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Show, don't tell

Begonnen von Melenis, 27. April 2013, 11:54:36

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Melenis

Guten Mittag Tintenzirkler,

ich bin mal wieder über den Satz "Show, don't tell" gestolpert. Schon gefühlte hundert Mal gehört, ich weiß ungefähr, was er aussagen soll, aber so richtig klar ist mir das ganze trotzdem nicht, obwohl ich mich natürlich schon darüber informiert habe. Klar, man soll nicht schreiben: "er hatte Angst". Man soll beschreiben, dem Leser nicht mit dem Holzhammer seine Gefühle näherbringen.
So weit, so gut. Aber was ist z.B. noch 'tell', und was schon 'show'? Und in welchen Situationen ist es besser, auf 'show' zu verzichten? Irgendwo habe ich gelesen, dass gute Autoren wüssten, wann man was einsetzen soll - aber für den Fall, dass der Autor noch nicht gut genug hierfür ist und Tipps braucht: wie macht ihr das? Ist es so, dass ihr auf den Text schaut, explizit darüber nachdenkt, oder ist es doch eher so, dass man das Ganze aus dem Bauch heraus entscheidet? Wann neigt ihr eher dazu, auf 'tell' zu setzen? Wann auf 'show'? Gibt es z.B. gewisse Szenen, in den 'show' vollkommen unangebracht ist?
Na ja, man merkt schon, ich bin da etwas verunsichert. Also, schreibt was ihr denkt, bringt Beispiele, klärt mich auf, was auch immer, aber ich brauche Input  ;D Ganz aktuell ist da eine Figur von mir, die mir diesbezüglich etwas Probleme bereitet. Es wäre also wirklich toll, wenn ihr mir da ein wenig weiterhelfen könntet  :jau:


Liebes Grüßle  :winke:

Sunflower

#1
Hallo Melenis!

"Tell" ist, wie du schon gesagt hast, Gefühle dem Leser einfach als Satz hinzuwerfen wie in "Er hatte Angst.". Zur Tell-Gruppe gehören für mich auch (beinahe) sämtliche Adjektive. Adjektive sollte man so wenige wie möglich verwenden - ich habe früher den Fehler gemacht, meine Texte mit Adjektiven zu erschlagen. Man sagt also genauso wenig "Er war wütend/ängstlich/glücklich." wie sein Gefühl zu nennen wie im Beispielsatz oben.
Wann man Adjektive verwenden sollte? In Personenbeschreibungen. Du kannst keine Person beschreiben, die dein Prota zum Beispiel gerade sieht, ohne Adjektive zu gebrauchen. Das fällt für mich aus dem Tell raus. "Sie hatte lange, braune Haare." zum Beispiel. Du könntest jetzt auch schreiben: "Ihre kastaniengleichen Haare reichten weit ihren Rücken hinab.". Das geht vielleicht einen Satz lang, aber wenn du dann im gleichen Muster ihre Augenfarbe, ihre Kleidung, ihre Haltung beschreibst, verzögert das den Handlungsverlauf unnötig.

Im normalen Textverlauf neige ich aber dazu, Show zu verwenden. Gerade, was diese Gefühlsbeschreibungen angeht. Wenn jemand Angst hat, läuft ihm, ganz klassisch, zum Beispiel ein Schauer den Rücken hinab, seine Nackenhaare stellen sich auf oder ein Prickeln breitet sich auf seiner Haut aus. Was auch noch ganz wichtig ist: Charakterisierungen. Du sagst nicht, jemand ist nett, zickig, cholerisch. Du drückst es durch seine Handlungen aus. Der Leser erlebt deine Figur mit und kann sich so selbst ein Bild machen. Dazu braucht er keine Anweisungen vom Autor.
Da habe ich ein Beispiel auf einer Website gefunden. Ich weiß nicht, ob ich das zitieren darf, also lies dir die Tipps einfach mal durch. Da sind echt gute Beispiele fürs Show don't tell.

Allgemein kann man sagen, verwende Show don't tell, so oft es geht. Es macht einen Text anschaulicher, bezieht den Leser mehr ein und verbessert den Schreibstil ungemein. Aber sobald es überladen wirkt, nimm lieber ein Adjektiv.

