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LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt

Begonnen von Nachtblick, 23. Oktober 2013, 20:51:35

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Cairiel

So, jetzt bin ich ganz da. Entschuligt bitte, dass mein letzter Beitrag ein wenig schärfer klingt, ich musste mich kurz fassen.

Ich finde, dass sich die Situation von LGBTQ-Themen in der Fantasy in den letzten Jahren deutlich gebessert hat. In den letzten Publikumsverlagsbüchern, die ich gelesen habe - was bei den vielen tollen Zirklerbüchern zugegeben schon eine Zeit zurückliegt - gab es immer mal wieder v. a. schwule Figuren am Rande. "Das Lied von Eis und Feuer" z. B. oder auch "Der Name des Windes", in der völlig natürlich damit umgegangen wird, dass zwei Randfiguren zusammen sind. Es gibt auch eine Handvoll, in Publikumsverlagen erschienene Romane, in denen die Hauptfigur homosexuell ist (von den Büchern, die mir im Kopf herumschwirren, habe ich die Titel vergessen, aber es gibt sie). Und vor kurzem habe ich mitbekommen, dass ein heteroseuxeller Autor eine Geschichte mit zwei schwulen Hauptfiguren geschrieben hat - das ist als Normalzustand wünschenswert, natürlich, aber es ist eben kein Normalzustand und es hat mich ehrlichgesagt überrascht. Und ich musste beschämt feststellen, dass ich unbewusst davon ausgegangen bin, dass so ziemlich alle Geschichten mit schwulen Hauptfiguren entweder von Frauen oder LGBTQ-Menschen geschrieben werden.  ;D

Schade finde ich nur, dass man als Autor dann immer wieder zu hören bekommt, man hätte nur aus politischer Korrektheit LGBTQ-Menschen eingebaut, sofern deren Sexualität/Selbstwahrnehmung nicht die zentrale Rolle des Buches spielt.  :wums:  Das wurde hier schon öfter erwähnt, aber das kann man in meinen Augen gar nicht oft genug sagen. Es fühlt sich tatsächlich so an, als wären Menschen wie ich nur eine Modeerscheinung. Plötzlich aufgetaucht, weil es ja jetzt halbwegs akzeptiert und ein wenig weiter in die allgemeine Wahrnehmung gerückt ist.

Zitat von: SchneeleopardinMan will ja mit seinem eigenen ungewöhnlichen Hobby auch nicht, teilweise sogar lächerlich, nachgemacht werden. Das würde der Betroffene ebenso als Beleidigung empfinden und die Reaktion darauf wäre entsprechend. Aber das scheinen viele zu vergessen.
Dass der Vergleich hinkt, muss ich dir hoffentlich nicht sagen, oder?  ;D   Für ein Hobby kann man sich wenigstens noch bewusst entscheiden und alle damit verbundenen Konsequenzen freiwillig auf sich nehmen. (Klar wäre es gelinde gesagt schrecklich, wenn man mit seinem Hobby nicht akzeptiert wird, nur weil es ungewöhnlicher ist, aber at the end of the day bleibt es etwas, für das man sich aus freien Stücken entschieden hat.)

Zitat von: SchneeleopardinMir persönlich macht es nichts aus, was teilweise wohl auch daran liegt, dass meine Eltern da schon früh angefangen haben, mir und meiner Schwester zu erklären, dass dabei gar nichts schlimmes ist und sie auch hinter uns stehen würden, wenn Eine von uns jetzt lesbisch oder bisexuell wäre. Bei vielen anderen in unserem Alter (14 und 16) scheint das ja nicht der Fall zu sein. Bei uns wurde auch nie mit dem Finger auf jemanden gezeigt, der so ist – wenn man einen Menschen nicht mag, liegt es doch meist eher daran, was er tut oder wie er sich Gegenüber einem verhält.
Ich wünsche mehr Kindern Eltern wie die euren! Meine sind in der Hinsicht furchtbar. Ich weiß noch ganz genau, wie mein Vater mich als kleines Kind mal beiseite genommen hat und mir voller Verachtung eine Transfrau gezeigt hat. Mein jüngster Bruder wurde in der Schule gemobbt und mein Vater hat mir an den Kopf geworfen, dass ich daran schuld wäre, weil ich schwul bin (die Mitschüler meines Bruders kennen mich nicht und wohnen alle weit weg ...). Überhaupt war es mir lange Zeit verboten, das Wort "schwul" oder irgendetwas anderes, was mit LGBTQ zu tun hat, in der Nähe meiner Geschwister auch nur zu erwähnen, weil ich sie sonst ja anstecken könnte.  :wums:  Meine Mutter ist selbst bi und alles, was lesbisch ist, ist in Ordnung. Der Rest von LGBTQ ist es nicht. Aber zumindest scheint sich mein Vater langsam damit abzufinden, dass er mich nicht ändern kann, und immerhin überwiegt bei ihm seine Liebe zu mir über seine LGBTQ-Phobie, auch wenn wir ab und an noch aneinander geraten, weil er von Trans*-Menschen z. B. grundsätzlich mit den Pronomen ihres ursprünglichen körperlichen Geschlechts spricht. Ich hasse das. Ihm geht es so gut, weil er im richtigen Körper geboren wurde und noch dazu der Norm entspricht, der Hauptgruppe, die sich keine Sorgen darum machen muss, für das, was sie sind, totgeschlagen zu werden (so passiert in unserem Nachbardorf). Und statt sich seines Glücks, zumindest was die "richtiger Körper"-Sache betrifft, bewusst zu sein, macht er andere Menschen runter, die dieses "Glück" nicht hatten. (Ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine.  :versteck: )

Zitat von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 11:07:36
In Litauen, das in der EU ist, haben Transpersonen keinen rechtlichen Status, und die Selbstmordrate von Transpersonen beträgt an die 30%.
Darf ich - rein aus Interesse - fragen, woher du diese Zahl hast?
Um ehrlich zu sein glaube ich solchen Selbstmordratenzahlen generell nicht. Dafür ist es in viel zu vielen Fällen unklar, warum sich ein Mensch das Leben genommen hat. Gerade bei Transsexualität kann ich mir vorstellen, dass bei einem Menschen, der es noch nicht offen nach außen gezeigt hat, dass er im falschen Körper steckt, und sich dann umbringt, schnell nicht erfasst wird, warum dieser Mensch das getan hat. Vermutlich wird es von den wenigen Menschen, die davon gewusst haben, auch noch verschwiegen - sei es, weil sie nach dem Tod nichts mehr aufwirbeln wollen, oder weil sie ein Problem damit hatten, oder, oder, oder ... Nein, solchen Zahlen glaube ich nicht.

Zitat von: Veldrys am 24. Oktober 2013, 11:07:36
Einen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.
Gerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".

HauntingWitch

Zitat von: Churke am 24. Oktober 2013, 11:41:42
Es ist Mode in unserer egozentrierten Wohlstandsgesellschaft, die gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung als alleiniges Lebensziel zu proklamieren.
Das kann man in die Literatur mitnehmen - um den Preis, andere Themen in den Hintergrund zu schreiben.

