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Eure Mistkerle

Begonnen von Guddy, 06. Juni 2014, 11:10:01

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Guddy

Ausgehend von diesem Thread: Welche Mistkerle habt ihr denn anzubieten? :) Erzählt mal ein bisschen aus dem Nähkästchen! Was haben sie für dunkle Seiten? Was macht die Mistkerle trotzdem noch sympathisch? Haben sie auch ihre positiven Seiten oder sind sie durch und durch "mistig"?

Ich möchte bewusst nicht den Anfang machen, da ich meine Chars nicht so in den Mittelpunkt rücken will. Habe aber auch ein paar von der Sorte und werde dann auch später antworten. ;)

heroine

Ich habe eine Dame, die eigentlich fast nur negative Eigenschaften hat.

Sadistisch veranlagt, Mutterkomplexe (Hass-/Zweck-Beziehung), sie akzeptiert grundsätzlich nur Menschen, die in der Hierarchie über ihr stehen oder ihr bei ihrer Karriere helfen können (opportunistisch), sie geht über Leichen (verrät sogar die Hexenfreundinnen ihrer Mutter an die Inquisition), Verleugnet ihre Herkunft wo es nur geht nach Außen benutzt sie allerdings, wenn es darum geht Vorteile zu bekommen. Ihr Interessengebiet ist sehr eingeschränkt, das einzige Hobby, das sie hat ist Gesang, darin ist sie auch recht gut, allerdings tut sie es nicht für andere und es ist eher selten, dass man in den Genuss kommt sie singen zu hören und nicht nur üben.

Ehrlich gesagt versuche ich den Charakter auch nicht positiv darzustellen. Sie kämpft für die Guten, wenn auch manchmal mit etwas merkwürdigen Mitteln. D.h. sie bringt den Konflikt rein: heiligt der Zweck die Mittel und ab wann ist ein Charakter böse? Reicht es charakterlich so veranlagt zu sein oder wird es relativiert, wenn durch Disziplin und Vernunft versucht wird Schwächen zu übergehen? Das muss reichen. Sie ist bereit ihr eigenes Leben für die Sache herzugeben (schont sich nie), sie ist sehr fähig (kein Wunder, wenn man keine Freunde und nur ein Interesse hat) und manchmal hilft sie sogar, auch wenn es immer einen Preis hat. Sie versucht nicht zu lügen, auch wenn sie mit ihrer brutalen Ehrlichkeit verletzend ist und sie auch bewusst einsetzt um Zwietracht zu sähen. Ihre Hauptgefühle sind Hass, Wut, Verachtung und Spott.

Interessanterweise mag ich sie trotzdem irgendwie. Sie ist ein Psychopath und sie weiß es auch, sie versucht sich an gesellschaftliche Regeln zu halten um irgendwie doch "das Gute/Richtige" zu tun, auch wenn sie nicht aus ihrer Haut kann. Viele Dinge versteht sie einfach nicht, weil ihr die Gefühle dazu fehlen: z.B. Mitgefühl. Die Übermittlung von Regeln fällt auch schwer, da sie keine Ratschläge oder Weisungen von Menschen akzeptiert, die gesellschaftlich unter ihr stehen oder die sie für dümmer als sich selbst hält (was leider auf die meisten zutrifft - Arroganz ist auch eine ihrer Eigenheiten). Also eine sehr widersprüchliche komplexe Person.  :rofl:

Lothen

Deine Beschreibung, Heroine, erinnert mich sehr stark an einen DSA-Charakter von mir - die ist allerdings noch eine Spur unsympathischer und versucht noch nicht mal, Regeln und Konventionen einzuhalten ;) Ziemlich interessanter Charakter auf jeden Fall, vor allem dieser Spagat zwischen dem psychopathischen Charakter und dem Kampf für die gute Seite. Spannend!

Ich glaub, ich hätte da den perfekten Partner für deine Dame (ihr kennt euch ja schon :D ) - wobei ich bei ihm leider keine positiven Anteile mehr finde :/

Mein Mistkerl verdient diese Bezeichnung voll und ganz. Aufgewachsen in einem totalitären Militärstaat, hat Salas früh und auf brutale Weise gelernt zu gehorchen und zugleich schlechter gestellte Personen ohne Gnade und Menschlichkeit zu behandeln. Kurz, er hat die Devise "nach oben buckeln, nach unten treten" perfekt verinnerlicht.

