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Warum muss ein Buch "dünn sein"? - Bücherdiät

Begonnen von Polarfuchs, 20. Januar 2014, 10:40:27

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Polarfuchs

Hallo liebe Tintenzirkler,
ich verfolge seit einiger Zeit die Videos zum "BücherBootCamp" vom Brillenkauz (vielleicht kennt ihn ja jemand). Er beschäftigt sich in seinen Videos mit dem Thema Schreiben und gibt nützliche Tipps unter anderem zu "Show don't tell", Plot, Charaktere, Setting, etc.
Ich bin meistens immer einer Meinung mit ihm und verstehe, was er meint.
Allerdings hat er jetzt einen Blog gestartet indem er schreibt, dass es für jede Geschichte gut ist, wenn man sie "ein wenig abspecken lässt", also Szenen die nicht zur Weiterentwicklung der Geschichte oder des Charakters dienen, wegkürzt.
Er scheint wirklich sehr überzeugt davon zu sein, dass dieses Kürzen notwendig ist, in seinem Video "Szenen" wird das auch nochmal deutlich.
Aber ich bin da anderer Meinung.
Klar ist es langweilig, wenn seitenlang nur ein und dieselbe Salatschüssel beschrieben wird. So etwas würde ich auch sofort streichen. Aber wieso "sollte" alles weg, was nicht auf das Ziel hinausarbeitet (Hat sich der Charakter für den Hauptplot essentiell entwickelt? Hat der Leser eine neue Information erhalten? Hat der Plot einen Schritt vor/zurück gemacht?)

Ich bin der Meinung, dass es doch auch für den Leser unterhaltsam ist, wenn er einfach mal Charaktere in Aktion erlebt, egal ob das jetzt zur Weiterentwicklung beiträgt. Oder dass es zur besseren Einfühlung in den Charakter dient, wenn dieser einfach mal über sich selbst reflektiert.
Wenn der ganze Plot nur darauf ausgerichtet ist, eine Weiterentwicklung zu verfolgen, wirkt das ganze für mich wie ein Wettrennen. Man muss als Leser doch auch einfach mal "verschnaufen" können. Es muss doch wirklich nicht immer etwas passieren.

Dann ist bei mir noch die Frage offen geblieben, wo fängt eine Weiterentwicklung eigentlich an? Ist es schon die Tatsache, dass man einfach weiter Richtung Süden marschiert und als Leser mitkriegt, dass Charakter A auf Charakter B auf so und so eine Weise reagiert?
Dann könnte man ja in jeden kleinen Satz, der nicht gerade eine Beschreibung der Salatschüssel dient, eine "Entwicklung" in irgendeinem Sinn hineindeuten.

Wie seht ihr das? Und habt ihr auch schon einmal euer Werk eine "Diät" machen lassen?  Wo sind bei euch die Grenzen zwischen Weiterentwicklung und Stagnation?

Hier ist übrigens der Link zum Blog:
http://12wochenexperiment.wordpress.com/category/challenge-tagebuch/meilensteine/schreibtipps-vom-brillenkauz/

Coppelia

#1
Mir fehlt leider die Zeit für eine ausführliche Antwort, aber wer hat denn behauptet, dass bei einer Weiterentwicklung etwas "passiert"? Gerade Charakterentwicklung geht leise und als innere Handlung vor sich. Z. B. so:
ZitatOder dass es zur besseren Einfühlung in den Charakter dient, wenn dieser einfach mal über sich selbst reflektiert.

Generell stimme ich zu, dass man alles wegkürzen sollte, was weder Plot noch Figurenentwicklung oder -Charakterisierung dient und auch keine notwendige Atmosphäre schafft. Dünn wird ein Buch dadurch leider noch nicht. :(

Die Beispiele im Blog scheinen mir teilweise gar keine Beispiele für überflüssige Länge zu sein, sondern für andere "Macken" (z. B. die Beschreibung des Hotelzimmers ist zu ausführlich, als dass sie sinnvoll aus der Perspektive einer Figur stammen könnte, die sich gerade Sorgen um Einschusslöcher in der Fensterscheibe macht).
Die Hinweise zu Dialogen finde ich dagegen ganz gut.

Beschreibungen von Räumen finde ich immer dann hilfreich, wenn dadurch die Figuren, die dort leben, charakterisiert werden.

