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Betalesen ist nichts für Anfänger

Begonnen von Christian Svensson, 03. April 2014, 11:11:46

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Churke

Zitat von: Nandriel am 04. April 2014, 16:08:59
1. In wiefern kann die Tätigkeit des Betalesens mit der eines (Literatur-)Kritikers überhaupt gleichgesetzt werden?
Ich setze nicht die Tätigkeiten gleich, sondern die Fähigkeiten.

Zitat
2. Was macht denn einen guten Betaleser nun konkret aus?
S. unten. Natürlich hängt das auch etwas mit der Erwartungshaltung des Autors zusammen.

Zitat von: Cailyn am 04. April 2014, 16:23:26
Klingt aber jetzt alles etwas vage. Was ist denn für dich ein guter und ein schlechter Kritiker genau?
Ein guter Kritiker besitzt die Fähigkeit, ein Werk in seiner Struktur zu analysieren. Wo der *normale* Leser nur urteilen kann, ob etwas gefällt oder nicht, kann der gute Kritiker sagen, ob und warum etwas gut oder schlecht. Er kann sagen, warum der Leser so urteilt wie er urteilt. Und das ist auch genau, was den guten vom schlechten Kritiker unterscheidet. Wenn der Feuilletonist sich emotional begeistert zeigt, dann heißt das in der Regel, dass ihm nichts Vernünftiges einfällt und er von der Sache nichts versteht.

Zitat
Denkst du nicht, es gibt Kritiker, die für die einen geeignet sind und für andere überhaupt nicht?
Nein.
Erfahrungswert. Meine Mutter macht den Job seit 35 Jahren.

Zitat von: Alana am 04. April 2014, 16:41:08
@Churke:
1. Wer sagt dir, dass jedes Manuskript, was betagelesen wird, von einem schlechten Autor stammt?
2. Jeder, der viel liest, kann ein guter Kritiker sein. Der kann vielleicht nicht immer sagen, wie man den Schaden beheben kann, der weiß aber oft sehr genau, an welcher Stelle es nicht passt.
3. Wie willst du Leuten die Möglichkeit zum lernen geben, wenn du sie nicht üben lässt?
So habe ich das jetzt nicht gemeint. Aber man muss einfach sehen, dass man als Betaleser wahrscheinlich kein perfektes Meisterwerk auf die Platte bekommt und nun soll man die Fehler suchen.

Cailyn

#46
ZitatWo der *normale* Leser nur urteilen kann, ob etwas gefällt oder nicht, kann der gute Kritiker sagen, ob und warum etwas gut oder schlecht. Er kann sagen, warum der Leser so urteilt wie er urteilt. Und das ist auch genau, was den guten vom schlechten Kritiker unterscheidet.
Auf mich wirkt das konservativ. Gut-schlecht, schwarz-weiss, fertig. Das kann doch jetzt nicht dein Ernst sein.  ::)
Das wäre ja nun wirklich extrem einfach, extrem simpel. Da möchte ich gerne mal wissen, wo schwarz auf weiss geschrieben steht, was gut und was schlecht ist. Du vergisst hier, dass Analyse - egal in welchem Gebiet - immer ein subjektives Resultat ergibt. Es ist nämlich nicht messbar, und zwei verschiedene Kritiker sagen kaum je etwas deckungsgleich. Auch wenn es zig Bücher über Literatur gibt, Linguistik, Stilistik... etc., das sind keine Paragraphen und Artikel wie in der Gesetzgebung, sondern Beobachtungen von Menschen, die sich jahrelang mit Literatur befasst haben (wie z.B. deine Mutter). Das ist sicher eine tolle und ehrbare Sache. Aber es ist und bleibt eine Grauzone, wo es im Grunde keine in Stein gemeisselte Regeln gibt. Und wenn es sie gäbe, dann würde mich interessieren, warum wir heute nicht genau gleich schreiben wie noch vor 100 Jahren. Warum entwickeln wir uns in der Literatur weiter? Wenn es Regeln und Gesetze gäbe, die genau sagen könnten, was gut oder schlecht ist, dann wären wir immerzu an derselben Stelle. Aber so ist es nicht. Die Literatur hat sich weiterentwickelt, weil es immer wieder Autoren gab, welche die gerade aktuell laufenden "Modewellen" gebrochen haben. Daraus haben sich neue Stile und auch Genres entwickelt.