Was hat denn das bitte mit dem Thema zu tun? Es ist keine Mode, es ist ein natürliches, legitimes, menschliches Bedürfnis seine Sexualität offen ausleben zu wollen. Man entscheidet sich nicht einfach dazu, weil es gerade ,,im Trend liegt" (was es nicht tut, weil Natur keine Trenderscheinung ist, aber egal). Man ist es oder nicht, so wie die Schöpfung einen nun einmal geformt hat. Ganz genau wie man Europäer, Afrikaner oder Chinese ist oder nicht. Genauso wie man entweder Träumer oder Realist, dieses oder jenes Sternzeichen ist oder nicht. Das ist kein Kleidungsstück das man sich anzieht, das ist einem natürlicherweise gegeben und es ist traurig, dass es noch immer so viele Menschen gibt, die das nicht verstehen wollen.
So Punkt, sonst steigere ich mich noch in Wut.

Zum Thema selbst, erst einmal danke Nachtblick für den spannenden Thread. Ich finde das durchaus interessant und kann als jemand der sich da noch nicht soo auskennt bestimmt einiges davon mitnehmen. ;) Ich möchte demnächst auch anfangen, mir entsprechende Romane zu Gemüte zu führen.

Was meine eigenen Geschichten betrifft, geht es mir ähnlich wie Rhiannon. Zwar habe ich bei meinem Erstling einen Protagonisten, der bisexuell ist und auch eine Beziehung mit einem anderen Jungen hat. Ich hoffe, das ist mir gelungen, ich denke, es ist nicht allzu schlecht. Mühe bereitete mir das Schreiben nicht, im Gegenteil, es hat mir Spass gemacht. Um es ,,richtig" darzustellen denke ich, benötigt es sicher Auseinandersetzung mit der Thematik und ein gewisses Interesse daran. Erfahrung? Beschränkt sich bei mir auf sehr, sehr wenige Menschen, die ich im Laufe meines Lebens getroffen und mit denen ich gesprochen habe. Deshalb bin ich bisher noch nicht weiter über diese Romanpassage (die doch recht lang ist) hinausgegangen. Wobei ich jetzt natürlich auch keine Ahnung habe, wie das letztlich tatsächlich rüberkommt.

Ein völlig anderer Aspekt, der bei mir auch zum Tragen kommt, ist, dass meine Charaktere sich sehr intuitiv entwickeln. Sie kommen quasi, wie sie kommen, genau wie meine Plots. Ich kann also gar nicht festlegen, der ist jetzt homosexuell (oder was auch immer ;)), sondern er ist es oder nicht. Die meisten sind es nicht. Nicht wegen einer Abneigung meinerseits, sondern weil es nicht so kommt. Vielleicht fehlt mir aber auch ein gewisser Zugang, weil ich selbst hetero bin und das besser kenne und daher wie automatisch eher darauf zusteuere? Bezogen auf Musik z.B. schreibe ich ja auch nie über Protagonisten, die z.B. HipHop hören. Ich ordne ihnen immer Musik zu, die ich selbst zumindest ansatzweise kenne. Einfach, weil ich da einen besseren Zugang dazu habe. Das ist aber nicht willkürlich, das passiert.

Und das waren auch schon meine 5 Cents, denn mehr weiss ich schlicht nicht. Dann werde ich mal gespannt die anderen Beiträge weiterverfolgen. :)

@Schneeleopardin und Cairiel: Meine Eltern sind auch homophob, vor allem mein Vater. Er hält es für unnatürlich. ::) Und man kann ihnen auch nicht gut zureden, sie gehen einfach nicht darauf ein. Dabei habe ich von ihnen einst noch Toleranz gelernt. Traurig.

Veldrys

Zitat von: Cairiel am 24. Oktober 2013, 16:01:45
Darf ich - rein aus Interesse - fragen, woher du diese Zahl hast?
Um ehrlich zu sein glaube ich solchen Selbstmordratenzahlen generell nicht. Dafür ist es in viel zu vielen Fällen unklar, warum sich ein Mensch das Leben genommen hat. Gerade bei Transsexualität kann ich mir vorstellen, dass bei einem Menschen, der es noch nicht offen nach außen gezeigt hat, dass er im falschen Körper steckt, und sich dann umbringt, schnell nicht erfasst wird, warum dieser Mensch das getan hat. Vermutlich wird es von den wenigen Menschen, die davon gewusst haben, auch noch verschwiegen - sei es, weil sie nach dem Tod nichts mehr aufwirbeln wollen, oder weil sie ein Problem damit hatten, oder, oder, oder ... Nein, solchen Zahlen glaube ich nicht.

Auf diversen Seiten, die sich mit Transsexualität befassen, findet man solche Zahlen. Auch wenn du zum Beispiel in Google "suicide rate of transsexuals" oder Ähnliches eingibt, spuckt dieser immer irgend eine hohe Zahl aus. Wie du aber geschrieben hast, bei einem transsexuellen Menschen, der noch nicht geoutet war, ist es wahrscheinlich schwer, die wahre Selbstmordursache zu ermitteln, da diese eventuell totgeschwiegen wird. Man sollte wahrscheinlich einmal recherchieren, woher diese Internetseiten ihre Informationen haben.

ZitatGerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".

Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nichts von den vielen schwulen Figuren und Mädels, die auf Schwule abfahren gemerkt habe. Ich bin nicht sonderlich an Animes und Mangas interessiert.

Franziska

ZitatGerade im Anime-/Manga-Bereich sind viele Mädels unterwegs, die sehr auf Schwule abfahren ... Wie lange das schon der Fall ist, kann ich aber nicht sagen, und ich habe den Eindruck, dass nur wenige von denen auf Bücher "überschwappen".

Einen Trend sehe ich da nicht, im Gegenteil. Das ganze fing wohl so vor fünfzehn Jahren oder früher tatsächlich mit den Mangas an. Früher war ich recht viel in speziellen Archiven dabei, aber die meisten gibt es inzwischen nicht mehr. Mangas lese ich schon lange nicht mehr. Eigentlich sind doch fast alle Verlage die Gay Romance veröffentlichen auf ein weibliches Zielpublikjum ausgelegt. Die Betonung liegt auf Romance. Und auch fast alle Autoren in dem Genre sind Frauen. Ich habe das Gefühl, dass immer merh Autorinnen, die früher nur im Internet veröffentlicht haben jetzt bei Verlagen erscheinen oder Selfpublishing machen, um auch was daran zu verdienen und mehr Leser zu erreichen. Ich habe es auch gemacht und habe das Gefühl, Leser suchen verzweifelt nach guten Büchern, deshalb lesen wohl auch so viele auf Englisch.

@Kati: wie ich im restlichen Post sagte: ich sehe es genauso wie du. Solche Regale in Buchhandlungen oder Bibliotheken finde ich schwachsinnig. Außerdem wird kaum ein ungeouteter Schwuler sich vors Schwule Regal in der Bib stellen. ::) Dagegen finde ich es durchaus sinnvoll, dass es Genreverlage gibt. Bei Amazon kann man Bücher in mehrere Kategorien einordnen.

Kati

Zitat von: FranziskaEigentlich sind doch fast alle Verlage die Gay Romance veröffentlichen auf ein weibliches Zielpublikjum ausgelegt. Die Betonung liegt auf Romance.

