• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

LGBT: Diversität in der Fiktion und wie man sie schreibt

Begonnen von Nachtblick, 23. Oktober 2013, 20:51:35

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

Nachtblick

Da es inzwischen diverse sehr heftige Diskussionen über Geschlechterrollen und Feminismus gab, wird es höchste Zeit, auch hier eine zu eröffnen, und ein paar grundlegende Dinge zu erklären. Ich mache vorher einen kurzen Exkurs, der erste Denkanstöße beinhaltet und für Leute, die sich weniger damit beschäftigen, ein paar grundlegende Dinge im Voraus erklärt. Lasst euch dabei nicht von den vielen Fachwörtern abschrecken. Sie sind im Grunde ganz leicht erklärt!

Was ist Diversität?
Diversität heißt Vielfalt. In diesem Fall geht es darum, klarzustellen, dass es Menschen gibt, die nicht heterosexuell sind, die nicht weiß sind, die nicht das Geschlecht sind, das ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde, die Behinderungen haben oder anderweitig nicht der gängigen Körpernorm entsprechen.
Diversität abzubilden ist selbstverständlich keine Pflicht. Niemand wird zu irgendetwas gezwungen. Es geht ein großes Stück weit darum, realistisch zu sein, und realistisch gesehen gibt es nicht nur weiße, heterosexuelle, schlanke Menschen.

Was bedeutet LGBT?
Lesbian (lesbisch), gay (schwul), bisexual (bisexuell) und transgender (transgender) bilden zusammen ein Acronym. Oft werden noch weitere Buchstaben hinzugefügt, zum Beispiel Q für queer (queer), I für intersex (intersex) oder A für asexual (asexuell) oder manchmal umstritten allies (Verbündete). Queer ist außerdem ein Schimpfwort, das vorsichtig und von Heteros nicht benutzt werden sollte. Im Deutschen hat das Wort als entlehnter Begriff diese problematische Konnotation nicht, aber im Englischen solltet ihr gut aufpassen.

Was für Probleme haben Menschen, die LGBT sind?
Homosexualität steht in fast 70 Ländern unter Strafe. Auch in Deutschland ist sie erst seit den 90ern entkriminalisiert, gleichberechtigt heiraten kann man immer noch nicht. Transidentitäten werden zwar gesetzlich anerkannt, aber immer noch als Witz behandelt und stigmatisiert, die Selbstmordrate von transgeschlechtlichen Menschen ist extrem hoch. Informiert darüber wird kaum und wenn, unzureichend. Gewaltverbrechen reichen von verbaler Belästigung und Mobbing bis hin zu systematischer gesetzlichen Verfolgung und Folter, die nicht gesetzlich stattfinden muss, aber oft vom Gesetz gedeckt wird, zu Mord. Das alles wird oft heruntergespielt: ,,Es gibt Wichtigeres!", ,,Warum beschwerst du dich, dass du nicht heiraten kannst, in anderen Ländern könntest du gesteinigt werden! Sei doch dankbar, dass es dir hier so gut geht!" und ,,Wir wollen gar nicht wissen, was du und deine Partnerin im Bett treiben!" habe auch ich schon öfter gehört.

Die eigentliche Frage: Was geht mich das jetzt als Autor oder Autorin an?
Inzwischen gibt es einige Filme, Serien und Bücher, die homosexuelle und bisexuelle Charaktere haben. Das sind derzeit mehr Männer als Frauen. Die überwältigende Mehrheit der Figuren bleibt jedoch hetero. Die Hauptcharaktere solcher Serien, außer explizit für Zielpublikum gemacht, sind stets heterosexuell. Homosexualität gilt als ,,komplizierter" als Heterosexualität, wird anders dargestellt, viel expliziter zensiert und bekommt selten die gleiche Aufmerksamkeit und Zeit der Story. Transfiguren gibt es so gut wie gar keine. Eine große Mehrheit nicht-heterosexueller, nicht-cisgeschlechtlicher Jugendlichen wächst auch heute noch mit dem Stigmata auf, etwas sei an ihnen grundsätzlich falsch, schmutzig, schlecht. In den Filmen und Büchern, die sie konsumieren, finden sie sich nur selten wieder. Mit ,,das war damals so" ist es nicht getan. Wer Fantasy schreibt und sich an Magie bedient, kann auch entscheiden, dass es in seiner Welt keinen oder nur geringen und verpönten Sexismus gibt. Ein Charakter, der gleichgeschlechtlich liebt, hat keine anderen Charaktereigenschaften als ein vergleichbarer Charakter. LGBT-Charaktere und -Themen respektvoll und angebracht in eine Story integrieren ist nicht schwer und nicht unlogisch.

Ich kenne aber niemanden, der LGBT ist!
Dafür ist dieser Thread da. Wenn ihr Fragen habt, kann euch hier vielleicht jemand weiterhelfen. Ich würde mich sehr über eine Diskussion freuen, hoffentlich eine positive. Ich selbst bin lesbisch und weiß und keine Expertin zu jedem der genannten Themen. Über Korrekturen von geeigneteren Personen freue ich mich sehr und entschuldige mich über eventuelle Anmaßungen und Fehler. Wenn ihr Fragen habt, und seien sie noch so grundlegend, bitte her damit. Wenn ihr unsicher seid, gern per PN!

Edit: Überarbeitet am 4. Oktober 2015, da unendlich alt.

Shin

Danke für den Thread, Nachtblick!
Die Begriffe verwirren mich selbst auch manchmal noch. Non-binary lese ich gerade zum ersten Mal. Statt genderqueer sage ich zu mir allerdings thirdgender. Mensch, dass es überhaupt so viele Begriffe gibt, nur um etwas zu definieren... Es wäre so viel leichter, einfach zu verstehen, dass es eben verschiedene Möglichkeiten bei Geschlecht und Sexualität geben kann.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank          

Maja

Das Thema erinnert mich an einen Blogbeitrag, den ich vor einiger Zeit verfasst habe: Warum ich keine Schwulenbücher schreibe.

Ich bin sehr der Ansicht, dass schwul/lesbische Themen (damit meiner ich das ganze LGBTQ-Spektrum, aber ich kenne kein passendes Adjektiv dazu) längst so weit mitten in der Normalität angekommen sind, dass sie nicht als Nischenthemen oder von Spezialverlagen behandelt werden sollten, sondern als ganz normale Literatur für ganz normale Menschen. Nicht nur deswegen gibt es bei mir eine Fülle entsprechender Figuren in Haupt- und Nebenrollen, wobei auch hier die männlichen Figuren tendenziell überwiegen. Insgesamt habe ich in den letzten fünfzehn Jahren keinen Roman geschrieben, in dem sich nicht mindestens eine Figur zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlt - ohne dass ich das jetzt unbedingt als etwas absonderliches oder auch nur besonderes thematisieren muss.

