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Können gegen Emotionen - Was ist wichtiger?

Begonnen von Nightingale, 05. April 2013, 00:08:04

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Kati

Hier im Tintenzirkel liest man ja immer wieder, dass jemand mit seinem Schreibstil nicht besonders zufrieden ist oder was man als Autor unbedingt vermeiden sollte: Zu viele Adjektive zum Beispiel, es wird einem ja immer wieder dazu geraten, das nicht zu übertreiben. Ich merke an mir selbst auch, dass ich manchmal an einem Satz minutenlang feile, weil er mir krumm vorkommt. Und ich sage mir auch manchmal, dass ich nicht so gut schreiben kann, wie ich es gern können würde. Aber ist ein professioneller Schreibstil wirklich so wichtig? Wie wichtig ist es wirklich, was man kann, wenn es ums Formulieren geht? Bedeutet "Ich kann schreiben", dass man in der Lage ist schöne Sätze zu bilden?

Oder kommt es eher darauf an, was man mit seinen Lesern macht? Ich kenne es von mir, dass ich gar nicht mehr auf den Stil achte, wenn mich die Geschichte wirklich packt und ein zu geschliffener Schreibstil manchmal sogar unpersönlich und unpassend wirkt. Besonders, wenn Bücher es schaffen Emotionen auszulösen, bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Stil da so wichtig ist. Ich glaube, das ist eine ganz andere Art von Können, gute Geschichten erzählen zu können, vielleicht auch mit zu vielen Adjektiven oder anderen Fehlern, die viele Autoren an ihrem Stil bemängeln.

Wie seht ihr das? Was ist wirklich wichtig und was macht eine Geschichte überhaupt gut? Ich habe für mich beschlossen weniger über meinen Stil nachzudenken und mehr Zeit darin zu investieren darüber nachzudenken, wie ich eigentlich Geschichten erzähle und ob das ein guter Weg ist. Aber mich würde wirklich interessieren wie ihr das seht.

Alana

#1
Ich sehe das ähnlich wie du, ich glaube aber, dass ein zu überladener Stil auch keine Emotionen mehr rüber bringt. Für mich persönlich tut das aber auch ein sehr wertvoller Schreibstil nicht unbedingt. Carlos Ruiz Zafon oder Cornelia Funke, denen ich persönlich einen guten, recht poetischen, aber doch massentauglichen Schreibstil zuschreiben würde, schaffen es zum Beispiel meist nicht, mir echte Gefühle zu entlocken, auch wenn ich ihre Bücher durchaus mag.
Emotionen entstehen für mich eher aus der Komposition der Geschichte, aus den Gedanken der Figuren, aus dem, was sich zwischen den Figuren an Spannung aufbaut etc. Der Schreibstil darf dabei halt nicht stören, so dass er einen aus der Geschichte herausreißt.
Alhambrana

Verwirrter Geist

Zitat von: Kati am 05. April 2013, 00:08:04
Aber ist ein professioneller Schreibstil wirklich so wichtig? Wie wichtig ist es wirklich, was man kann, wenn es ums Formulieren geht? Bedeutet "Ich kann schreiben", dass man in der Lage ist schöne Sätze zu bilden?

Da muss ich zurückfragen. Wichtig wofür? Um unterhaltsam zu sein? Würde ich nicht sagen. Um einen Verlag zu finden? Schon eher. Um sich wirklich abzuheben? Ziemlich sicher.

Schreiben ist imho Beides. Guter Stoff und gutes Garn. Letztlich ist jede Geschichte schon mal so oder so ähnlich veröffentlicht worden. Wenn man sie aber in ein neues Gewand packt, bei dem der Schnitt sitzt, die Größe passt und die Farbe mit dem Teint harmoniert - dann und imho nur dann, ist es wirklich richtig gut.


ZitatOder kommt es eher darauf an, was man mit seinen Lesern macht? Ich kenne es von mir, dass ich gar nicht mehr auf den Stil achte, wenn mich die Geschichte wirklich packt und ein zu geschliffener Schreibstil manchmal sogar unpersönlich und unpassend wirkt. Besonders, wenn Bücher es schaffen Emotionen auszulösen, bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Stil da so wichtig ist.

Hattest du das wirklich mal? Das eine emotionale Szene durch einen zu geschliffenen Stil versaut wurde? Ich kann mich da an kein Beispiel erinnern. Guter Stil bei Action ist ja z.B das Verwenden von kurzen Sätzen und einfachem Vokabular. Also natürlich gibt es Stellen wo "gehoben" nicht passt, "geschliffen" im Sinne von "dran gearbeitet" kann mir aber eigentlich nichts verhageln, oder meinst du was anderes?

