• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Gewaltsame Tode von Kindern in Romanen - ein Nogo?

Begonnen von Coehoorn, 07. November 2013, 13:02:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 4 Gäste betrachten dieses Thema.

Coehoorn

Die Frage kam mir, als ich in meinem Roman den Aufstand in der Kaiserstadt beschrieben habe. Menschen massakrieren Elfen und Zwerge und machen da bei niemanden halt.
Es kommt während der Kämpfe dazu, dass Mordred über die Leiche eines Elfenkindes stolpert, dem noch eine Schaufel im Bauch steckt. Hier stellte sich mir die Frage: Ist das nicht vieleicht ein wenig zu krass? Gewalt zu beschreiben ist eine Sache aber müssen es denn auch noch mehr oder weniger detaillierte Beschreibungen von getöteten Kindern sein? Sinn und Zweck war es, Mordred in absolute Rage zu versetzen und seine grausame Ader hervortreten zu lassen aber hätte man das nicht auch anders regeln können oder ist das schon in Ordnung so?

Ich kann mich nicht erinnern in einem Roman schon mal soetwas gelesen zu haben, wohl sicherlich auch aus einem guten Grund.
Wie seht ihr das? Sollte man auch in Romanen für Erwachsene solche Dinge vermeiden oder ist eine wohldosierte Anwendung, die dem Plot zuträglich ist, durchaus akzeptabel?

Naudiz

#1
Für mich kommt es stark auf das Zielpublikum an, ob so etwas in Ordnung ist oder nicht. In einem Jugendroman oder gar einem für Kinder hat so etwas definitiv nichts zu suchen. Wenn man aber epische Fantasy im Stile von, keine Ahnung, G.R.R. Martin schreibt oder eher "dreckige" wie Abercrombie und Sapkowski, die oft auch einen gewissen Realitätsanspruch haben, kommt man aber für mich nicht so wirklich darum herum, auch Gewalt an denen auszuüben, die es nun wirklich nicht verdient haben. Denn wenn wir mal unseren Blick in die reale Vergangenheit werfen, hat man da bei Aufständen und Kriegen auch keine Rücksicht auf irgendwen genommen.

Allerdings bin ich der Meinung, dass man es mit so etwas, wie mit jeder Form von Gewalt, nicht zu sehr übertreiben sollte. Ich möchte als Leser nicht alle drei Seiten ein grausam zugerichtetes Wesen sehen, ganz gleich, ob es nun ein Erwachsener, ein Kind oder ein Tier ist, oder irgendetwas anderes. Wenn das so ist, lege ich das entsprechende Buch meist ganz schnell weg. Denn das ist für mich schlechtes Schreiben. Der Autor hat keine Ideen, also baut er einfach mal tausend Grausamkeiten ein, um diese Tatsache zu vertuschen. Geht für mich gar nicht.

Also, um es zusammenzufassen: Wenn es zu Story, Setting und Zielgruppe passt und wohldosiert eingesetzt wird, ist das Töten von Kindern in meinen Augen in Ordnung. Auch wenn es selbst dann nicht unbedingt mein favorisiertes Detail ist.

Christian

#2
Ich schreibe sowas. Wenn es zur Geschichte passt, dem Plot dient, finde ich das "in Ordnung". Allerdings habe ich auch zwei Rückmeldungen bekommen, dass es diesen Lesern zu krass gewesen sei. Kann ich verstehen, akzeptiere ich auch, aber deswegen schreibe ich nichts anderes. Bei mir geht es düster, dreckig und brutal zu. Ich schreibe nicht für Kinder. Irgendwas wird es immer geben, was der ein oder andere als zu krass empfindet. 

Edit: Das Nauzi (I'm so sooorryyy ;D ) hat es gut zusammengefasst.

Luna

#3
Für mich als Stephen King Leser ist das nicht zu krass :darth:. Es findet ein Massaker statt, da ist es nur realistisch, dass auch Kinder sterben und massakriert werden. Die Beschreibung des toten Elfenkindes dient ja dem Plot, der Handlung, also Mordred dermaßen in Rage zu versetzen und ist nicht einfach nur der Grausamkeit willen als Schockelement da.

Zitat von: Coehoorn am 07. November 2013, 13:02:38
Ich kann mich nicht erinnern in einem Roman schon mal soetwas gelesen zu haben, wohl sicherlich auch aus einem guten Grund.
George R. R. Martin macht da auch keinen Halt davor, Kinder sterben zu lassen oder oben erwähnter Stephen King. In Cujo,
Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.
. Da hat es wohl einen Aufschrei gegeben deshalb. King hatte nur sinngemäß gemeint: "Er ist mir unter der Hand weggestorben" ;D.

Hanna

Von einem Nogo würde ich nicht sprechen. Gerade, wenn der Anblick etwas in deinem Protagonisten auslöst, kann ein solcher Fund sinnvoll sein. Aber ich erinnere mich an eine Szene im hochgelobten Ergaon. Da kommt der Held in eine Stadt und findet auf einem Berg von Leichen einen aufgespießten Säugling. Ich habe das buch nicht zuende gelesen und ich weiß auch nicht mehr, wer da durch die Stadt gezogen ist und sie verwüstet hat, aber ich weiß noch, dass ich es absolut unpassend fand.