Es hängt natürlich immer vom Setting ab: Als mein Geisterjäger Percy im Jahr 1922 mit einem anderen Mann im Bett landet, ist das für ihn ein Schock und kann beide ins Zuchthaus bringen, also muss ich es ganz anders behandeln, als wenn ich im Jahr 2011 Damian mit einem Schulterzucken sagen lasse, dass er auch immer an die falschen Kerle gerät. Ich habe stockschwule stahlharte Krieger, bisexuelle Feen, eine lesbische Königin, und insgesamt tue ich mich deutlich schwerer, meine Figuren eine heterosexuelle Beziehung führen zu lassen, weil ich mir da die gegenseitige Anziehung viel schlechter vorstellen kann - was komisch ist, da ich ja selbst mit einem Mann verheiratet bin. Ich liebe meinen Mann, aber es fällt mir einfach schwer, in heterosexuellen Dimensionen zu denken.

In letzter Zeit arbeite ich zunehmend mit bisexuellen Figuren, was ein Balanceakt ist: Wenn Percy sich nach Howard in Marigold verliebt, sollen die Leser ja nicht denken, er ist von seiner Homosexualität geheilt, oder er will sich der Normalität anpassen, oder ich will sagen, dass die "richtige" Verbindung immer noch die von Mann und Frau ist. Bisexualität wird von vielen immer noch nicht ernstgenommen - oder man wird gleich pornopraphisch für den flotten Dreier gebucht, aber dann bitte mit zwei Frauen, damit der Mann auch was zum Zusehen hat. Obwohl ich denke, dass tendenziell jeder auf die eine oder andere Weise bisexuell ist, gibt es sehr wenig bisexuelle Promis, und ich denke, viele Leser haben an der Stelle Probleme zu akzeptieren, dass es in der Sexualität keine Frage von Entweder/Oder ist, sondern ein weites Feld von unterschiedlich ausgeprägten Neigungen.

Bei meinem Lektor habe ich mit dem Ende des »Puppenzimmers«, bei dem die Heldin ihren knackigen Kerl in den Wind schießt und am Ende die Küchenmagd küsst, offene Türen eingerannt, und bei den Leserreaktionen waren zwar viele, die das Ende ob seiner Abruptheit nicht mochten, aber niemand hat gesagt "Pfui, bäh, weiche, Satan!". Es war mehr das Problem beim Schreiben bzw. Überarbeiten, dass das Ende zwar überraschen soll, aber gleichzeitig nicht so wirken, als ob Florence eine Vollbremsung hinlegt uns sagt "Ach, übrigens, ich bin jetzt lesbisch", sondern sich diese Anziehung schon durch das ganze Buch hindurchziehen soll. Insofern haben sich keine Leser beschwert, dass es am Ende Lucy ist, sondern dass Lucy im Verlauf der Handlung selbst nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Womit ich mich schwertue, sind transsexuelle Figuren - was daran liegt, dass ich Transsexualität selbst so schlecht nachvollziehen kann. Ich weiß, wie sehr die Betroffenen unter der Situation leiden, im falschen Körper zu stecken, aber für mich wird dabei das Geschlchtliche völlig überbewertet und die Unzulänglichkeiten am Körperlichen festgemacht - ich bin jemand, dem es ziemlich schnurz ist, ob jemand jetzt Mann, Frau oder etwas dazwischen ist, ich muss keine Frau sein, um Kleider zu tragen und kein Mann für Krawatten, ich werde nicht durch mein Geschlecht eingeschränkt, sondern durch meine motorischen Störungen, mein Körpergewicht, meine kaputte Haut - ich denke, es ist wichtiger, sich selbst zu lieben als das, was man ist, und nicht hingehen und chirurgisch den Körper auf Wunschformat schnippeln. Ich bin im Leben wenigen Leuten begegnet, die eingefahrene Geschlechterrollenbilder verfolgt haben als meine transsexuellen Bekannten, und da bin ich natürlich vorbelastet.

Ich denke, es gibt einfach vieles, was sich die Leute nicht vorstellen können und bei dem dann zu Klischees gegriffen wird, nicht unbedingt aus bösem Willen oder um sich über die Betroffenen lustig zu machen (obwohl es das auch immer noch gibt) und für zu wenige Autoren, Serienschreiber etc. wirklich verstanden haben, dass sie es bei solchen Themen mit Normalität zu tun haben. Darum sind die Schwulen im Fernsehen immer noch allzu oft aufgedrehte Tucken, darum findet man lesbische Frauen überwiegend in für Männern gedrehten Pornos, und darum muss man bisexuelle Figuren mit der Lupe suchen. Aber wir haben es in der Hand, das zu ändern - nicht mit dem Holzhammer, denn damit bedienen wir selbst nur wieder Klischees, sondern indem wir unseren schwul/lesbischen/bi/trans/a/pansexuellen Figuren die Normalität zurückgeben.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Rhiannon

Ich gebe zu, in meinen Geschichten eigentlich bisher fast ausschließlich weiße, heterosexuelle Figuren zu haben. Aber das liegt auch zum Teil einfach daran, dass ich kaum offen homosexuelle/bisexuelle/asexuelle/transgender oder sonst von dem weiß, hetereo, cisgender abweichende Bekannte habe und während ich mir bei der Stanardbeziehung genügend Bücher als Vorbild nehmen kann, wenn ich etwas brauche, von dem ich selbst keine Ahnung habe, ist es leider bei dem, was du ansprichst, nicht so. Und weil ich auf gar keinen Fall Klischees bedienen will, gerade weil ich weiß, wie kontraproduktiv die sind, habe ich mich an dieses Thema bisher noch nicht herangetraut.
Und ich fürchte, das geht einigen von uns so.
Wenn es in den Kontext der GEschichte passt, werde ich aber in Zukunft darauf achten. Manchmal muss es eine heterosexuelle Beziehung sein: Wenn ich Kinder will, wird das in einem mittelalterlichen Setting kaum anders zu machen sein. Aber wenn ich die Beziehung schreibe, dass der Chara daran wachsen kann, kann sie auch eigentlich genau so gut homosexuell sein.