Ich bin vollends damit einverstanden, dass gelernte Kritiker generell einen stärkeren Bezug zu Literatur haben. Sie können mehr Vergleiche anstellen, weil sie in den meisten Fällen auch belesener sind. Und natürlich durchschaut ein Profikritiker das Gerüst eines Werkes inklusive eingesetztes Füllmaterial viel besser und auch schneller als ein Laie. Aber das hat noch gar nichts mit einem Urteil zu tun. Das ist Beobachtung. Sicher führt das dazu, dass ein gelernter Kritiker eine Sache effizienter beleuchten kann. Aber es führt ganz sicher nicht zu einer besseren Urteilsfähigkeit. Es wäre viel zu plump, wenn Literatur so funktionieren würde. So wie die Grammatik kein starrer Rahmen ist, sondern sich von der gesprochenen Sprache ableitet (und nicht umgekehrt, wie oft angenommen), ist auch die Literatur kein starr gesetzter Rahmen.

Siara

Zitat von: Cailyn am 04. April 2014, 22:43:03
Das wäre ja nun wirklich extrem einfach, extrem simpel. Da möchte ich gerne mal wissen, wo schwarz auf weiss geschrieben steht, was gut und was schlecht ist. Du vergisst hier, dass Analyse - egal in welchem Gebiet - immer ein subjektives Resultat ergibt.
Ersteinmal möchte ich das gerne einmal so unterstreichen.

Vor allem aber gibt es doch einen klaren Unterschied zwischen professionellen (gelernten) Kritikern und Betalesern (um die es hier schließlich eigentlich geht). Die Frage war doch eigentlich, was genau man beim Betalesen zu beachten hat, was sich ein Autor wünscht, oder?

Zitat von: Churke am 04. April 2014, 15:58:39
Da möchte ich erheblich widersprechen.
Ein Betaleser ist ein Kritiker. Das ist ein Ausbildungsberuf und gute Kritiker sind selten - so selten, dass man am Feuilleton das Niveau einer Tageszeitung erkennt.
Natürlich wird man Betaleser solcher Qualität nicht an die Hand bekommen. Aber es nicht nur so, dass schlechte Kritiker schlechte Kritiken liefern, es ist auch so, dass gute Anfänger nicht unbedingt bei schlechten Fortgteschrittenen in die Lehre gehen sollten...  ::)
"Schlechte Kritiken". Der Leser, dem man sein Buch anbietet, bildet sich eine Meinung. Er kann sagen, was ihm gefallen hat und was nicht. Und er hat recht damit. Wenn es darum geht, ein Buch nach gekonnt angewandten Stilmitteln zu analysieren, kann sicherlich ein gelernter Kritiker die Aufgabe besser erfüllen.

Betaleser erfüllen für mich eine vollkommen andere Funktion. Sie sind eben das, "Leser", also die Menschen, die man als Autor irgendwann erreichen möchte. Wenn ein Betaleser sagt, eine bestimmte Stelle gefällt ihm nicht, dann ist das so. Ob das nun eine "gute" oder "schlechte" Kritik ist, ist nicht die Frage. Es ist eine Meinung. Danach muss sich der Autor nicht richten, zumal er normalerweise mehr als einen Beta hat. Wenn sie alle an einer bestimmten Stelle meckern, sollte man sich allerdings ernsthaft fragen, woran das liegen kann.

Was ich eigentlich sagen will: Betaleser, die selbst schreiben, lesen vermutlich anders als jemand, der nicht schreibt. Aber es bleiben Betaleser. Um sich eine Meinung zu bilden, braucht man keine Ausbildung.

