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Eigenlob stinkt?

Begonnen von Guddy, 22. April 2014, 09:35:18

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Klecks

Ich finde, dass es einen großen Unterschied zwischen "Eigenlob" und "arrogantem Verhalten von Autoren, die sich für ein Genie halten", gibt, und zwischen "Das fühle ich" und "Das lasse ich mir anmerken". Es gilt, die Grenze von Selbstbewusstsein zu Größenwahn/Arroganz/Angeberei nicht zu überschreiten.

Das oben erwähnte arrogante Verhalten ist ein absolutes No Go. Dinge wie: "Meine Geschichte ist die beste der Welt", "Niemand schreibt so gut wie ich", "Gegen mich kommt eh niemand an", "Ich verstehe nicht, wieso meine Bücher sich nicht verkaufen, sie sind doch so genial". Bei uns Autoren kommt es immer ein bisschen auf die Wortwahl an. Besser und meiner Meinung nach absolut richtig wäre: "Mit dem Buch könnte ich es wirklich schaffen", "Ich verstehe nicht, wieso meine Bücher sich nicht verkaufen, ich mag die Geschichte so sehr und der Plot ist absolut in Ordnung."

Eigenlob ist für mich etwas wie "Wow, diese Szene ist mir echt super gelungen", "Nicht zu fassen, ich hab es tatsächlich geschafft, einen spannenden Plot zu schreiben" oder "Ich bin heute so zufrieden mit dem, was ich geleistet habe" - und das ist absolut in Ordnung! Als jemand, der Psychologie drei Jahre lang im Unterricht hatte, kann ich sagen: Der Mensch braucht Erfolgserlebnisse und Anerkennung von anderen. Er möchte aber auch "dazugehören" - wie Grey schon erwähnte mit der Schublade, da bin ich ganz ihrer Meinung; der Mensch möchte sich vielleicht nicht ins Abseits stellen, er möchte nicht riskieren, aufgrund seines Verhaltens vielleicht verurteilt zu werden. Ich bin geradezu krankhaft bescheiden - aber wenn ich der Meinung bin, dass ich eine gute Leistung erbracht habe, kann ich das auch sagen, ohne mich schlecht zu fühlen. Erstens ist das relativ selten  ;D  und zweitens gibt es eben den Unterschied zu Arroganz.

"Erstens ist das relativ selten" ... da hätten wir's mal wieder, die Tatsache, dass ich immer total an mir selbst und meinen Fähigkeiten zweifle.  :d'oh:

Nirahil

Zitat von: Grey am 22. April 2014, 11:14:23
Ich denke bloß, solche Aussagen wie die von Nirahil zitierte haben oft vielleicht gar nicht wirklich etwas mit "sich kleinmachen" zu tun, sondern sind eher eine Vorsichtsmaßnahme, nicht in eine Verhaltensschublade einsortiert zu werden, die einem bei anderen vielleicht unangenehm aufstößt? Und dafür habe ich wirklich vollstes Verständnis.
Da hast du genau den Finger auf das gelegt, was ich sagen wollte, aber nicht ausdrücken konnte.  :jau:
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Atra

Zitat von: GreyIch denke bloß, solche Aussagen wie die von Nirahil zitierte haben oft vielleicht gar nicht wirklich etwas mit "sich kleinmachen" zu tun, sondern sind eher eine Vorsichtsmaßnahme, nicht in eine Verhaltensschublade einsortiert zu werden, die einem bei anderen vielleicht unangenehm aufstößt? Und dafür habe ich wirklich vollstes Verständnis.
Ich denke, dass man noch ergänzen kann, dass der Mensch sich selbst gut fühlen möchte. Das habe ich jedenfalls schon festgestellt, wenn Leute, die eigentlich genug Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen haben, sich auf einmal ganz klein geben, wenn es um eine Sache geht, die sie gut können, was aber bei einer größeren Masse noch nicht bewiesen ist.
Es ist viel leichter zu sagen, dass man vielleicht ganz gut ist, oder selbst noch lernt, oder ..., als "Ja, ich kann das schon sehr gut!", um nicht irgendwo von vielen mehreren Leuten gesagt zu bekommen, dass das gar nicht so ist. Da haben geben einem die dezenteren Aussagen, dass man es eben (noch) nicht zu gut kann, viel mehr Halt.