Maja

#4
*g* Ich habe auch sehr wenige Elfen in meinem Bekanntenkreis und schreibe trotzdem Bücher über sie.

Mir ist nur gerade wieder einmal aufgefallen, was ich für ein Problem mit der Abkürzung "LGBTQ" habe. Zum einen finde ich, dass das T rausfällt, weil es nicht das Verhältnis des Betreffenden zu anderen Beschreibt, sondern zu sich selbst (und Transsexuelle selbst alle Spielarten der Liebe ausüben können, und zum anderen fehlt das H. Es ist sonst wieder diese Aufteilung in "Wir" und "Sie". Heterosexualität ist eine Spielart genau wie alles andere, häufiger verbreitet vielleicht, aber trotzdem. Indem wir unterscheiden zwischen LGBTQARDZDFETC und Hetero, definieren wir wieder das eine als Norm und das andere als Abweichung. Ich bevorzuge für alles den Oberbergriff "Mensch". Wir, die wir lieben. Wir, die wir sind. Wir brauchen keine Normen. Nur Normalität.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Tanrien

#5
Rhiannon, es gibt beispielsweise für asexuelle Charaktere fast 5 Millionen (!) Hilfsseiten, wie man die schreiben kann, also welche Klischees man vermeiden soll. Einfach bei google "writing ___ characters" eingeben - "writing trans* characters", "writing lesbian characters", "writing a-romantic trans butch black bisexual women". Gibt's auch zur jeden anderen Sexualität/Identität. Alle auf dem nicht-heterosexuellen Spektrum sind sich sehr deutlich bewusst, dass da nicht alles bekannt ist und irgendwann ist man es leid, nur falsch dargestellt zu werden, deswegen gibt es super viele Anleitungen. Man hat da echt ein Ressourcen-Netzwerk, bei dem man als Autorin, die man bei "Wie verhält sich die Polizei genau in diesem einen Fall?" schon an seine Recherchegrenzen stößt und direkt jemanden vom Fach fragen muss, nur staunen kann.

Na ja, Maja, aber hier braucht ja keiner eine Anleitung, wie man Heteros schreibt, das sagt ja alles.

Kati

In meinen Romanen gibt es viele Figuren, die nicht heterosexuell oder cisgender sind und genau wie Maja möchte ich deshalb nicht für eine Nische schreiben, sondern für alle Leser, die historische Romane und Phantastik mögen. Was ich nicht verstehe ist, dass es immer noch viele Leser gibt, die das anders sehen. Für viele Menschen bestimmt die Sexualität der Figur das Genre und das kann ich nicht verstehen. Ist ein Roman weniger historisch, weniger Fantasy, bloß, weil der Held bisexuell ist? Für mich jedenfalls ist das nicht so und deshalb würde ich mich auch nicht mit der Einordnung in eine Nische zufrieden geben, wenn ich eben keinen Nischenroman geschrieben habe, sondern einen historischen Roman dessen Protagonist zufällig nebenbei bisexuell ist. Dieses Abschieben in Nischen ist auch bloß wieder eine Form, den LGBTQ-Leuten zu sagen, dass sie nicht normal sind, dass Bücher mit Helden, mit denen sie sich identifizieren können, eben nicht im Regal mit den "normalen" Büchern stehen und das finde ich nicht in Ordnung.

Für mich ist das keine Frage von politischer Korrektheit, sondern viel eher vom sozialen Umgang miteinander. Es hat doch nichts mit politischer Korrektheit zu tun, wenn ich der Meinung bin, dass jede Art von Liebe und Sexualität in Romanen eine Berechtigung hat, gezeigt zu werden. Aber immer noch sind besonders schwule Figuren niemals ernstzunehmende Helden in Geschichten, sondern die lustigen, etwas albernen Sidekicks und solang das so bleibt, haben wir als Gesellschaft meiner Meinung nach ein Problem. Solang "schwul" entweder für "schlecht, albern, schwach" steht oder sogar für "böse, nicht normal, verachtenswürdig" haben wir ein Problem. Ich verstehe nicht, dass es so viele Menschen gibt, für die gewisse Charaktereigenschaften mit der Sexualität zusammenhängen. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Und vielleicht schreibe ich auch deshalb viele LGBTQ-Figuren, weil ich Bücher schreibe, die ich selbst auch gern lesen würde und ich finde, wir brauchen viel mehr Bücher, in denen von Klischees, alten Konnotationen und dergleichen Abstand genommen wird und die Sexualität endlich in den Hintergrund rutscht und nicht mehr das Hauptmerkmal einer Figur ist.

Für mich hat das schon mal gar nichts damit zu tun, ob ich selbst betroffen bin oder nicht. Wie Maja schon sagte: Ich bin auch keine Elfe und kein Vampir, aber darüber wird trotzdem munter geschrieben. Ich finde es bezeichnend, dass es besonders in der Jugendliteratur anscheinend als normaler gilt ein Vampir zu sein, als schwul, lesbisch oder bi. Ich höre auch oft "Ich würde gern eine lesbische Heldin schreiben, aber es ist ein Jugendbuch". Als wäre Homosexualität etwas Schändliches, was man Kindern und Jugendlichen nicht zutrauen kann. Aber genau von diesem Denken müssen wir weg, finde ich, wir sollten einsehen, dass auch Homosexualität nicht nur Sex ist. Es ist genauso Liebe, Zuneigung, Freundschaft und das Bedürfnis für jemanden da zu sein, wie Heterosexualität. Und wieso das oft nicht anerkannt wird, wieso in vielen Büchern nicht-Heterosexuelle immer noch Abziehbildchen sind und das immer wieder mit Sex gleichgesetzt wird, das verstehe ich nicht, weil es viel mehr ist und das ist doch auch völlig logisch.