Zitat von: Churke am 04. April 2014, 15:58:39Aber es nicht nur so, dass schlechte Kritiker schlechte Kritiken liefern, es ist auch so, dass gute Anfänger nicht unbedingt bei schlechten Fortgteschrittenen in die Lehre gehen sollten...  ::)
Beim letzten Teil stimme ich so, wie du es sagst, zu. Allerdings sehe ich Betalesen zwar als Lernprozess, aber nicht als "Lehre" an. Bei anderen festzustellen, was störend ist, ist schließlich tausend mal leichter, als es selbst besser zu machen. Also sollte man sich nicht unbedingt abgucken, wie andere es machen (was natürlich trotzdem möglich ist, wenn es gut gefällt), sondern sich merken, was NICHT gefällt und das bei eigenen Projekten vermeiden. Während man bei anderen auf den "Fehler-such-Modus" eingestellt ist, kann man meiner Meinung nach auch in eigenen Arbeiten leichter Umstimmigkeiten finden.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Anj

Also Kritiker und Betaleser sind für mich auch vollkommen unterschiedliche Dinge.

Ein Kritiker fällt ein Urteil über ein fertiges Werk. Er informiert andere (und natürlich den Autor) über seine Einschätzung des Werkes. Er hat aber in keinster Weise das Interesse, dass dieses Werk aufgrund seiner Einschätzung verändert wird.

Ein Betaleser ist aber jemand, dessen Ziel es ist, dem Autor bei der Verbesserung des Textes zu helfen. Er beurteilt ein entstehendes Werk und kein fertiges. (Ausnahmen sind vielleicht finale Testleser, aber selbst die Lesen in dem Wissen, dass der Text noch geändert werden kann.)

Aber Betalesen ist und bleibt immer etwas, dass unterschiedlich ausfällt, weil zuviele Faktoren beeinflussen. Allein hier im Thread zeigt sich schon der große Einfluss der subjektiven Haltung dazu. Dann ist da noch der Stand des Textes. Eine Rohfassung eines Anfängers muss man ganz anders angehen, als die x-mal überarbeitete Fassung eines (Beinahe-)Profis. Vorgaben vom Autor beeinflussen ebenfalls.

Vielleicht spielt auch das Selbstverständnis noch eine große Rolle. Versteht man sich als Lernenden, der mit anderen Schreibern quasi gemeinschaftlich übt oder sieht man sich als Versuchs-Prüfer?

ZitatBei anderen festzustellen, was störend ist, ist schließlich tausend mal leichter, als es selbst besser zu machen. Also sollte man sich nicht unbedingt abgucken, wie andere es machen (was natürlich trotzdem möglich ist, wenn es gut gefällt), sondern sich merken, was NICHT gefällt und das bei eigenen Projekten vermeiden. Während man bei anderen auf den "Fehler-such-Modus" eingestellt ist, kann man meiner Meinung nach auch in eigenen Arbeiten leichter Umstimmigkeiten finden.
Das möchte ich auch noch mal herausstellen.
Vielleicht empfinden unterschiedliche Autoren das auch unterschiedlich. Ich bin jemand, der alles selbst verstehen muss, damit ich es als sinnvoll akzeptieren kann. Wenn jemand sich hinstellt und mir zehn mal sagt "das macht man aber so und so", dann kaufe ich ihm das trotzdem nicht ab. Nicht mal, wenn er ein Bestsellerautor ist. Ich muss diese Erkenntnis für mich selbst gewinnen. Und gerade bei den Dingen, die man als Autor völlig anders empfindet als der Leser, kann ich das nur im Kommentarmdus und nur bei fremden Texten.
Ich streite nicht mal ab, dass ich inzwischen selbst zu den meisten Erkenntnissen der Schreibratgeber gekommen bin. Aber ich verstehe sie oft anders, als die (meiner Meinung nach immer zu kurz gefasste) Aussage in den Ratgebern selbst. Auch das hätte ich nie ohne die Auseinandersetzung mit fremden Texten und die daraus resultierenden Experimente mit meinen eigenen Texten gelernt.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Nandriel

Ich hätte da eine Idee / Frage:

Wäre es nicht evtl. sinnvoll, zusammen mit der Suche nach Betalesern eine Leseprobe mit einzustellen? Dann könnten potentielle Interessierte über den Inhalt hinaus auch schon gucken, ob sie mit dem Stil überhaupt klar kommen und es würde evtl. erst gar nicht dazu kommen, dass man als Beta irgendwann abbricht, weil man eben vorher schon weiß, worauf man sich einlässt.