Bei allen Bildern und Szenen, die wir verwenden, gilt zu prüfen, warum wir sie verwenden. Es kann also durchaus passend sein, so etwas zu beschreiben. Als Mittel zum Zweck (Guckt mal, wie grausam ich bin!), also als reine Effekthascerei, würde ich persönlich es nicht verwenden.
#notdeadyet

Robin

#5
Ich muss mich dem Grundtenor in dieser Hinsicht anschließen - wenn es in das Setting passt, und nicht als Schockfaktor an den Haaren herbeigezogen wird, dann ist es in Ordnung. Dazu muss man eben im Hinterkopf haben, dass in Kriegen vor allem die Zivilbevölkerung immer zu leiden hat, egal auf welcher Seite. Und auch wenn ich es nicht haben muss, kann es dazu dienen, die harte Realität zu unterstreichen. Wenn es (also das Motiv des gewaltsam zu Tode gekommenen Kindes) allerdings zu oft missbraucht wird, ist das für mich nur noch ekelhaft und hat einen sehr negativen Beigeschmack, den ich dann eher vermeiden wollte.
~Work in Progress~

Angela

Wenn es nicht ausschließlich dazu dient, nur Mitleid, Abscheu und Wut hervorzurufen, kann es funktionieren, wobei ich derartige Stellen in Büchern sehr ungern lese. Ich frage mich schon, musste das jetzt sein, habe auch einmal eine Serie nicht mehr weiter gelesen, weil für mich der Foltertod eines Kindes in einem strunznormalen Fantasybuch nicht akzeptabel ist. Bei härteren Varianten der Fantasy oder SF würde ich dagegen mit derartigen Dingen rechnen, ebenso bei historischer Fantasy.

Merlinda

Ich finde aich dass es hier sehr stark auf die Zielgruppe ankommt, für die man die Geschichte schreibt.
Immerhin stecken Erwachsene das Bild eines massakrierten Kindes ganz anders weg als Kinder.
Auch mir ist bei deiner Frage gleich "Eragon"durch den Kopf geschossen. Ich habe das Buch vor zwei oder drei Jahren gelesen. Bei der Stelle mit dem aufgespießten Säugling sind mir damals tausend Gedanken druch den Kopf geschossen. Auf der einen Seite fand ich es schrecklich, auf der anderen Seite war ich schon fast beeidruckt, sowas in einem ja doch Jugendroman zu schreiben.
Aber warum nicht? In den Tributem von Panem wird ja auch kein Hehl daraus gemacht, Kinder sich gegenseitig umbringen zu lassen. Im Gegenteil: Der Tod der Zwölfjährigen in der Arena wird bis ins kleinste Detail beschrieben.

Pygmalion

Ich stimme den meisten hier zu. Sapkowski und Martin töten Kinder. Bei Sapkowski finden auch öfter mal "Anderlingpogrome" statt, wo Elfen und Zwerge gemetzelt werden. Wobei der einen guten Weg findet, Gewalt nicht einfach um der Gewalt willen darzustellen (genau wie Martin) sondern dadurch die Welt lebendig macht und den Charakter zum Verzweifeln bringt. Diese Kampfeunuchen aus Astapor müssen ja auch einen Säugling töten, um ihre Ausbildung abzuschließen. Die Silbermünze kriegt dann der Sklavenhändler, nicht etwa die Mutter. Ist grausam, bleibt aber jedem im Gedächtnis und vermittelt ein sehr eindrucksvolles Bild der Weltanschauung der Leute in dieser Stadt.
Sowas muss aber auch Pointiert eingesetzt werden und dem LEser auch als wirklich besondere, eindrucksvolle Sache in Erinnerung bleiben, wenn das alle 3 Seiten passiert, stumpft man ab und verliert den Sinn dahinter aus den Augen. Das wurde ja auch schon gesagt.

Also, wenn da gerade Elfen und Zwerge Pogromartig niedergemacht werden, aus welchem Grund sollte die Rasende Bevölkerung Kinder verschonen? Das wird bei solchen Gelegenheiten einfach nicht gemacht, dafür ist ein rasender Mob viel zu blind für Sachargumente.

Sanjani

Ich kann mich meinen Vorrednern auch nur anschließen. Kinder berühren die meisten Menschen und das sollte man auch gezielt einsetzen. Ein steinharter Söldner kann rasend vor Wut werden, wenn er irgendwo ein totes Kind findet usw. In dem Setting, das du beschreibst, kann ich es mir ganz gut vorstellen. Was man sich m. E. aber immer überlegen sollte, ist, wie man das darstellt. Muss es unbedingt die Schaufel im Bauch sein, wo dann vielleicht überall Blut ist und die Eingeweide herausquellen? Oder könnte das Kind auch mit einem gebrochenen Genick daliegen? Kommt natürlich auch viel darauf an, welche Waffen verwendet werden. Bei Schaufel würde ich jetzt spontan denken, dass es sich um ungeschulte Fußsoldaten oder einen Mob handelt. Für mich muss das einfach in sich stimmig sein und zur Gesamtsituation passen und ich persönlich mag es als Leser auch überhaupt nicht, wenn da zu viele Details beschrieben sind nur um der Details willen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Tanrien

#10
Zitat von: Hanna am 07. November 2013, 13:20:41
Von einem Nogo würde ich nicht sprechen. Gerade, wenn der Anblick etwas in deinem Protagonisten auslöst, kann ein solcher Fund sinnvoll sein.