ZitatWie seht ihr das? Was ist wirklich wichtig und was macht eine Geschichte überhaupt gut?

Für mich: Beides. Dabei gilt Stoff>Stil. Aber ohne passenden Stil habe ich dennoch kaum Lesespass.

ZitatIch habe für mich beschlossen weniger über meinen Stil nachzudenken und mehr Zeit darin zu investieren darüber nachzudenken, wie ich eigentlich Geschichten erzähle und ob das ein guter Weg ist. Aber mich würde wirklich interessieren wie ihr das seht.

Das widerum sehe ich genau so. Den Stil kann man später noch überarbeiten, ein Flickenteppich von Plotlöchern (manchmal) nicht.

Rika

Ich finde es wichtig, dass der Schreibstil zu der erzählten Geschichte, ihren charaktären und dem Setting passt. Ja, ich weiss, das ist auch sehr nebulös und schwer bestimmbar...

Zit

#4
Wo wir schon bei ihm waren: Als ich Zafons Der Schatten des Windes las, war ich sehr angetan von der Sprache. Ich würde sie nicht unbedingt als poetisch bezeichnen, sondern doch eher als Rotwein, aber einen leichten, vll. sogar rosé. :D Wenn ich mir im Vergleich dazu den amerikanischen Stil anschaue, ist das nur Fanta. Schmeckt auch, aber auf Dauer verkümmern meine Geschmacksnerven. (Ich finde es schade, dass ich in letzter Zeit von deutschen Nachwuchsautoren nichts anderes gelesen habe.)
Was nun die Emotionen angeht, so hängt das imho nicht unbedingt vom Stil ab als vielmehr davon, ob ich Zugang zu der Figur habe und mich daher ihr Leiden & Leben interessiert oder nicht. Wenn die Figur aber weder interessant angelegt ist noch tiefer gehend dargestellt wird, fühl ich nicht wirklich mit ihr.
Ich räume daher den Sachen, die sich plotten lassen, mehr Raum und Sorgfalt ein als meinem Stil. Wobei ich mit dem nicht zufrieden bin, da er eben in Richtung amerikanisch geht und nicht Zafon. :wart: Da muss ich noch dran arbeiten.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Faol

Ich finde einen guten Schreibstil als Leser vorallem am Anfang des Buches wichtig. Es gab schon einige Bücher, die ich in der Buchhandlung wieder weg gestellt habe, weil mir der Anfang nicht gefallen hat und ich glaube da ging es selten um den Inhalt, sonder viel mehr um den Stil.
Als Autor: Ich habe beim Schreiben oft das Gefühl, dass ich genau weiß, welche Emotion ich beim Leser auslösen will und habe diese Emotion beim Schreiben. Trotzdem merke ich nachher beim nochmal rüber lesen das bei manchen Stellen beim Lesen diese Emotionen wiederkommen und bei anderen nicht. Und wenn ich genau darüber nachdenke liegt es nicht daran, dass die Geschichte an der Stelle nicht gut gesponnen ist, sonder dass ich die Falschen Wörter gewählt habe. Es liegt am Stil.
Ich habe das Gefühl, dass das Hand in Hand geht. Wenn man zu viel über den Stil nachdenkt, dann wirft man sich selbst aus der Geschichte und kann beim Schreibe die Emotionen nicht so spüren, wie wenn man im "Flow" ist und sich über die Sprache gar keine Gedanken macht. Dann kann es passieren, dass man stilistisch schöne Sätze hintereinander reiht, aber das ganze nachher doch nicht schon wird.
Weil ich mich aber beim Schreiben wesentlich weniger auskenne, als in der Musik, möchte ich ein Beispiel bringen, das sich meiner Meinung nach aufs Schreiben übertragen lässt. Wenn ich ein neues Stück lerne, mach ich das erst so, dass ich einfach die Töne lerne, die Technik lerne und es schon komplett richtig spielen kann, dann kommt das Element wirklich Musik zu machen, Emotionen ins Stück zu legen und plötzlich sind die ganzen Töne, die ich vorher so gut konnte weg und ich fliege raus. In der Musik habe ich die Erfahrung gemacht. Man muss die Technik im Hintergrund schon sehr gut können, damit man die Emotionen rüberbringen kann, die man bringen will. Erst dann ist das Ergebnis wirklich gut. Aber mit der Technik alleine wird man nie die Herzen der Menschen erreichen können und ich denke, dass ist es, was Musiker wie Schriftsteller eigentlich wollen, oder?
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Maja

#6
Ich habe das vom Workshop ins Sprachbastelboard verschoben, weil Fragen zum Stil hier einfach besser hingehören.