Edit: Beim Durchlesen gerade fällt mir auf, dass ich ein bisschen übertrieben habe. Show don't tell ja, meiner Meinung nach oft und gerne, aber eben nicht überladen.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Lucien

Ich kann Sunflower da nur zustimmen.
Ich würde mich zwar keine Expertin nennen, aber ich glaube, ich habe inzwischen ein Gefühl für "show, don't tell" entwickelt. Um es mir einfacher zu machen, lese ich mir neu geschriebene Szenen mit etwas zeitigem Abstand dazu nochmal durch und schaue, wie sehr ich in dem Moment im Charakter drin bin. Bin ich mir dann noch nicht sicher, lasse ich noch jemand anderes drüber lesen.
Bevorzugt verwende ich "show" auch, um Gefühle und Empfindungen des Perspektivträgers zu vermitteln. Dabei finde ich persönlich es einfacher, die Gefühle des Protas, in dem man grad "drin steckt", mithilfe von "show" zu formulieren, da wir selbst uns ja auch nicht denken "Hilfe, jetzt habe ich aber Angst!", sondern wir empfinden es einfach und reagieren körperlich auf dieses Gefühl. Etwas kniffliger finde ich es bei der Wahrnehmung der Umwelt, z.B. das Wetter. Wobei ich mir da nicht so sicher bin, ob "ihm war heiß", auch von "show, don't tell" abgedeckt ist. Mir wäre so eine Formulierung etwas plump.
Wenn ich allerdings Nebencharaktere beschreibe, die der Prota "von außen" erlebt, greife ich auch mal zu Formulierungen wie "sie verzog ärgerlich das Gesicht", wenn es für den Prota eine eindeutig zu verstehende Gefühlsäußerung ist, die er als Verärgerung deutet.
Grundsätzlich aber liebe ich sowohl bei Protagonisten als auch bei Nebenfiguren den Einsatz kleiner, körperlichen Gesten und Mimiken, wie geballte Fäuste, eine gehobene Augenbraue oder ein flüchtiges Lächeln, die so viel mehr ausdrücken können als ein bloßes Adjektiv.

Zu guter letzt gilt aber, wie Sunflower schon ähnlich geschrieben hat: es kommt am Ende auf den konkreten Text und das Gefühl des Autors an.

Kati

Dann komme ich mal mit der unbeliebten Gegenmeinung: Es kommt immer darauf an, in welcher Situation sich die Figur befindet, aber ganz allgemein sage ich, dass Adjektive nicht böse sind. Ich mag es nicht, dass viele Autoren rigoros alle Adjektive aus ihrem Text verbannen, weil die angeblich nicht gut sind. Natürlich sollte man es nicht übertreiben, aber das gilt für alles. Auch für Show. In Romanen mag ich Adjektive, auch zur Beschreibung von Gefühlen und Zuständen, wenn es eine gute Abwechslung gibt. ,,Ich war erleichtert, dass..." kann man meiner Meinung nach genauso verwenden, wie die Show-Variante ,,Mir fiel ein Stein vom Herzen, weil..." oder so. Es kommt immer auf die Mischung an. Ein Roman voller ,,Show" ist auch meistens nicht besonders gut zu lesen, aber natürlich ist nur ,,Tell" auch nicht so toll.

Ich denke, wenn der Text sich hinterher stimmig liest, zum Stil des Autors passt und nicht aufgesetzt oder gezwungen wirkt, dann passt alles und man muss sich über Show und Tell keine Sorgen mehr machen. Jeder schreibt anders und jeder liest anders, manche Leute, wie ich, mögen Adjektive und manche nicht. Und die Regel ,,So viel Show wie möglich" finde ich ein wenig unglücklich, da ein Text dadurch auch leicht sehr blumig wirken kann, wenn man es übertreibt. Ich sehe es, was Beschreibungen angeht, übrigens auch genau andersherum.

ZitatDu kannst keine Person beschreiben, die dein Prota zum Beispiel gerade sieht, ohne Adjektive zu gebrauchen. Das fällt für mich aus dem Tell raus. "Sie hatte lange, braune Haare." zum Beispiel. Du könntest jetzt auch schreiben: "Ihre kastaniengleichen Haare reichten weit ihren Rücken hinab.". Das geht vielleicht einen Satz lang, aber wenn du dann im gleichen Muster ihre Augenfarbe, ihre Kleidung, ihre Haltung beschreibst, verzögert das den Handlungsverlauf unnötig.

