"Bruder" schreiben, wenn es der Halbbruder ist?

[Ryadne]

Hallo,

eine kleine Frage, die mir jetzt aber schon länger Kopfzerbrechen bereitet: In einem Text hat ein Kerl ein längeres Gespräch mit seinem Halbbruder. Ich erwähne aber nur am Anfang, dass die beiden Halbbrüder sind, ansonsten schreibe ich immer sowas wie "Sein Bruder antwortete ihm..." etc.

Meint ihr, das macht einen Unterschied? Sollte ich besser beim "Halbbruder" bleiben oder ist es egal?

Für die Beziehung zwischen beiden macht es keinen Unterschied, sie sind zusammen aufgewachsen, allerdings hat der eine einen niedrigeren Sozialstatus, insofern macht es doch wieder einen Unterschied...

Für eure Einschätzungen bin ich dankbar

Ryadne

[Coppelia]

Ich hatte auch ein Halbbrüder-Paar in einem Roman. Und ich habe von ihnen immer nur als "Brüder" geschrieben.

Weiß auch gar nicht, ob man sagen kann, dass es keine Brüder sind, wenn es "nur" Halbbrüder sind.

[Grey]

Auf dem Halbbruder würde ich nur dann herumreiten, wenn einer der beiden sich deutlich vom anderen distanzieren will. Wenn sie wie Brüder aufgewachsen sind, werden sie sich auch als echte Brüder betrachten. Und dann wäre es nicht konform mit der Perspektive, wenn du "Halbbruder" schreibst.

[Merlinda]

Also ich finde du kannst "Bruder" ruhig stehen lassen.
Auch wenn der eine eine Schicht weiter unten sein sollte.
Immerhin sind sie ja zusammen aufgewachsen und haben bestimmt schon viel miteinander erlebt, oder?
Und wenn es für die Geschichte an sich keinen Unterschied macht, ob sie jetzt "richtige" oder nur Halbbrüder sind, hätte ich damit kein Problem.

[Malinche]

Ich schließe mich den anderen an - und werfe mal ein, dass ich von meinem eigenen Halbbruder auch ausschließlich als meinem Bruder rede.

[K a t e]

Ich finde es völlig in Ordnung, wenn du das "Bruder" stehen lässt. Ich kenne keine Geschwisterpaare, die miteinander aufgewachsen sind und sich gegenseitig "Halbbruder/Halbschwester" nennen.

[Ryadne]

Uh, das ging aber schnell.
Danke, das ist ziemlich eindeutig, dann werde ich beim "Bruder" bleiben und nur am Rande irgendwann nochmal erwähnen, dass sie verschiedene Mütter haben, damit der Leser das ja nicht vergisst.

Mein Exfreund hat immer drauf bestanden, dass ich seine Halbbrüder klar als solche bezeichne (obwohl sie zusammen aufgewachsen sind), und wenn ich es mal vergessen habe, hat er mich sofort verbessert. Vielleicht hat das gerade nachgewirkt.

[Maran]

Ich denke, es kommt darauf an, wie das Verhältnis zwischen den beiden ist, und ob die Familienverhältnisse wichtig für die Geschichte sind.

[Coppelia]

Was ich gestern noch schreiben wollte: Bei Plutarch wird erzählt, wie eng das Verhältnis zwischen Cato und seinem Bruder Caepio war. Alle Übersetzungen, die ich kenne, schreiben "Bruder", wenn auch diese beiden "nur" Halbbrüder waren.

[Antonia Assmann]

Meine Söhne bezeichnen sich auch als Brüder, außer einer ist sauer auf den anderen, oder versucht mir zu erklären, dass ich unfair gewesen wäre...

[Feuertraum]

Ganz ehrlich? Ich sehe das anders als meine Vorredner. Es mag daran liegen, dass ich nicht mit meinen Halbgeschwistern aufgewachsen bin, aber meine Halbschwestern sind meine Halbschwestern, und wenn ich von ihnen erzähle, sind es meine Halbschwestern.
Und so würde ich es auch in einer Geschichte schreiben.
Allerdings wäre das der Autor in mir.
Der Leser würde sich eher nicht daran stören. Glaube ich zumindest...

[Alessa]

Nach meiner Meinung spielt das gemeinsame Leben der Halbgeschwister eine wichtige Rolle. Ich hatte in einem meiner Projekte auch ein Halbgeschwisterpärchen. Beide sind zusammen aufgewachsen. Da der Vater sehr viel Arbeiten war, hat sich der ältere (Halb-)Bruder um meine Protagonistin gekümmert. Das hatte zur Folge, dass sie weit mehr als einen Halbbruder in ihm gesehen hat. Er war für sie Vertrauter, Freund, Vorbild und eben Bruder.