Ich kenne z.b. jemanden, der inzwischen in einer Nationalmannschaft spielt und auf seinem gesamten Weg dahin behauptet hat, sein Spiel wäre ganz in Ordnung. Diese Haltung hat sich erst mit dem deutlichen Erfolg gewandelt, so dass er jetzt auch zugibt, was ihm andere schon Jahre erzählt haben.

LG Atra
"Man muss erst zum Leben aufstehen, bevor man sich niedersetzt zum Schreiben."
(Henry David Thoreau)

Kerimaya

Ich denke, das Problem ist, das man im Internet mittlerweile einfach zu viele Autoren findet, die (leider!) direkt in die andere Richtung gehen und viel zu viel Selbstbewusstsein an den Tag legen (was ich jetzt auch nicht mit Eigenmarketing verwechseln will). Man unterschätzt einfach, dass das, was einem selbst angemessen vorkommt, nach aussen hin, immer gleich viel dramatischer wirkt. Denke ich "Mein Buch ist gut" und schreibe das auch so, kommt bei meinem Gegenüber an: "Ich bin total von mir selbst überzeugt und du kannst nichts anderes behaupten."
Sage ich: "Ich bin mit meinem Buch nicht zufrieden", wird daraus bei meinem Gegenüber "Oh Gott, das Buch ist Mist und ich werde nie-nie-nie wieder Schreiben!"
Bei Fall Zwei bekomme ich dann eine tröstende Reaktion, bei Fall Eins bekomme ich eins übergezogen. Klar, dass man da eher Fall Zwei rauslässt ;)
Ich denke einfach, dass ein gewisses Selbstvertrauen wichtig ist, ebenso wie Zweifel, aber man muss halt immer bedenken, wie mein gegenüber meine Aussage aufnimmt.

Cailyn

Ich sehe es ähnlich wie Klecks.
ZitatIch finde, dass es einen großen Unterschied zwischen "Eigenlob" und "arrogantem Verhalten von Autoren, die sich für ein Genie halten", gibt, und zwischen "Das fühle ich" und "Das lasse ich mir anmerken". Es gilt, die Grenze von Selbstbewusstsein zu Größenwahn/Arroganz/Angeberei nicht zu überschreiten.

Allerdings bemerke ich allmählich, dass es da häufig Gender-Unterschiede gibt. Frauen stellen sich gerne unter den Scheffel, und im negativen Sinne betreiben sie "fishing for compliments" in Reinkultur. Das ist nicht minder nervig als Männder, die eher dazu tendieren, sich für den grössten unter der Sonne zu halten.

Natürlich liegen viele Leute irgendwo dazwischen oder agieren je nach Stimmung, Laune und Situation wieder ganz anders. Bei mir ist der Grat zwischen akutem Selbstmitleid (ich bin einfach eine Pfeife! :wums:) und dem Gefühl, eigentlich doch ganz passabel was auf die Reihe zu kriegen, oft sehr schmal. Und es kann auch sein, dass ich innerhalb eines Tages von einer inneren Haltung zur anderen schwenke. Aus diesem Grund lobe oder kritisiere ich mich selber gegenüber Dritten eher selten. Ich weiss dann, dass das gar nichts bringt, weil es in 2 Stunden auch wieder anders sein könnte.