Das erinnert mich daran, dass ich wahrscheinlich noch viele Wetter- und Landschaftsbeschreibungen kürzen muss.

Klecks

Ich bin auch kein Fan vom Kürzen und tue es deshalb eigentlich fast nie. Ich habe mir den Trick zugelegt, in jede Szene, die auf den ersten Blick "unnötig" erscheint, eine Kleinigkeit einfließen zu lassen, die sie nützlich macht. Einen Satz, der auf Seite 299 in einem Gespräch fallen würde, lege ich zum Beispiel in die Szene auf Seite 152, damit diese Szene ihre Daseinsberechtigung hat.

Wovon ich ein Fan bin, ist das, was du so wunderschön "Charaktere in Action" nennst. Ich will, dass meine Figuren sich so zeigen dürfen, wie sie sind. Deshalb gibt es in meinen Büchern immer Szenen, die dazu dienen, die Figuren näher kennenzulernen. Weil ich vom Kürzen auch schon oft gehört habe und das ja lieber vermeiden möchte - die Geschichte ist meines Erachtens dann fertig, wenn sie erzählt wurde, nicht früher und nicht später -, füge ich eben etwas Wichtiges in die Szene ein, siehe meinen Absatz oben. Zum Beispiel lasse ich den zukünftigen Verräter, von dem niemand außer ich weiß, dass er der Verräter sein wird, einen seltsamen Satz sagen, lasse seine Augen gefährlich glitzern oder lasse ihn verschwinden. Während er verschwunden ist, reden zwei Protas darüber und kommen von diesem Thema auf andere Themen, und wenn der baldige Verräter dann zurückkehrt, führen sie das Gespräch zurück auf ihn.

Ich finde, das ist auch Spannungsaufbau. Man weiß und fühlt, gleich muss etwas Furchtbares, Wichtiges oder alles Veränderndes passieren. Um die Spannung zu halten, unterhalten sich die Protas über Essen, Mode, Filme und so weiter. Und man fragt sich als Leser: "Warum merken die nicht, dass es gleich los geht?! Wie haben die bloß die Nerven dafür, jetzt zu plaudern?!"

Natürlich sollte das nicht zu lange dauern; man will ja nicht, dass der Leser überblättert.  ;D

Landschafts- und Wetterbeschreibungen, wie sie Coppelia erwähnt hat, sind für mich als Leser und als Autorin sehr wichtig. Wenn ich lese, dass die Protas hier und dort stehen, reicht mir das persönlich nicht. Ich will wissen, was für eine Art Regen das ist - nieselt es und reißt die Wolkendecke an manchen Stellen auf, sodass Sonnenlicht gleißend hindurchfallen kann? Oder schüttet es wie aus Kübeln aus einem fast schwarz wirkenden Himmel, der dem Sonnenlicht keine Chance lässt? Und diese Hügellandschaft, die am Horizont liegt. Sind die Hügel kahl und felsig, oder wächst auf ihnen samtig weiches, frisches Gras? Das brauche ich sowohl beim Lesen, als auch beim Schreiben. Sonst fehlt für mich einfach etwas.  :D

Coppelia

#3
Kürzen heißt nicht streichen. Wenn ich z. B. bei einer Wetterbeschreibung, die ihre Daseinsberechtigung hat, kürze, versuche ich nur, dieselben Informationen in einem kürzeren Text unterzubringen. Dadurch fallen vielleicht Wörter weg, aber kein Inhalt (es sei denn, der Inhalt ist überflüssig). Wobei, wie mir auffällt, man das für alles sagen könnte, wo ich kürze, nicht nur für Beschreibungen. :hmmm:

Sunflower

Ich denke, das Wegkürzen hat nicht den Sinn, das Buch so dünn wie möglich zu machen (wie Coppelia ja auch schon gesagt hat). Aber wenn du unnötige Längen rausnimmst und Szenen, die im Endeffekt ins "Nichts" führen und die Handlung kein Stück weiterbringen, hat das den Vorteil, dass die Geschichte schneller vorankommt.
Nicht immer ist der schnellste Weg zum Ziel der beste - das meint der Tipp des Bloggers aber auch gar nicht. Du sollst nicht durch deine Geschichte rennen, du sollst ihr schon die Zeit lassen, die sie braucht und wenn eine Figur eine Stunde lang über sich reflektieren muss, ist das auch in Ordnung. Wenn das alles eben zur Handlung beiträgt und dich deinem Ziel ein wenig näher bringt.
Wenn sich der Plot aber eigentlich wieder "zurückentwickelt" (weißt du, was ich meine?), verlangsamt das deine Geschichte.