Hierfür könnte es ja, sofern das überhaupt möglich ist, in einem der zugangsbeschränkten Teile des Forums einen Thread geben, in dem ausschließlich solche Leseproben gepostet werden (vielleicht so 500-1000 Wörter, um auch wirklich einen Eindruck zu bekommen?), aber niemand kommentieren oder sonst irgend etwas schreiben darf. Man könnte dann ja ggf. auf diesen Thread verlinken und eine Diskussion an die entsprechenden Stellen auslagern.

Oder ist sowas gar nicht gewünscht (oder gibt es das etwa schon, und ich als Neuling kann den Bereich nur nicht einsehen)? Jedenfalls wäre das meine Idee, um ggf. potentiellen Betas ihre Entscheidung etwas zu erleichtern.

Leann

Ich biete interessierten Betas an, zunächst ein Probekapitel zu schicken. Eine Leseprobe zur Ansicht für alle würde ich ungern einstellen.

Nycra

Bisher lief es so, dass, wenn sich jemand für den Text interessiert, sich aber wegen Stil etc. nicht sicher ist, erstmal ein Probekapitel bekam, um zu sehen, ob er damit klarkam. Die Beta-Neulinge, die bei mir mitmachen wollten, haben bisher auch immer im Vorhinein gesagt, dass sie zum ersten Mal betalesen und gefragt, ob das für mich okay ist bzw. ich schreibe dann auch dazu, dass diese sich gerne auch anmelden dürfen. Ich denke, so kann man durchaus weiter verfahren.

Maja wollte (soweit ich weiß) hier ja kein Textkritikerforum haben (die gibt es anderen Orts schon genug), sondern uns nur die Möglichkeiten bieten, Betaleser für unsere Projekte zu suchen. Ich für meinen Teil werde hier keine Texte einstellen, damit sie diskutiert werden.

Wer einen Überblick über den Stil einiger Autoren haben mag, kann dazu in den externen Tintenschnipseln lesen, sofern der Autor dort vorhanden ist (Achtung separte Anmeldung erforderlich) oder denjenigen entsprechend auf ein Probekapitel ansprechen.

Nandriel

Aso, na dann schnell wieder vergessen bitte :)
Es stimmt natürlich, vermutlich reicht es tatsächlich, wenn einfach bei generellem Interesse ein Probekapitel verschickt wird. War auch nur eine Idee, um sich diesen Schritt ggf. zu sparen.

(Dass das TiZi kein Textkritikforum sein soll ist mir schon bewusst, darum ja auch der Zusatz, dass die Leseproben nicht kommentiert werden sollten und dass das wenn dann in einem zugangsbeschränkten Bereich stehen müsste)

Zitat von: Nycra am 07. April 2014, 13:04:04
[...] Wer einen Überblick über den Stil einiger Autoren haben mag, kann dazu in den externen Tintenschnipseln lesen, sofern der Autor dort vorhanden ist (Achtung separte Anmeldung erforderlich) oder denjenigen entsprechend auf ein Probekapitel ansprechen.

Was sind denn externe Tintenschnipsel?  ???

Nycra

Ist zwar OT:
Zitat von: Nandriel am 07. April 2014, 13:17:20Was sind denn externe Tintenschnipsel?  ???
Tintenzirkler dürfen hier Texstellen posten, die dann ggf. kommentiert/kritisiert werden. Hier geht es lang.

gbwolf

Zitat von: Nandriel am 07. April 2014, 13:17:20(Dass das TiZi kein Textkritikforum sein soll ist mir schon bewusst, darum ja auch der Zusatz, dass die Leseproben nicht kommentiert werden sollten und dass das wenn dann in einem zugangsbeschränkten Bereich stehen müsste)
Selten genutzt, aber in der Skriptschmiede ist es durchaus erlaubt und erwünscht, bis zu 10 Normseiten einzustellen und auch zu kommentieren: http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,8987.0.html
Hier geht es um die Begutachtung der gesamten Bewerbung, also nicht zwangsläufig darum, Kleinstkritik zu üben, sondern zu schauehn, ob der Text reif fürs Wegschicken ist. Ein Lektor erkennt ja normalerweise ein Textpotential, selbst wenn nicht jedes Wort an der richtigen Stelle sitzt.
Das ist übirgens auch das, worauf ich mich mittlerweile beim Betalesen fokussiere: Stimmt die Sturktur des Textes? Das Tempo? Sind die Figuren lebendig und konsistent? Und wenn nicht: Mit welchen kleinen Kniffen kann das behoben werden? Stimmt die Struktur insgesamt, reicht es ja meistens, Sätze aktiver zu formulieren, Dialoge mehr auf die Figur zuzuschneidern, ernsthafter oder jugendlicher zu formulieren etc.

