• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Wenn der Charakter intelligenter ist als man selbst...

Begonnen von heroine, 07. Juni 2014, 15:23:23

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

canis lupus niger

Naja, das ist ja, alles richtig, aber jetzt drehen wir uns irgendwie im Kreis, oder? 'Intelligente Menschen' sind natürlich ganz normale Menschen, die nur intelligenter sind als der Durchschnitt. Aber wenn wir nicht schreiben wollen: "X fand aufgrund seiner hohen Intelligenz die Lösung für das Problem schneller als die anderen Diskussionsteilnehmer.", wenn wir Show, don´t tell betreiben wollen, dann ist doch die Frage, wie man zeigen kann, dass jemand intelligenter ist als der Durchschnitt (oder auch als der Autor nach dessen eigener Wahrnehmung)?

Und da ist, wie ich oben schon schrieb, meiner Meinung nach hilfreich, wenn man sich am Verhalten eines bekanntermaßen besonders intelligenten Menschen orientiert. Wenn wir wissen wollen, wie sich ein zutiefst trauernder Mensch verhält, eine Schwangere, ein leichtlebiger oder depressiver Mensch, ohne eigene entsprechende Erfahrungen zu haben, dann orientieren wir uns doch auch an Berichten Anderer (oder über Andere). Ich finde, neben einigen tatsächlich genannten Klischees ist hier  im Sinne der Ausgangsfrage viel Brauchbares zusammengekommen.   :)

Vic

Ich finde auch, wir drehen uns etwas im Kreis. ;)
Also die Ausgangsfrage (so wie ich sie verstanden habe) ist doch immer noch - ich brauche für meine Geschichte einen sehr intelligenten Charakter, der Dinge weiß, die ich nicht weiß oder eben ganz toll logisch denken kann - oder wie auch immer man Intelligenz definiert.

#1 Spezifisches Wissen: Das ist leicht, wie schon gesagt wurde, man kann sich ja in aller Ruhe was anlesen und dank Internet findet man auch zu komplizierten Themen inzwischen recht gute Zusammenfassungen.

#2 Logische Schlussfolgerungen/Problemlösefähigkeiten: Da wirds schon schwieriger, aber auch da kann man sich ja helfen. Vielleicht habe ich meinen Charakter in ein Problem geschrieben aus dem ich nicht mehr raus finde, aber ich denke "der ist ein Genie, der kann das". Die Lösung wäre mit anderen Leute drüber zu reden. Wenn man zwanzig klugen Leuten ein Problem präsentiert, kommt statistisch gesehen mindestens einer auf eine halbwegs brauchbare Lösung.
Und falls die Situation völlig unlösbar geworden ist - da ich als Autor ja die Macht habe, kann ich die Situation ja auch entsprechend modifizieren. 



Debbie

Zitat von: canis lupus niger am 11. Juni 2014, 13:06:43
Wenn wir wissen wollen, wie sich ein zutiefst trauernder Mensch verhält, eine Schwangere, ein leichtlebiger oder depressiver Mensch, ohne eigene entsprechende Erfahrungen zu haben, dann orientieren wir uns doch auch an Berichten Anderer (oder über Andere).

Im Gegensatz zur Intelligenz sind all diese Dinge aber unter gewissen Umständen erfahrbar und man kann sich deshalb auch bis zu einem gewissen Grad in die Situation hineinversetzen. Mit Intelligenz ist das anders - man kann sich nicht einfach vorstellen, wie es jenseits der eigenen "Grenzen" ist.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass andere Menschen oft nicht verstehen was man sagt oder wie man denkt, wenn man mehr wahrnimmt und versteht als andere. Das ist so ein bisschen, als würde man eine fremdartige Sprache sprechen. Und auch wenn man ähnliche oder sogar gleiche Vorlieben hat, wie die Menschen um einen herum, ist man doch irgendwie immer bis zu einem gewissen Grad anders.

Wenn man dann auch noch wie Snö (und ich früher auch) gerne Party macht und nicht dem gängigen Bild von Hochbegabung entspricht, ist die Verwirrung bei der Umwelt meist komplett. Man kommt dann einfach schon deswegen häufig arrogant rüber, weil man sich nicht anhören kann, wie unterdurchschnittlich intelligente Zeitgenossen ihr unqualifizierten Meinungen zu wichtigen Themen ungehindert in die Welt hinausposaunen. Auch bei Lehrern ist man meist unbeliebt, weil einem ständig die Fehler in Systemen, Leitsätzen und Gleichungen auffallen. Bis man es eben leid ist und irgendwann die Klappe hält.