Viel Blabla, ich weiß nur nicht richtig, wie ich es formulieren soll.
Zitat von: Polarfuchs am 20. Januar 2014, 10:40:27
Hat sich der Charakter für den Hauptplot essentiell entwickelt? Hat der Leser eine neue Information erhalten? Hat der Plot einen Schritt vor/zurück gemacht?

Die Fragen sind vielleicht etwas überspitzt, aber grundsätzlich sollte man sich schon daran halten. Man hat auch so genug Gelegenheiten, die Figur in Aktion zu setzen, sie vorzuführen.
Den Leser "verschnaufen" lassen - das klingt auf den ersten Blick gut. Aber du willst doch ein Buch schreiben, das der Leser gar nicht mehr aus der Hand legen will. Wenn du das Tempo ständig auf einem gewissen Level hältst, dann wieder ein bisschen anziehst und niemals fallen lässt, kannst du diesen Effekt erzeugen. Das ist nicht der Schlüssel zu dem ultimativ spannenden Buch, aber es ist ein Weg dorthin. Und wenn ich meine, dass du das Tempo hoch halten sollst, heißt das auch nicht, dass es niemals ruhige Szenen geben sollte. Die soll es geben! Natürlich! Aber hinter all dem muss trotzdem noch die Grundspannung liegen, das Grundproblem.
Wenn also - und das ist jetzt wirklich so eine Art 08/15-Plot - dein Prota und sein Love Interest sich endlich näher kommen sollen, dann dürfen sie das auch. Gib ihnen Zeit, lass sie reden, lass sie sich annähern ... Aber lass sie niemals vergessen, dass sie noch die Welt zu retten haben. Oder so.

Ich glaube, ich habe jetzt mehr geschrieben, als ich wollte. Was ich meine, ist eigentlich nur, dass ein Plot, der auf das Ziel hinarbeitet, grundsätzlich spannender ist als einer, der ständig drum herum schleicht und "nicht zu Potte kommt".
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Alana

Jede Szene im Buch, auf die Spitze getrieben jeder Satz, jedes Wort, muss einen Zweck erfüllen und einen Sinn haben. Alle Sätze, Szenen, Wörter, die das nicht haben, müssen raus.
Wenn eine Szene gut unterhält, hat sie einen Sinn, auch wenn sie den Plot nicht total vorantreibt. Wenn die Szene die allgemeine Stimmung unterstreicht, hat sie einen Sinn. Wenn sie dabei allerdings langweilig ist, muss man dagegen was unternehmen.

Kürzer ist immer besser würde ich als grobe Richtlinie schon unterstreichen, aber nicht als Dogma. Ich lasse auch oft nutzlose Sätze oder Wörter stehen, weil ich sie schön finde, oder weil sie irgendetwas unterstreichen. Womit sie eigentlich nicht mehr nutzlos sind. Und auf die Seitenzahl eines Buches würde ich das schon gar nicht beziehen. :)

Ich denke, solche Schemata dienen vor allem dazu, ein Gefühl dafür zu bekommen, was eine gute nützliche Szene ausmacht. Sobald man das im Griff hat, kann man auch mal eine rein rechnerisch nutzlose Szene drin lassen. Genauso wie ein schräger Satz oder ein eigentlich nicht existentes Wort mal stehen bleiben darf. Das ist ja das Schöne am Schreiben. Wenn man weiß, wie es wirkt und wie man es einsetzen kann, kann man alles machen.
Alhambrana

Polarfuchs

Vielen Dank schon mal für die Antworten. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Ich meine mit "dünn" nicht "wenig Seiten", sondern es sollte sich auf "Bücherdiät" beziehen. Also, dass unnötiges Fett (unnötige Szenen, Sätze, Wörter) weg kann. Da habe ich mich vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt.  ;D