Er ist ein Sadist ohne einen Funken Mitgefühl, der nichts mehr hasst, als gegenüber anderen Unzulänglichkeiten zugeben zu müssen. Obwohl er nach unten hin den unnahbaren, grausamen Fürsten gibt, hat er vor seiner "Vorgesetzten" nämlich ziemlich viel Angst... Das Wissen, eigentlich nur eine Marionette höherer Mächte zu sein, kärnkt ihn zwar in seiner narzisstischen Persönlichkeit, doch er kompensiert dieses Gefühl der Unzulänglichkeit vorrangig durch Gewalt, vor allem gegen Frauen und Untergebene. Also der Typ Mann, der Frauen schlägt, um sich selbst besser zu fühlen (zumindest solange sie hierarchisch unte ihm stehen).

Meine Diagnose: Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, histrionischen und narzisstischen Anteilen. Ziemlich kaputt  :seufz: Zitat eines Betas: "Er ist fast so ein Arschloch wie Joffrey, aber nur fast."

Ich mag ihn aber trotzdem  ::)

Churke

Quintus Aurelius Symmachus https://www.flickr.com/photos/mpardy/2444512781/ ist der reichste Mann Roms, Gesandter des Senats, Hobbyzauberer und größter Redner seit Cicero.
Symmachus ist ins Surreale überzogen arrogant, der Führer des "besseren Teils der Menschheit" - und der Typ, der Barbaren für Spiele kauft und sich um die armen Krokodile sorgt, die sie zerfleischen sollen.

Das Geniale an der Figur: Symmachus ist der perfekte Verlierer. Was er anfasst, geht schief. Aber das macht alles nichts, weil er der große Symmachus ist. Vollständiger Realitätsverlust. Die perfekte Karikatur eines Senators. :engel:



Prof. Dr. Erich Niebergall erscheint als klassischer verrückter Wissenschaftler - eine Parodie auf die moderne Wissenschaft. Niebergall entwickelt einen Kampfstoff, der alles Leben auf der Erde (und anderswo) auslöschen kann, weil ihm einfach die Phantasie fehlt, über die Konsequenzen nachzudenken.
Sympathische Momente verleihen seine chronische Tollpatschigkeit (er ist der Typ, über den in der Schule immer gelacht wurde), und seine tiefe Verachtung für die Mächtigen und das politische System. In letzter Minute will er die Sache sogar stoppen, aber da ist es zu spät. Die Enscheidung liegt längst in den Händen der Politiker.

Lothen

Zitat von: Churke am 06. Juni 2014, 12:54:26
Hobbyzauberer

:o Ich muss gerade an einen Römer denken, der ein Kaninchen aus dem Hut zaubert ...

Trotzdem ein sehr schöner Charakter, ich musste schon beim lesen schmunzeln :jau:

canis lupus niger

@Heroine
Deine Chara erinnert mich fatalerweise an einen Verwandten. Genau die beschriebenen Eigenschaften, gruselig! Und ein Armutszeugnis für den armen Kerl, der auch nicht weiß, warum er keine Freunde hat und selbst die nächsten Familienangehörigen den Umgang mit ihm meiden.

Coppelia

#6
Oh, Mistkerle! Mein Thema! :vibes: Eure Typen sind klasse, und die Darstellung von Symmachus stelle ich mir besonders spannend vor. Erinnert mich ein bisschen an Galotta, über den ich hier aber jetzt nichts schreiben werde.

Damit der Thread nicht zu lang wird, beschränke ich mich mal auf meine liebsten.

Dusty, Halbling und Meuchelmörder, der für eine mafiaähnliche Organisation arbeitet, hat keinen anderen Wunsch, als sich bei seinem verehrten Vorgesetzten Anerkennung zu erwerben. Dafür mordet er sich ohne jedes schlechte Gewissen durch die Gegend. Ursprünglich war er nur ein Dieb, aber nachdem ihm sein Vorgesetzter beigebracht hat, wie man tötet, fühlt er sich wertvoller als zuvor. Indem er die Aufträge der Mafia erfüllt, hofft er auf Beförderung und darauf, sich endlich den Menschen gegenüber nicht mehr minderwertig zu fühlen. Er will nicht recht wahrhaben, dass er ersetzbar ist und sich sein Vorgesetzter in Wahrheit nicht für ihn interessiert. Er ist emotional völlig abgestumpft, und ein großer Teil des Romans beschäftigt sich damit, wie er sich ganz allmählich mit jemandem anfreundet. Wenn er sein Vertrauen aber erst einmal jemandem geschenkt hat, könnte niemand loyaler sein. Insgesamt eine komplett vermurkste Existenz, hoffnungslos, zukunftslos, völlig entwurzelt - und es gibt Momente, wo er das trübe ahnt.
Ich vermute, allein, dass er Perspektiventräger ist, kann ihm einige Sympathien sichern. Außerdem ist er zäh und gibt trotz aller Widrigkeiten nicht auf, seine größte Stärke und Schwäche zugleich.