Ich habe weder etwas gegen Wolkenkratzer-hohe Egos, noch gegen Jammerlappen. Manche können einfach nicht anders. Ein Arbeitskollege hatte mich 5 Jahre mit seinen Zimperleins und seinem extrem tiefen Selbstbewusstsein konfrontiert, und mich hat es nicht gestört, weil ich wirklich wusste, dass es ernst gemeint ist. Auf die Palme bringen mich aber Leute, die genau wissen, dass sie gut sind, aber ständig irgendwo Bestätigung brauchen. Und am schlimmsten ist es, wenn sie denken, dass andere das nicht merken. Da werde ich dann - je nach Lust und Laune - auch mal ganz fies und sage genau das Gegenteil von dem, was sie hören möchten. Ich hatte in der Schule eine Freundin, die wirklich jedes Mal behauptete, sie hätte totaaaal versagt bei der Prüfung. Und manchmal hab ich dann einfach sehr ernst gesagt: "Ja, mir fiel in letzter Zeit schon auf, dass du dich verschlechtert hast. Vielleicht solltest du dich mal um Nachhilfe kümmern." Danach hatte ich dann wieder ein paar Monate Ruhe von ihren gestellten Panikattacken.

Bescheidenheit aus Vorsicht (so wie bei Niharil), das finde ich total normal. Macht das nicht fast jeder? Muss nicht zwingend sein (man darf sich auch wirklich für eine geile Sau halten), ist aber eine schöne Geste, fast wie ein Selbstbewusstseins-Knigge.  ;)

Coppelia

#20
Ja, ich habe auch den Eindruck, dass Frauen ganz besonders betroffen sind.
Mir wurde auch schon gesagt, ich solle nicht so angeben, wenn ich mit Begeisterung über meine Geschichten und die Figuren darin gesprochen habe. Das ist einfach eine Sache, die mir sehr viel bedeutet. Ich habe große Freude daran. Ich sehe es dabei aber nicht als meine Leistung an, dass diese Figuren vor meinem inneren Auge lebendig sind und ich das Gefühl habe, dass es tolle Figuren sind, denn ich fühle mich nicht als Schöpferin dieser Figuren. Es ist für mich eher so, als würde ich mich an der Existenz von Menschen freuen, die ich sehr gerne mag und deren Gesellschaft ich genieße. Und so habe ich wohl mal, beseelt von dieser Freude und Begeisterung, andere Menschen vor den Kopf gestoßen. Den Vorwurf werde ich nie vergessen ... richtig nachvollziehen kann ich ihn bis heute nicht, jedenfalls nicht vom Gefühl her. Allein in der Freude an Geschichten liegt für mich nämlich kein Hinweis auf die eigene Leistung. Und es ist doch schön, wenn man Freude an etwas hat. Aber offenbar wird von uns einerseits erwartet, extrem bescheiden zu sein und sich bloß nicht offen für irgendetwas zu begeistern, was man selbst tut oder woran man vielleicht einen Anteil haben könnte. Andererseits habe ich das Gefühl, dass im Beruf von mir erwartet wird, mich selbst anzupreisen wie Marktware - und wenn ich das nicht hinbekomme, sei ich selbst schuld.
Es ist irgendwie widersprüchlich, verwirrend und hinterlässt mich unzufrieden.

Snöblumma

Ich sehe hier ähnlich wie Cailyn auch einen gewissen Genderbias... was nicht heißen soll, dass Männer das Problem nicht auch haben, nur kommt es eben eher bei Frauen vor als bei Männern.

Mädchen werden dummerweise immernoch vielfach nach dem Motto erzogen: "Sei fleißig und bescheiden, dann mag dich jeder leiden." Also wird aus Vorsicht ein wenig heruntergespielt, gezweifelt und vorsichtig angemerkt. Im Job ebenso wie eben auch bei den Hobbys. Eine Frau würde selten genug sagen: "Joa, kann ich." Nein, eine Frau kann möglicherweise ein ganz klein wenig Englisch, das schon ausreichen könnte (dabei spricht sie es fließend), könnte sich vorstellen, sich in den Bereich xy einzuarbeiten (dabei ist sie darin längst pro), und naja, vielleicht hat sie schon mal etwas zu einem Erfolg beigetragen (dabei war sie federführend). Und nein, ich übertreibe da nicht, ich erlebe es Tag für Tag bei den Kolleginnen. Frauen haben gute Examina, Männer promovieren und kriegen die gutbezahlten Stellen.