Ich finde eher, dass ein ,,Sie hatte lange braune Haare" den Handlungslauf unterbricht. Es ist eine eingeschobene Beschreibung, die mit der Handlung nichts zu tun hat. Da muss man denke ich mischen und solche Beschreibungen am besten irgendwie in die Handlung einbringen. ,,Ihre langen braunen Haare flatterten im Wind, als wir..." Irgendwie so, ganz nebenbei. Natürlich gilt aber auch hier wieder, dass jeder Text anders ist und jeder Autor auch einen eigenen Stil hat. Und so lang es am Ende gut zu lesen ist, sollte es egal sein. Man muss halt für sich die richtige Mischung aus Zeigen und Erzählen finden, aber manisch auf das Erzählen zu verzichten und alles zu zeigen ist meiner Meinung nach auch nicht der richtige Weg.

ZitatDabei finde ich persönlich es einfacher, die Gefühle des Protas, in dem man grad "drin steckt", mithilfe von "show" zu formulieren, da wir selbst uns ja auch nicht denken "Hilfe, jetzt habe ich aber Angst!", sondern wir empfinden es einfach und reagieren körperlich auf dieses Gefühl.

Na ja, ich denke aber in so einer Situation auch nicht: "Oh, meine Nackenhaare stellen sich auf und meine Hände werden schwitzig." Das Problem ist ja, dass man besonders in Angstsituationen kaum noch irgendwas denkt oder bemerkt. Da ist Zeigen genau wie Erzählen etwas, dass der Prota in genau dem Moment sicherlich nicht denkt. Aber die meisten Romane sind sicherlich mit einem guten Grund in der Vergangenheitsform geschrieben: Man erzählt nach was passiert ist, man erlebt es nicht gerade im Moment, und man schaut aus der Zukunft heraus auf das Vergangene zurück. Deshalb gilt für mich auch hierfür: Die Mischung macht´s.

Nachtblick

#4
Wer Show, don't tell nach meinem Geschmack am besten macht, ist Joanne Rowling.

Adjektive sind natürlich nichts Schlechtes. Ich liebe Adjektive. Und falsch gemachtes Show ist ganz oft eine Katastrophe. Grundsätzlich gilt: dein_e Leser_innen sind nicht dumm. Ich habe gerade in Jason Starrs Panik reingelesen und das Buch kopfschüttelnd weggelegt, weil der Autor alles erklärt hat. Sein Protagonist erwartet eine Limousine, die ihn zur Show fährt, und bekommt ein Taxi. Der Autor erklärt jetzt lang und breit über einen inneren Monolog, dass der Protagonist enttäuscht ist. Aber hallo? Das weiß ich schon. Hör auf, mich für dumm zu verkaufen.
Genau deshalb hasse ich auch Fitzeks Stil. Ich will nicht alles erklärt bekommen. Ich will die Hintergrundgeschichte eines Charakters nicht auf einen Satz psychologisch erklärt bekommen.

Aber was ist Tell? Zum Beispiel das hier, und ich nehme mal eins der beliebtesten Beispiele: ,,Er war sehr groß." Show wäre: ,,Als er hereinkam, musste er sich durch den Türrahmen ducken."
Da ist jetzt allerdings ein kleines Problem, und zwar, dass wir mit dem Show nichts ohne einen Kontext anfangen können. Der Charakter könnte sehr groß sein, aber die Tür könnte auch einfach sehr klein sein oder die eines Hobbits. Aufgelöst ist das ganze eine Kombination: ,,Er war so groß, dass er sich in der Tür ducken musste." Voilà.

Alles andere ist dann eine Sache des Sprachgefühls. Lieber alle Adjektive markieren und ein paar rausnehmen, die sich häufen, statt überall krampfhaft Show umzusetzen. Ein lebendiger Sprachstil lebt aus einer unaufdringlichen Kombination. Und an Adjektiven ist, wie Kati schon gesagt hat, einfach überhaupt nichts verkehrt.

