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Charakter vs. Handlung

Begonnen von Judith, 30. Januar 2007, 21:25:37

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Berjosa

Ich muss mich mal der "Plot zuerst"-Fraktion anschließen. Meistens ist es sogar so, daß ich mit einem Schauplatz anfange.
Dann kommt erst die Frage, was passiert. Die Antwort darauf ist noch ziemlich unspezifisch, sowas wie "Prinzessin befreien", "magisches Artefakt finden" ...
Dann suche ich mir die Leute, die ich dazu brauche und die am Schauplatz herumlaufen. Auch erstmal Klischee-Typen. Wenn ich die habe, versuche ich, ihnen neue Seiten abzugewinnen.
Von da an treiben sich die drei Elemente der Geschichte gegenseitig voran.

Lomax

Zitat von: Lastalda am 31. Januar 2007, 16:04:10Äußere Handlung ist völlig überschätzt...
Aus aktuellem Anlass: Ich habe eher das Gefühl, dass heutzutage die Figuren überschätzt und der Plot zu oft vernachlässigt wird. Figuren sind unsichere Freunde für den Autor, aber mit dem Plot kann man sichere Punkte erzielen. Ich habe es gerade wieder an den Rezensionen zu einem Buch gesehen, das ich aus beruflichen Gründen mal genauer angeschaut habe und das sich hauptsächlich auf die Figuren konzentriert: Und in den zahlreichen Lesermeinungen war in Bezug auf diese Figuren jede Meinung vertreten, und zwar gleichmäßig. Aber beim Plot waren sich alle einig.
  Also: Die Wirkung von Figuren hängt sehr stark von den Erwartungen der einzelnen Leser ab und ist vom Autor kaum zu steuern. Außer vielleicht über den Plot, der die Figuren präsentiert und für den Autor die einzige Chance ist, das, was er mit den Figuren verbindet, auch die Leser fühlen zu lassen, die nicht von vornherein mit ihm auf einer Linie liegen.
  Man sollte diese Chance, sowohl dem Roman an sich wie auch den Figuren schon mal ein sicheres Standbein zu verleihen, nicht zu gering achten.

Dorte

Naja, das hängt wohl auch davon ab, wie und warum man Geschichten schreibt. Ich schreibe nicht, um Romane zu verkaufen oder Leser zu beglücken, sondern weil man Kopf vor Figuren und Geschichten überquillt, die erst dann Ruhe geben, wenn ich sie niederschreibe. ;)

Außerdem gibt es auch das andere Problem: total eindimensionale Figuren werden durch einen aufwändigen Plot gejagt. Sowas kann ich überhaupt nicht lesen. Umgekehrt schon eher, also spannende Figuren in einem banalen Plot. Wobei das Nonplusultra natürlich starke, herausragende Figuren in einem interessanten Plot ist.

Moni

Bei mir treiben die Charaktere den Plot und der Plot die Charaktere voran. Daher treiben mich, wenn es mich dann packt, beide gleichermaßen an.
Wenn meine Charaktere anfangen, sich "plotirrelevant" zu verhalten, wird das nachher gnadenlos gestrichen. Soll nicht hießen, daß ich ihnen keinen Raum für die Entwicklung lasse, sondern daß ich vermeiden möchte, eine Gruppe Diven durch die Gegend zu manövrieren. Andersrum kann es auch passieren, daß der Plot beginnt, die Charaktere zu erdrücken. Dann wird eben der Plot an die Kandare genommen.

Lg
Moni
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Grey

Hmm... da ich mir Charaktere nicht ausdenke sondern sie halt einfach irgendwann da sind und raus wollen, muss ich sie an erste stelle setzen, denn ohne sie gäbe es meine geschichten überhaupt nicht.
Beispiel: Der Roman, den ich mit meiner Cousine geschrieben habe... naja, der ist ein fragment aus einer langen langen geschichte, die die charaktere durchlaufen haben. insgesamt mehr als sieben jahre haben wir uns mit ihnen beschäftigt, haben sie aufwachsen, freunde finden, verlieren, lieben, sich finden, auseinander gehen, durch schwierigkeiten kämpfen, heiraten und kinder bekommen lassen, haben ihr leben von der geburt bis zum tod genauestens ausgetüftelt. für alle, auch die nebencharaktere. wir haben sie in rollenspielartigen gesprächen miteinander reden und streiten lassen. wir haben die welt in der sie leben, die sprache, die sie sprechen entwickelt, die geschichte, die schon 600 jahre zuvor begonnen hat. haben historie und religion geschrieben und wieder gelöscht, bis alles zusammen passte und vollständig war. und von november letzten bis märz dieses jahres haben wir dann den actionreichsten teil ihres lebens, wo alle fäden zusammenlaufen, endlich aufgeschrieben. die charaktere haben die handlung gemacht und umgekehrt - aber letztendlich sind die charaktere der teil von mir, der rauskommt und mir seine geschichten erzählen will. ja. so ist das.

bei mir zumindest.