Das ist genau das Problem, das ich mit der Sache sehe. Viele Gay Romances sind auf heterosexuelle weibliche Leser ausgelegt und haben großteils auch nicht den Anspruch, LGBTQ-Leuten zu gefallen oder sie realistisch darzustellen. Ich sage nicht, dass das für jedes Buch gilt, es gibt sicherlich ganz tolle, genauso wie es grottenschlechte gibt, aber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten. Das ist keinesfalls böse gemeint, ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine? Da wird mit zweierlei Maß gemessen und irgendwie gefällt mir das nicht. In Fiktion wird es angenommen, von einigen Lesern sogar explizit gewünscht, aber in der Realität kümmern sich die wenigsten Leser aktiv darum, dass es gesellschaftlich mal vorwärts geht. Und das meinte ich mit dem Vergleich zu Vampiren und anderen Fabelwesen: Besonders männliche Homosexualität wird als literarisches Genre immer salonfähiger, aber trotzdem gibt es noch eine breite Wand aus Ablehnung aus der Gesellschaft gegen Homosexualität im wahren Leben. Das ist nicht immer latente Homophobie, aber eben dieses gewisse Unbehagen, was sehr viele Menschen immer noch mit LGBTQ in Verbindung bringen.

Zitat von: FranziskaDagegen finde ich es durchaus sinnvoll, dass es Genreverlage gibt. Bei Amazon kann man Bücher in mehrere Kategorien einordnen.

Ich glaube, der Unterschied ist, dass es mir bei Liebesgeschichten einfach total egal ist, ob zwei Männer, zwei Frauen, Mann und Frau oder noch andere Konstellationen. Mir ist wichtig, dass die Beziehung überzeugend geschrieben ist. Wenn man natürlich explizit das eine lesen will und das andere auf keinen Fall, ist es sicherlich schon sinnvoll im Genre Romance und Erotik zu trennen, da hast du völlig Recht. Mir ging es nur darum klarzustellen, dass Bücher, in denen die Liebesgeschichte einer anderen Handlung untergeordnet ist, meiner Meinung nach eben nicht in diese Nischenverlage und Regale gehören. :) Weil du ja sagtest, du fändest es merkwürdig dem Leser vorzuenthalten, dass LGBT-Figuren vorkommen. Ich denke, dass wollte hier keiner so ausdrücken und ist auch nicht Ziel der Sache. Allerdings könnte man da wieder nachhaken und sagen: Mir wird als LGBTQ-Person ja auch vorenthalten, dass in dem Buch heterosexuelle Paare vorkommen, dass steht ja auch nirgendwo explizit drauf.

Und das ist wieder diese Erwartenshaltung von "Norm" und "alles andere". Warum muss gelabelt werden, dass meinetwegen eine lesbische Liebesbeziehung vorkommt, aber es muss einfach hingenommen werden, wenn eine heterosexuelle Beziehung vorkommt? Da warnt mich ja auch keiner vor, das muss ich dann so hinnehmen. Weil hetero normal ist? Das finde ich nicht so toll, um ehrlich zu sein. Ich spreche jetzt wirklich nur von Geschichten, in denen die Liebesgeschichte nur die zweite Geige spielt, bei Romance und besonders Erotik ist das ja nochmal eine andere Sache. Deshalb finde ich es albern alles, was auch nur im entferntesten eine Liebesbeziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Figuren beinhaltet so zu labeln, obwohl eigentlich eine ganz andere Geschichte im Vordergrund steht. Kann man das heterosexuellen Lesern nicht zutrauen? Aber wieso zwingt man dann den LGBTQ-Leuten, die vielleicht eine Minderheit sind, aber trotzdem eine ganze Menge, regelrecht heterosexuelle Liebesgeschichten auf, da wird ja auch keine Rücksicht genommen?

Das sind alles nur mal ein paar verworrene Gedanken, mich würde interessieren, was andere darüber denken. Ich hoffe, es kommt überhaupt raus, was ich meine.

Maja

Zitataber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten.
Dass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen, liegt sicher nicht in den Händen der Autoren von Gay Romances - jedenfalls nicht mehr als in denen von anderen Wählern. Da sagt sicher keiner "Ich mache euch zu Romanhelden, aber ätschibätsch, in echt dürft ihr nicht heiraten". Ich glaube auch nicht, dass Kati das gemeint hat, aber es klingt schon ein bisschen so. Autoren, die mit homosexuellen Figuren arbeiten, tun das sicher nicht nur, damit die als Unterhaltung dienen, sondern es gibt auch Autoren, die ein Bewusstsein erschaffen wollen.

Ich denke, gerade wir als Fantasyautoren haben viele Möglichkeiten, dieses Thema zu normalisieren. Es hängt natürlich vom Setting ab - in einem Urban Fantasy-Roman, der 1922 spielt, ist ein schwules Paar Unterdrückung und Verfolgung ausgesetzt, das gibt die Epoche leider so vor, und wir dürfen es nicht unter den Tisch fallen lassen. Aber was ist mit High-Fantasywerken, die in unseren eigenen Welten spielen, in Gesellschaften, die wir selbst erschaffen haben? Müssen unsere Schwulren dann auch verfolgt, bedroht, ermordet werden? Dann tun wir ja quasi als Autoren so, als ob das der Status Quo ist, völlig normal, man hat ja immer schon Schwule geklatscht ... Und selbst wenn unsere Welten pseudomittelalterlich sind - es sind unsere Welten, wir schreiben keine historischen Romane, wir arbeiten mit unseren eigenen Religionen und Dogmen und können selbst entscheiden, wen wir klatschen und wen nicht. Ich bin schon in verschiedenen Fantasyromanen homosexuellen Figuren begegnet, die immer mit ihrer Sexualität haderten, immer verfolgt wurden, und in denen das Schwulsein des wesentliche Problem darstellte - und sowas nervt mich. Das reduziert am Ende die Figuren auf ihre Sexualität, und mit Berufsschwulen ist doch auch niemandem geholfen.

Ich arbeite lieber mit Welten, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen genauso unverkrampft behandelt werden wie heterosexuelle - auch wenn es immer noch Situationen gibt, in denen sich daraus Probleme für die Helden ergeben. In meiner »Fälscher«-Trilogie macht der Krieger Lorcan ein Geheimnis daraus, dass er schwul ist, nicht, weil das nicht erlaubt wäre, aber weil er ein Steinerner Wächter ist und er damit nicht nur den stahlharten Kerl markieren muss, sondnern vor allem gegen jede Regung des Herzens und alle Verführungskünste immun zu sein hat. Und selbst später, als er "nur" noch Leibwache des Prinzen ist, hält er mit seinen Gefühlen hinter dem Berg - muss ja nicht jeder wissen, dass er ausgerechnet in den Prinzen verschossen ist.