Lucien

Zitat von: Kati am 27. April 2013, 14:28:07
Na ja, ich denke aber in so einer Situation auch nicht: "Oh, meine Nackenhaare stellen sich auf und meine Hände werden schwitzig." Das Problem ist ja, dass man besonders in Angstsituationen kaum noch irgendwas denkt oder bemerkt. Da ist Zeigen genau wie Erzählen etwas, dass der Prota in genau dem Moment sicherlich nicht denkt. Aber die meisten Romane sind sicherlich mit einem guten Grund in der Vergangenheitsform geschrieben: Man erzählt nach was passiert ist, man erlebt es nicht gerade im Moment, und man schaut aus der Zukunft heraus auf das Vergangene zurück. Deshalb gilt für mich auch hierfür: Die Mischung macht´s.
Ich will nicht behaupten, dass meine Methode die bessere ist, sie ist für mich, wie gesagt, lediglich einfacher, weil sie sich mir persönlich beim Schreiben aufdrängt. So wie ich meine Figuren fast automatisch keuchen lasse, wenn ihnen ein Schlag oder Stoß versetzt wird. Natürlich geht es nicht immer mit "show". Ich für meinen Teil hätte Schwierigkeiten, z.B. Schmerzen zu beschreiben, ohne eine ganze Reihe von Adjektiven zu benutzen (ich habe im Grunde nichts gegen Adjektive, es ist lediglich meine persönliche Vorliebe, sie zu ersetzen, wenn es sich anbietet).

Was ich bisher erkennen kann, ist, dass es hier einen gemeinsamen Nenner gibt: zu viel, egal ob "show" oder "tell", ist nicht so ideal.

Angela

Ich bin da auch immer am Hadern mit mir, ob ich nicht mehr 'Zeigen' bzw Erklären/Beschreiben soll. Mittlerweile denke ich, beim wie und was kommt noch eine zusätzliche Komponente ins Spiel: Die Sicht des speziellen Protas, aus der ich schreibe. Wie erlebt er oder sie denn Angst,  einen Raum, die Größe eines Mannes? Bemerkt er/sie das überhaupt, z. B. ein hungriger Junge die Haare seines Gegenübers oder kümmert er sich nur um die Pastete, die das Mädel in der Hand hält. Die Haare kämen dann irgendwann anders vor, wenn sie sich im Busch verknoten oder er warten muss, bis sie endlich ihren Zopf geflochten hat.

Sunflower

@Kati:

Eine einzelne solche Beschreibung finde ich auch eher schlecht. Wenn ich das Aussehen eines Protas beschreiben will, aus dessen Sicht ich schreibe, dann mache ich das auch eher nebenher. Denn wer denkt schon darüber nach, wie er aussieht, während er irgendwas tut?
Wenn jetzt aber eine Figur auf eine andere trifft, dann brauche ich eine Beschreibung dieser neuen Figur. Und das mache ich am liebsten mit Adjektiven, denn bei einer ersten Begegnung mustert man seinen Gegenüber schon genauer und speichert auffällige Dinge sofort ein.
Es kommt immer auf die Situation an, in der man eine Beschreibung eines Aussehens braucht.

Grundsätzlich mag ich "Show" sehr gerne. Aber übertreiben darf man es natürlich auch nicht, das habe ich auch versucht, darzustellen. Die richtige Mischung macht es und die sagt mir mein Gefühl. Das ist aber auch von Autor zu Autor verschieden.

Markus Heitz kann Show don't tell übrigens auch ziemlich gut ;)
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- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Kati

ZitatWenn jetzt aber eine Figur auf eine andere trifft, dann brauche ich eine Beschreibung dieser neuen Figur.

Ich frage mal nach: Warum? Ich beschreibe meine Figuren auch sehr detailliert, aber eher über den Verlauf der Geschichte. Es kommen immer neue Details dazu, wie es gerade passt. Manche Autoren beschreiben ihre Figuren auch gar nicht und das ist auch in Ordnung. Also, wieso braucht man eine Beschreibung einer neuen Figur und wieso muss die gleich auf einmal passieren? Ich finde es immer sehr hinderlich, wenn eine neue Figur sofort mit allem Drum und Dran beschrieben wird. Und auch dann kann man das nebenbei machen. "Ich heiße X", sagte sie und strich sich das braune Haar aus den Augen. Zum Beispiel. Beschreibungen mit Tell klappen meiner Meinung nach bei Orten, aber nicht bei Figuren, das reißt total aus der Geschichte.

