit Kind) vor Jahren auf offener Straße ermordet wurde. Er gibt sich unberechtigter Weise die Schuld dafür, weil er nicht bei ihnen war. Daraufhin zieht er sich zurück. Gleichzeitig sucht er unbewusst nach Strategien, wie der nicht geplante Mord hätte verhindert werden können, so dass er zu dem Schluss kommt, dass seine Frau das Haus besser nicht verlassen hätte. Während er das auf andere projiziert, die ja nicht in sein Innenleben sehen können, erhält er den Stempel des frauenfeindlichen A***

Generell läuft das bei mir recht intuitiv ab und es gibt auch Dinge, von denen ich dachte, dass sie im Plot schlimm zu tragen kommen, es aber doch nicht machen. Dann belasse ich es dabei, ohne zu versuchen, diese noch mit allen Mitteln unterzubringen. Wie andere schon meinten, lieber auf die Plotrelevanz achten, als eine Szene nur zu schreiben, um die Schwäche zu zeigen  :jau:


Eine Frage habe ich noch: Was ist denn ein Charakterfluff?

LG Atra
"Man muss erst zum Leben aufstehen, bevor man sich niedersetzt zum Schreiben."
(Henry David Thoreau)