Steffi

Bei mir ist zuerst eine Grundidee da, eine Frage oder Überlegung oder auch ein ganzer Schauplatz. Die Figuren kommen dann ganz von alleine in dem sie dann meistens die Extreme des Schauplatzes besetzen, schließlich muss es ja auch Zündstoff geben ;)
Sic parvis magna

Lisande

Meistens sind bei mir zuerst die Charaktere da, und der Plot stellt sich dann um sie herum ein.
Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich eine 37 Kapitel lange Geschichte (es war eine Fanfic) um einen einzigen Satz herum geschrieben habe, den ich unbedingt anbringen wollte - gut, dadurch, dass es eine Fanfic war, ergaben sich die meisten Charaktere und der Schauplatz von allein, aber danach waren dann noch eigene Charaktere da (eine von denen hat besagten Satz gesagt), und dann kam erst der wirkliche Plot - der sich auch im Endeffekt durch diesen einen Satz ergab.

Ja, ich weiß, ich bin seltsam...

Pandorah

Ich habe oft eine Plotidee, die aus einem groben Handlungsstück besteht, in dem ein ebenso schemenhafter Charakter dieses Handlungsstück vorantreibt. Dann entwickelen sich - wenn mir beides gefällt - sowohl Charakter wie auch Plot voran, bis ich weiß, ob ich mich damit näher beschäftigen möchte. Dann setze ich mich hin und feile beides aus.

Oder ich habe eine Storyidee und schaue dann, welcher Charakter sie gerne erleben möchte - ich habe aber IMMER schon eine grobe Vorstellung von dem guten Helden. Ganz unbedarft gehe ich an keine Storyidee auf Heldensuche, denn beides bedingt sich gegenseitig. Die meisten Plots funktionieren nur, wenn der Held diese und jene Eigenschaften aufweist und nicht so und so handelt. Dann setze ich mich hin und feile beides aus.

Dass ich erst den Charakter habe und darum eine Geschichte baue, um den guten Jungen oder das gute Mädel unterzubringen, ist mir erst einmal passiert - und das war in Kooperation mit einer Co-Autorin. Das funktioniert sonst bei mir nicht. Im Zweifelsfall kommt der Charakter sonst mit einer ausgefeilten Hintergrundsgeschichte einher, die zu neuen Komplikationen führt - und schon kamen wieder Chara und Geschichte gleichzeitig.

Wenn ich schreibe, sind Charaktere und Plot gleichberechtigt - vielleicht mit einer ganz leichten Tendenz hin zur Übermacht der Charaktere. Natürlich habe ich eine grobe Vorgabe durch den Plot - wo fange ich an, wo will ich hin, was soll auf dem Weg passieren. Ich habe aber Chraktere, die ihn durchleben, keine Pappfiguren. Diese entwickeln sich dementsprechend, da kann es passieren, dass der eine oder andere Punkt des Plots nicht mehr so passt. Gleichzeitig dürfen sie aber nicht so weit aus der Reihe tanzen, dass gar nichts mehr ineinander greift. Zumeist ist es dann aber so, dass die Entwicklung der Charaktere den Plot sehr viel lebendiger macht und neue Facetten bringt, die ich vorher nicht bedacht habe, die sich aber herrlich harmonisch einfügen und die richtig, richtig Spaß machen zu schreiben. Und ich steuere auf Plotelemente zu, weil ich meine Charaktere in dieser Situation schreiben will.

Fazit: Ich habe beides. Es treibt mich beides. Stimmt nur das eine oder das andere, fange ich gar nicht erst mit dem Schreiben an.

THDuana

Ich habe oft eine kurze Idee, ein ganz grobes Konzept, das im Raum schwebt.
Wenn ich dann näher darüber nachdenke und langsam kleine Teile für den Plot zusammensetze, kommen mir die Figuren in den Kopf (erinnert mich manchmal an eine Zeitungsanzeige: Darsteller für Plot gesucht - wir nehmen jeden, der materiell existiert). Am Anfang passen sie gut ins Geschehen und lassen alles mit sich machen, aber nach und nach bekommen sie ihren eigenen Kopf. Auch Charaktere, die keinen Sturkopf haben, können schwierig sein ;)
Durch ihre komischen Eigenarten, Gewohnheiten, Sichtweisen und Gedanken bekomme ich oft Probleme im Plot, weil manches nicht mehr so funktioniert, wie ich es haben wollte.
Manchmal gebe ich der einen oder anderen Figur eine kuriose Vergangenheit, damit sie ihre Gewohnheiten für eine bestimmte Sache bricht. Dann klappts meist wieder.

Wenn man ganz streng bei mir geht, ist zuerst der Plot und dann die Figuren. Genaugenommen ist es aber so, dass zuerst die Idee ist und dann Plot+Figuren kommen.


