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Charakter vs. Handlung

Begonnen von Judith, 30. Januar 2007, 21:25:37

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Judith

So, ich hoffe, das Thema gabs noch nicht (zumindest hab ich nichts gefunden).

Also mich würde mal interessieren, ob eure Geschichten eher durch die Charaktere oder durch die Handlung vorangetrieben werden. Und was treibt euch eher zum Schreiben - Charaktere, die in eurem Kopf rumspuken und euch keine Ruhe mehr lassen, oder ein genialer Plot?

Ich merk bei mir in letzter Zeit mal wieder, dass die Charaktere mich beim Schreiben vorantreiben. Wenn ich irgendwelche Fragmente, die mir durch den Kopf gehen, aufschreibe, dann sind das fast immer Szenen, bei denen die Entwicklung eines Charakters oder die Beziehung zwischen zwei Figuren im Vordergrund steht. Und auch wenn ich brav chronologisch an meiner Geschichte schreibe, dann merke ich, dass ich mich durch handlungsorientierte Szenen (also solche, wo sich einfach äußerlich viel tut) oft durchquäle, während sich Szenen, bei denen im Innenleben der Figuren viel passiert, praktisch von selbst schreiben.

caity

Mmh ... schwer zu sagen.
Einerseits lässt mich die Idee nicht los - andererseits liebe ich den Charakter.
Bei mir ist eigentlich beides so verflochten, dass ich dazwischen nicht entscheiden kann. Es gibt stellen, da ist mir der Charakter wichtiger und allgemein bedeuten sie mir auch viel. Es gibt aber auch Momente, da bin ich total überzeugt vom Plot und das treibt mich dazu, weiter zu machen.
Allgemein würde ich wohl sagen, dass die Protagonisten mir WÄHREND dem Schreiben helfen und ein Plot mich davon überzeugt, überhaupt mit dem Schreiben anzufangen. Das betrifft auch das Anfangen nach Pausen, also nicht nur einen Anfang, sondern allgemein sich hinzusetzen und zu schreiben. Dann, wie gesagt, bestimmen meine Protagonisten das Tempo. Wenn sie mit der Geschichte einverstanden sind, geht es schnell, wenn sie sich reingezwungen fühlen und ich ihnen fremd werde, brauche ich lange ^^"

Bye
caity
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Dorte

Definitiv die Charaktere. Ich kann eigentlich stundenlang schreiben, ohne einen Plot auch nur aus der Ferne zu sehen, und habe trotzdem Spaß dabei. Meine Figuren sind für mich halb lebendig. ;D Ich habe noch nie einen Plot gehabt und dann die Figuren zusammengesucht, das kann ich gar nicht.

Kalderon

Ich sehe da jetzt keinen Unterschied... oder besser keine Unabhängigkeit. Beides sind Konsequenz und Ursache gleichermaßen. Der Charakter sorgt für die Handlung. Ohne das Handeln des Charakters ergibt sich keine Handlung. Und ohne eine Handlung, bleibt ein Charakter tot. Es passiert nichts.

Judith

@ Dorte: Das war jetzt irgendwie klar.  ;D *knuddel* Das interessante ist aber, dass meine Charaktere weitaus nicht so viel Eigenleben haben wie deine, aber trotzdem treiben sie mich beim Schreiben voran.

@Kalderon: Hm, ja, das kommt drauf an, ob man nur allgemein von Handlung redet oder von Handlung, die für die Geschichte relevant ist. Denn mir geht es da wie Dorte: Ich schreibe manchmal seitenweise, ohne mich auch nur irgendwie einem Plot zu nähern. Und ich habe extrem viele gestrichene Szenen, die die Geschichte keinen Zentimeter voranbringen, weil sie einfach nur einer näheren Charakterisierung dienen.

Isabel

*Kalderon zustimmt*

Was mich persönlich aber zum Schreiben treibt, sind die Charaktere. Sie und ihre Beziehungen untereinander sind für mich das Salz in der Suppe. Wer mit wem, warum und überhaupt? Das macht für mich den Reiz einer Geschichte aus. Charaktere zu entwickeln macht mir dementsprechend am meisten Spaß, dafür habe ich mit der Ausarbeitung eines zusammenhängenden, logischen Plots meine Probleme... :wums:

Beim Lesen geht es mir genauso - bloße Actionstories, so ausgefeilt sie auch sein mögen, lassen mich kalt. Psyche und Emotionen - DAS finde ich spannend.

thewingedshadow

Ich habe den Forum jetzt zwar lange vernachlässigt, weil ich in der letzten Zeit auch nicht wirklich geschrieben habe...