Mir fällt es schwer Dinge zu akzeptieren, die nicht logisch sind; Sachen auswendig zu lernen, die als Tatsachen hingestellt werden, obwohl sie in Zweifel gezogen werden können; die Klappe zu halten, wenn jemand falsche Wahrheiten und Fakten verbreitet, der auch nur im Geringsten andere beeinflussen könnte und manchmal auch Geduld aufzubringen, für alle anderen, denen eben nicht alles immer sofort klar ist, die aber gleichzeitig unglaublich von ihrer Intelligenz und Bildung überzeugt sind. Ich kann nicht wie ein Wissenschaftler in Schubladen denken und nur die Gebiete zu Interpretations- und/oder Analysezwecken heranziehen, die vorgeschrieben sind, weil ich auf sowas einfach keine Rücksicht nehmen kann. Deshalb kann ich auch nicht einfach Dinge herunterbeten, die ich ohne Probleme in irgendeinem Fachbuch auswendig lernen könnte und es macht mir auch keinen Spaß immer wieder mit einem Lehrer oder Dozenten zu diskutieren, der meinen Gedankengängen selbst nicht folgen kann, weil ihm dazu entweder a) die Kapazitäten fehlen oder er b) an all dem Zeug klebt, dass er im Studium gelernt, bzw. in einem Teil der Fachliteratur gelesen hat. Und selbst Fachliteratur ist für mich schwierig, da auch die immer nur so gut ist, wie der Autor geistig für sämtliche Varianten und Möglichkeiten auch jenseits der gängigen Meinung offen ist.

Deshalb komme ich meist besser mit "normalen" Menschen klar als mit der sogenannten "Bildungsschicht" (ich hasse diesen Begriff eigentlich, weil er nahe legt, dass Bildung etwas mit Intelligenz zu tun hat, was eben nicht zwangsläufig der Fall ist), in deren Gegenwart ich mich meist schnell zum arroganten Miststück entwickle, weil sie so wahnsinnig von sich und ihrem Wissen überzeugt sind und sich deshalb für etwas Besseres halten. Schulabschlüsse, Bildung und Intelligenz beeindrucken oder faszinieren mich auch nicht - stattdessen faszinieren mich Charakterstärke, Leidenschaft und Mitgefühl. Vor einem Titel oder vor Geld und Erfolg habe ich deshalb auch erstmal nie Respekt, denn bei der Bewertung einer Person hat davon (für mich) nichts Bedeutung; viel wichtiger ist mir die Art und Weise, wie diese Dinge erlangt wurden. Am wohlsten fühle ich mich umgeben von Leuten, die nicht meinen, sie wüssten alles (oder alles besser), deren Denken in alle Richtungen offen ist und denen klar ist, dass Wissen und Bildung nicht das wichtigste sind. Ich fürchte in jedem Hochbegabten steckt zwangsläufig ein kleiner Philosoph, da man auch nie aufhören kann über das Leben und das Menschsein an sich nachzudenken. Man denkt ständig über alles nach und stellt ständig alles in Frage.

Und ich kann auch nicht sagen, ob ich deshalb anders bin, weil ich weiß, dass ich nicht weiß, ob sich Menschen mit einem durchschnittlichen IQ genauso fühlen  ???


Zur Ausgangsfrage: Am Besten stellt man die schnelle Auffassungsgabe und Intelligenz einer Figur m. E. dar, indem man Hinweise auf die Lösung im Nachhinein platziert und zwar in Form von unbedeutenden Dingen, Worten, Gesten oder Mimiken, die dem Leser wegen ihrer Alltäglichkeit nicht auffallen, aber der Figur eben schon. Mit Bildung ist das schon wieder etwas anderes - Bildung darzustellen, die man selbst nicht besitzt, stelle ich mir schwierig vor ...

canis lupus niger

Zitat von: Debbie am 11. Juni 2014, 18:28:15
Im Gegensatz zur Intelligenz sind all diese Dinge aber unter gewissen Umständen erfahrbar und man kann sich deshalb auch bis zu einem gewissen Grad in die Situation hineinversetzen. Mit Intelligenz ist das anders - man kann sich nicht einfach vorstellen, wie es jenseits der eigenen "Grenzen" ist.

Deshalb sind auch gerade Beiträge wie Deiner, Snös oder Suns ja besonders wertvoll, liebe Debbie! Damit man von Euren Erfahungen als Betroffene zehren kann.

Churke

Was noch gar nicht angesprochen wurde: Man kann Intelligenz auch als etwas Relatives darstellen. Die Mitarbeiter wirken viel klüger, wenn der Chef ein Vollidiot ist.  ;D Man gibt der Figur einen Sparringpartner, der sozusagen den Maßstab setzt und von dem sich die Figur abheben kann. Das kann ein unfähiger Chef sein - es kann aber auch ein leider nur durchschnittlich begabter Assistent sein.

Eine weitere Möglichkeit ist das Beurteilen anderer Leute. Ein schlechter Herrscher hat schlechte Ratgeber, weil er einen guten Rat nicht von einem schlechten unterscheiden kann. (so Machiavelli) Ich denke, dass die Fähigkeit, Intelligenz zu beurteilen, selbst ein hohes Maß an Intelligenz voraussetzt. Ich habe da z.B. einen verrückten Wissenschaftler, der ausschließlich mittelmäßiges Personal einstellt, weil er kreative Querdenker für ein Sicherheitsrisiko hält. Solche Leute muss man erst mal erkennen können!