Allerdings kann ich nicht auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen. Jedoch denke ich, dass es für die Geschwister und ihr Verhältnis zueinander eine Rolle spielt, ob sie zusammen aufwachsen oder nicht. Eine gemeinsam erlebte Kindheit und Jugend schweißt mehr zusammen, als wenn sich die Halbgeschwister nur zwei Mal im Jahr sehen. Dabei kommen auch die unterschiedlichen Wohnungen zum Tragen, die eine 'gedankliche' Trennung im Kopf der Halbgeschwister entstehen lässt.

[Merwyn]

Ich finde, es sollte definitiv klar sein, dass sie Halbbrüder sind. Das ist bei dir ja aber sowieso der Fall.
Ob Bruder oder Halbbruder würde ich von der Perspektive abhängig machen, in der ich schreibe, und dann eben der Einstellung des Perspektiventrägers anpassen.

Generell finde ich es aber auch ok, wenn Halbbruder und Bruder sich abwechseln, sofern die beiden kein total gutes (dann wären sie auf jeden Fall Brüder) oder abgrundtief schlechtes Verhältnis ("nur" Halbbrüder) zueinander haben.

[DEckel]

Meine Schwester ist eigentlich meine Halbschwester, ich würde aber nie auf die Idee kommen sie so zu nennen.

Dabei sind wir nichteinmal komplett zusammen aufgewachsen. Sie ist geboren als ich 6 war und mit 13 bin ich bei meiner Mutter ausgezogen und habe von da an bei meinem Vater am anderen Ende von Deutschland gewohnt... Wobei ich manchmal glaube dass ich damit vielen Problemen in ihrer Pubertät ausgewichen bin   
Das Verhältnis zwischen uns ist aber ein wirklich Gutes.

[chaosqueen]

Feuertraum, Sie schreiben ja auch, dass sie mit Ihren Halbgeschwistern nicht aufgewachsen sind, das dürfte genau der entscheidende Punkt sein. Ich selber habe eine Schwester, keine Halbgeschwister. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis ist das aber durchaus nicht selten. Und je nach Beziehungsgrad in der Jugend sind die Bezeichnungen. Sind die Kinder gemeinsam aufgewachsen, bezeichnen sie sich in der Regel auch als Erwachsene als "Schwester" oder "Bruder". Anders bei einer Freundin, die selber das Ergebnis eines Seitensprungs ihres Vaters ist - sie hat keinerlei Beziehung zu den Töchtern aus seiner Ehe und bezeichnet diese normalerweise als "U.s Töchter", ganz selten als Halbschwestern, nie als Schwestern.
Ein anderer Bekannter hat drei Kinder, die ersten beiden aus seiner Ehe, die dritte aus einer nachfolgenden Beziehung. Die beiden Großen (jetzt 12 und betrachten die Kleine völlig selbstverständlich als ihre Schwester. Lustig wird es hier, weil auch die Mutter der Jüngsten noch einen Sohn aus einer vorigen Beziehung hat, der halt die Kleine auch als Schwester bezeichnet, so dass die drei älteren Kinder, die keine geschwisterlichen Beziehungen haben, indirekt auch zu Geschwistern wurden, sich aber nicht gegenseitig so bezeichnen. Ob dann "das ist der andere Bruder meiner Schwester" als Satz fällt, weiß ich nicht, ich denke aber, dass die Kinder sich zu selten sehen (alle Kinder wohnen bei den Müttern, die drei meines Bekannten sind regelmäßig bei ihm, der Sohn seiner Ex allerdings nicht).

In Deinem Fall würde ich dazu plädieren, es in einer entsprechenden Szene deutlich zu machen, in der Bezeichnung der beiden untereinander (und dazu gehört auch, wie Du als Autor sie bezeichnest, wenn sie miteinander umgehen) aber immer "Bruder" schreiben. Falls es passt, kannst Du in einer entsprechenden Szene ja den höher gestellten Bruder einem Dritten gegenüber erwähnen lassen, dass der Bruder ein Halbbruder ist. Je nachdem, wer da fragt und ggf. stutzt, als der Junge etwas von seinem Bruder erzählt, kann das auch ein wenig hastig, abfällig oder schamhaft passieren - egal, wie die BRüder zueinander stehen, wenn es einen Standesunterschied gibt, werden sie den hin und wieder auch spüren.
Ich denke da nur an Jon Snow, der von seinen Geschwistern auch je nach Innigkeit der Beziehung mal als Bruder, mal als Halbbruder, mal als Bastardbruder bezeichnet wird.