LinaFranken

*Staubsauger wrum wrum*

Ich wollte mal gerne etwas Senf zu der ursprünglichen Fragestellung loswerden und noch mit paar weiteren Fragen herumwerfen  :P

Ich hab e jetzt auch mit meinem ersten Beta-Roman angefangen und habe großen Spaß daran.  Was die Technik angeht, da ziehe ich es vor über Handy etc zu arbeiten und meine Notizen und Kommentare später in die Datei am PC zu übertragen. Wie hier auch schon erwähnt wurde, finde ich es gut, wenn man auch zwischendurch Kommentare einfügt, als Ausdruck dessen was einem als Leser gerade bei der besagten Szene durch den Kopf geht und sei es einfach nur "rofl".
Ich finde auch das zwischen Beta und Kritik ein unterschied besteht. Als Kritiker kann ich schon recht herzlos sein und es ist mir egal, was der Autor von meiner Kritik hält. Als Beta möchte ich den Autor  unterstützen, dass es zu einer Veröffentlichung kommt, nicht dazu bringen sich auf die Fensterbank zu stellen. Letztendlich macht es einen sicher stolz, wenn etwas veröffentlicht wird und man sagen kann "ich durfte helfen".
Beta-lesen ist auf jedem Fall eine lohnenswerte Arbeit. Zum einen hat man eine frischgebackene Story, die einem im Laden oder online vielleicht gar nicht aufgefallen wäre, obwohl einem das Thema zusagt, zum anderen hilft einem jedes Buch, den eigenen Wortschatz und Stil weiterzuentwickeln.
Ich mache auch gerne alles gleichzeitig, also im selben Zug Grammatik und Inhaltsfehler suchen. Ich empfinde es so, das bei mir einfach automatisch eine Lampe aufleuchtet, wenn in einem Satz irgendetwas nicht fehlerfrei und fliessend ist. Aber es gibt schon einige Dinge, bei denn ich mich frage, ob ich meine Beta-Arbeit gut mache:
-Wenn ich seitenweise keine Fehler finde, war ich dann unaufmerksam, oder hatte der Autor nen guten Tag?  ;D
-Wie viel Kritik ist zu viel oder zu wenig?
Hier im Thread haben sich hauptsächlich Beta-Leser mit ihren Erfahrungen gemeldet, was mich aber auch interessieren würde: Wie denken die Autoren über ihre Betas, bzw was stellt sich als besonders hilfreich heraus oder was wird als störend empfunden?

Anj

Zitat von: Lina Franken am 22. Januar 2016, 23:24:57
Hier im Thread haben sich hauptsächlich Beta-Leser mit ihren Erfahrungen gemeldet, was mich aber auch interessieren würde: Wie denken die Autoren über ihre Betas, bzw was stellt sich als besonders hilfreich heraus oder was wird als störend empfunden?
Dann will ich diese Frage doch mal aus Autorensicht beantworten. ;)
Ich habe schon ziemlich viele unterschiedliche Betas gehabt und was ich als hilfreich empfunden habe, hat sich im Laufe der Zeit auch geändert. Anfangs fand ich stilistische Hinweise sehr hilfreich, inzwischen nehme ich kaum noch welche an und wenn dann erst im letzten Durchgang, der nur noch für stilistisches gedacht ist. Solange ich weiß, dass ich noch ganze Passagen umschreiben oder streichen werde, sollen sich Betas diese Mühe nicht machen. Außerdem halte ich meinen Stil inzwischen für ausreichend gefestigt, dass ich ihn selbst in den Überarbeitungsdurchgängen schleifen kann (Laut lesen ist da super, am besten aufgenommen und man hört es sich dann noch mal an). Aus diesem Grund brauche ich bei den ersten 2-3 Durchgängen Betas, die den Stil ausblenden können und nur auf Figuren und Plot schauen.
Ganz grundsätzlich finde ich auch die Rückmeldungen über die Figuren, die innere Logik und die Dramaturgie am wichtigsten.
Eine meiner liebsten Betas ist eine reine Leserin, die mir nach jedem Kapitel neben der Rückschau übers Kapitel auch schreibt, was sie in den nächsten erwartet oder befürchtet. Sie binde ich gerne schon in den Schreibprozess ein, eben weil sie überhaupt nicht auf den Stil achtet und nicht von handwerklichen Dingen abgelenkt wird, so wie die schreibenden Betas. Sie legt den Finger immer ganz wunderbar auf grundsätzliche, strukturelle Probleme, die für Autoren meiner Meinung nach oft durch die handwerkliche Ebene verdeckt wird.