Genau, da stimme ich zu. Das wurde hier ja jetzt schon mehrmals gesagt, was in Lesern Gefühle anregt (die nicht Ekel sind, dass der Autor das gerade geschrieben hat) ist eben nicht die zweiseitige Beschreibung der Eingeweide des Kindes, sondern wie es den Protagonisten berührt. Umarmt er seine eigenen Kinder nun extra lange? Sitzt er nachts an ihrem Bett? Reagiert er völlig über, als er kurz nach der Schlacht ein noch lebendes Kind irgendwo stolpern sieht? Zittern seine Hände? Begräbt er das gestorbene Kind?
All diese Sachen sind viel emotionaler als die Schockbeschreibung mit der Schaufel im Bauch. Kein Mensch geht von Null auf 180, wenn er oder sie ein totes Kind sieht - da ist immer Vorgeschichte dabei und eine Zeit des Trauerns, dann der Wut... Wenn man sich darauf konzentriert, ist das viel effektiver, als das Kind möglichst grausam sterben zu lassen. Das muss es doch gar nicht, um Gefühle auszulösen. Lass es sanft im Schlaf gestorben sein, aber die gleiche Frisur wie die kleine Schwester der Protagonistin haben und schon ist da genug Drama da und genug Emotion, mit der du arbeiten kannst.

Churke

Zitat von: Sanjani am 07. November 2013, 14:50:01
Kinder berühren die meisten Menschen und das sollte man auch gezielt einsetzen. Ein steinharter Söldner kann rasend vor Wut werden, wenn er irgendwo ein totes Kind findet usw.

Das finde ich nun gerade nicht. Wenn mal wieder irgendwo Krieg gemacht werden soll, werden immer gefakte Bilder unschuldiger Kinder in den Medien lanciert. Diesen Mist brauche ich auch nicht noch in Romanen zu lesen.

Sanjani

Zitat von: Churke am 07. November 2013, 15:59:08
Wenn mal wieder irgendwo Krieg gemacht werden soll, werden immer gefakte Bilder unschuldiger Kinder in den Medien lanciert. Diesen Mist brauche ich auch nicht noch in Romanen zu lesen.

Jedem seine Meinung. Ich persönlich finde nicht, dass man das vergleichen kann, denn in unseren Romanen wird ja viel mehr präsentiert als das Bild des unschuldigen Kindes.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Coehoorn

#13
Zitat von: Sanjani am 07. November 2013, 14:50:01
Muss es unbedingt die Schaufel im Bauch sein, wo dann vielleicht überall Blut ist und die Eingeweide herausquellen? Oder könnte das Kind auch mit einem gebrochenen Genick daliegen? Kommt natürlich auch viel darauf an, welche Waffen verwendet werden. Bei Schaufel würde ich jetzt spontan denken, dass es sich um ungeschulte Fußsoldaten oder einen Mob handelt.

Blut und Eingeweide, das wäre mir dann doch zu weit gegangen. Ich denke unterm Strich ist das ein überaus sensibles Thema, bei dem man sehr leicht über die Stränge schlagen kann. Dein Gedanke ist aber völlig richtig und zeigt mir, dass die Schaufel die richtige Waffe ist. Es handelt sich um einen Mob der Unterschicht, die den größten Teil der Bevölkerung ausmacht.

Wir stimmen auf jeden Fall überein, dass es Details gibt, die man nicht schreiben brauch.
Einen aufgespießten Säugling, einfach nur als Mittel um Grausamkeit darzustellen, finde ich in jeder Hinsicht übertrieben.

Was das mit den Soldatensklaven bei Martin angeht, ich hab die Bücher nicht gelesen aber ist es da nicht so, dass lediglich erklärt wird, wie sie ihre Ausbildung abschließen es jedoch in der Geschichte selbst nicht passiert? Ich muss gestehen, dass ich nur die Serie gesehen hab.

Interessant wie gnadenlos die meisten hier mit fiktiven Charakteren umgehen  ;D

Churke

Zitat von: Sanjani am 07. November 2013, 16:56:56
Jedem seine Meinung. Ich persönlich finde nicht, dass man das vergleichen kann, denn in unseren Romanen wird ja viel mehr präsentiert als das Bild des unschuldigen Kindes.

Wurde in diesem Thread nicht vorgeschlagen, Kindern Gewalt anzutun, um den Leser emotional zu beeindrucken?
Wenn ich das nur unter diesem Aspekt mache, halte ich das für einen billigen Trick.