Beim Schreiben ist es für mich ähnlich. Wir sind einfach dazu erzogen, unsere Schwächen zu sehen (und daran zu arbeiten) und die guten Dinge bloß nicht zu sehr herauszukehren, um ja niemanden vor dem Kopf zu stoßen. Die digitale Kommunikation verstärkt den Trend zu Abschwächungen womöglich noch, nur um ja niemandem auf die Füße zu treten, egal wie er ein "kann ich" auffassen könnte. Aber letztlich ist diese Lebenseinstellung in meinen Augen etwas, das einem nur selbst im Weg steht, im Job ebenso wie bei einem Hobby. Insofern kann ich da Guddy nur zustimmen: Eigenlob ist schon in Ordnung, wenn man sich einfach mal seiner Stärken besinnt. Ist doch auch nichts verwerfliches daran, wenn man etwas kann.

Natürlich ist das etwas ganz anderes als unreflektierter Größenwahn oder übertriebens Ego. Stärken kann ich nur kennen, wenn man seine Schwächen kennt, und auch dazu steht. Aber wenn man das geschafft hat, finde ich es gar nicht verwerflich, einfach mal "kann ich" zu sagen, ohne Entschuldigung oder Abschwächung. Dafür kann man eben andere Dinge nicht...

Zitat von: Cailyn am 22. April 2014, 12:30:47
Auf die Palme bringen mich aber Leute, die genau wissen, dass sie gut sind, aber ständig irgendwo Bestätigung brauchen. Und am schlimmsten ist es, wenn sie denken, dass andere das nicht merken.
Ja, das stimmt - wobei ich bei so etwas sehr vorsichtig bin. Ich bin selber der Typ pessimistischer Optimist, wie ein Kumpel mal meinte - ich rechne eigentlich damit, dass alles gut geht, bereite mich aber immer auf den absoluten worst case vor. Ich gehe auch nach jeder Prüfung davon aus (und zwar sehr ernsthaft), dass ich nicht bestanden habe, allein um mich auf die mögliche Enttäuschung vorzubereiten und dahingehend abzusichern. Ich habe schon immer einen Plan B und C für ein Zweitstudium, was in den Augen der meisten Menschen Quatsch ist in Anbetracht meiner Noten, aber ich brauche das einfach, um nicht durchzudrehen vor Panik, dass es doch schiefgehen könnte durch irgendwelche dummen Zufälle. Im Übrigen würde ich auch nie sagen, dass ich etwas kann, wenn ich es nicht offiziell bewiesen hätte - jedenfalls im Jobbereich nicht, weil da Zeugnisse und Abschlüsse doch meist eine deutliche Sprache sprechen, jedenfalls in meinem Bereich.

Beim Schreiben halte ich es jedoch eher so, dass ich mir selber schon sehr darüber im Klaren bin, was ich drauf habe und was nicht. Ich würde es nun nicht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit allen unter die Nase reiben (wieso auch?), aber gerade wenn ich mit Verlagen oder Agentur kommuniziere, weiß ich, was ich kann und wert bin. Das ist der geschäftliche Bereich, und da mache ich mich echt nicht kleiner, als ich bin. Dazu besteht einfach kein Grund, und mit Eigenlob hat das in meinen Augen nichts zu tun. Nur damit, dass ich mir mein Selbstvertrauen nicht dadurch kaputt machen lasse, dass ich mich auch noch selbst verletze. Das tun andere oft genug.

Nika

Zitat von: Snöblumma am 22. April 2014, 13:14:14
Ich sehe hier ähnlich wie Cailyn auch einen gewissen Genderbias... was nicht heißen soll, dass Männer das Problem nicht auch haben, nur kommt es eben eher bei Frauen vor als bei Männern.