Die Kessler:

K., der als junger Mann noch von der netten Sorte ist, hat als Politiker keine gute Zeit und verliert allmählich seine Skrupel und den Glauben an das, was ihm einmal wichtig war. Als Macho, der weder sich selbst noch irgendetwas anderes ernst nimmt, setzt er seinem politischen Gegner Lukial böse zu, kauft sein Haus, trinkt seinen Wein, verhökert seine Bibliothek und schläft mit seiner Frau - natürlich ohne irgendwelche anderen Absichten zu haben, als Lukial zu ärgern. Und all das findet er auch noch lustig.
Er ist wegen seines Humors trotz allem sympathisch, denke ich. Vor allem als Perspektiventräger.

Mein absoluter Liebling: M., genannt der Bluthund, die Böse Zunge oder später auch Menschenfeind oder die Geißel des Rats. Ein meisterhafter Redner, kluger Kopf, zynischer Politiker und schamloser Opportunist. Er benutzt andere, lässt sich selbst von den Mächtigen benutzen und verabscheut sich im Grunde seiner Seele selbst dafür. Er ist sehr rothaarig und sommersprossig, weswegen er von Lukial als "roter Karpfen, der ständig den Mund auf und zu macht" bezeichnet wird. Nachdem er geächtet und von Soldaten des Alleinherrschers grausam misshandelt worden ist, braucht er eine Weile, um seinen Verstand wiederzufinden, aber er schafft es und heiratet zu allem Überfluss eine spätere Alleinherrscherin. Nach deren Tod wird er zum zweiten Mal geächtet, was nur wenige Kessler von sich behaupten können.
Ich habe keine Ahnung, ob trotz seiner positiven Seiten irgendetwas Sympathisches an ihm ist, wohl eher nicht. Aber ich liebe ihn sehr. :wolke:

Eigentlich müsste ich auch noch Erkandur erwähnen, den "Dunklen Prinzen". Aber der macht momentan Karriere als Computerspiel-Antagonist, nicht länger als Romanfigur. ;D

Kadeius

Oh, ich hab zwei ganz tolle anzubieten.
Einen, der sich hochgearbeitet hat im Militär und sich deshalb für etwas Besseres hält. Man hat oft den Eindruck, dass er vergessen hat, woher er stammt. Er hasst kategorisch Elfen und nutzt jede Gelegenheit, um Sklaven oder Bedienstete am Hof auf die Nase zu binden, wer er ist und wer oder was sie sind. Das ist nicht ganz unmotiviert, schließlich hat ihn seine Frau mit seinen beiden Kindern für einen betuchten elfischen Empörkömmling verlassen, den er mittlerweile längst beseitigt hat. Doch der Hass sitzt tief und aus jeder Aktion dieses Volks liest er einen weiteren Affront gegen die menschliche Rasse heraus; ein klassischer Rassist im eigentlichen Sinne, aber er hat seine Momente und seine guten Einfälle, die ihn für das militär unverzichtbar machen, ansonsten hätte mein auf Gerechtigkeit veresessener Prota ihn schon längst aus dem Weg geräumt. Zudem ist er recht intelligent und versteht sich durchaus darauf, charmant zu verpacken, was für ein Arsch er eigentlich ist. Zu allem Überfluss sieht er auch noch wie geleckt aus und hat scheinbar mit seiner Tour Erfolg, doch die Rechnung für dieses Verhalten wird ihm früher oder später - teurer als erwartet - präsentiert.