Kati

Ich denke, dieses kürzen, streichen und "dünner" machen hat am Ende auch den Zweck, die Handlung dichter zu machen. Wenn zwischen den wichtigen Szenen haufenweise Szenen rumfliegen, die die Handlung nicht vorantreiben, zieht es sie in die Länge wie Kaugummi und der Roman wirkt irgendwie wässrig und strukturlos. Wenn man darauf achtet, dass wirklich jede Szene einen Sinn für die eigentliche Handlung gibt, wirkt die Handlung dichter und weniger willkürlich. Die Charaktere in Aktion sind bestimmt wichtig, aber das kann man auch in Szenen machen, die für den Roman wichtig sind. Eine Figur zum Beispiel bei der Arbeit im Büro zu zeigen ist nicht verkehrt, wenn im Büro etwas passiert, was später noch einmal wichtig wird. Wenn die Figur jetzt aber nur ihrem Tagesablauf nachgeht und nichts passiert außer der Vorstellung der Figur, dann möchte das meist niemand lesen. Es ist meist für uns als Autoren spannender, das zu schreiben als für den Leser, sich da durch zu quälen um wieder zu den spannenden Teilen zu kommen.

ZitatDann ist bei mir noch die Frage offen geblieben, wo fängt eine Weiterentwicklung eigentlich an?

Ich würde das so machen, dass ich gucke, ob der Roman noch funktioniert, wenn ich die Szene streiche. Wenn der Roman gelesen werden kann, ohne das jemand merkt, dass da ein Stück fehlt, dann war die Szene unnütz und hat nichts zur Entwicklung beigetragen. Entwicklung ist eben, wenn etwas passiert, dass die Handlung vorantreibt oder einer Figur als Charakterentwicklung dient. Wenn die Helden einfach von A nach B laufen, ohne, dass was passiert, dann ist das für mich keine Entwicklung, auch wenn sie theoretisch näher am Ziel sind als zuvor. Dann kann man auch in einem knappen Satz sagen, dass sie so und so viele Tage gelaufen sind und dann sind sie angekommen. Wenn auf dem Weg jetzt ein Überfall passiert, der später nochmal wichtig ist, ist die Berechtigung da, den Weg von A nach B etwas ausführlicher zu beschreiben. Selbiges gilt für Dialoge: Bringt der Dialog die Helden weiter, verändert er die Beziehung der Figuren etc.? Wenn nicht, dann ist er eigentlich unnötig, auch, wenn er vielleicht lustig ist oder besonders gut gelungen (dann kann man aber immer noch ein bisschen umschreiben, dass der Dialog wichtig wird.  :))

Ich persönlich halte ziemlich viel davon, ein Buch "dünner" zu machen. Und ich bin auch jemand, der damit große Probleme hat. Ich schwafele gern zu viel und komme vom Weg ab, weshalb ich hinterher eigentlich nur am Kürzen bin.  ;D Aber ich denke halt, wenn die Geschichte 200 Seiten braucht, um erzählt zu werden, sollte man das nicht unnötig auf 400 Seiten lang ziehen. Wenn sie die 400 Seiten braucht, ist es auch Unsinn was Wichtiges wegzukürzen, aber dann sollte man trotzdem nicht 500 Seiten draus machen. Ich achte nicht so sehr auf einzelne Sätze, weil ein bisschen Beiwerk auch nicht ganz verkehrt ist, sondern auf Absätze und Szenen. Besonders auf Szenen. Wenn man den Roman noch problemlos versteht, wenn eine Szene fehlt, dann braucht es die Szene nicht.

Sternsaphir

Ich tue mir immer schwer mit Kürzen. Manchmal befürchte ich, dass meine Geschichten dadurch sehr langatmig wirken. Aber ich will ja auch beschreiben, wo sich der Prota befindet, was er denkt und fühlt. Im Nachhinein streiche ich aber dann doch die eine oder andere Szene.

Ich finde aber, wenn man zuviel kürzt, leidet das Ambiente der Geschichte. Erst wenn man das ganze Drumherum beschreibt, bekommt der Leser auch einen vollständigen Einblick in die Szene.
Natürlich sollte man dem Leser auch nicht alles "vorkauen". Er soll ja auch seine eigene Phantasie einsetzen, um sich etwas vorstellen zu können, und entsprechend brauch es da auch Freiräume.

Ich hab auch schon ein paar Bücher in der Hand gehabt, wo der Plot knallhart durcherzählt wurde. Es gab kaum Beschreibungen zur Landschaft, geschweige zu den Charakteren. Die Geschichte an sich war recht nett, aber durch die fehlenden Umschreibungen wirkte es sehr nüchtern und farblos. Als U-Bahn-Lektüre war es genau richtig, weil man sich schnell wieder einlesen konnte, aber für abends auf dem Sofa lesen war es nix.