Mädchen werden dummerweise immernoch vielfach nach dem Motto erzogen: "Sei fleißig und bescheiden, dann mag dich jeder leiden." Also wird aus Vorsicht ein wenig heruntergespielt, gezweifelt und vorsichtig angemerkt. Im Job ebenso wie eben auch bei den Hobbys. Eine Frau würde selten genug sagen: "Joa, kann ich." Nein, eine Frau kann möglicherweise ein ganz klein wenig Englisch, das schon ausreichen könnte (dabei spricht sie es fließend), könnte sich vorstellen, sich in den Bereich xy einzuarbeiten (dabei ist sie darin längst pro), und naja, vielleicht hat sie schon mal etwas zu einem Erfolg beigetragen (dabei war sie federführend). Und nein, ich übertreibe da nicht, ich erlebe es Tag für Tag bei den Kolleginnen. Frauen haben gute Examina, Männer promovieren und kriegen die gutbezahlten Stellen.


Und das ist tatsächlich schon lange bekannt. Wir waren in der Schule mal das Arbeitsamt, Ausbildungsinformationszentrum und Bewerbungshilfezentrum besuchen (8. oder 9. Klasse, also schon ca. 15 Jahre her). Da wurde uns im Bewerbungsinformationszentrum von einem Mitarbeiter, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als Leuten bei der Bewerbung zur Seite zu stehen, ganz deutlich gesagt, dass wir Mädchen uns auf keinen Fall kleiner machen sollten, als wir sind, weil er das immer wieder sieht. Bei gleicher Qualifikation haben die männlichen Bewerber sich selbst in einem viel besseren Licht gesehen und dargestellt, als es die weiblichen Bewerber taten. Wenn er sie darauf ansprach, weshalb sie dieses oder jenes nicht in die Bewerbung schreiben, kam von den Mädchen nur ,,das ist aber doch nichts besonderes" oder ,,das ist doch angeben".

Und es wird ja auch noch von außen dieser Eindruck geschürt. Ganz berühmtes Beispiel: J. K. Rowling, die nicht Joanne Rowling auf dem Cover stehen haben sollte, ,,weil Frauen keine Bücher für Jungs" schreiben.

Debbie

Zitat von: Cailyn am 22. April 2014, 12:30:47
Ich sehe es ähnlich wie Klecks.
Allerdings bemerke ich allmählich, dass es da häufig Gender-Unterschiede gibt. Frauen stellen sich gerne unter den Scheffel, und im negativen Sinne betreiben sie "fishing for compliments" in Reinkultur. Das ist nicht minder nervig als Männder, die eher dazu tendieren, sich für den grössten unter der Sonne zu halten.

Das mit dem Fishing for compliments halte ich auch für einen der häufigstsen Gründe für, im Grunde nicht echte, Bescheidenheit. Das sieht und hört man immer wieder und überall. Obwohl ich der Ansicht bin, dass man Leuten auch immer wieder sagen sollte, wie gut sie gewisse Dinge können, sehe ich bei den Fishing for compliments Leuten dann eher davon ab ... Bei denen, die ihre Bescheidenheit dann auch noch immer wieder betonen und hervorheben (also einen gewissen Nervfaktor erreichen), bin ich dann sogar oft so gemein, dass ich sie dran erinnere, dass es massenweise Leute gibt, die genauso gut oder besser sind; z.B. indem ich dann bemerke, dass ich letztens aber ein wirklich gutes Buch gelesen habe und von den Fähigkeiten dieses Autors oder Dichters schwärme (oder Fotografen, etc.). Ich weiß, das ist gemein, aber ich finde halt nicht, dass man diese versteckten Narzissten weiter unterstützen muss, sondern sie vielmehr mal wieder ein wenig erden muss  ;)

Genauso schlimm finde ich aber die Halb- oder Fehlinformierten, die voller Inbrunst ihre Wissenslücken und auf falschen Daten basierenden Ansichten in die Welt hinausschreien ... oder die Fanatiker, die sich nur einseitig informieren und dann denken, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen und keine andere Meinung mehr gelten lassen ...