Nicht ganz so stereotyp ist dagegen ein adliger Großinquisitor; hellblondes, fast weißes Haar, eisblaue Augen, kerzengerade und steif wie ein Brett, dazu eine gesiterhafte Stimme. Er ist sehr ruhig, aber stille Wasser sind tief. Anfangs entpuppt er sich als recht zuvorkommend und scheint nur auf das Wohl des Reichs bedacht, doch er verfolgt - wie eigentlich alle - seine eigenen Zwecke und fürchtet um seine Position und seinen Einfluss. Der sonst so ruhige Inquisitor neigt zu plötzlichen Wutausbrüchen, zu Hasstiraden und zu unnötig und übertrieben grausamen Handlungen; er ist ein Sadist und für seinen Erfolg bei der Inquisition wird er gleichermaßen verehrt wie gefürchtet. Doch er ist paranoid und das wird ihm irgendwann zum Verhängnis, indem er sich in eine Sache verstrickt, aus der er sich selbst kaum noch trotz seiner Wortgewandheit herausreden kann. Irgendwie mag ich ihn trotzdem, denn er ist ein Charakter, der die Konsequenzen seines Handelns bis auf ein einziges vehrängnisvolles Mal stets abschätzen kann und im Blick hat.

Aber im Großen und Ganzen ist der Thread eine nette Inspirationsquelle, danke dafür.  :jau:

heroine

Zitat von: Lothen am 06. Juni 2014, 12:34:43
Ich glaub, ich hätte da den perfekten Partner für deine Dame (ihr kennt euch ja schon :D ) - wobei ich bei ihm leider keine positiven Anteile mehr finde :/

Er arbeitet gründlich, hält sich an Abmachungen und mag seine Haustiere. Aber ich glaube nicht, dass er sich mit meiner Dame verstehen würde, er steht auf der falschen Seite. Sie würde ihn jagen und töten, vielleicht davor noch etwas ausquetschen wollen. Möglicherweise kämen sie miteinander aus, wenn er ein paar ihrer Befehle befolgen würde und ordentlich unter ihr buckelt, da würde sie ihn zwar nicht respektieren, aber zumindest tolerieren.

Zitat von: canis lupus niger am 06. Juni 2014, 13:53:16
@Heroine
Deine Chara erinnert mich fatalerweise an einen Verwandten. Genau die beschriebenen Eigenschaften, gruselig! Und ein Armutszeugnis für den armen Kerl, der auch nicht weiß, warum er keine Freunde hat und selbst die nächsten Familienangehörigen den Umgang mit ihm meiden.

Irks, das tut mir wirklich leid für Dich! Eine Sache ob so ein Charakter eine Gedankenspielerei ist und einen mit seinen blöden Ideen und Anmaßungen auf den Geist geht oder ob so eine Person wirklich existiert und einem das Leben schwer macht! :(

Zitat von: Kadeius am 06. Juni 2014, 15:01:55
Aber im Großen und Ganzen ist der Thread eine nette Inspirationsquelle, danke dafür.  :jau:

Zum Thema Inspiration, ich fände es ja wirklich mal interessant deinen Inquisitor mit meiner Dame zusammentreffen zu lassen. :D Und ich stimme Dir zu, es ist echt spannend die Unsympathen der anderen kennen zu lernen und mehr über sie zu erfahren.

Kadeius

ZitatZum Thema Inspiration, ich fände es ja wirklich mal interessant deinen Inquisitor mit meiner Dame zusammentreffen zu lassen.

Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Vor allem, wenn ein "Bösewicht" auf den anderen trifft, wirds meist ein heiteres "finstere Pläne und Intrigen"-Schmieden oder ein kategorisches Sich-Anfeinden. Ich finde hier zwar immer wieder gewisse Muster, die sich überschneiden und Eigenschaften, die einfach blendend zueinander passen, aber ich muss auch sagen, dass ich manche Treffen unbedingt lesen wollte.  :vibes:

Lothen

Zitat von: heroine am 06. Juni 2014, 19:30:22Möglicherweise kämen sie miteinander aus, wenn er ein paar ihrer Befehle befolgen würde und ordentlich unter ihr buckelt, da würde sie ihn zwar nicht respektieren, aber zumindest tolerieren.

Das klingt nach einem Plan, buckeln kann er gut!

@ Kadeius: Ich muss zugeben, du machst mir ein bisschen Angst, hast du einen Exklusivvertrag mit der NSA??? Dein Inquisitor ist quasi (optisch wie charakterlich) das Ebenbild eines Rollenspiel NPCs, den ich mal entworfen habe... Echt gruslig  :darth: Aber ein schicker Charakter auf jeden Fall  :jau: Die, denen man ihre Verschlagenheit nicht anmerkt, sind mir oft die Liebsten ;)

Naudiz

Hm, dieser Thread zeigt mir gerade, dass ich so gut wie gar keine wirklichen Mistkerle habe. Ich stelle meine Figuren eigentlich immer sehr ambivalent dar, einfach, weil ich das Bild vom finsteren und möööchtigen Evil Overlord nicht leiden kann. Genausowenig wie das vom strahlenden Helden ohne Furcht und Tadel.