Alaun

*grübel* Ich beschreibe Figuren fast gar nicht, glaube ich, und wenn, dann über die Emotion, die bestimmte Eigenheiten dieser Figuren bei anderen Figuren auslösen ...

Sunflower

Hm, das ist auch wahr, wenn man sich das so überlegt. Ich liefere jetzt auch nicht immer komplette Beschreibungen von jeder Person, die mein Prota jemals trifft. Ich habe nur an eine Szene gedacht, die ich im letzten Nano geschrieben habe. Das Aussehen einer Frau war für meinen Prota ziemlich ... beeindruckend und er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden.
Aber beim Nachlesen gerade habe ich festgestellt, dass ich ihre Beschreibung in die Reaktionen meines Protas sozusagen eingebettet habe. Eine reine Beschreibung ist das also auch nicht, die Handlung läuft trotzdem weiter.

Ich glaube, ich mache dieses "Nebenbei" schon so automatisch, dass ich das ganz vergessen habe.  :hmmm: Auf jeden Fall hast du Recht mit deinem Argument, bei Figurenbeschreibungen kann man Show auch gut anwenden. Und reine Beschreibungen sind wahrscheinlich wirklich ein bisschen "unterbrechend".

Bei Settings gibt es das reine Beschreiben, glaube ich, öfter. Das gefällt mir persönlich aber auch nur in Ausnahmefällen.
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Sanjani

Eigentlich wurde hier schon alles wichtige gesagt. Ich persönlich bevorzuge auch eine Mischung aus Show und Tell. Ich finde, es kommt da auch immer ein bisschen auf die Angemessenheit an. Wenn ich eine Situation habe, wo z. B. nur wenig Angst vorkommt, werde ich vielleicht nur schreiben, dass sie ängstlich einen Schritt zurückweicht. Wenn es aber um eine Szene geht, in der die Angst übermächtig ist, wo das Setting abschreckt, wo es um Leben und Tod geht, da werde ich vermutlich eher zu Show greifen. Ich persönlich mag aber auch gerne bildliches Tell, z. B. indem ich zwar das Wort Angst oder Wut gebrauche, dieses aber in einen bildlichen Vergleich oder eine Metapher packe. Dann schreibe ich vllt: Sie hatte keine Angst mehr, denn dem Tod war sie schon zu oft begegnet, da war nur noch Trauer, groß, schwer und lebendiger als je zuvor in ihrem Leben - oder so ähnlich. Und das schreibe ich nicht, weil mir nicht eingefallen wäre, wie ihr Hals sich zusammenzieht und ihr die Tränen über die Wangen rinnen, sondern weil ich den Kontrast mag, dass sie gerade stirbt und die Traurigkeit in ihr zur selben Zeit besonders lebendig ist. Ebenso kann es für mich in einer anderen Situation wiederum sehr angemessen zu sein, dass sein Hals ganz eng wird und er hartnäckig gegen einen Kloß anschluckt oder so etwas. Das ergibt sich für mich meist aus der Situation heraus. Und hängt auch ein bisschen davon ab, ob ich beim Schreiben mehr denke oder mehr fühle. Im ersten Beispiel denke ich mehr und setze Stilmittel gezielter ein (ob es sinnvoll eingesetzt ist, ist dabei eine andere Frage :) ). Im zweiten Beispiel stecke ich so sehr in der Situation drin, dass ich fühle, was mein Chara fühlt, und dann kann ich z. B. körperliche Reaktionen ganz direkt beschreiben, weil ich genau beschreiben kann, was in mir gerade abläuft. Oftmals ist es aber auch ein Gemisch aus beidem und ich bin irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Extremen.