Kati

Aber Beschreibungen sind eigentlich auch noch etwas anderes, oder nicht? Also, das habe ich jetzt nicht mit da rein gezählt. Natürlich sollte man unbedingt auch bei Beschreibungen aufpassen und nicht zu viele einbauen, aber an sich sehe ich das schon als für den Plot wichtig an. Man muss dem Leser nicht jede Bodendiele einzeln beschreiben, aber ein Überblick darüber, wo man sich befindet, ist doch eigentlich wichtig für die Handlung. "Plot knallhart durcherzählt" finde ich eigentlich positiv, für mich heißt das, es gibt keine unnötigen Abschweifungen, die später nie wieder wichtig sind. Aber eigentlich sollte das nicht ausschließen, dass man Figuren und Handlungsorte beschreibt, während man den Plot erzählt. Ich denke mal, Atmosphäre und Handlung sollte man da getrennt betrachten. Welche Szenen sind für die Handlung wichtig, welche Absätze und Umschreibungen brauche ich für die Atmosphäre? Und am besten mischt man das eh. Also, dass das Ambiente in Szenen durchkommt, die eh für die Handlung wichtig sind.  :)

Sternsaphir

Also ich mag es ja auch, wenn der Plot nicht allzu sehr ausschweift.
Aber wenn er sich zu sehr auf die Haupthandlung konzentriert, dann finde ich immer, dass da etwas fehlt. Ich interessiere mich manchmal sehr für die Nebenchars und wenn diese in der Handlung einfach verschwinden, weil sie für den Plot nicht mehr relevant sind, dann finde ich, dass die Geschichte nicht vollständig ist. Darum lasse ich viele Nebenchars bei mir mindestens noch einmal auftauchen, dass der Leser sieht, was aus dem- oder derjenigen geworden ist. Und ich habe dann gleich noch ein paar Plotloch-Retter zur Hand, die der Leser bereits kennt und die ich nicht unnötig noch in die Handlung einflechten muss.

Aber Du hast recht. Man muss abschätzen, was man für die Atmosphäre und den Plot braucht und was überflüssig oder gar störend sein kann.


Lucien

Ich stimme Kati zu, dass wir zwischen Beschreibung und Handlung unterscheiden sollten, wobei ich sagen muss, dass Beschreibungen mich eher stören als vermeintlich überflüssige Handlungen, weshalb ich selbst auch eher dazu neige, Beschreibungen zu kürzen oder ganz zu streichen.
Bei Szenen, die eine Handlung beschreiben, tu ich mich immer etwas schwerer, sie als überflüssig einzustufen, weil ich auch gerne etwas über die Charaktere erfahre, das über den Plot hinaus geht. Mag sein, dass es für die Handlung vollkommen unwichtig ist, warum XY seinen Tee ausgerechnet aus Tasse Z trinkt, aber es ist ein winziges Detail, das vielleicht hilft, die Figur besser zu verstehen. Und da hätte ich auch überhaupt kein Problem damit, dass XY gerade einfach nur in seinem Wohnzimmer sitzt und nichts tut, außer abwarten und Tee trinken.
Allerdings sollten es natürlich nicht zu viele solcher Szenen werden und sie sollten auch nicht zu lang sein.

Felicity

Ich bin auch jemand, der wirklich ungerne kürzt. Für mich hat jede Stelle des Buches ihren gewissen Wert und ich gönne meinen Charakteren auf mal eine "Verschnaufspause", in der nicht ständig etwas Relevantes passiert. Außerdem lasse ich in diesen Szenen gerne unwichtig wirkende Kommentare fallen, die ich später wieder einbeziehe und dafür sorge, dass sie doch noch an Wert gewinnen.
Wenn ich ein Buch lese, stören mich diese "überflüssigen" Stellen kaum, da sie auch realistisch wirken - bei wem ist denn die ganze Zeit nur Action und Spannung?

ZitatIch interessiere mich manchmal sehr für die Nebenchars und wenn diese in der Handlung einfach verschwinden, weil sie für den Plot nicht mehr relevant sind, dann finde ich, dass die Geschichte nicht vollständig ist.