Es gibt eigentlich nur einen Charakter, den ich als richtigen Mistkerl bezeichnen würde: Katlon von Silberquell aus meinem aktuellen Roman Der Klosterkrieg. Als einer der beiden Generäle der Königsgarde von Torac ist er einer der mächtigsten Männer des Reiches. Er entstammt ursprünglich dem verarmten Landadel, hat sich dann aber im Militär hochgearbeitet und schließlich eine Dame aus dem Hochadel, die entfernt mit dem Hochkönig verwandt ist, geheiratet. Die Tatsache, dass ihn sein reines kriegerisches und strategisches Geschick in eine so hohe Position hat aufsteigen lassen, macht ihn arrogant und selbstverliebt. Er glaubt, sich alles herausnehmen zu können, was in einem gewissen Grad auch stimmt, da der Hochkönig vollstes Vertrauen in die Entscheidungen seiner beiden Generäle hat. Um seinen Willen durchzusetzen, greift er häufig zur Gewalt, und er ist bekannt dafür, politische Gegner während einer Schlacht bei "Unfällen" zu töten - fehlgegangene Pfeile, ein falscher Schwerthieb im dichtesten Gedränge, schlimm gewordene Wunden nach der Schlacht ...

Allerdings greift er nicht aus purem Sadismus zu so brutalen Methoden. Vielmehr geht es ihm darum, seine Familie zu beschützen. Er will seinen Posten nicht an die Lästermäuler bei Hofe verlieren, denn es würde bedeuten, dass er seiner Frau nicht mehr den Lebensstandard bieten kann, den sie gewohnt ist. Seine Kinder könnten nicht dieselbe Bildung genießen wie in der Hauptstadt des Reiches, sie hätten schlechtere Lehrer und weniger Aussichten darauf, gesellschaftlich aufzusteigen. Es ist ihm jeden Preis wert, dafür zu sorgen, dass seine Familie es besser hat als er, der in einem Provinznest aufgewachsen ist, nur einen alten vergesslichen Hauslehrer hatte und sich viel Wissen erst nach seinem Aufstieg in die höheren Ränge des Militärs aneignen konnte. (Deswegen hat Katlon auch eine große Liebe für historische Abhandlungen und andere Bücher entwickelt.)

Seine größte Loyalität gilt jedoch dem Hochkönigreich. Um die Ordnung in ebendiesem aufrecht zu erhalten, den Reichtum und die Stellung als mächtigstes Reich auf dem Kontinent Elasia, würde er über Leichen gehen. Viele seiner politischen Morde basierten genau auf diesem Bestreben. Und auch die unselige Feindschaft mit dem Kloster des Todesgottes Arol findet hier ihren Ursprung, denn er glaubt, dass Arol die Vernichtung allen Lebens im Sinn hat.

Eigentlich will Katlon also nur das schützen, was er liebt - seine Familie und seine Heimat. Das, was ihn zum Mistkerl macht, ist eigentlich nur seine Art, diesen Schutz zu gewährleisten. Im Grunde seines Herzens ist er aber weniger Psychopath als grundloyaler Familienmensch mit einer stark verwurzelten Liebe zu dem Reich, das er geschworen hat, zu bewahren.

Guddy

Mit "Mistkerl" ist ja nun nicht nur der Evil Overlord gemeint, sondern auch jene Charaktere, die, ganz im Sinne des erwähnten Threads, auch ihre sympathische Seite haben. Und natürlich ist es sehr subjektiv. Im realen Leben kennst (oder kanntest) du sicher auch Leute, für die du das Prädikat "Mistkerl!" zutreffend finden würdest. Doch wer weiß, wie es objektiv betrachtet aussieht? Man kennt nur eine Seite eines Menschen und die kann zudem noch verfälscht oder verzerrt sein.