Also störend empfinde ich inzwischen fehlenden Austausch und die Unfähigkeit Anmerkungen, die als reine Geschmackssache entlarvt sind, nicht zu unterlassen. Allerdings ist mir das schon lange nicht mehr begegnet, vermutlich, weil ich einen ziemlich festen Stamm an Betas habe und wir uns dank der Textarbeit im Forum bereits sehr gut kennen.

Und dann noch kurz zu den anderen Fragen.  ;)
Zitat-Wenn ich seitenweise keine Fehler finde, war ich dann unaufmerksam, oder hatte der Autor nen guten Tag?  ;D
Wenn mir das passiert, frage ich mich ob ich zu stark in den Lesemodus geschaltet habe (was ich als Anmerkung dann aber auch ins Dok schreibe, weil ich das wichtig finde) und lese es noch ein zweites Mal. Bleibt es dabei, gibt es für mich dort nichts zu verbessern.

Zitat-Wie viel Kritik ist zu viel oder zu wenig?
Ich finde, das kommt auf den Text an. Wenn es grundlegende Probleme mit der Figurenzeichnung oder der Perspektive oder der Dramaturgie gibt, beschränke ich mich zunächst darauf und merke nicht auch stilistisches oder RS-Fehler an. (Das gilt aber nahezu ausschließlich für Anfängertexte.) Allerdings breche ich dann auch ab, mit dem Hinweis an welcher Stelle der Autor sich (nochmal) das Handwerk anschauen sollte und biete an, die überarbeitete Fassung noch mal zu lesen. Für mich ist die Autor-Beta-Beziehung im Idealfall immer eine längerfristige.

Anders herum, wenn ich für Stilistisches eingesetzt bin und mir fallen grundsätzliche Dinge auf, merke ich sie an. Aber auch hier frage ich dann in der Regel nach, ob das weiterhin so gewünscht wird, falls ich die Antwort nicht ohnehin schon kenne. ;D

Kurz gesagt, Kommunikation ist das wichtigste. Was erwartet der Autor? Was sieht der Beta? Diese beiden Punkte sollten ruhig frühzeitig oder im Vorfeld geklärt werden.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Angela

Mein langjähriger Beta findet bei mir, trotzdem ich vorher sehr sorgfältig auf Fehlersuche gehe und jeden Satz auf die Satzmelodie getestet habe, auf jeder Seite zwei bis etwa fünf Fehler/macht Verbesserungsvorschläge. Er beherrscht die deutsche Sprache auf einer Ebene, die mir wohl ewig fremd bleiben wird. Aber auch er macht zwischendurch seitenweise keine Anmerkungen, da hat ihn der Inhalt dann reingezogen, nehme ich an. Auch in Ordnung.

Kritik? Ein reiner Leser wird auf andere Dinge achten als ein Autor.
(Mir fallen als Beta zum Beispiel sofort Perspektivfehler auf, keine Ahnung, ob ein Leser das überhaupt stört, mich schon.)
Ich gebe nur Texte an Beta, die ich selbst nicht mehr besser hinbekomme und nun betriebsblind für bin.
Wenn jemand mir sagt, wo es bei meinem Text hakt, unverständlich und langweilig wird, und das ist eigentlich das, was mir an Feedback am wichtigsten ist, ändere ich das auf jeden Fall.
Was ich nicht möchte: Das mir jemand seinen eigene Vorstellung meines Buchs/seinen Stil aufdrücken möchte. Das habe ich aber zum Glück bisher nie erlebt.