Also ja, offenes Selbstbewusstsein da, wo man das Gefühl hat sich umfassend und kontrovers informiert und gebildet zu haben (am besten über vieeeele Jahre); Bescheidenheit und Lernbereitschaft da, wo man anerkennen sollte, dass es viele gibt, die genauso viel können oder mehr, selbst wenn man sich schon einige Zeit mit dem Thema/der Kunst beschäftigt hat. Und egal wozu man gehört, sollte man mit dem Wissen, was man bereits erworben hat, nicht hinterm Berg halten, ohne es jedoch jedem aufzuzwingen und krampfhaft daran festzuhalten - und jeder Fehler den man dabei macht und der korrigiert wird, ist eine weitere Gelegenheit etwas dazuzulernen.

Zitat von: Snöblumma am 22. April 2014, 13:14:14
Beim Schreiben halte ich es jedoch eher so, dass ich mir selber schon sehr darüber im Klaren bin, was ich drauf habe und was nicht. Ich würde es nun nicht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit allen unter die Nase reiben (wieso auch?), aber gerade wenn ich mit Verlagen oder Agentur kommuniziere, weiß ich, was ich kann und wert bin. Das ist der geschäftliche Bereich, und da mache ich mich echt nicht kleiner, als ich bin. Dazu besteht einfach kein Grund, und mit Eigenlob hat das in meinen Augen nichts zu tun

Amen!  :vibes:

HauntingWitch

Zitat von: Snöblumma am 22. April 2014, 13:14:14
Mädchen werden dummerweise immernoch vielfach nach dem Motto erzogen: "Sei fleißig und bescheiden, dann mag dich jeder leiden." Also wird aus Vorsicht ein wenig heruntergespielt, gezweifelt und vorsichtig angemerkt. Im Job ebenso wie eben auch bei den Hobbys. Eine Frau würde selten genug sagen: "Joa, kann ich." Nein, eine Frau kann möglicherweise ein ganz klein wenig Englisch, das schon ausreichen könnte (dabei spricht sie es fließend), könnte sich vorstellen, sich in den Bereich xy einzuarbeiten (dabei ist sie darin längst pro), und naja, vielleicht hat sie schon mal etwas zu einem Erfolg beigetragen (dabei war sie federführend). Und nein, ich übertreibe da nicht, ich erlebe es Tag für Tag bei den Kolleginnen. Frauen haben gute Examina, Männer promovieren und kriegen die gutbezahlten Stellen.

Zitat von: Nika am 22. April 2014, 13:25:56
Und es wird ja auch noch von außen dieser Eindruck geschürt. Ganz berühmtes Beispiel: J. K. Rowling, die nicht Joanne Rowling auf dem Cover stehen haben sollte, ,,weil Frauen keine Bücher für Jungs" schreiben.

Das trifft den Nagel auf den Kopf. Vielfach wird einem das auch von der Umwelt so suggeriert und wenn man sich nicht dagegen wehrt, bestätigt man dieses Bild, wodurch man dann von aussen klein gemacht wird, weshalb man sich kleiner fühlt und so gerät man in einen Teufelskreis. Ich arbeite auch in einer ziemlichen Männerdomäne, Frauen auf dem Bau gibt es wenige und hinter ihrem Rücken tuschelt man(n) (auch da: Ausnahmen vorbehalten) über sie. Wenn sich da eine nicht hinstellen und sagen kann: "Ich bin euer Boss, ich weiss wie's geht und so wird es gemacht" ist sie ganz schnell raus aus dem Job. Ich finde es total wichtig, dass Leute, die sehr wenig Selbstbewusstsein haben, das auch lernen und sich selbst stärken.

Zitat von: Debbie am 22. April 2014, 13:38:04
Genauso schlimm finde ich aber die Halb- oder Fehlinformierten, die voller Inbrunst ihre Wissenslücken und auf falschen Daten basierenden Ansichten in die Welt hinausschreien ...