Halan und Alexander aus den "Chroniken der Elomaran", mein erstes schwules Paar überhaupt (nicht meine ersten schwulen Figuren, aber alles, was ich vorher geschrieben habe, war tendenziell asexuell, so dass sich die Frage nicht wirklich ergeben hat) müssen ihre Beziehung geheimhalten, weil sie Onkel und Neffe sind und Blutsschande auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht erlaubt ist (obwohl das Inzucht- Risiko bei Null liegt). Und meine Elfen in »Schattenklingen« schlafen so selbstverständlich mit Männern und Frauen, dass Hochelf Landras mit einiger Verwirrung darauf reagiert, dass Stadtelf Kael tatsächlich nur an Männern interessiert ist - irgendjemanden nicht zu lieben, nur weil er das falsche Geschlecht hat, ist für ihn unvorstellbar. Das hat er von mir. Monosexualität ist die größte Art von Sexismus, die ich mir vorstellen kann. Und es ist sicher ein lieb gemeinter Korb, wenn man mir sagt: »Ich habe dich ja total gern, aber ich stehe einfach nicht auf Frauen« - heißt das, wenn ich ein Kerl wäre, wär das was geworden? Sexuelle Diskriminierung!

Was ich immer noch nicht verstehen kann, ist, wie erwachsene Autoren sagen können: »Ich kann mir einen schwulen/lesbischen/bisexuellen Charakter nicht vorstellen.« Klammert man den eigentlichen Geschlechtsakt mal aus - der natürlich Techniken beinhalten kann, die man nicht kennt - was ist daran so schwer? Ich treffe eine tolle Frau. Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Mir klappen die Beine weg. Ich bringe keinen Ton mehr raus. Mein Sonnengeflecht ist strömend warm. Ich storrere und schwitze. Es ist genau das gleiche Gefühl, als wenn es mir mit einem Mann passieren würde. Liebe ist universell. Wer sich die Liebe vorstellen kann (deswegen beziehe ich mich extea auf erwachsene Autoren - als ich vierzehn war, habe ich zwar schon geschrieben, aber ich konnte mir nicht vorstelle, jemals verliebt zu sein, und erst recht nicht in einen Jungen), der kann sich die Liebe vorstellen, egal zwischen wem.

Deswegen brauche ich auch keine Anleitung "So schreibe ich einen lesbischen Charakter". Noch nicht mal mit der Einschränkung "Butch". Es gibt nicht DIE Lesbe, DEN Schwulen, DEN Bisexuellen. Es gibt nur eine Reihe von Individueen, die neben tausend verschiedenen Eigenschaften zufällig auch eine sexuelle Orientierung haben. Wenn man da nach Schema F vorgeht (»Aber in der Beschreibung steht doch ...«), dann ist man wieder bei den Berufsschwulen angekommen, die auch wieder nur eine Spielart des Quotenschwulen sind.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kati

#21
Zitat von: MajaDass gleichgeschlechtliche Paare nicht heiraten dürfen, liegt sicher nicht in den Händen der Autoren von Gay Romances - jedenfalls nicht mehr als in denen von anderen Wählern. Da sagt sicher keiner "Ich mache euch zu Romanhelden, aber ätschibätsch, in echt dürft ihr nicht heiraten". Ich glaube auch nicht, dass Kati das gemeint hat, aber es klingt schon ein bisschen so. Autoren, die mit homosexuellen Figuren arbeiten, tun das sicher nicht nur, damit die als Unterhaltung dienen, sondern es gibt auch Autoren, die ein Bewusstsein erschaffen wollen.

Das habe ich natürlich auf keinen Fall gemeint. Deshalb sage ich ja auch, ich drücke mich manchmal etwas ungenau aus, das tut mir Leid. Ich hatte ja auch gesagt: Es gibt solche und solche, gibt es immer. Aber ganz generell betrachtet sind das Romane für weibliche Leser, meist heterosexuell, über LGBTQ-Figuren, nicht FÜR LGBTQ-Leser und nicht zur Represäntation gedacht, sondern zur Unterhaltung. Ich meinte hier keinesfalls die Haltung der AutorInnen, sondern viel eher die Leser. Ich weiß, dass es viele Leser gibt, die sehr aktiv versuchen, etwas zu ändern. Es gibt aber auch einen ganzen Haufen von positiver Diskrimination, unter den Lesern und den Autoren. "Ich finde Schwule süß" zum Beispiel ist so ein Spruch, der da oft fällt und das meinte ich. Dieses Festnageln auf das Schwulsein, ohne mal zu überlegen, dass dahinter ein Mensch wie jeder andere steckt. Mehr meinte ich damit auch gar nicht, ich will auf keinen Fall sagen, dass diese Diskrimination mit Absicht passiert, es wirkt auf mich viel eher immer sehr, sehr unüberlegt. Als hätte die Person nicht weitergedacht, gar nicht darüber nachgedacht, dass es auch eine Form von Diskriminierung ist jemanden wegen seiner Sexualität für süß, putzig, sensibel, schwach, etc. zu halten, ohne die eigentliche Person überhaupt zu kennen. Ich verzettel mich hier schon wieder, aber ich hoffe, diesmal wird deutlicher, was ich meinte. :)

Was den Rest angeht... einfach nur :jau:. Das möchte ich einfach nur unterschreiben, genau so, wie es da steht.

Zitat von: MajaEs gibt nicht DIE Lesbe, DEN Schwulen, DEN Bisexuellen. Es gibt nur eine Reihe von Individueen, die neben tausend verschiedenen Eigenschaften zufällig auch eine sexuelle Orientierung haben.

Das ist genau das, worauf ich hinaus will und weshalb mich dieses Runterbrechen auf Sex und Sexualität in Romanen so stört, als gäbe es an der Figur nichts anderes. Ich habe dabei an Bücher wie "Evermore" von Alyson Noel gedacht, das stellvertretend für viele andere Jugendromane steht: Es gibt einen besten schwulen Freund, aber für die Handlung ist der nicht wichtig, er ist einfach da. Was man von ihm erfährt ist, dass er schwul ist, ständig einen neuen Freund hat und eben ein bisschen schrill ist. Das totale Klischee eben, runtergebrochen auf seine Sexualität und ansonsten als Figur im Roman zu nichts anderem zu gebrauchen. Und sowas hasse ich. Das meinte ich.

Franziska

Zitat von Kati:
ZitatDas ist genau das Problem, das ich mit der Sache sehe. Viele Gay Romances sind auf heterosexuelle weibliche Leser ausgelegt und haben großteils auch nicht den Anspruch, LGBTQ-Leuten zu gefallen oder sie realistisch darzustellen. Ich sage nicht, dass das für jedes Buch gilt, es gibt sicherlich ganz tolle, genauso wie es grottenschlechte gibt, aber ich habe ein Problem damit, dass in vielen modernen, westlichen Ländern Homosexuelle noch immer nicht heiraten dürfen, aber in Romance und Erotikromanen für heterosexuelle Frauen dürfen sie vorkommen, da dürfen sie zur Unterhaltung herhalten. Das ist keinesfalls böse gemeint, ich hoffe, ihr versteht, wie ich das meine? Da wird mit zweierlei Maß gemessen und irgendwie gefällt mir das nicht. In Fiktion wird es angenommen, von einigen Lesern sogar explizit gewünscht, aber in der Realität kümmern sich die wenigsten Leser aktiv darum, dass es gesellschaftlich mal vorwärts geht. Und das meinte ich mit dem Vergleich zu Vampiren und anderen Fabelwesen: Besonders männliche Homosexualität wird als literarisches Genre immer salonfähiger, aber trotzdem gibt es noch eine breite Wand aus Ablehnung aus der Gesellschaft gegen Homosexualität im wahren Leben. Das ist nicht immer latente Homophobie, aber eben dieses gewisse Unbehagen, was sehr viele Menschen immer noch mit LGBTQ in Verbindung bringen.