Allgemein finde ich schon wichtig zu wissen, auf welcher Entwicklungsstufe der Text ist und wie erfahren Beta und Autor selbst sind. Das kann schon ein Problem werden, wenn da zwei Welten aufeinander treffen.

Ich selbst merke als Beta grundlegende Dinge an, die mir aufgefallen sind. Dialoge, die nicht auf die Person zugeschnitten sind, unglaubwürdiges Verhalten, solche Dinge halt. Rechtschreibung, Grammatik und schräge Formulierungen nur, wenn mir etwas in einem ansonsten recht fehlerfreien Text auffällt - weshalb ich darauf achte, schon recht endbearbeitete Texte zu bekommen.

Denamio

Faszinierend. Für mich ist Betalesen ein ständiger Kommunikationsprozess in beide Richtungen. Als Autor habe ich ständig Rückfragen an den Betaleser und umgekehrt frage ich den Autor Löcher in den Bauch. Ich kenne das garnicht anders und bin deshalb fasziniert zu lesen, dass es wohl oft nicht so läuft. Dementsprechend sehen auch meine Ansprüche an das Thema aus:


  • Ständige Kommunikation.
  • Anderer Blickpunkt notwendig.
  • Spätestens nach jedem Kapitel kurz Rücksprache halten.
  • Genaue Festlegung was gewünscht ist und erwartet werden kann.
  • Handwerkliche Ergänzung.

Gerade der erste Punkt ist für mich der Wichtigste. Es trifft mich immer ein wenig, wenn ich lese das Schreiben ein einsamer Beruf sei. Da werkele der Autor im Kämmerlein und haut brav was in die Tasten rein. Nein, könnte ich glaube ich garnicht. Wie fandest du die Passage? Ist es glaubwürdig, dass xyz an der Stelle vor die Glaswand gesprungen ist? Wo glaubst du geht die Geschichte hin? Durch das ständige vor und zurück lerne ich persönlich am meisten darüber, wo es im Buch hängt. Der erwähnte andere Blickpunkt ist für mich dabei besonders ansprechend.
Einer meiner Betaleser ist theoretischer Informatikdozent. Ich habe manchmal seine Abhandlungen gegengelesen und kein Wort verstanden. Aber das macht ihn so wertvoll für mich, er sieht Lücken in meinen Geschichten, an die ich nicht einmal im Ansatz gedacht hätte. Gut, ich stimme nicht mit allen überein, aber das muß auch nicht. Im Gegenzug ist das Gegenlesen meiner Partnerin gut für moralischen Aufbau, aber inhaltlich kann ich da nichts mit anfangen. Aber auch das ist wertvoll, Moral ist sehr wichtig für mich. Dementsprechend, um auf das Urthema zurückzukommen, die Anfängerperspektive ist genauso wertvoll für mich, wie die eines Profis. Wichtiger scheint mir eine andere Lebensperspektive zu sein. Schlussendlich hat jeder Betaleser seinen Sinn und bringt sich ein, wie er/sie es kann.

Wenn ich gegenlese, kläre ich vorher ab was gewünscht ist und ob ich da helfen kann. Stilistisch bin ich zu eigensinnig, als das ich da oft wo passe und Verbesserungsideen anbieten könnte - also schweige ich dazu lieber, Kommaregeln gehste am Besten weg bei mir (Kommafreunde sind angeblich bei meinen Texten schonmal weinend zusammengebrochen.  ;D). Aber wenn es darum geht, ob ein Charakter sich richtig anfühlt, ob Emotionen aufkommen und die Handlung halbwegs Sinn macht, da bin ich gern dabei.