Was das angeht, gefällt mir auch dieser neue Trend nicht: Schwulsein als literarischer Hype nach den Vampiren. Das macht mir irgendwie Bauchschmerzen. Auf der einen Seite werden homosexuelle Menschen immer noch seelisch und körperlich wegen ihrer Sexualität misshandelt, andererseits stellt man sie jetzt als Sexsymbole hin. Wisst ihr, was ich meine, ich kann es gerade ganz schwer beschreiben. Ich sehe es natürlich gern, wenn endlich mehr homosexuelle Figuren in Romanen auftauchen, aber eben nicht wieder in einer Nische, nicht mit dem Label "Gay Romance", nicht als neuer Trend im Erotikbereich, für Leser die "sowas eben gerne lesen". Nicht auf die Sexualität runtergebrochen und nichts anderes. Das geht für mich in dieselbe Richtung wie Lesbenpornos, die ja auch nicht gemacht sind um Homosexualität authentisch darzustellen oder Identifikationsfläche zu bieten. Es ist wieder ein Trend, großteils für heterosexuelle LeserInnen gemacht, der die LGBTQ-Community nicht unterstützt, sondern hernimmt um Romane für "normale" Leser zu schaffen und sich nicht darum schert, wie es der LGBTQ-Community damit geht.

Ich hoffe, das ergibt alles Sinn, falls nicht, versuche ich es noch einmal zu erklären.

Schneeleopardin

Ich glaube, dass ist nicht nur in Romanen ein Problem. In Fernsehsendungen sind mir bisher kaum homosexuelle oder andere Charaktere die so sind untergekommen. Ich persönlich kenne jetzt nur Lafayette aus True Blood (in den dazu gehörigen Büchern stirbt er meines Wissens nach) und in Teen Wolf ein paar Nebencharaktere. Es gibt allerdings auch andere Serien, wo die Hauptfiguren weitaus interessanter wären, wären sie eben homosexuell – von vielen Fans wird es sogar gewünscht. Nicht, weil es sie zu etwas außergewöhnlichem machen würde, sondern viel mehr, weil sie perfekt zusammen passen und das über mehrere Staffeln immer wieder gezeigt wurde. Die Schreiber dieser Serien weigern sich allerdings strikt, sie zu einem Pairing zu machen. Entweder weil sie es nicht 'wollen' oder weil sie Angst haben, dass dadurch die Zuschauerzahlen sinken würden. Es macht aus diesen Hauptcharakteren doch niemand anderen, nur weil sie homosexuell oder bisexuell sind. Im Grunde genommen sind sie danach immer noch die Gleichen. Weder verändern sie sich äußerlich, noch muss man sie deswegen in eine Schublade stecken. Charakter A ist anschließend die selbe wie zuvor und Charakter B ebenfalls. Was sich geändert hat ist doch lediglich der Beziehungsstatus. Die Charakter sind dann zwar mit einer anderen Frau zusammen, aber das ist in meinen Augen nichts, was man als besonders darstellen sollte. Daher verstehe ich die Schreiber dieser Serien nicht – wenn sie die Chance dazu haben, so etwas darzustellen und damit die Vorurteile und dergleichen auszuräumen, warum tun sie es nicht? Würden dadurch wirklich die Einschaltquoten rapide zurück gehen? 

In meiner ehemaligen Parallelklasse war eine Schülerin, die ganz offen damit umgegangen ist, dass sie lesbisch ist. Ich habe kein einziges mal mitbekommen, dass sie deswegen angegangen worden wäre oder das man sie deswegen in eine Schublade gesteckt hätte. Ich denke es lag einfach auch mitunter daran, dass die Schüler dort ganz anders waren, wie die in meiner vorherigen Klasse. Da wurde man ja schon verurteilt, wenn man sagte, dass man das und das schreibt oder – generell schreibt. Sie schreibt über Fantasywesen, wie gestört ist das denn bitte?
Ist es nicht eher gestört und lächerlich, so zu reagieren, wenn man gar nicht wirklich etwas darüber weiß?

Ich hatte erst vor kurzem eine Diskussion mit einer Postingpartnerin. Sie war der festen Überzeugung, dass es im zehnten Jahrhundert keine Liebe zwischen Frauen gegeben hätte. Ich fragte mich dann schon, wie sie da denn drauf kommt. Immerhin gab es Liebe zwischen Männern – wieso nicht auch zwischen Frauen? Wieso soll es während dieser Zeit keine Menschen gegeben haben, die sich zum gleichen Geschlecht hingezogen gefühlt haben? Sicher wurde damit anders umgegangen als teilweise heute, aber Fakt ist, dass es selbst damals homosexuelle und bisexuelle etc. Menschen gegeben hat.
Nachdem ich mit Argumenten wie Sappho, der griechischen Dichterin die ja über Frauenliebe geschrieben hat, gekommen bin, hat sie allmählich eingesehen, dass ich Recht habe. Immerhin war Sappho aus dem antiken Griechenland und das zehnte Jahrhundert kam erst viel später. Dennoch war ich enorm verdutzt darüber, dass eine 24 Jährige davon ausgeht, dass es vor knapp 1000 Jahren keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen gegeben haben soll, zumindest nicht zwischen Frauen. Von Reaktionen auf nicht heterosexuelle Charaktere will ich gar nicht anfangen.
Vor allem im RPG Bereich verhält es sich als totale Modeerscheinung und diejenigen, die solche Charakter nicht aus 'Modegründen' spielen, sondern eine ernsthafte Beziehung zu einem anderen Charakter aufbauen wollen, haben dann oft gar keine Chancen. Die Charaktere, die aus einer reinen Modeerscheinung als lesbisch, schwul oder bisexuell gespielt werden, haben oftmals dann in der ganzen Spielzeit kein einziges Mal Kontakt zu einem anderen Charakter mit diesen sexuellen Vorlieben. Aber: Es ist total cool, wenn mein Charakter schwul/lesbisch/bisexuell ist!
Kann ich teilweise echt nur den Kopf drüber schütteln, zu mal es ja auch viele Spieler oder im Falle eines Romans auch Leser gibt, die eben genau das sind – und an dieser Stelle würde ich persönlich mich auch verletzt fühlen, weil es einfach nicht okay ist, wenn man so damit umgeht.

Man will ja mit seinem eigenen ungewöhnlichen Hobby auch nicht, teilweise sogar lächerlich, nachgemacht werden. Das würde der Betroffene ebenso als Beleidigung empfinden und die Reaktion darauf wäre entsprechend. Aber das scheinen viele zu vergessen.

Mir persönlich macht es nichts aus, was teilweise wohl auch daran liegt, dass meine Eltern da schon früh angefangen haben, mir und meiner Schwester zu erklären, dass dabei gar nichts schlimmes ist und sie auch hinter uns stehen würden, wenn Eine von uns jetzt lesbisch oder bisexuell wäre. Bei vielen anderen in unserem Alter (14 und 16) scheint das ja nicht der Fall zu sein. Bei uns wurde auch nie mit dem Finger auf jemanden gezeigt, der so ist – wenn man einen Menschen nicht mag, liegt es doch meist eher daran, was er tut oder wie er sich Gegenüber einem verhält.