Also ehrlich gesagt verstehe ich immer noch nicht genau, was du meinst. Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir nicht möchten, dass Figuren klischeehaft und eindimensional dargestellt werden. Dein Beispiel einer Klishehaften schwulen Figur, das ist nicht das was wir wollen. Aber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren. Ich glaube, die Leute, die gerne über das Thema lesen und auch schreibe, sind sich sehr wohl bewusst, dass die Situation rechtlich gesehen verbessert werden könnte. Ich weiß nicht, vielleicht lesen wir grundsätzlich unterschiedliche Texte, also weiß ich nicht, was du gelesen hast. Die Texte von Autorinnen, die ich lese, die mir gefallen, da ist Diskriminierung sehr häufig ein Thema. Es geht doch gar nicht, dass man sich nicht damit auseinander setzt. Dass gerade in Romancens, die ich selbst ziemlich selten lese, alles immer rosig dargestellt wird, das ist nun mal so. Das macht das Genre aus.

Was ich persönlich gerne mehr lesen und sehen würde sin Texte und Filme, in denen die Sexualität der Figuren selbstverständlich ist. So lange mussten die LGBT-Figuren am Ende entweder sterben oder unglücklich sein. Jetzt ist es entweder Romance gleich alles Happy End oder "Problembuch/Film" wo es wieder tragisch  endet. Natürlich gibt es Beispiele, wo das nicht so ist, und das gefällt mir persönlich am besten. Ich weiß nicht, wie es bei Literatur heißt, bei Filmen wird es als New Queer Cinema bezeichnet. Davon würde ich gerne mehr sehen und lesen.

Tanrien

#23
Zitat von: Franziska am 24. Oktober 2013, 19:35:03
Ich denke, wir sind uns darin einig, dass wir nicht möchten, dass Figuren klischeehaft und eindimensional dargestellt werden. Dein Beispiel einer Klishehaften schwulen Figur, das ist nicht das was wir wollen. Aber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren.

Ich kenne das Problem der Gay Romances "nur" in der Fetischisierung von schwulen Männern und schwulem Sex. Standardgegenargumente da im Bereich der slash fanfiction sind, dass ein Großteil der Leser eben nicht heterosexuell sind, dass es durch Charakterforkussierung nicht vergleichbar mit der Porno-Fetischisierung von Lesben ist, und dass durch den kulturellen Einfluss der männliche Körper eher als "blank state" funktioniert - ein (cis) weiblicher körper ist immer ein weiblicher körper und das Bewusstsein bleibt immer da, während ein männlicher Körper nicht mit so vielen Normen, Einflüssen und Restriktionen im Denken vorbelastet ist und die Möglichkeit bietet, sich auch mal aus den Einschränkungen, die dem weiblichen Körper gesellschaftlich auferlegt sind, zu lösen.
Allerdings sind das echt Argumente, die außer dem letzten eher bei slash fanfiction greifen. Bei Gay Romances kenne ich mich nicht genug aus.

Kati

#24
ZitatAber irgendwie klingt es jetzt so, als dürften Leute nur über schwule Figuren lesen, wenn sie gleichzeitig eine politische Kampagne organisieren.

Das habe ich jetzt wirklich nicht gesagt. Ich versuche es kurz: Wenn man über das Thema gerne liest, sollte man sich bewusst sein,  dass es ein wichtiges Thema ist, kein neuer literarischer Trend. Und ich weiß ja, dass das vielen klar ist, aber genauso vielen eben nicht. Wenn man über das Thema schreiben möchte, sollte man sich immer darüber klar sein, dass man nicht über obskure Fabelwesen wie Vampire schreibt, sondern über Menschen und das sind sich wirklich nicht alle. Was mir daran am wichtigsten ist und was ich jetzt wirklich oft genug gesagt habe, ist: Ich finde es unmöglich ÜBER eine Gruppe von Menschen zu schreiben, aber nicht gleichzeitig FÜR diese Gruppe. Ganz viel, was so durch's Internet schwirrt und auch verlegt wird, handelt VON LGBTQ-Menschen, ist aber FÜR "normale" Leser, spricht meist heterosexuelle Frauen. Das ist auch schön und gut. Aber es ist voller Klischees, falscher anatomischer Vorstellungen, solche Dinge. Es ist nicht FÜR LGBTQ-Leute.

Es muss doch möglich sein, auch als heterosexuelle Frau oder als heterosexueller Mann oder als sonst irgendwer, über LGBTQ-Figuren so zu schreiben, dass sich heterosexuelle Leser genauso wie LGBTQ-Leser angesprochen fühlen. Ich weiß, dass es viele Bücher gibt, in denen das gut gelingt, ich habe nicht behauptet, dass das niemals der Fall sein kann. Aber es gibt auch einen Haufen Romane, in denen LGBTQ-Figuren immer noch zur lustigen Requisite verkommen. Du schreibst ja selbst, sowas willst du nicht lesen, also sehe ich nicht, wo gerade das Problem liegt? Es geht mir doch nur darum, dass endlich die LGBTQ-Menschen auch als Zielgruppe von Mainstream-Literatur betrachtet werden und nicht nur als Handlungsbestandteil mit heterosexuellen Lesern im Kopf.

EDIT: Ich spreche hier wirklich nur von Romanen an sich, nicht explizit von Romance oder Erotik, damit habe ich nicht so viel am Hut. Die von Tanrien angesprochene Fetischisierung finde ich auch ein wichtiges Thema, aber dazu sage ich lieber nichts, dafür lese ich in dem Genre nicht genug, ich sehe es nur auf Seiten wie Tumblr, dass das Problem nicht aus der Luft gegriffen ist.

Melenis

Ich selbst bin ein sehr offener Mensch und hinterfrage mich diesbezüglich auch immer wieder, was man, meiner Meinung nach, sowieso immer tun sollte.

Ich denke einfach, die Welt ist ein so bunter, vielfältiger Planet, und genauso sind es Menschen auch - warum sollte ich diese Vielfalt in meinen Romanen auf ein Minimum reduzieren? Vielleicht tendiere ich eher dazu, zu bunt zu mixen; in meinem aktuellen Projekt ist eine wichtige Nebenfigur Grieche und asexuell, außerdem ist er knapp über vierzig und mit einer jungen Frau zusammen (Hauptfigur), die Afro-Amerikanerin ist und unter Depression leidet, ein Hauptprotagonist ist bisexuell und mexikanischer Herkunft und kommt später mit einem schwulen Mann, der selbst aus dem persischen Reich stammt (kommt aus der Vergangenheit  ;D) zusammen.  Die letzte Hauptfigur ist zwar heterosexuell, steht aber vor allem auf dickere Frauen. Und genauso könnte ich mit meinen anderen Projekten fortfahren, indem ein Trans-Werwolf auftaucht, oder z.B. ein Mann, der sich in ein Alien verliebt, das nicht mal im Ansatz menschenähnlich ist.