Beim Betalesen selbst gehe ich so vor:
Jedes Kapitel wird ein Sinnabschnitt, nachdem ich kurz auf einer Seite wiedergebe welche Punkte mir wichtig scheinen und wo ich glaube, dass die Reise hingeht. Da kann der Autor für sich selber rauslesen ob die Intention getroffen wurde und ob der Aufbau glaubwürdig ist. Während dem Lesen selbst, notiere ich am Rand Eingebungen, Fragen und Anmerkungen. Mitunter auch direkte Emotionen. Wieder kann der Autor an der Stelle rauslesen, ob die Intention getroffen wurde. Wenn der Bösewicht groß poltert und meine Reaktion eher Lachen ist, sollte die Rede vielleicht nochmal überarbeitet werden.
Am Rand finden sich also die direkten Textanmerkungen beim Lesen und am Ende des Kapitels folgt ein Abschnitt über den Aufbau.
Mir gefällt diese Art des Feedbacks weil es kein pauschales richtig oder falsch wird, aber trotzdem aufzeigt ob Erwartungen erfüllt wurden und Plot und Text so ankamen wie sie sollten. Dazu gehört dann die wichtige Kommunikationsfrage. Idealerweise fragt der Autor dann gezielt nach einzelnen Aspekten. Zum Beispiel wenn er ganz wichtig Chekhovs Sperrfeuerbatterie groß eingebaut hat, ich die aber nicht als wichtig wahrnehme. Dann geht der Prozess weiter und ich lese das Kapitel noch einmal und schaue ganz explizit warum und wieso es für mich nicht funktioniert hat und lege es dann ausführlich dar.

Ich sehe ein, diese Art zu Arbeiten ist nicht für jeden sinnvoll, und da sind wir denke ich am wichtigsten Punkt beim Betalesen wohl:
Jeder Betaleser ist wertvoll, aber nicht jeder passt zu jedem Autor. Man sollte sich die Leute so suchen, dass sie zu einem passen. Die Chemie sollte stimmen. Ich schreibe hier sollte, meine aber insgeheim zumindest für mich selbst ein MUSS. Betaleser sind für mich ein zu wichtiger Teil der Motivation und der Freude am Arbeiten, als das ich es riskieren möchte, dass ein unpassender Betaleser den Spaß an der Sache nimmt.
Gerade die Auswahl ist manchmal menschlich sehr herausfordernd. Es gibt da bei mir eine Betaleserin die aus familiären Gründen immer mal ein Kapitel mitliest. Sie passt überhaupt nicht zu meinem Stil, Anspielungen gehen an ihr flötend vorbei und Wortwitz prallt einfach ab. Zurück kommt ein knallroter Text, für den ich keine Verwendung habe. Das bringt mir nichts und reißt mich jedes Mal in ein Schreibtief, wo ich am liebsten alles hinwerfen will. Solche Leute sollte man nicht ans Werk lassen. Sie meinen es gut, aber selbst die schweigende Steinwand der Verleger ist motivierender, als eine gut gemeinte Textzerfleischung.

LinaFranken

Von einigen genannten Aspekten bin ich (als Anfänger) auch schon ziemlich überrascht.
Das hier wohl einige Beta-Leser schon von Anfang an einbinden, kannte ich früher nicht. Ich bin davon ausgegangen, dass man am besten selbst erst in 10 Durchgängen alles ausbessert, was nicht passen könnte, bevor man es jemandem zu einer Abschluss-Meinung (das wäre dann wohl Richtung Test-Leser) vorlegt. Ebenfalls hatte ich bislang ein größeres Augenmerk auf Grammatik, Satzbau etc, während die Meisten hier eine inhaltliche Beurteilung bevorzugen. So wie ich die Aussagen hier verstanden habe, ist es auch eher ein Entwicklungsprozess zwischen Autor und Beta-Leser, der wohl Zeit erfordert.

@Denamio
Die Art der engen Zusammenarbeit mit deinem Beta finde ich wirklich sehr schön, aber ich kann auch wiederrum sehr gut nachvollziehen, warum Autoren im stillen Kämmerlein einsam vor sich hin arbeiten: Weil sie zum Beispiel keine andere Option haben. Ich für meinen Teil bewege mich im beruflichen und familiären Umfeld zwischen Menschen, die mit dem Lesen der McDonalds-Speisekarte meist schon geistig überfordert sind und Bücher für die veraltete Version von Handy-Spielen halten... Da bleibt einem sonst nicht viel übrig als sich allein zwischen Büchern zu verkriechen und aus den selbigen auf eigene Faust dazuzulernen.