Veldrys

#8
Ich habe in meinen Geschichten sehr viele Figuren, die nicht heterosexuell sind. So ist zum Beispiel der Magier Thanor bisexuell und viele Jahre in eine Frau verliebt, die seine Liebe jedoch nicht erwidern kann, bevor er, Jahre nach ihrem Tod, mit einem Mann doch noch sein Glück findet. Die Dämonenkönigin Nali'sha teilt nur mit Frauen ihr Bett und hat auch nur weibliche Dienerinnen. Transpersonen kommen bei mir allerdings weniger häufig vor (ich habe zwei Figuren, die mehr oder weniger trans sind).

In meinen Geschichten sind Homosexuelle und Transpersonen nicht anders oder pervers, sie werden vollständig akzeptiert und als normal angesehen – weil sie das ja auch sind (mit einigen Ausnahmen – wenn die einzig mögliche Thronfolgerin lesbisch ist und sich weigert, mit einem Mann ins Bett zu gehen, damit die königliche Familie nicht ausstirbt, kann das schon zu einer Krise führen).

Ich habe mir schon öfter Sorgen gemacht, dass die Tatsache, dass ich zum Beispiel über einen offen bisexuellen Mann schreibe, die Chancen, irgendwann dessen Roman zu veröffentlichen, verringert oder dass ich in irgendeine Nische gedrängt werde, nur, weil mein Protagonist auch Männer liebt (obwohl seine Sexualität in keiner Weise das Hauptthema seiner Geschichten ist). Die meisten Leser sind ja heterosexuelle Männer und Frauen und wollen wahrscheinlich über jemanden lesen, der ihre Orientierung teilt und mit dem sie sich identifizieren können.

Ändern werde ich meine Geschichten aber trotzdem nicht.

In den Medien, im Fernsehen und in Filmen sind homosexuelle und transidente Personen ein Stück weit in der Normalität angekommen, das ist wahr. Transfrauen werden heute nicht mehr als übergroße, seltsame Wesen präsentiert, denen man ihre Vergangenheit noch deutlich ansieht, und Homosexuelle werden auch oft als ganz normale Menschen dargestellt, aber außerhalb dieses Bereiches muss sich noch immer viel ändern. Wie Nachtblick geschrieben hat, werden Homosexuelle sowie Transpersonen noch immer diskriminiert. Man muss nur einen Blick auf Russland und das Verbot von Homosexuellenpropaganda werfen. In Litauen, das in der EU ist, haben Transpersonen keinen rechtlichen Status, und die Selbstmordrate von Transpersonen beträgt an die 30%.

Selbst in Österreich, wo ich lebe, ist die Situation nicht immer ideal (auch wenn sie heutzutage schon viel besser ist als noch vor 10 oder 20 Jahren). Besonders auf dem Land, wo auch ich aufgewachsen bin, werden Homosexuelle und Transpersonen noch immer diskriminiert, wie ich am eigenen Leib erfahren musste (ich bin trans und wurde in der Schule deswegen gemobbt und misshandelt). Ich weiß nicht, wieviel wir als Schriftsteller wirklich dazu beitragen können, dass sich etwas ändert, aber vielleicht hilft es zumindest ein wenig, wenn der eine oder andere Leser mitbekommt, dass auch etwas anderes als heterosexuelle Menschen, die sich in ihrem Körper vollständig wohlfühlen gibt und dass das gar nicht so abnormal ist.

Wie Kati geschrieben hat, gilt es als normaler, über einen Vampir zu schreiben als über einen homosexuellen Menschen. Ich habe das auch in dem Rollenspiel, das ich moderiere erlebt. Da spielen die Leute munter Untote oder Gestaltwandler, aber einen Schwulen – oder ein Mitglied des anderen Geschlechts? Das fällt ihnen angeblich so schwer, obwohl die Menschen gar nicht so verschieden sind und aus mehr als ihrer sexuellen Orientierung oder dem, was sie zwischen den Beinen haben bzw. nicht haben bestehen.

Einen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.

An Maja, weil du den Fokus von Transpersonen auf das Geschlechtliche erwähnt hast, es ist (leider) noch immer so, dass das Geschlecht großen Einfluss auf das Leben hat und ein Mann und eine Frau manchmal ganz anders behandelt werden. Aber vor allem ist es schwer, sich so anzunehmen, wie man angeblich ist, wenn einem das Gehirn von frühester Kindheit an sagt, dass der Körper eigentlich anders aussehen sollte. Dass sehr viele (besonders ältere) Transpersonen eingefahrene Rollenbilder verfolgen, habe ich leider mittlerweile auch schon gemerkt, so sind viele Transfrauen sehr feminin, während sich einige Transmänner oft recht machohaft geben. Vielleicht glauben sie dadurch, eher in ihrem Wunschgeschlecht angenommen zu werden?

Aber ich mache jetzt lieber Schluss, damit mein Beitrag nicht länger wird, als er ohnehin schon ist. Wenn irgendjemand von euch Hilfe bei der Beschreibung homosexueller oder transidenter Figuren brauchen sollte, könnt ihr mir schreiben! Ich helfe gerne!

Churke

Es ist Mode in unserer egozentrierten Wohlstandsgesellschaft, die gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung als alleiniges Lebensziel zu proklamieren.
Das kann man in die Literatur mitnehmen - um den Preis, andere Themen in den Hintergrund zu schreiben.

Und was die vermeintlich falsche Darstellung solcher Charaktere betrifft: Ich denke, dass die absichtlich so sind, um den Regeln des Genres zu entsprechen. Man braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.

Nachtblick

#10
Mein Gott, machst du das, ohne zu merken, was du da tust? Wenn ich homophob bin, ist meine erste Reaktion vielleicht nicht, in einen pro LGBT-Thread zu rennen, außer, ich wäre ein Troll. Das eine kann ich dir guten Gewissens unterstellen, das andere möchte ich nicht wirklich erst austesten. Also halt dich hier bitte raus, wenn du denkst, dass du es verkraften kannst.