Coehoorn

Faszinierenderweise gibts bei mir mindestens so viele "Mistkerle" wie nette. Eigentlich hat fast jeder Charakter, selbst die guten, eine Ladung Dreck am Stecken.
Der erste ist das typische Klischeebild eines Bösewichts: Grausam, aufbrausend, gewalttätig, hässlich und augenscheinlich machtbesessen.
In der zweiten Riege sind dann eher die, die im Hintergrund die Fäden ziehen und sich nach außen als gut und edel demonstrieren, im Kern aber auch nur ihre Macht festigen und ausweiten möchten. Fast gleichauf liegen die, die ihre eigenen Ziele verfolgen aber dabei durch ziemliche Feigheit glänzen und deshalb nie auf einen für sie grünen Zweig kommen.
Auf vorletzter Stelle steht mein Protagonist, der zwar als harmloser Junge anfängt aber mehr und mehr in die Grausamkeit abrutscht, was aber storybedingt auch nicht seine Schuld ist, sondern schlicht an einer fortschreitenden Persönlichkeitsveränderung liegt, die sich gerade in emotionsgeladenen und stressigen Situationen bemerkbar macht. An letzter Stelle stehen seine Freunde, die zwar im Kern gut sind aber alle ihre schmutzigen kleinen Flecken in der Vergangenheit haben.

canis lupus niger

#14
Die ganze Zeit lese ich diesen Thread mit und grübele darüber nach, ob ich eigentlich auch so interessante Mistkerle habe. Erst dachte ich, dass nicht, aber wenn ich ihnen gerecht werden will, sind meine Mistkerle eigentlich auch gar nicht so uninteressant.

Mein Antagonist, der Antagonist der ersten beiden Bücher aus meiner eigenen Reihe, ist jemand, der viel älter ist, als er aussieht. Er missbraucht seine magischen Fähigkeiten, um sich selber Vorteile zu verschaffen, hat dabei völlig das Maß verloren. Er sieht in anderen Menschen kaum mehr als Insekten, die er nach seinem Belieben benutzen, manipulieren und töten kann. Das ist dadurch bedingt, denke ich, dass er schon so lange lebt. Es gibt einfach niemanden mehr (außer ihm selber), der ihn interessiert, an den er sich persönliche gebunden fühlt. Um seine Magie auszuüben entzieht er der Umwelt Lebenskraft, wie gesagt, ohne jedes Maß. Sein langjähriges Heimatland hat er auf diese Weise zu einer Wüste gemacht. Nun wendet er sich einer bisher gesunden, blühenden Weltgegend zu. Selbst wenn er erkennen würde, wie verwerflich das ist, was er tut: Es wäre ihm egal, und er kann ohnehin längst nicht mehr anders handeln. Er hat sich daran gewöhnt, ohne jede Rücksicht konsequent immer den für ihn leichtesten Weg zum Ziel zu wählen. Und das (seine Abhängigkeit von der Magie) wird ihm letztlich auch zum Verhängnis.  :snicker:

Ein anderer Charakter ist vielleicht auch noch erwähnenswert. Der junge Mann ist Erbe eines Adelshauses, ein guter Kämpfer, gut aussehend, verlobt mit und sogar geliebt von einer ebenfalls hübschen jungen Frau. Eigentlich das Idealbild seiner Zeit und Gesellschaftsschicht. Aber er sieht im einfachen Volk eine Art Nutzvieh. Untergebene darf man willkürlich misshandeln und brutal bestrafen. Reisendes Volk zählt für ihn überhaupt nicht zur menschlichen Spezies. Frauen aus niederen Bevölkerungsgruppen sind Freiwild. Charakterlich also ein ziemlich mieses Stück nach allgemeinen Maßstäben. Und trotzdem: Als er mit dem Prota und noch jemand anderem eine Aufgabe ausführen muss, erweist er sich nach einigen Anfangs-Zickereien als mutiges, intelligentes, kameradschaftliches Team-Mitglied. Nur ihm ist das Gelingen der Queste zu verdanken, weil er in einem Augenblick richtig handelt, in dem der Prota sich täuschen lässt und versagt. Seine Überheblichkeit ist einfach ein Produkt seiner Erziehung und seines sozialen Umfelds. "Niederes" Volk IST nun mal weniger wert als ein Adeliger. Warum sollte er anders handeln, als man ihn gelehrt hat? Dieser Charakter war an Anfang dieses Buches ein reiner Funktionsträger (der Unsympath, der die Abneigung des Adels gegen den Protagonisten besonders leidenschaftlich zum Ausdruck bringt). Erst im Lauf der Geschichte, relativ spät gefiel mir der Gedanke, dem bisher recht eindimensional dargestellten Kerl auch positive Eigenschaften und dadurch mehr Tiefe zu geben. Am Ende verstehen er und der Prota sich sogar trotz aller Unterschiede in der Herkunft und Weltanschauung ziemlich gut.