Die einzige Emotion, die schlechter Stil bei mir auslöst, ist Ärger. Wenn ich bei einem Autor das Sprachgefühl vermissen lasse, oder wenn eine Übersetzung ganz und gar lieblos daherkommt, lese ich über die erste Seite nicht hinaus. Dabei mache ich es nicht daran fest, wie viele Adjektive jemand verwendet (ich führe da keine Strichliste) oder wie lang die Sätze sind, es muss einfach stimmen, zum Thema und zur Szene passen.

Ich denke nicht, dass man absolute Kriterien anwenden kann, wie Stil zu sein hat. Sprache ist für uns, was für den Maler die Farbe ist. Und wo der Maler die Wahl hat zwischen Öl und Aquarell, zwischen dicker, pastöser Farbauftragung, zarter Pointiellung, Arbeit mit dem Pinsel, dem Spachtel oder den Fingern, ist auch für uns Sprache ein vielseitiges Medium. Man kann alles gut und schlecht machen, in der Kunst oder mit der Sprache.

Als schlecht empfinde ich z.B. Wortwiederholungen, die nicht einem absichtlichen Muster folgen (wenn man drei, vier Sätze immer nach dem gleichen Schnittmuster aufbaut, immer mit dem gleichen Wort beginnt, um etwas in den Leser einzuhämmern), sondern man merkt, dass der Autor einfach nicht drauf geachtet hat, welches Wort oder welche Silben er schon wo verwendet hat. Oder den übermäßigen Gebrauch von Konjunktiv und Plusquamperfekt - grammatikalisch sicher korrekt, verwandeln sich Sätze damit in Bleiwüsten von hatte gehabts, war gewesen, würde sein, etc. Oder Autoren, die aus Angst, der Satz könnte dem Leser zu lang sein, Sätze mit dem Mähdrescher zerstückeln, ohne auf den besonderen Rhythmus zu achten.

Gefühl können beim Leser nur über das Mittel der Sprache geweckt werden, und wenn die Sprache nicht stimmt, dann kann sich der Autor den Wolf schreiben, es kommt nicht an. Ohne Können keine Emotionen, das ist keine Oder-Frage. Zum Können gehört auch zu wissen, wann man ausschweifend wird und wann knapp, was zur Szene passt, zur Situation, zu den Figuren. Wörtliche Rede ist anders zu behandeln als beschreibende oder erzählende Passagen. Wenn man beim Lesen das Gefühl hat, der Autor habe sich nach jedem Satz vor Begeisterung über seine Sprachgewalt einen runtergeholt, stört das den Lesefluss genauso, als wenn man denken muss, der Autor habe über dem zu vermittelnden Inhalt völlig die Sprache vergessen.

Ich weiß nicht, wie es Autoren ergeht, die nicht tanzen und/oder Musik machen, aber ich habe beim Schreiben immer eine Melodie im Kopf, der meine Sprache folgt. So oft gesagt wird "Lange Sätze müssen vermieden werden", ist mir das schnurz, was vermieden werden muss, sind schlechte lange Sätze, genau wie schlechte kurze oder schlechte mittellange. Für mich macht es im Satzfluss einen Unterschied, ob ich zwei Teilsätze mit Komma, Semikolon, Gedankenstrich oder Punkt trenne, weil es eben unterschiedlich klingt. Ich arbeite mit Assotiationsketten aus in sich kompletten Sätzen, deren schiere Wortzahlen anderen die Haare zu Berge stehen lassen, aber ich höre den Unterschied, und er ist mir wichtig.

Die Frage ist, was will ein Text? Will er nur Inhalte vermitteln, wie z.B. ein Zeitungsartikel, hat man an ihn andere formelle Ansprüche, als wenn dem Leser ein komplexes Bild gemalt werden soll, das betörend ist, aber eben seine Zeit zum Verstehen braucht. Für manche Autoren ist die Aussage "der Stil ist literarisch" ein Lob, andere empfinden das als Beleidigung. Die einen lieben Borchert, Fontane, Kafka, anders rennen davor weg. Die Bildzeitung verkauft eine größere Auflage als die Taz, aber ist sie deswegen besser? Wir haben als Autoren die wundervolle Freiheit, selbst entscheiden zu können, wo wir hinwollen und wen erreichen. Das eine wie das andere hat seine Existenzberechtigung. Es ist eben nur nicht für jeden etwas.