Und ganz wichtig: Bis auf die Alien-Menschen Romanze, die essentiell für den Plot ist, wird die Orientierung/Lebensweise der Personen nicht diskutiert oder ist gar Thema des Plots. Ich brauche keinen Grund, warum eine Person so oder so ist, ich dachte nämlich zuerst auch darüber nach, meine bisexuelle Hauptfigur zu einem Mädchen umzuwandeln, das dann eben heterosexuell ist und hätte damit automatisch den Partner ebenso von homo- auf heterosexuell ändern müssen. Warum ich darüber nachgedacht habe? Weil ich glaubte, damit sinken meine Chancen auf eine Veröffentlichung.
Aber mittlerweile ist es mir egal, weil ich denke, man kann eine schwule Beziehung genauso romantisch/echt/spannend erzählen wie eine hetero-Beziehung, ohne dass die beiden Männer ständig im Bett landen müssen. (Dabei ist die Hauptfigur nicht sehr sexuell aktiv, während mein heterosexueller Protagonist von einer Frau zur nächsten hüpft.) Und wenn die Verlage den Roman nicht so herausbringen wollen, ihre Schuld  ;D

Mir fällt es selbst schwer, mich genau einzuordnen und würde mich am ehesten als bisexuell bezeichnen und lebe relativ offen damit, wer mich fragt, bekommt eine ehrliche Antwort. Aber vielen geht es nicht so, und viele Personen, die wegen ihres Geschlechts/ ihrer Orientierung unsicher sind, wollen sicher nicht wissen, dass es zwar Bücher für sie gibt, aber die verstauben in einem Bücherregal, an dem gut lesbar drauf steht, dass sie anders sind als andere und deshalb ein eigenes Regal brauchen. Wenn es erotische Literatur ist, verstehe ich das, aber bei normalen Romanen, in denen die Beziehung nur eine untergeordnete Rolle spielt?

Mich stimmt es traurig, dass wir zwar bereits über Technik verfügen, ins All fliegen zu können und eine riesige, virtuelle Welt erschaffen haben, aber noch immer Probleme damit haben, Menschen so zu akzeptieren, wie sie geboren worden sind. Dabei gibt es LGBT Leute nicht erst seit gestern, auch wenn das erstaunlicherweise noch viele glauben (meinen Vater eingeschlossen  :hand:).

Andererseits bewegt sich etwas, und wenn nur langsam, aber es tut sich etwas. Macklemore, ein bekannter Rapper, hat einen Song über Homosexuelle geschrieben ("Same Love") der in den amerikanischen und deutschen Charts weit oben war/ist, und wie bereits erwähnt, gibt es in vielen Serien mittlerweile Schwule und Lesben. Am meisten überrascht hat es mich in Spartacus, einer recht brutalen Serie, die sicher in erster Linie auf männliche Zuschauer abzielt, und dort werden die beiden schwulen Männer so klasse dargestellt, dass man nur merkt, dass sie schwul sind, wenn sie zusammen sind  :-* Es gibt sogar relativ explizite Sexszenen und viele Kussszenen, aber außerhalb dieser Szenen wird ihre Orientierung nie thematisiert, und beide sind gute Gladiatoren, werden also nicht anders als die anderen Kämpfer dargestellt.

Das sind so Dinge, die mir Mut machen, aber leider muss man sich nur die Kommentare auf Youtube ansehen oder sich in seinem Bekanntenkreis umsehen um zu verstehen, warum Literatur mit LGBT Figuren immer noch in eine Nische gesteckt werden...

Edit: So viele neue Beiträge, während ich meinen getippt habe, also soviel dazu: Ich stimme Majas und Katis Beiträgen 100% zu  ;D


Grüßle  :winke:

Maja

Ich habe gerade mal rekonstruiert: Meinen ersten Roman mit schwulen Protagonisten habe ich 1993 gelesen. Das war "Himmelblau" von Joe Keenan, dem der Heyne-Verlag den Untertitel "Ein schriller Roman" gegeben hat - ich vermute, es war ein Versuch, das Wort "queer" zu übersetzen, aber in jedem Fall ist es typisch für eine Epoche, in dem schwul gleich schrill war und man im Fernsehen vielleicht mal eine total aufgemotzte Tucke zu sehen bekam. Aus dem Klappentext ging jedenfalls nicht hervor, dass die Hauptpersonen schwul sind, und das war mir auch eigentlich ziemlich schnurz. Aber ich hatte nach der Beschreibung "schrill" ein verrücktes, abgedrehtes Buch erwartet, eine wilde Satire, und statt dessen bekam ich ein letztlich ziemlich ruhiges, realistisches und nur bedingt witziges Buch. Es war nett, aber nicht das, was ich erwartet hätte. Schrill und schwul waren jedenfalls damals für mich keine Synonyme, und heute sind sie es immer noch nicht.

Ebenfalls Mitte der Neunziger hatte ich in Diane Duanas "Tür ins Feuer" die ersten homosexuellen Fantasyfiguren, und das in einem Setting, wo es tatsächlich nicht groß thematisiert wurde. Die Welt war so aufgebaut, dass zwar jeder Mann verpflichtet war, mit einer Frau ein Kind zu bekommen, aber ansonsten tun, lassen und lieben konnte, wie es ihm gerade gefiel, und das war ein sehr schön unaufgeregtes Buch, das ohne Klischees auskam - es ging also auch damals schon. Hat sich in den letzten zwanzig Jahren wirklich so viel getan, wie wir jetzt denken? Ich habe das Gefühl, es ist schon so. Aber wir haben trotzdem noch einen weiten Weg vor uns.

Lesbische Bücher sind mir bis jetzt deutlich weniger untergekommen - ich habe "Rubinroter Dschungel" von Rita Mae Brown gelesen, aber ich fand es extrem verbissen. Ich hätte mir etwas mehr Erotik gewüscht, aber auch wenn Sex zwischen Frauen eine große Rolle in dem Buch spielt, wollte die Autorin vielleicht von für Männer produzierten Lesbenpornos abgrenzen und verhindern, dass irgend ein Kerl ihr Buch zur sexuellen Stimulierung nutzen könnte, und darum bin ich noch nie in einem Buch mit so viel Sex derart abgetörnt worden. Natürlich, das ist ein ernstes Buch und keine Wichsvorlage, aber ich hätte mich gefreut, wenn es mir etwas mehr das Gefühl vermittelt hätte, dass es um etwas Schönes geht.