Duana

Rumpelstilzchen

Bei mir entstehen die Charaktere und Handlungen zusammen im Kopf, mal überwiegt der Charakter, mal die Handlung, aber das eine würde ohne das andere überhaupt nicht gehen. In meinen Blitzeinfällen, habe ich meist einen Charakter, wie er in Sekunden durch die gesamte Geschichte ,,fliegt", vorbei an den Nebencharakteren.
Hätte ich nur eine Handlung oder nur ein Charakter, wird da meist auch nicht mehr draus, behalte den Charakter zwar im Hinterkopf, aber mehr als eine Nebenfigur wird es nie.

Zum Schluss arbeite sich Charakter und Handlung noch etwas aus und bekommen ihren letzten Schliff, aber sonst mache ich mir über Charakter oder Handlung keine großartigen Gedanken. Wenn sie nicht von selbst kommen und ich ewig herumüberlegen muss, sind sie meist sowieso nicht gut.

nordfee

Hallo,

ich habe mir erst sehr grob überlegt über was ich schreiben möchte. Während der Rechersche (wird das so geschreiben? Stehe gerade auf dem Schlauch)zu dem Thema haben sich dann meine Charakthere entwickelt.

Während des Schreibens haben sie dann irgendwie ein Eigenleben entwickelt und ich war froh mir vorher aufgeschrieben zu haben wo ich hin muss. Sonst wäre ich wahrscheinlich sonstwo gelandet.

Meine Charakthere und der Plot haben sich gegenseitig immer getrieben und mal lag der eine vorne und dann mal wieder der andere.

VG
nordfee

Wild Soul

Bei mir waren erst die Charaktere da. Sie hatten schon einige Sachen erlebt bevor ich auf den Plot kam der schlussendlich zu der Story führte die wir schreiben.
Und der Plot kam weil ich genau DIE Charas haben wollte und keine anderen, so wie sind wie sie handeln. Na ja, der Plot beugt sich eben den Charakteren auch wenn man das nicht immer mitbekommt. *g*

Geli

ich muss Lomax recht geben.
Personen (Charakter) also solche machen sicherlich Spaß, wenn man sie entwickelt.

Nur müssen sie unbedingt etwas erleben!

Als Romanleser will ich nicht wirklich wissen, man mein Held seine ersten Milchzähne
verloren hat. Es sei denn, ihm wurde - zum Beispiel - dabei geweissagt, dass er
dermaleinst ein großes Königrreich durch das Werfen eben dieser Milchzähne retten
kann.

Ihr versteht, was ich meine?

Lebensgeschichten, Eigenschaften, Ticks, schlechte Angewohnheiten sind pillepalle.
Das haben wir alle. Wer von Euch hat keinen lieben Verwandten/lieben Kollegen,
den er ob seiner Eigenschaften nicht manchmal an die Wand klatschen möchte?

Aaaber: wer ein Buch liest, will genau das erleben.
Dass ein Charakter an die Wand geklatscht wird.

Kannst Du im echten Leben niemals tun. Deshalb lesen wir es so gerne.

Gebt dem Affen Zucker, Leute! Action muss her. Plots mit Hochspannung.
Gibt ein von Euch entwickelter Charakter das nicht her - weg mit dem Papiertiger!

Grey

naja, du brauchst es ja auch nicht alles aufzuschreiben... aber je mehr details aus dem leben deines charas du im kopf hast (ok, über die ersten zähne denk ich meist auch nicht nach), desto besser kannst du dich doch in ihn reinversetzen und ihn stimmig handeln lassen. oder?  :hmmm:

ansonsten stimmt es natürlich, dass man den romanplot auf die interessanten Wandklatscher u.ä. beschränken sollte ;D

@nordfee
Recherche... ohne s... ;)

Judith

ZitatGebt dem Affen Zucker, Leute! Action muss her. Plots mit Hochspannung.
Naja, das kommt halt auch auf den persönlichen Geschmack an. Ich mag keine Bücher, bei denen von vorn bis hinten volle Action angesagt ist. Sowas finde ich unglaublich langweilig. Ich brauche Ruhepunkte und möchte auch gern mal "unwichtige" Details über die Charaktere erfahren, weil sie das lebendig und greifbar macht.

Und um bei den Milchzähnen zu bleiben: Da muss ich spontan an "Pünktchen und Anton" denken. Ich finde die Beschreibung, wie Pünktchen ihren lockeren Zahn loswerden will, herrlich, auch wenn es für den Plot nicht unbedingt nötig ist.

Gerade, wenn man eine Geschichte schreibt, in der es in erster Linie um die Entwicklung eines Charakters geht, erlebt der Charakter nicht ständig weltbewegende Dinge. Da müssen auch mal Ticks, schlechte Eigenschaften und Lebensgeschichten her. Sonst könnte man Werther, Stiller, den Zauberberg und noch so einige andere Romane gleich mal um die Hälfte zusammenkürzen. Aber ob ihnen das gut tun würde, bezweifle ich.