Aber dazu muss ich mich glaube ich äußern.
Bei mir sind es auch definitiv die Figuren. Und ich gehöre zu den Leuten, bei den die Figuren ein Eigenleben haben. Manchmal finde ich es sogar erschreckend.

Es gibt eine Art Plot in meinem Kopf, an den ich mich schon mehrmals rangewagt habe. Allerdings bin ich nie über den Anfang hinausgekommen. Ich weiß nicht warum, vielleicht war die Zeit einfach noch nicht reif.
Es sollte anfangen wie eine typische Heldenreise mit Drachen, schönen Frauen, schönen Männern, grauen Magiern und mächtigen Göttern. Da war ich allerdings noch 11 Jahre alt. Im Laufe der Zeit ist eine Welt daraus entstanden, und die Geschichte hatte sich grundlegend verändert. Sie verändert sich immer noch, und vielleicht ist es einer der Gründe, warum ich sie nie aufschreiben kann. Kaum fange ich an, entgleitet sie mir. Und ich muss wieder anfangen.
Einmal hatte ich einen Text von stolzen 100 Word-Seiten, doch dann stellte ich plötzlich fest, dass die vermeintliche Hauptfigur ihre Bedeutung für mich verloren hatte, dass ich für sie nichts mehr empfand. Und ich konnte nicht mehr weiterschreiben.

Mittlerweile habe ich ein paar Ansatzpunkte. Meine Figuren sollen ihre Heldenreise bekommen. Sie werden diversen Prophezeiungen folgen und diversen Artefakten nachjagen. Am Ende jedoch, wenn das Schwert des Namenlosen Gottes, der Kelch der Großen Mutter und die Sphäre der Naar gefunden und an ihrem angestammten Platz sind, stellt sich heraus, dass sich nichts verändert hat. Zumindest nicht so, wie es die Prophezeiungen besagten. Aber es hat sich eine Menge für die Figuren verändert. Sie selbst haben sich verändert.

Die Figuren sollen der Mittelpunkt meiner Geschichte werden. Das, was sie tun, ist eher nebensächlich. Wichtig ist, warum sie es tun und was sie dabei fühlen.

Meine 0,05 USD :D

Rei

Hmm, das kommt darauf an... Ich mag spannende Szenen, in denen was passiert, aber ich mag es auch, das Seelenleben meiner Figuren auf dem Tisch auszubreiten. Aber da die eh machen, was sie wollen, hält sich das die Waage, so daß ich auf eine gute Mischung zwischen Spannung und Psychologie komme.  ;D

Aber wenn ich so darüber nachdenke, kommt für mich erst der Plot, zu dem ich noch den passenden Charakter finden muß, bevor ich loslegen kann. Meist entwickelt der Charakter sich erst beim Drauflosschreiben...

Lomax

Ich persönlich würde unbedingt die Handlung in den Vordergrund stellen. Aber bei genauerem Nachdenken ist diese Antwort gar nicht mal so eindeutig: Denn Handlung ist ja immer etwas, was Charakteren widerfährt und sie auch verändern sollte; und was von den Charakteren ausgelöst wird. Die Figuren sind also die Ansatzpunkte der Handlung, und ohne die passenden Figuren gibt es auch keine Handlung.
  Letztlich wollen die meisten Leser nicht irgendwelche Standbilder von den Figuren sehen, aber auch keine beliebige und zufällige Auflistung von Ereignissen: Sie wollen Menschen erleben, die etwas tun, und deren Reaktionen, wenn ihnen etwas widerfährt. Charaktere ohne Handlung und Handlung ohne Charaktere ergeben also gleichermaßen keine Geschichte.

Tesla

Da mir die meisten Geschichten im schlaf einfallen (Ist es dann noch eigene kreative Arbeit?)
find ich da sehr schwer zu differenzieren. Aber wenn in meiner Geschichte dann doch mal jemand ist der sich in der Fordergrund dränkt (Jacky) dann ist es der Chara. Allerdings haben meine Geschichten so ein seltsames eigenleben, das ich selbst immer Überrascht bin was am ende bei raugekommen ist. Da kann aus nem Drama ganzschnell Action werden. Ich hab einfach meinen Kopf micht mehr unter Kontrolle  :d'oh:.