Ich tue mich auch immer schwer mit den Aussagen, dass Homosexuelle so geboren werden - nicht, weil ich das nicht glauben würde, aber weil es so entschuldigend klingt, als wäre die sexuelle Orientierung ein Gendefekt, mit dem man nur mal lebt, ich hab mir das nicht ausgesucht, ich wurde so geboren ... Ehrlich, ich habe keine Ahnung, ob ich bei meiner Geburt bisexuell war. Ich war klein und schrumpelig und gelb und völlig asexuell, was das betrifft. Es gibt keine schwulen, lesbischen, heterosexuellen Babies. Es gibt Babies, und ich denke, Babies sind grundsätzlich erst einmal bereit, jeden zu lieben. Das kristallisiert sich irgendwann heraus, üblicherweise, wenn man sich das erste Mal verliebt - ist das nicht früh genug? Ich weiß, dass das Argument "Ich wurde so geboren" gebraucht wird, um Arschlöchern zu begegnen, die jeden Schwulen gleich umerziehen wollen, und die sagen "Du hast nur nie die richtige Frau getroffen" - so wie ja auch immer noch viele denken, eine Frau wird lesbisch, weil die die falschen Erfahrungen mit Männern gemacht hat - und als nächstes gegen die Wissenschaftler hin und weisen nach, dass es tatsächlich eine genetische Komponente gibt, und auf einmal ist Schwulsein eine Erbkrankheit, und Eltern lassen ihre Embryonen per Präimplantationsdiagnostik darauf überprüfen, dass sie bloß keine homosexuellen Kinder bekommen. Da ist das gerade als Krankheitsbild aus dem ICD 10 getilgt worden, da machen ausgerechnet die Betroffnen selbst es wieder dazu. Als ob man sich sonst dafür entschuldigen müsste!

Ich bin von meinen Eltern nie nennenswert über Schwule und Lesben aufgeklärt worden - es war nichts, was irgendjemnd bei uns im Haus hätte thematisieren müssen. Ich war elf Jahre alt oder so, als meine Freundin Conny und ich uns beim Versteckspielen hinter die gleiche Ecke drückten, und ich kam offenbar zu nah an Conny heran, und sie schob mich weg und sagte: »Sonst sind wir doch schwul«. Und ich musste zu meiner Mutter gehen und mir das Wort erklären lassen. Sie sagte: »Das sagt man zu Männern, die Männer lieben«, und ich kam zu dem Schluss, dass Conny offenbar auch nicht wusste, was das Wort bedeutet, denn wir waren ja keine Männer, und außerdem hatte sie das Wort benutzt, als wäre das was Negatives.

Ähnlich entspannt hat meine Mutter reagiert, als wir beim Spielen am Bach unter der Brücke ein Magazin mit nackten Männern gefunden haben. Ich habe meiner Mutter ganz begeistert davon erzählt - nicht, weil ich das sonderlich attraktiv gefunden hätte, aber weil sich meine Mutter doch so aufgeregt hatte, dass im Wartezimmer meines Zahnarztes die "Praline" auslag und sie die Hefte voll nackter Brüste frauenfeindlich fand, und ich wollte sie damit trösten, dass es das Ganze ja auch umgekehrt für Frauen gäbe, mit nackten Männern drin. Und meine Mutter grinste und sagte: "Nein, diese Hefte sind auch für Männer." Das habe ich so hingenommen - auch wenn ich mir im Grunde meines Herzens nie vorstellen konnte, warum sich irgend jemand Bilder von nackten Männern ansehen wollen sollte.

Aber als ich mich dann mit Anfang zwanzig das erste Mal wirklich heftig in eine Frau verliebt habe, meinte meine Mutter sinngemäß, dass hätte sie doch sowieso schon gewusst. Aber nicht unbedingt seit meiner Geburt, würde ich vermuten ... Mit ihr war es dann eher der umgekehrte Fall: Als ich ihr vor einigen Jahren mitgeteilt habe, dass mein Freund und ich gerne heiraten würden, hat sie lange versucht, mir das auszureden, nach dem Motto "Aber du bist doch im Grunde deines Herzens lesbisch, du wirst ihn früher oder später für eine andere Frau verlassen, tu dir den Stress doch nicht an, du brauchst keinen Trauschein". Da sehe ich dann, dass selbst meine ab- wie aufgeklärte Mutter noch in Schubladen denkt.

Ich stelle fest, dass es nicht einfach ist, bisexuell zu sein und gleichzeitig eine christliche Ehe zu führen - nicht, weil ich denke, dass Gott oder Jesus da irgend ein Problem mit hätten, aber weil es heißt, dass ich nur entweder einen Mann oder eine Frau haben darf, wenn ich die Monogamie ernst nehme, und ich mich aber nach beidem sehne. Packt das auf die Liste für "So schreibt man einen bisexuellen Charakter" - leider interpretieren das immer noch viele (Männer, sollte ich sagen) als "unersättliche Nymphomaninnen, die mit jedem Kerl und jeder Frau ins Bett springen". Ich bin nicht nymphoman. Ich habe nur das Gefühl, dass mein Herz einmal in der Mitte geteilt worden ist und man mir bis jetzt nur eine Hälfte davon wieder eingesetzt hat, während die andere Hälfte leer ist. Und wenn wir alle einmal kugelförmig waren, ist meine Kugel nicht in zwei, sondern drei Teile zerteilt worden. Mein zweites Drittel habe ich gefunden, aber ich bin immer noch ziemlich eierig und fühle mich unrund.

Und trotzdem gibt es Leute (zugegeben, bis jetzt nur eine Person in meinem Leben), die meinen, ich könne nicht bisexuell sein, solange ich nur mit meinem Mann zusammen bin. Aber da wird die Sexualität wieder nur auf den Sex reduziert. Die Frage ist ja nicht, mit dem ich ins Bett gehe, sondern wen und wie ich liebe. Womit ich wieder bei der Literatur wäre: Wir wissen bei homosexuellen Figuren doch erst, dass sie homosexuell sind, wenn sie anfangen, rumzuknutschen, zu flirten, oder sich sonstwie über ihr Liesbesleben auszulassen. Und das tun in Büchern nun meistens nur die wenigsten Personen. Die Polizistin kann lesbisch sein, der Blumenhändler einen Fetisch haben, es steht nicht an den Leuten dran. Ansonsten erkennen wir die Schwulen nur, wenn sie tuckig sind, und die Lesben, wenn butch, und gehen davon aus, dass alle anderen Figuren offenbar "normal" sind, dann sonst würde uns der Autor doch drüber informieren. Aber eine Figur kann auch schwul, lesbisch, sonstwas sein, ohne dass ihr Liesbesleben in die Romanöffentlichkeit gezerrt werden muss. Es gibt Figuren, da ist das einfach hackegal. Vielleicht müssen wir da erst einmal bei uns selbst anfangen, wie wir die Welt sehen, wie wir denken, wie wir lesen. Und dann erst können wir damit anfangen, uns zu fragen, wie wir schreiben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Franziska