Einerseits ja. Andererseits ist das teilweise nicht einmal Absicht. Mir ist es auch schon passiert, dass ich irgendwoher eine falsche Information hatte und diese für richtig hielt und dann natürlich wie selbstverständlich entsprechend gehandelt oder gesprochen habe. Und dann kommt jemand anderes und findet: Du, das ist aber Quatsch, was du da erzählst. Das ist mir dann eher peinlich. Aber was soll ich denn machen, wenn ich die Quelle für zuverlässig halte und gar nicht daran denke, dass das empfangene Wissen falsch sein könnte? Dann ahne ich das ja nicht, bis mich einer bei so einer Aussage ertappt und mich darauf hinweist.

Ary

Zitat von: Nika am 22. April 2014, 13:25:56
Bei gleicher Qualifikation haben die männlichen Bewerber sich selbst in einem viel besseren Licht gesehen und dargestellt, als es die weiblichen Bewerber taten. Wenn er sie darauf ansprach, weshalb sie dieses oder jenes nicht in die Bewerbung schreiben, kam von den Mädchen nur ,,das ist aber doch nichts besonderes" oder ,,das ist doch angeben".

Das erlebe ich immer wieder live und in Farbe, weil ich wegen meiner Gleichstellungsarbeit oft bei Vorstellungsgesprächen dabei bin. Ich bin da nur Beobachterin, habe kein Stimmrecht und darf allerhöchstens Empfehlungen aussprechen, aber ich kann wunderbar beobachten, wie unterschiedlich Männer und Frauen sich präsentieren. Bei einem Beispiel für eine Nautiker/innen-Stelle für ein Projekt stellten sich eine Frau und zwei Männer vor. Einer der Männer strotzte nur so vor Selbstbewusstsein und "konnte alles" bzw. sich superflott in alles einarbeiten, der zweite war eher bescheiden, präsentierte sich aber immer noch deutlich "bissiger" als die einzige BewerberIN. Da in der Stelle auch Technikverständnis und ein gewisser Grad an Nerd-sein und Computerfreak-Gene gefragt waren, würde natüröich auch dahingehend nachgehakt. Und als die Frau dann sagte "Dieser Technik-Kram ist ja auch eher was für Männer und an der Stelle sehe ich mich dann doch nicht ganz so da...", habe ich nur noch innerlich aufgeheult. Nach dem Gespräch habe ich ihr dann auch nahegelegt, sowas wie "da sind Frauen doch eher schlechter" nie wieder in einem Vorstellungsgespräch zu sagen.

Ich neige auch eher zu Unter-als zur Übertreibung bei Bewerbungen, weil ich eben auch vieles unter den Tisch kehre, weil ich denke, es ist selbstverständlich, interessiert eh keinen oder es fühlt sich für mich tatsächlich wie angeben an. Liegt vielleicht auch daran, dass ich zu Bescheidenheit erzogen wurde und vor allem meine Mutter immer sehr darauf geschaut hat, dass ich nicht "angebe".
Inzwischen bin ich dabei, mir ein gesundes Selbstbewusstsein anzutrainieren, aber leicht ist das nicht, und gerade in Bewerbungen habe ich immer noch das Problem, die Gratwanderung zwischen "ich präsentiere mich realistisch und ohne zu untertreiben" und "ich habe das Gefühl, ich plustere mich auf und gebe an" zu finden. Ich finde das wirklich sauschwer.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Klecks

Zitat von: Coppelia am 22. April 2014, 13:02:22Ich sehe es dabei aber nicht als meine Leistung an, dass diese Figuren vor meinem inneren Auge lebendig sind und ich das Gefühl habe, dass es tolle Figuren sind, denn ich fühle mich nicht als Schöpferin dieser Figuren. Es ist für mich eher so, als würde ich mich an der Existenz von Menschen freuen, die ich sehr gerne mag und deren Gesellschaft ich genieße.

Mir geht es auch so - und ich habe auch oft die Erfahrung gemacht, dass das andere Menschen sehr befremdlich finden und einen dann als angeberisch abstempeln, wenn man liebevoll von den Figuren spricht. Dabei erfreut man sich einfach an den Menschen, deren Geschichten man erzählen darf, an Menschen, die man sehr liebt.