Etwas problematisch sehe ich es, wie oft hier ausgerechnet Zafóns Stil als Beispiel erwähnt worden ist - geht es dabei um seinen Stil im Original, oder um den seiner Übersetzungen? Das sind oft zwei paar Schuhe, es kommt zu häufig vor, dass Übersetzer sich nicht auf Sprache, Duktus und Melodie einstellen, sondern einfach ihr Ding durchziehen und so formulieren, wie sie es auch in eigenen Texten tun würde. Ich kann das bei Zafón nicht beurteilen, weil ich kein Spanisch spreche oder lese, muss aber sagen, was ich von ihm bis jetzt auf Deutsch gelesen habe (nur "Der dunkle Wächter", was schon älter ist) hat mich sprachlich nicht vom Hocker gehauen. Aber ich weiß, warum ich nach Möglicheit vermeide, Übersetzungen zu lesen, und lieber zum Original greife.

Aber dass es absolut schlechte Sprache gibt, beweisen uns die allseits geschätzten Abenteuer des Stefón Rudel. Sprache kann so schlecht sein, dass sie wehtut. Und da hilft dann auch kein Plot mehr und keine Emotionen (außer gequälter Erheiterung, vermute ich). Dieses Buch scheitert nicht an zu vielen Adjektiven und nicht an zu langen Sätzen - es scheitert daran, dass der Autor außerstande ist, Sprache zu fühlen. Und wo dieses Gefühl fehlt, sind keine anderen mehr möglich.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Coppelia

#7
Yay! Ein Thread über Stil! ;D

Ich bin beim Denken und Schreiben ziemlich stark von antiker Rhetoriktheorie beeinflusst. Rhetorik ist quasi die Wissenschaft zum Erwecken der Emotionen beim Leser. Ich finde sie heute noch ziemlich aktuell.

Man unterscheidet nach der antiken Lehre 4 oder 5 Stilqualitäten: Grammatische Korrektheit, Verständlichkeit des Ausdrucks, Angemessenheit, Redeschmuck (das sind Stilmittel und so) und manchmal noch Kürze. Vor allem das Kriterium der Angemessenheit wurde hier sehr oft genannt. Hier unterscheidet man wiederum zwischen 3 Stilarten: niedriger/schlichter, mittlerer und hoher Stil. Wenn wir heutzutage von "Stil" sprechen, haben wir meist nur den hohen Stil im Kopf, der sich z. B. durch das Vorhandensein von viel Redeschmuck und die Verwendung von, wie soll man sagen, epischem und sogar poetischem Vokabular auszeichnet. Aber das ist ein Denkfehler: Die anderen Stilarten bemerkt man nur nicht so, weil sie nicht hervorstechen. In einem guten, "einfach" formulierten Text kann sehr viel Arbeit stecken, auch wenn es beim Lesen zunächst überhaupt nicht auffällt. Es ist wohl eher besonders schwierig, so zu schreiben, dass keine Aufmerksamkeit auf den Stil gelenkt wird und der Text den Leser gefangennimmt - sofern das denn das Ziel ist.
Cicero schreibt, eine gute Rede (und man kann durchaus übertragen, ein guter Text) enthalte gewöhnlich alle drei Stilarten. Wer die falsche Stilart an der falschen Stelle benutzt, zum Beispiel über alltägliche banale Dinge mit hochtrabenden Worten daherredet, erfüllt die Stilqualität der Angemessenheit nicht. Und ich denke, so könnte es auch bei Texten sein, die trotz "poetischer" Sprache die Emotionen nicht ansprechen (dazu kommen natürlich immer persönliche Vorlieben). Und natürlich gibt es dann noch die Unterschiede von Autor zu Autor und die Unterschiede im Genre. Wenn zwei unterschiedliche Autoren im schlichten oder hohen Stil schreiben, schreiben sie natürlich trotzdem keine gleichen Texte.

Eine gute Formulierung muss nicht "schön" sein, sondern sie weckt die Emotionen des Lesers, die der Autor wecken will, und unterstützt die Intention des Textes perfekt. 