An alle anderen, die nichts von meinem persönlichen Problem mit Churke wissen: Ich habe gute Gründe, dass ich Leute wie ihn und mich zu meinem Selbstschutz gern aktiv aus einer ,,Diskussion" halten möchte. Er verstehst mich bewusst falsch und behauptet, ich wollte ,,die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund [...] stellen". Das stimmt natürlich nicht, das habe ich auch im Eingangspost betont. Ich möchte, dass LGBT etc.-Charaktere und -Romanzen gleichberechtigt in den Medien existieren können, ohne ein Charakter nur um sein Coming Out herum existiert und ausschließlich über seine Sexualität definiert wird.
Wie immer ist das einzige Bedenken, dass Homophobe damit haben, dass es ,,andere[n] Themen" in den Hintergrund stellt. Dass das nicht der Fall sein muss, wenn man sich einfach ein Stück weiterbildet und lernt, LGBT-Figuren/Frauen/Nicht-Weiße respektvoll zu schreiben, erklärt sich von selbst und entlarvt die Weigerung, solche Figuren zu schreiben, zumindest ein Stück weit einfach als Faulheit, die man natürlich prima verstecken kann mit Argumentationen, in denen Begriffe wie ,,es ist Mode" (gleicher Ton wie: Es ist eine temporäre Erscheinung, ein Trend!), ,,Wohlstandsgesellschaft" (gleicher Ton wie: Andere Leute haben richtige Probleme!), ,,gesellschaftlich anerkannte sexuelle Selbstverwirklichung" (gleicher Ton wie: Es gibt keine Diskriminierung gegen die LGBT-Community mehr, das ist längst gesellschaftlich anerkannt!) und ,,proklamieren" (gleicher Ton wie: Das muss doch wirklich nicht jeder wissen!).
Leute wie ich können also laut Churke nur in einer Narrative vorkommen, wenn es einen dramaturgischen Grund für uns gibt. Man könnte über mich nur Geschichten erzählen, in denen es der Aufhänger und ein Problem ist, dass ich in einer lesbischen Beziehung bin. Eine Geschichte, in der ich vollkommen selbstverständlich und ohne oder mit nur geringer Erklärung mit einer Frau zusammen bin, genauso, wie Heteros mit ihren Hetero-Partnern gezeigt werden, sei nicht möglich.

Das ist nicht richtig.
Das ist auch nicht fair.

Es ist niemandes Pflicht, über irgendetwas zu schreiben. Natürlich nicht. Aber wer ein Stück Realität und Fantasy mit einer bereiteren Figurenbesetzung als nur zehn Personen schreibt, der sollte mit dem Begriff ,,Diversität" etwas anfangen können und so weit Einsicht in die Realität haben, dass er oder sie einsieht, dass es natürlich nicht nur eine Kategorie von Menschen gibt. Wenn in deiner Welt Feen und Elfen vorkommen, dann kannst du auch LGBT-Leute schreiben. Du musst natürlich nicht, aber es gibt keinen Grund, diese Leute außen vor zu lassen, genauso wie es keinen guten Grund gibt, eine Story ausschließlich mit Männern oder Frauen zu bevölkern.
Es ist auch niemandes Pflicht, über Themen zu schreiben, von der er oder sie nichts hält oder die ihm oder ihr nicht wichtig sind. Dann darf man sich allerdings nicht wundern, für diese Weigerung unrealistisch oder ignorant genannt werden. Mit einer solchen Haltung wie Churke sollte man sich nicht beschweren, wenn man homophob genannt wird.

Die Diskussion, ob das alles eigentlich überflüssig ist, gibt es im gleichen Wortlaut mit guten Frauencharakteren (Diskussion im Bereich Feminismus) und guten Nicht-Weißen (Diskussion im Bereich Rassismus und Kulturaneignung).

Wir sind kein Trend, wir sind kein Witz, wir sind keine komplexen Figuren, für die man ein Diplom braucht, um sie zu schreiben. Und für Leute, die es ernst meinen und nicht trollen: Hier darf sehr gern eine Diskussion entstehen, wie, wo und warum. Aber nicht mit dir, Churke. Sorry.

Cairiel

Zitat von: Churke am 24. Oktober 2013, 11:41:42Und was die vermeintlich falsche Darstellung solcher Charaktere betrifft: Ich denke, dass die absichtlich so sind, um den Regeln des Genres zu entsprechen. Man braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.
Sorry, aber: Hallo?!? Es gibt so viele verschiedene Menschen unter Homosexuellen, Transsexuellen etc., wie es sie bei Heteros gibt. Und warum soll ich nen Grund dafür brauchen, einen schwulen Prota zu haben (ganz abgesehen davon, dass ich als Schwuler mich damit wohler fühle, haha)?! Welchen Grund hast du denn, deine Figuren hetero, cis und vermutlich weiß zu machen?

Ich habe leider gerade nur mein Handy (und sitze im Unterricht  ;D ), aber später werde ich noch mehr zum Thema und den andren Beiträgen schreiben.

Kati

Zitat von: VeldrysEinen Schwulenhype habe ich allerdings noch nicht bemerkt. Ich lese sehr viel, und die meisten Figuren sind noch immer heterosexuell.

Ich meinte damit, dass die wenigen Figuren, die nicht heterosexuell sind, nicht in den Büchern auftauchen um LGBTQ-Leuten Identifikationsmöglichkeit zu geben, sondern wieder so zugeschnitten sind, dass heterosexuelle sie als Figuren akzeptieren können. Sie werden nicht für LGBTQ-Leute geschrieben, sondern für heterosexuelle Leser und ich glaube, deshalb fallen sie so oft ins Klischee: Hauptsache, der "normale" Leser hat etwas, dass er so kennt, damit er ja nicht erst zum Nachdenken kommen muss. Mir ist aufgefallen, dass es in vielen neueren Urban-Fantasy-Romanen für Jugendliche den schwulen besten Freund gibt, das ist zumindest in dem Genre neu. Und ganz oft sind das totale Abziehbilder, eben das alte Klischee. Als wäre es jetzt modern schwule Figuren in seinen Romanen zu haben (lesbische oder bisexuelle Figuren habe ich nicht annähernd so oft gesehen, so viel dazu), aber eben nicht, weil man LGBTQ-Teenager unterstützen, realistisch darstellen oder ihnen eine Figur zur Identifikation geben möchte, sondern, weil man einen Sidekick braucht und dann so tun kann, als wäre man total weltoffen, weil man eine schwule Figur im Roman hat.