Atra

Ich muss zugeben, dass ich es bei Bewerbungen nicht verstehe, warum Frauen dazu neigen, sich schlechter darzustellen. Persönlich habe ich ebenfalls schon die Erfahrungen gemacht, dass es die Realität ist. Besonders merkwürdig fand ich es, wenn man mit den anderen Bewerbern gewartet hat und die Damen sich eher klein gezeigt haben, während die Männer sich obercool gaben, da ich mich immer mit gesundem Selbstbewusstsein präsentiert habe und zeitweise das Gefühl hatte, ich mache etwas falsch. Der Erfolg hat mir zwar am Ende recht gegeben, aber ich hätte gerne irgendwas aufbauendes von mir gegeben  :seufz:

Beim Fishing for Compliments habe ich das Gefühl, dass das eher Frauen unter Frauen betreiben bzw. Männer unter Männern. Wie gesagt, nur ein Gefühl und mit Sicherheit an dieser Stelle nicht zu beweisen.

LG Atra

"Man muss erst zum Leben aufstehen, bevor man sich niedersetzt zum Schreiben."
(Henry David Thoreau)

Tinnue

Zitat@Thaliope Aye, nur an letztere ist dieser Post gerichtet, daher hatte mich deine Antwort gewundert.

Entschuldige, hattest du mich gemeint (letztere)? Wenn nicht, einfach vergessen.
Dann tut es mir leid, dann habe ich mich wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Ich kann das bei solchen Themen nicht so gut. Aber ich hab nicht gemeint, dass es nur solche und solche Menschen gibt. Also geduckt/demütig, selbstbewusst/angebend.

Wie zuvor gesagt, ich denke da, ein Mittelweg schön. Man darf sich ruhig gut, toll, hübsch ... finden (ich kann das noch nichtso dolle, lerne aber noch). Zu viel ducken it nicht gut - auch, um an Fees Worte zu erinnern - auf markttechnische Sicht bezogen. Gerade für Vermarkten ist es von Vorteil, sich präsentieren zu können. Und dazu muss man auch mit sich auskommen und sich schätzen können.

Grey hat es auch schön ausgedrückt. "Show, don't tell". Ich muss niemandem sagen, was ich kann, wo ich gut bin ect., ich kann es zeigen. Und auch da gibt es durchaus schöne Varianten: ich kann jemandem beratend in einem Gebiet zur Seite stehen, in dem ich mich auskenne. Recherche, usw. Das geht am besten aufrecht, Nase nach vorne und nicht nach oben. Aber auch mit geradem Rücken läuft sichs einfach besser. ;)

Rhiannon

Verständnis dafür, nicht in eine Schublade einsortiert werden zu wollen, habe ich auch. Ich lasse solche Sätze doch hin und wieder auch mal fallen, obwohl ich nicht glaube, dass ich ein kleines Selbstbewusstsein habe. Aber so groß mein Verständnis dafür ist, so schade finde ich es doch auch, dass man seine Erfolge so doch wieder ein wenig relativieren muss.
Gerade auch weil wir dazu erzogen werden, selbstkritisch ohne Ende zu sein, uns aber gleichzeitig bitte auch anständig verkaufen zu können. Ich finde nicht, dass es von Arroganz zeugt, wenn ein Autor begeistert über seine Figuren redet, so lange er das Gleiche auch anderen zugesteht. Ebenso wenig, wie ich es arrogant finde, wenn hin und wieder einmal kommt: "Ich bin stolz auf diese Textstelle/ dieses Kapitel/whatever!" Die Dosis macht das Gift, wie Thali schon sagte. Und deswegen schäme ich mich auch nicht, wenn ich das tatsächlich einmal sage. Ich schüttle dann eher hin und wieder über mich selbst den Kopf, wenn ich schon wieder tiefstaple, weil man das eben so tut.