@Isabel: Mit dem unzusammen hängenden Plot konnen wir uns zuammen tun. Geht mir genauso ... vielleicht kommt dann was ganzes bei raus ;D

Möchtegernautorin


Für mich steht das fest: Es sind die Charaktere, die mich reizen. Ich entwickle einen Charakter zuerst im Kopf. Oft ist es einfach nur ein Bild, dass mir vorschwebt und eine grobe Charakterisierung. Ja, und dann... dann geht es los :)
Mit der Entwicklung des Charakters fügt sich dann die Geschichte langsam zusammen, beim dösen, beim drüber reden oder einfach, weil ich da ein Lied gehört habe, das passt und dass eine Richtung gibt. Ich baue dann um den Charakter herum quasi den Plot auf, lass mich hier und dort inspirieren und.. öhm.. ja, lasse mich selbst überraschen, auf was für Ideen ich oder mein Mann so kommen <lächel>
Das emotionale, ihr denken und ihre Reaktionen lote ich vornehmlich in meinem Rollenspielchat oder eben in Kurzgeschichten aus. Dadurch lerne ich den Charakter kennen und kann ihn – wie ich hoffe <flöt> - gut rüberbringen.

Im Moment sieht es bei mir zum Beispiel so aus, dass ich an einer Trilogie arbeite, deren Plot bereits vor Jahren entstanden ist. Ich habe das ganze nun konzipiert und in eine Reihenfolge gebracht. Das Schreiben fällt mir da nicht mehr schwer, weil ich die Charaktere einfach sehr gut kenne.
Und während ich den einen Plot sozusagen niederschreibe, läuft die Entwicklung der nächsten Charaktere und des Plots drumherum.

Eigentlich habe ich nur das kleine Problem, dass mir Nebencharaktere manches Mal so gut gefallen, dass ich denke, mit denen muss ich irgendwo noch was machen und wenn sie ein eigenes Buch bekommen müssen :D
Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Coppelia

Bei mir sind es die Charaktere. Mit viel Glück bringt ein Charakter eine Handlung gleich mit oder die Eingliederung in die Handlung ist ihm "wesenseigen". Bei anderen Figuren muss ich suchen, bis ich "ihren" Plot gefunden habe. So sind meine Geschichten in der Regel.

Ich muss aber zugeben, ich kenne auch Geschichten mit Handlung ohne Charaktere und habe auch schon welche geschrieben - etwa Rollenspiel-Abenteuer oder Computerspiel-Handlungen, wo die Hauptfigur austauschbar ist. In diesem Fall wird die Geschichte sozusagen vom Setting zusammengehalten. Es ist in dem Fall auch wesentlich schwiriger, Spannung und Atmosphäre zu erzeugen, mal ganz davon abgesehen, dass es auch viel weniger Spaß macht!
"Rausreißen" kann ich das etwa, indem ich interessante "Nebenfiguren" verwende ... aber dann sind es diese Nebenfiguren, die mich an die Handlung binden.

Insofern sind bei mir auf jeden Fall die Charaktere ausschlaggebend.

Lastalda

Hm... ich hatte eigentlich nie Plots, die unabhängig von Charakteren wären. Der Plot ist das, was dem Charakter wiederfährt und was ihn beeinflusst und von ihm beeinflusst wird. Plot zu erzählen, der mit meinen Charas nichts zu tun hat, reizt mich nicht. Äußere Handlung ist völlig überschätzt... ::)
Also, es sind ganz klar die Charaktere und ihre Entwicklung, die mich interessieren, sowohl beim Lesen wie auch beim Schreiben. Dass das natürlich innerhalb einer Handlung passieren muss (statische Entwicklung egibt irgendwie keinen Sinn), ist logisch. Also passe ich die Handlung an die gewünschte Charakterentwicklung an.

Breanna

Bei mir ist es auf jeden Fall der Plot. Ich hab immer zuerst die Idee für den Plot und die ist es auch, die mich dann antreibt, es auch zu schreiben. Charaktere sind bei mir eher zweitrangig, was vermutlich auch daran liegt, dass ich Probleme habe, diese dreidimensional hinzubekommen.
Aber natürlich sind die Charaktere mit dem Plot verbunden und ohne diese Charaktere würde es weniger Spass machen. Wobei es meist eher die Nebencharaktere sind, die mich interessieren ... die treiben aber selten den Plot voran.

Immortal

Bei mir ist an erster Stelle auch erst einmal der Plot. Da meine Charaktere zuerst erst recht eindimensional geraten, entwickeln sie sich im Laufe der Geschichten meist zu vielschichtigeren Personen, die ich richtig lieb gewinne.
Vielleicht sind sie zuerst zum Beispiel einfach nur nett, werden aber im Laufe der Handlung eifersüchtig, hinterhältig, stur, verträumt, ruhig, schüchtern. Zum Ende hin besitzen sie dann so viele Eigenschaften (gute, wie auch schlechte), dass sie wirklich mer als eindimensional werden und als Ergebnis meiner Mühen kenne ich sie dann gut genug um richtig mit ihnen umzugehen ;)
Also: Für mich ist der Plot am wichtigsten
Zahme Vögel träumen von der Freiheit, wilde fliegen.