Maja schreibt:
ZitatSprache ist für uns, was für den Maler die Farbe ist. Und wo der Maler die Wahl hat zwischen Öl und Aquarell, zwischen dicker, pastöser Farbauftragung, zarter Pointiellung
Könnte so bei Cicero stehen. Auch die Sache mit der Sprachmelodie ist etwas, was Cicero sehr am Herzen liegt.

Also, kurz gesagt: Ich halte es für zwingend notwendig, dass ein Text, um perfekt zu sein, auch einen korrekten, angemessenen usw. Stil hat. Für mich gibt es kein "Können gegen Emotionen". Emotionen stellen sich mit dem Können ein. Wer ohne theoretische Unterweisung oder Übung Emotionen beim Leser wecken kann, ist ein Naturtalent. Trotzdem kann ihm theoretische Kenntnis helfen, seine Fähigkeiten besser einzusetzen.
(Die Voraussetzungen für einen guten Redner/Autor sind der antiken Auffassung nach Talent, Kenntnis der (Schreib-)Theorie und Übung. Sie ergänzen einander).

Jetzt wäre es nur noch schön, wenn ich die Theorie auch immer anwenden könnte.

Und, Mist, ich hätte lieber mein Romanpensum schreiben sollen. Tempus fugit! :gähn:

Antonia Assmann

Zitat von: Coppelia am 05. April 2013, 06:37:23

Und, Mist, ich hätte lieber mein Romanpensum schreiben sollen. Tempus fugit! :gähn:

Ich danke dir dafür, dass du uns Ciceros Meinung über gutes Schreiben übermittelt hast - mir hat das heute morgen schon was gebracht, also war deine Zeit nicht umsonst! Ich werde mir diese Grundsätze gleich mal hinter die Löffel schreiben :)

Thaliope

#9
@Maja: Du hast ziemlich genau das getroffen, was ich auch dazu denke: Ohne guten Stil komme ich beim Lesen gar nicht soweit, dass Emotionen geweckt werden könnten.
Dabei bedeutet ein guter Stil für mich allerdings eher das Gegenteil von "überladen" wie es hier einige male erwähnt wurde. Es muss treffend und vor allem "glatt" sein. Wenn Wörter und Wendungen, Rhythmus und Satzmelodie nicht selbstverständlich und holpefrei fließen, wenn ich an zu vielen Adjektiven hängen bleibe und an Wörtern, die nicht haargenau passen, dann lege ich das Buch meistens sofort wieder weg.

Aber, Maja, zu Zafon muss ich doch noch was loswerden: Der Dunkle Wächter ist wirklich grottoid und absolut kein Beispiel für guten Stil. Eher ein Paradebeispiel für viel zu viele Adjektive. Aber bei seinen späteren Büchern hat sich der Stil unglaublich entwickelt. Schau dir mal Das Spiel des Engels an, nur ein paar Sätze, da wirst du einen Riesenunterschied feststellen und vielleicht verstehen, warum viele seinen Stil so faszinierend finden. Da ist er echt eines meiner Vorbilder. (Und ich war sooo enttäuscht vom Dunklen Wächter...).

Fazit: Für mich ist guter Stil die Bedingung, um Emotionen zu transportieren.
Ich weiß, es gibt viele Leute, die tolle Geschichten auch erkennen, wenn sie furchtbar erzählt sind. Geht mir nicht so. ;)

LG
Thali

Luciel

Ich finde, Cornelia Funke ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie gut ein Buch werden kann, wenn ein hervorragender Stil mit Emotionen zusammen kommt ... und wie viel Zeit ein Autor braucht, um diese Kombination zu bewerkstelligen.
Ich höre zur Zeit gerade "Tintenherz" als Hörbuch, in der Hoffnung, das es mich mehr fesselt als die gedruckte Ausgabe, doch dem ist nicht so. Für mich verzettelt sich Cornelia Funke in ihrem schönen Stil und es wollen einfach keine Emotionen aufkommen, die mich mit der Handlung verbinden. Ein Kinderbuch, von einer Philosophin geschrieben, so kommt es mir vor.
Ganz im Gegensatz zu den Reckless-Büchern, die ich wahnsinnig liebe! Der wundervolle Stil ist erhalten geblieben, doch hier fließt er in die Handlung ein, untermalt die Charaktere und macht das Lesen zu einem Genuss. An vielen Stellen bewundere ich die tollen Formulierungen, doch genauso fiebere ich mit der Handlung mit. In Reckless gehen Emotionen und guter Stil eine künstlerische Verbindung ein, die mich neidvoll seufzen lässt ;)

Feuertraum

Zitat von: Coppelia am 05. April 2013, 06:37:23
Auch die Sache mit der Sprachmelodie ist etwas, was Cicero sehr am Herzen liegt.