@Kati:  Dann meinen wir offenbar das gleiche. :knuddel:
Vielleicht lese ich inzwischen so selektiert, dass ich auf solche Texte gar nicht mehr stoße. Früher ist mir das auch öfter aufgefallen, vor allem wenn die Texte von jungen Mädchen geschrieben wurden, die natürlicherweise wenig Wissen über männliche Anatomie haben konnten. Heute habe ich bei den Texten, die ich lese eher das Gefühl, dass weibliche Autorinnen älter sind und sich bestens informieren, soweit ich das beurteilen kann. Mein Ziel ist es auch, dass ich Leser jeglicher Sexualität anspreche, weibliche und männliche Leser und wenn mir ein männlicher Leser sagt, ihm hat mein Text gefallen, freut mich das besonders.
Ich kann mich natürlich im Internet über alles mögliche informieren. Danke für den Hinweis, man kann writing transgender characters googeln. Darauf wäre ich nicht gekommen. Ich habe schon länger eine Idee über eine Intersex-Person zu schreiben, aber ich traue mich da noch nicht ran, obwohl ich mich schon länger mit dem Thema beschäftige. Hätte ich jetzt einen Testleser/in, der mir sagt, das ist so in Ordnung, würde ich mich deutlich wohler fühlen.
Ich glaube schon, ich kann mich in alle möglichen Figuren hineinversetzen. Aber wenn man sagt, du schreibst auch über Feen und Vampire - die gibt es aber nicht in echt und es wird keine Fee oder Vampir kommen und mir sagen: so sind wir gar nicht, das hast du aber schlecht gemacht. Ich denke, das ist ein Problem, weshalb vielleicht mehr Autoren davor zurückschrecken. Man weiß nicht recht, ob man sich daran trauen soll, da das Thema so aufgeladen ist. Auch wenn man sich wissenschaftlich damit beschäftigt. Das ist so eine Grundlegende Frage. Sollte man den Betroffenen die wissenschafltiche Diskussion überlassen, gerade weil so lange von anderen über sie geschrieben wurde? Aber wenn man das tut, dann kommen z.B. diskriminierte Gruppen von Menschen, die gar keine Möglichkeit haben, sich irgendwo zu äußern nie in die Öffentlichkeit. Deshalb denke ich, kann man als Autor auch darüber schreiben, wenn man sich genug informiert. Aber ich habe eben immer noch nicht das Gefühl, dass ich gut genug informiert bin.

Maja

#28
Was mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.

Aber das sollte uns nicht schrecken. Die kriegen wir auch noch weich. :)

Aber wir können uns ja als Ansprechpartner zur Verfügnug stellen. Dann muss man nicht mehr nach entsprechend orientierten Stereotypen googeln. Wir können jeder für uns erzählen, was es heißt, schwul, lesbishc, bisexuell zu sein. Ich rede über alles gerne außer Fetische. Fetische sind privat. Alles andere: Ich stehe zur Verfühgnug. Und ich bin ganz sicher kein Abziehbild. Wir haben vielleiccht keine echten Vampire und Elfen im Forum. Aber wir haben uns.


Besteht Interesse an einer eigenen geschlossenen trollfreien LGBTQ-Arbeitsgruppe? Oder wäre das kontraproduktiv?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Fynja

#29
Zitat von: Maja am 24. Oktober 2013, 23:22:00
Was mir gerade beim Nochmal-Lesen dieses Threads auffällt: Es ist ja wirklich ein interessantes Thema, das wir hier haben. Aber wir sind in genau dem Grüppchen versammelt, mit dem wir bis jetzt immer über das Thema gesprochen haben - quasi die LGBTQ.Gemeinde des Forums plus der homophobe Troll. Ganz so angesprochen scheint sich die breite Masse des Forums dann doch nicht zu fühlen.

Aber das sollte uns nicht schrecken. Die kriegen wir auch noch weich. :)


Da will ich doch mal widersprechen.  ;D Falls ich für die "breite Masse des Forums" sprechen kann - ich bezeichne mich als hetero, weil ich mich bisher nur in Jungen/Männer verliebt habe und mich bisher eigentlich auch bisher nur zu Männern hingezogen gefühlt habe, dennoch schließe ich nicht aus, dass irgendwann im Laufe meines Lebens eine Frau auftaucht, in die ich mich verliebe. (Oder sonst wer). Jedenfalls finde ich das Thema gut und wichtig, habe mir auch alle eure Beiträge durchgelesen und finde die Sichtweisen interessant.

Ich selbst habe das ein oder andere Buch gelesen, in dem schwule oder lesbische Figuren vorgekommen sind. (An Transgender oder Bisexuelle kann ich mich gerade spontan nicht erinnern) und ehrlich gesagt, versteh ich nicht, weshalb man sich als heterosexueller Leser nicht mit ihnen identifizieren können sollte. Ob ich mich mit einem Charakter identifiziere, hängt natürlich von vielen Faktoren ab, nicht aber von der Sexualität. Wenn Romanzen darin vorkommen, dann sind das Gefühle, die ich nachvollziehen kann, weil ich weiß, wie sich Verliebtheit anfühlt, und die damit verbundene Freude, Eifersucht oder Frustration. Da ist es egal, ob diese Gefühle für einen Mann, eine Frau, ein Thirdgender oder ein Alien sind - Hauptsache, sie werden nachvollziehbar rübergebracht.

Generell finde ich es wichtig, Diversität in Büchern rüberzubringen, sei es LGBT (damit meine ich auch alle anderen, der Einfachheit halber bleibe ich bei der Abkürzung LGBT) oder Behinderungen, Kulturenvielfalt,... Abgesehen davon, dass Vielfalt den Roman authentischer macht, was für ein gutes Buch ja ohnehin wichtig ist, stimme ich zu, dass insgesamt auch "Minderheiten" (das soll jetzt keinesfalls abwertend klingen) in Romanen präsent sein sollen, wie sie es auch in der Gesellschaft sind, weil sie Teil von der Gesellschaft sind - wieso also in fiktionalen Welten auslassen?

Allerdings, und das muss ich ein wenig beschämend eingestehen, sind die Figuren, die mir in den Kopf kommen, auch meistens heterosexuell und cisgender. Irgendwie denke ich oft einfach gar nicht an andere Optionen, und wenn die Charaktere einmal da sind, kann ich meistens nicht einfach die Sexualität ändern, weil das mir vorkäme wie eine Verfälschung, à "der Vollständigkeit halber ist der da dann mal homosexuell"... was ja auch falsch ist. Dass die Figuren, die mir spontan immer als Hauptfiguren einfallen, immer heterosexuell sind, will ich aber ändern.
So hatte ich hier und dar zwar bereits Figuren, die anderweitig sexuell orientiert sind, aber wohl noch zu wenige, wenn ich jetzt bewusst drüber nachdenke. In dem Projekt, an dem ich momentan am meisten arbeite, ist mein zweiter Perspektiventräger schwul, was eigentlich nur eher am Rande erwähnt wird. (Er kann in Träume anderer Leute "einbrechen" und die Versuchung, in Träume des Schwarms mal hineinzulugen, ist natürlich groß... Aber eine Rolle soll sein Schwarm eigentlich nicht spielen, also belasse ich es bei den kleinen Einwürfen, in denen mein Prota mit der Versuchung kämpft, dessen Träume ein wenig zu manipulieren...)
In einem anderen Projekt gibt es eine männliche Nebenfigur, die bereits einige Beziehungen mit weiblichen Personen hinter sich hat, sich aber im Laufe des Romans in den Freund meiner Protagonistin verliebt. Da habe ich von einigen Beta-Lesern (bzw. Beta-Zuhörern) gehört, dass es unglaubwürdig ist, wenn ein 19-Jähriger, der ja die Pubertät und die "verwirrenden Phasen" hinter sich habe, "anfangs als hetero dargestellt wird und dann schwul wird"... Ist Bisexualität also unglaubwürdig?  ??? Ich bin mir sicher, dass besagte Kommentare keinesfalls homophob gemeint waren, aber irgendwie habe ich insgesamt das Gefühl, dass Homosexualität zwar von den meisten Leuten in meinem Umkreis als normal akzeptiert wird, aber Bisexualität nicht so recht verstanden wird...