Show hilft mir oft auch, wenn ich noch nicht so genau weiß, wie ich eine Szene gestalten möchte. Ich habe es z. B. nicht so mit Schlachtszenen. Ich kann nur schwer beschreiben, wie die Heere aufeinander prallen und welche taktischen Manöver sie sich einfallen lassen. Deshalb erzähle ich lieber, was der Protagonist erlebt und das sind dann u. U. recht eindringliche Bilder, die keiner weiteren Worte mehr bedürfen.

Was ich bei Show auch noch sehr wichtig und interessant finde, ist, dass man damit auch gut mehrdeutige Situationen erzeugen kann. Wenn ich z. B. schreibe: "Seine breiten Schultern füllten die Tür vollständig aus", dann kann das mehrerlei Dinge bedeuten. Bspw. kann es ein Hinweis auf die Größe des Charas sein oder auf die Enge der Tür oder aber darauf, dass die Prota nicht sieht, was auf der anderen Seite geschieht oder dass sie ihn für einen überlegenen Gegner hält. Der Leser kann da dann reininterpretieren, was er möchte, und das finde ich ein hilfreiches Stilmittel.

Mehr fällt mir leider momentan nicht dazu ein. Ich habe mir früher nur wenig Gedanken über Stil gemacht. Ich habe einfach geschrieben, wie es mir in den Sinn kam, und dann verglichen mit Büchern, die ich bereits gelesen habe. Mir hat Lesen bei meiner eigenen Stilbildung unheimlich viel geholfen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Churke

Zitat von: Kati am 27. April 2013, 20:12:29
Also, wieso braucht man eine Beschreibung einer neuen Figur und wieso muss die gleich auf einmal passieren? Ich finde es immer sehr hinderlich, wenn eine neue Figur sofort mit allem Drum und Dran beschrieben wird.
Ich weiß, dass es gemeinhin als schlechter Stil gilt, eine Figur mit einer Beschreibung und Kurzbiographie einzuführen. Aber: Es kann Konstellationen geben, in denen das die beste Methode ist. Wenn es sich zum Beispiel Nebenfiguren handelt, die nur ein kurzes Gastspiel geben.

Lucien

Wenn es speziell um das Aussehen einer Figur geht, neige ich schon gerne dazu, wenigstens das grobe Aussehen kurz zu beschreiben. In meinem aktuellen projekt hat es sich so ergeben, dass ich die Beschreibung zweier neu eingeführter Figuren mit der Beschreibung der Gegend, durch die sie gerade gehen, verbunden habe, bevor ich die beiden überhaupt beim Namen genannt habe.
Mich persönlich stört es auch nicht beim Lesen, sofern diese Beschreibungen ein und derselben Person nicht ständig wiederholt werden oder wirklich jedes kleinste Detail sofort aufgezählt wird.

Zanoni

Jenseits der Grammatik gibt es noch einen ganz anderen, wie ich finde, wesentlich bedeutenderen Aspekt in dieser Sache.
Und zwar bezogen aufs "richtige Leben"!

Was denkt Ihr denn bspw., wenn Ihr im richtigen Leben einer Person begegnet, die "erzählt", statt zu "zeigen"?

Wahrscheinlich kennt jeder von Euch irgendjemand, der/die immer betont, wie ... mutig, ehrlich, großzügig oder was-auch-immer er/sie ist, oder? Aber wie viel steckt dann wirklich dahinter, wenn es drauf ankommt und sich eine Gelegenheit bietet, dies auch zeigen zu können?

Oftmals ist es doch so, dass gerade diejenigen, die nur "erzählen" nur sehr wenig "zeigen". Wenn aber jemand wirklich besonders mutig, ehrlich, großzügig oder was-auch-immer ist, er/sie es nicht nötig hat überhaupt darüber zu reden. Sie sind einfach so - und fertig. Sie handeln so und nicht anders. Und daran erkennt man, dass sie wirklich so sind ... an ihrem Handeln.

Und ich glaube, dass dieser Aspekt sogar noch viel wichtiger ist, als grammatikalische und/oder stilistische Detailfragen. Lasst Eure einfach Figuren so handeln, wie sie sind. Die meisten Leser werden vermutlich zwar auch Beschreibungen der Figuren akzeptieren, aber wenn sie die Figuren direkt bei einer Handlung "erwischen", die zeigt wie sie sind, dann wirkt das noch authentischer und eindrucksvoller. ;-)