Du hast Recht, es gibt kaum Romane mit homosexuellen Helden... weil es den Autoren leider nicht darum geht, Liebe, Freundschaft, Sexualität und derlei Dinge realistisch darzustellen, sondern viel eher darum nach außen hin den Schein zu wahren total offen und tolerant zu sein - das unterstelle ich denen jetzt einfach mal. Sonst würden sie LGBTQ-Figuren schreiben, die genau wie ihre heterosexuellen Freunde Helden sein können, facettenreiche Figuren sind und deren Sexualität eben nicht im Vordergrund steht. Aber meistens sind das Figuren, die jedes Klischee bedienen und deren einzige richtige Eigenschaft eben "schwul" ist, und das macht mich krank. Es ist ein Stempel, der der Figur aufgedrückt wird, ohne, dass sich die Autoren trauen, sich weiter damit zu beschäftigen und der Figur mehr Facetten zu geben und sie wie einen Menschen darzustellen, nicht wie eine Art Requisite im Theater, die man dazu stellt, um eine gewisse Wirkung zu erzielen. Ich will endlich mehr Figuren lesen, die Helden sind oder Bösewichte, was erreichen, ihre Alltagsprobleme haben, Hobbies, gute und böse Seiten und eben am Rande LGBTQ-Figuren sind. NICHT vorrangig eben "schwul" oder "lesbisch" sind und das war's dann mit der Charakterisierung.

Und das ist eben das Problem: Diese Figuren werden immer noch für heterosexuelle Menschen geschrieben, damit sie das Gefühl haben können, weltoffen zu sein, weil sie ja ein Buch mit einer homosexuellen Figur lesen. Diese Figuren werden nicht geschrieben, weil man einem breiten Publikum zeigen möchte, dass auch LGBTQ-Leute ganz normale Menschen sind und schon gar nicht FÜR LGBTQ-Leute. Sie sind da, um Toleranz vorzuheucheln oder auch für den Sensationsaspekt: Figuren, die "anders" sind, sind aufregend! Aber nicht für realistische Repräsentation und schon mal gar nicht für LGBTQ-Jugendliche. Und deshalb stimmt es zwar, dass LGBTQ-Figuren in immer mehr Serien, Romanen und Filmen auch vorkommen dürfen und angenommen werden, aber solang das eben nur diese Abziehbildchen sind und keine richtigen Menschen, nur Nebenfiguren ohne eigene Hintergrundgeschichte, solang sie für heterosexuelle Leser geschrieben sind und nicht für LGBTQ-Leser, bringt uns das kein Stück voran.

Zitat von: ChurkeMan braucht einen dramaturgischen Grund, die sexuelle Orientierung einer Figur in den Vordergrund zu stellen.

Ich möchte eigentlich nicht auf Churkes Kommentare eingehen, weil sie nie etwas zur Diskussion beitragen und sich meistens lesen, als hätte er die anderen Beiträge nicht gelesen oder absichtlich falsch verstanden, aber zu der Aussage selbst möchte ich etwas sagen, weil einem die nicht nur hier begegnet, sondern auch fast überall sonst. Ich habe schon oft die Frage gehört "Wieso ist diese Figur jetzt lesbisch?", auch von Betalesern, die das ganz sicher nicht böse gemeint haben. Aber eines der großen Probleme ist, dass viele Leute meinen, alles, was von der geliebten "Norm" abweicht, braucht eine Daseinsberechtigung. Und das macht mich irgendwie traurig.

Die Daseinsberechtigung von LGBTQ-Figuren liegt ganz allein darin, dass es sie gibt. Genau, wie die Daseinsberechtigung von heterosexuellen Figuren darin liegt, dass es sie eben gibt. Wenn mich jetzt jemand fragt, wieso ich einen Vampir in meiner Geschichte habe, gut, darüber kann man sich unterhalten. Aber ich muss mit niemandem darüber diskutieren, wieso ich eine lesbische Figur schreibe: Leute, wacht doch mal auf. LGBT-Figuren sind kein Plottwist, keine Modeerscheinung wie Vampire, kein literarischer Trend und schon gar keine Fabelwesen, über die man nur in Büchern lesen kann. Das sind echte Menschen, wie jeder ach so normale heterosexuelle cisgender auch und jeder, der behauptet es bräuchte einen dramaturgischen Grund, wenn man homosexuelle Figuren schreibt, hat anscheinend genau das noch nicht kapiert. Homo- oder bisexuell sein ist kein "Trend" oder eine literarische Spielerei, es ist nichts Neues, das hat es immer gegeben. Und warum wir im Jahr 2013 immer noch darüber diskutieren, dass LGBTQ-Figuren einen "dramaturgischen" Grund brauchen, als wären sie ein neuer Plottwist oder ein plötzlich auftauchendes Fabelwesen, begreife ich nicht. 

Franziska

#13
Ich schreibe hauptsächlich  LGBTI-Figuren, meistens schwule. Ich sehe sehr viele Queerfilme, lese viele Bücher mit schwulen Figuren. Daher meine ich, mich ein wenig auszukennen. Mich interesiert es, wie diese Figuren in den Medien repräsentiert werden und ich sehe da eine deutliche Verbesserung. Keine  LGBT-Figuren im Fernsehen? Was guckt ihr denn? Also klar, Queer as Folk ist für ein schwules Zielpublikum gemacht. Aber Serien wie Buffy (lesbische Beziehung), Modern Family, Rosanne etc. waren da sicher grundlegend. Was ich schön finde ist, wie selbstversändlich heute  LGBT-Figuren in Serien vorkommen. Nur um mal ein paar zu nennen: Downton Abby, Taras Welten, Glee, True Blood, Smash, Orphan Black, American Horror Story, Lost Girl, Gossip Girl, Greys Anatomy, Six Feed under ... und meine Lieblingsserie: Torchwood, sicherlich auch bahnbrechend, was eine bisexuelle Hauptfigur angeht. Und in Miracle Day hat Jack sogar einige deutliche Sexszenen.
Natürlich kann man sagen,  LGBT-Figuren werden immer noch zu einseitig dargestellt, es werden vor allem schwule oder lesbische Figuren, manchmal bisexuelle gezeigt, trans oder intersexuelle dagegen kaum. Die Figuren sind meistens Nebenfiguren und seltener Hauptfiguren.
Aber da hat sich doch schon eine Menge getan und es tut sich noch mehr. Ich bin da eigentlich recht optimistisch.