Ein Herz für meine Nebencharaktere habe ich auf jeden Fall auch. Ich liebe es, meine Figuren zu erschaffen und interessante Nebencharaktere machen eine Geschichte ja gerade erst authentisch.

Pygmalion

Naja,aber wir lesen ja auch keine Bücher, um unseren eigenen Alltag nochmal nachzulesen. Von daher sind alltägliche Begebenheiten im Leben von Figuren im Grunde völlig unwichtig und so etwas will glaube ich auch keiner lesen. Es sei denn, das wurde schon erwähnt, aus dieser alltäglichen Situation entwickelt sich etwas. Sei es, dass der langweilige Büroturm der Anwaltskanzlei ein Portal zur Hölle ist und der stinköde Anwalt jetzt Dämonenjäger wird. Dann hilft der vorher definierte Büroalltag natürlich essentiell.
Gleiches gilt für Landschaften. Klar sollte man wissen, wo man sich befindet. Aber sich da in ellenlangen Beschreibungen zu ergehen, was für Moos auf den Felsen wächst, ist irgendwann langweilig. Wie immer ist es wohl wichtig, das passende Maß und eine Balance zu finden. Häufig sind es auch schon einzelne Sätze, die man einbaut, weil man es in dem Moment interessant findet und bei nochmaligem Lesen dann doch wieder rauskürzt, weil es wahrscheinlich ist, dass es niemanden sonst interessiert. Wirklich ganze Szenen habe ich noch nie gelöscht, die finde ich auch irgendwie alle bedeutsam, in der einen oder anderen Weise.
Bei mir "dünnt" der Text auch häufig dadurch aus, dass ich überflüssige Adjektive streiche und das recht konsequent. Vor allem so unspezifische Sachen wie "groß, klein, dick, dünn" etc. Die rutschen mir bei der Rohfassung recht schnell rein, ist vielleicht auch eine Übungssache. Im Endeffekt funktioniert der Text sehr oft ohne Adjektiv und liest sich sogar angenehmer. Ich meine damit natürlich nicht alle, aber doch einige.

Fianna

Zitat von: Felicity am 20. Januar 2014, 17:57:08
Ich bin auch jemand, der wirklich ungerne kürzt. Für mich hat jede Stelle des Buches ihren gewissen Wert und ich gönne meinen Charakteren auf mal eine "Verschnaufspause", in der nicht ständig etwas Relevantes passiert. Außerdem lasse ich in diesen Szenen gerne unwichtig wirkende Kommentare fallen, die ich später wieder einbeziehe und dafür sorge, dass sie doch noch an Wert gewinnen.
Wenn ich ein Buch lese, stören mich diese "überflüssigen" Stellen kaum, da sie auch realistisch wirken - bei wem ist denn die ganze Zeit nur Action und Spannung?
Hier hat sich eine Diskussion neben dem Thema entwickelt, scheint mir.
Genau das, was die "widersprechenden Beiträge" (wie der von mir zitierte) entgegen halten, ist doch genau das, worum es geht.

"Immer Action" oder von einem Handlungshöhepunkt zum anderen zu hetzen ist doch gar nicht das Thema. Auch das Zeigen der Charaktere, von kleinen Ereignissen oder das Vorbereiten von Twists oder dramatischen Entwicklungen bringt die Handlung weiter.

Erst wenn man Szenen einfügt, die nichts damit zu tun haben, passen sie in das Raster der "überflüssigen" Szenen. Besonders anfällig sind dafür historische Romane oder erfundene Fantasywelten, weil die Autoren viel recherchiert haben oder sich viel um die welt Gedanken gemacht haben.
Dann liegt die Versuchung nahe, eine Szene einzuflechten, in der von dem Elend der Waisenhäuser berichtet wird, weil das so typisch für diese Zeit oder Setting ist. Falls das aber die Handlung nicht weiterbringt, also weder mit Hauptplot noch Nebenplot verbunden ist und nicht mal Nebencharakter damit verbunden ist (oder auch nur ein "Statist", der eine wichtige Information an die Helden gibt und aufgrund seines biografischen Hintergrundes dazu motiviert wird, die Mission der Helden weiter zu bringen), dann ist es eine Szene, die den Plot nicht weiter bringt und gestrichen werden muss.
Die als Erwiderung genannten Beispiele sind jedoch alle etwas Anderes, was den Plot in der einen oder anderen Weise sehr wohl weiter bringt.