Auch mir ist die Sprachmelodie sehr sehr wichtig, ehrlich gesagt wichtiger als das Wort selbst, aber das ist jetzt nicht das Thema.
Die Frage ist ja: Was ist Stil? Beziehungsweise: Was ist guter Stil?
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach gibt es keine Richtlinie, um das ganze festzuschrauben. Jeder von uns hat seine Art, (s)eine Geschichte zu schreiben, und jeder Leser hat seinen Geschmack um zu entscheiden, ob ihm Art und Ideen der Geschichte gefallen oder nicht.
Ich habe einfach einmal spaßeshalber ein paar Meinungen zu der 50 Shades of Grey-Trilogie gelesen (auch wenn ich die Bücher nie gelesen habe).
Gar nicht mal wenige Aussagen lauteten: "Gerade weil/Obwohl die Geschichte sehr einfach geschrieben wurde, ist die Story klasse."
Irgendwo hat jedes Buch seine Leserschaft, und einem Teil gefällt das ganze, einem anderen Teil nicht.
Ein Autor sollte sein Handwerk beherrschen, sollte "die Regeln" kennen. Und wenn er das alles kann, dann sollte er damit anfangen seine Geschichten so zu schreiben, wie es seinem Naturell entspricht, egal ob poetische, bildgewaltige Wortwahl nebst Symbolik oder schnodderig und einfach gestrickt.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Rika

Mir scheint, dass die antike Rhetoriktheorie, wie auch Maja's Hinweis auf Sprachmelodie, anscheinend ziemlich gut definieren, was ich nicht definieren, sondern nur spüren kann. In der Angemessenheitskategorie, wie auch in Maja's Melodie findet sich wieder, was ich versucht hatte, mit "muss passen" und Stimmigkeit auszudrücken.

Danke, Coppelia - damit habe ich einen neuen Interesse-Faden um mich mal schlauer zu recherchieren.  :)

Churke

Ein Stil, der nicht funktioniert, der den Leser nicht in die Geschichte hinein zieht, kann nicht gut sein. Auch wenn er noch so anspruchsvoll ist. Ich würde das sogar als Unvermögen des Autors bezeichnen - schließlich muss ich jederzeit einen angemessenen Stil (Danke, Coppelia) wählen.

Guter Stil ist schwierig zu schreiben und leicht zu lesen, sage ich immer. Auch wenn es wie immer Ausnahmen gibt und man sich aus bestimmten Gründen bewusst eines umständlichen Stils bedienen mag.

Adam_Charvelll

Ich muss den meisten Kommentaren hier zustimmen und denke keiner von beiden Aspekten kommt ohne den anderen aus. Ein Text kann noch so einen guten Stil haben, wenn er nicht weiß, wie man Emotionen im Leser erzeugt ist er wertlos. Umgekehrt kann man noch so intensiv auf Emotionen abzielen, wenn man dennoch keinen guten Ausdruck hat, liest der Leser nicht weit.

Zum Teil ist der Stil auch wirklich über den Rest zu erheben. Genau hier hat doch der Autor die Möglichkeit, sich zu profilieren und individualisieren. Es gibt so viele Autoren und Bücher. Die meisten Themen, Strukturen und Inhalte sind bereits abgefrühstückt, sodass man mit seinem Stil einfach auffallen muss. Und das bedeutet gar nicht, dass man poetisch sein oder sich auf antike Konzepte stützen sollte (die ich persönlich dennoch sehr hilfreich finde). Ein guter Autor sollte einfach verschiedene Kompetenzen besitzen. Er soll sich gut ausdrücken können, eloquent sein und in der Lage sein, Text zu vernetzen. Er muss wissen, wie man Wörter und Sprachformen situationsadäquat einsetzen kann und welche verschiedenen Effekte und Emotionen man dadurch auslösen kann. Aus diesen grundlegenden Bedingungen entsteht dann je nach Gewichtung der einzelnen Aspekte ein eigener Stil.

Und dann gibt es sicher noch eine Meta-Ebene, auf der man von dem "einzigen" eigenen Stil abrücken und verschiedene Ausdrucksweisen nutzen kann, um verschiedene Wirkungen zu erzielen.

Allgemein ist der Stil also sehr wichtig, Emotionen erzeugen aber genauso.