Weniger optimistisch bin ich bei Büchern, weil deutschsprachige Bücher einfach nicht das Publikum erreichen, was englischsprachige Fernsehsendungen erreichen.
Es stimmt nicht, dass  LGBT-Figuren nur in Büchern von Genreverlagne erscheinen. Ich würde sogar sagen, es spielt keine Rolle welche Sexualität oder Gender eine Figur hat, wenn das Buch gut genug ist, wenn es anspruchsvoll geschrieben ist. Anders sehe ich das bei Genreliteratur. Abgesehen von Fantasy und SF, wo ja  LGBT-Figuren eine längere Tradition haben, auch wenn das in den sechzigern mehr war, als heute - würde ich denken, dass die Leser eine bestimmte Erwartung an ein Genre haben und wenn das nicht erfüllt sind, sind sie enttäuscht. Ich lese nicht viele andere Genre als Fantasy, deshalb kann ich das nicht so gut beurteilen. Einen schwulen Kommissar, das ist vielleicht noch interessant. Aber wenn die Leser eine Romanze zwischen Mann und Frau erwarten, dann wollen sie auch nichts anderes lesen. Und warum sollte man sie dazu zwingen. Ich sehe nicht, was so schlimm daran ist, Bücher in Genre einzusortieren. Wenn zwei Männer auf dem Cover sind, dann will ich nicht ,dass der Typ am Ende mit einer Frau zusammenkommt. Ich glaube schon, dass Leute toleranter werden, wenn sie mit  LGBT-Figren konfrontiert werden, Leute die Fernsehen gucken sind toleranter, dazu gibt es Studien. Aber funktioniert das auch bei Büchern? Vielleicht wenn das Schwulsein der Figur nur ein Nebenaspekt ist und Hauptsächlich ist der Kriminalfall interessant und nebenbei erfährt der Leser, der Kommissar ist in einer glücklichen schwulen Beziehung. Es gibt genug Beispiele, dass diese Bücher bei großen Verlagen erscheinen können.
Leider noch häufig, nachdem sie schon Bestseller waren und dann übersetzt werden, ja.
Ich weiß nicht, aber wenn es hauptsächlich um die Liebesbeziehung im Buch geht, warum soll das dann nicht zu erkennen sein? Ich lese gerne darüber, ich lese weniger gerne Liebesgeschichten zwischen Mann und Frau, soll ich jetzt in jedem Buch erstmal quer lesen, um keine Heteroliebesbücher lesen zu müssen? Ich finde es gut, wenn ich auf FF anklicken kann: Slash. Weil ich das lesen möchte, wenn mir danach ist. Deshalb würde ich es auch nicht schlimm finden, wenn meine Bücher bei einem Genreverlag erscheinen. Auch wenn ich es natürlich noch besser finden würde, würden sie bei einem großen Verlag erscheinen und Bestseller werden. Klar, ich würde es toll finden, wenn es den Lesern egal ist, welches Geschlecht oder Gender die Figuren haben. Aber soweit meine Beobachtung: die meisten Verlage veröffentlichen es nur als Übersetzung. Muss man sich nur mal trauen und es versuchen? Ich weiß es nicht, es gibt immer mal Beispiele, wo es doch genommen wurde, gerade im Jugendbuchbereich. Aber zu sagen, ich  möchte, dass das jeder liest, deshalb soll der Leser vorher gar nicht erkennen, dass  LGBT-Figuren vorkommen finde ich etwas merkwürdig. Wie gesagt, wenn es eine Nebenhandlung ist okay. Aber ich weiß ja meistens vorher auch, ob die Figur jung oder alt ist, ob das Buch in Hamburg oder Venedig spielt. Ich verstehe schon, wenn man sagt, es sollte Selbstverständlich sein, dass diese Figuren vorkommen. Man sollte sich dafür nicht rechtfertigen müssen klar. Aber ich kann doch niemandem vorschreiben, es interessant zu finden, darüber zu lesen und ich möchte auch die Leute nicht mit meinen Büchern erziehen. Und wenn ich das Buch in das Genre: schwule Literatur einordne, dann erreiche ich damit glaube ich mehr Leute, denen das das Buch gefällt, als wenn ich es nicht tue. (wie gesagt, solange die Liebesbeziehung oder das Schwulsein, Lesbischsein etc. das Hauptthema des Buches ist)

edit: hat sich mit Kati überschnitten. Klar, die Figuren sollten nicht nur darüber definiert werden, dass sie schwul sind oder trans, sonder dreidimensional sein, und realistisch wirken. Das für heterosexuelle Zielgruppe schreiben sehe ich auch als Problem, wobei das wie ich finde schon viel besser ist als in den Neunzigern. Eben deshalb, weil ich mir nicht denken möchte: ich muss da jetzt aber noch eine heterosexuelel Identifikationsfigur einbauen, sehe ich es nicht als schlecht an, wenn ich sage: ich schreibe für eine Zielgruppe, die es selbst betrifft oder sich besonders dafür interessiert. Dann mache ich keine Kompromisse. Natürlich wäre es schöner, wenn gar keine Kompromisse mehr gemacht werden müssten klar, aber dann bräuchten wir über das Thema auch gar nicht mehr zu reden.

Kati

Zitat von: FranziskaAber zu sagen, ich  möchte, dass das jeder liest, deshalb soll der Leser vorher gar nicht erkennen, dass  LGBT-Figuren vorkommen finde ich etwas merkwürdig.

Das hat doch auch keiner gesagt? Zumindest mir geht es nicht darum meine Leser deutlich gesagt zu veralbern. Ich will nur nicht in einer Nische stehen. In meiner Lieblingsbuchhandlung gibt es ein Regal für "Romance", da stehen eben Liebesgeschichten, auch Erotik und derlei. Es gibt ein Regal für "Krimi", da stehen dann Krimis und Thriller. Und es gibt eine ganz kleine Ecke "Schwule und Lesben" (heißt wirklich so, kein Witz), da stehen dann mal sieben, acht Bücher. Und ob das eine Liebesgeschichte ist oder ein Krimi ist dann egal. Und das stört mich so. Ich möchte nicht, dass mein historischer Roman in so eine Nische geschoben wird bloß, weil meine Heldin zufällig lesbisch ist. Das Buch kann bei den anderen historischen Romanen stehen, finde ich. Und mein Thriller bei den Krimis. Damit veralbere ich keine Leser. Man liest ja wohl einen Krimi nicht wegen einer möglichen Liebesgeschichte. Und, wenn man eine Liebesgeschichte kauft, steht der Name von Protagonist und Love Interest meist dick im Klappentext, da gibt es auch keine Möglichkeit veralbert zu werden.