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Einen Menschen umstoßen

Begonnen von Luciel, 07. Januar 2013, 21:54:10

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Luciel

Mir war die Frage schon einmal durch den Kopf gegangen, und als ich im Film der Hobbit war, kam sie erneut auf...
Da gibt es diese fantastische Szene, in der Bilbo einen Ork anspringt und der fällt um. In Filmen sieht man das ja öfter, dass kleinere Menschen einen größeren anspringen oder in den Rücken springen und die fallen dann um. Stimmt das tatsächlich oder ist das eher was aus der Kiste: Schön wär´s?

Ich hatte mich das mal gefragt anlässlich der vielen Interwiews von überlebenden Teilnehmern des Zeltlagers auf Utøya, wo 77 Menschen erschossen wurden. Der Attentäter stand offenbar des öfteren herum und diskutierte mit seinen Opfern - wäre es möglich gewesen, ihm von hinten in den Rücken zu springen und zu Fall zu bringen? Ich verstehe durchaus, das niemand so was riskieren wollte, aber als Autorin interessiert mich das Gedankenspiel.

Ist vielleicht jemand in einer Kampf- oder Selbsthilfegruppe und hat das mal probiert?


Antonia Assmann

Also ich habe das mal mit zwanzig probiert. Da war ich noch sehr sportlich. Mein Gegenüber war 1.96m und ich bin 1.68. Ähm, ich lag am Rücken am Boden und der andere hat sich totgelacht. Ich erinnere mich noch sehr genau. Das war ziemlich peinlich  :versteck: Also er meinte für eine Abwehr gegen einen Vergewaltiger, läge ich jetzt richtig... Und ich hatte echt Anlauf genommen und meine Kraft eingesetzt. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie das ist, wenn man sowas gelernt hat.
Aber bei einem Laien, wie gesagt gut mit Muskeln bestückt, keine Change. Dabei hatte ich das immer in Filmen gesehen und dachte mir, das würde so einfach gehen....

Churke

Das Problem ist, dass der Hänfling mit allem Anlauf der Welt nicht genug Energie aufbringt, um einen wesentlich Schwereren umzuwerfen. Dazu fehlt ihm einfach die Körpermasse. Wahrscheinlich fällt der Hänfling um und nicht der Gorilla.

Es ist grundsätzlich wohl einfacher, den Gorilla zu Fall zu bringen, indem man runter geht und ihn an den Beinen angreift. Da ist er durch seinen hohen Schwerpunkt verwundbar.

Was auch funktionieren kann, ist der Stoß, wenn der Gorilla sein Gleichgewicht verloren hat. Zum Beispiel, wenn der Gorilla läuft und man mit gutem Timing von der Seite kommt. Es gibt auch Tricks, den Gegner gezielt aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber das ist Meisterklasse.

Shin

Also ich wurde mal umgerissen.
Ich bin 1.81, mein Gegenüber war etwa 1.55. Sie hat Anlauf genommen und hat mich umgeschmissen, aber der Untergrund war auch rutschig - und ich lag dann im Matsch.
Aber ob das auf festem Untergrund geklappt hätte, bezweifle ich, da wurde ich schon öfter ohne Probleme angesprungen.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank          

DEckel

Wenn die große Person auf festen Untergrund steht und entweder ohnehin einen festen Stand hat oder einen winzigen Moment um sich vorzubereiten sehe ich keine Chance. Wie Churke gesagt hat - Die Masse reicht einfach nicht aus.
Rutschiger Untergrund, eine Verletzung oder unsicherer Stand und die Sache sieht wieder anders aus.

Übrigens habe ich gelernt dass es wirklich WIRKLICH schwer ist jemanden aus dem Gleichgewicht zu bringen der einen Großteil seinen Lebens auf Booten zu See verbracht hat.
Diese Leute sind einfach so daran gewöhnt zu jeder Zeit einen festen Stand zu haben dass man wie gegen eine Wand läuft  :wums: 

Felsenkatze

Ich schätze, man hätte bessere Chancen, wenn man jemanden von vorne anspringt. Jemand, der ein paar Schritte vorwärts taumelt, kann sich leichter fangen, als jemand, der rückwärts taumelt. Aber dann sind im Fall von Orks o.ä. natürlich Waffen im Weg. Außerdem muss man schon ordentlich Anlauf nehmen, und vermutlich schnell genug rennen können.

Arcor

#6
Zitat von: DEckel am 08. Januar 2013, 09:29:04
Übrigens habe ich gelernt dass es wirklich WIRKLICH schwer ist jemanden aus dem Gleichgewicht zu bringen der einen Großteil seinen Lebens auf Booten zu See verbracht hat.
Diese Leute sind einfach so daran gewöhnt zu jeder Zeit einen festen Stand zu haben dass man wie gegen eine Wand läuft  :wums:
Oh, die Info ist höchst interessant. Vielen Dank, DEckel. Darauf werde ich meine Seefahrer-Geschichte nochmal abklopfen.  :)

Ich schätze, dass es im Überraschungsmoment auch noch anders aussieht. Wenn man einfach nur mit jemandem redet oder steht oder geht und nicht damit rechnet, sollte es eigentlich möglich sein, jemanden von hinten anzuspringen/anzurempeln und umzustoßen. Wobei auch da wahrscheinlich ab einem gewissen Gewichtsunterschied Schluss ist, wie gesagt, einfach wegen der Masse.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

phoe

Ich hatte es mit meinen 1,63 vor vielen Jahren und vielen Kilo weniger geschafft, einen wirklich bärigen Typen zu Fall zu bringen. Tatsächlich half mir in dem Moment, der Überraschungseffekt zu einem und das er selbst keinen festen Stand hatte. Es war nur aus Spaß und ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, ihn umzuhauen. Wir waren beide überrascht, als ich auf ihm lag.  ;D

Mein Mann hat mir das später erklärt und ebenfalls bestätigt, das es Glück war, weil mein Bekannter keinen festen Stand hatte.  Wobei man die Masse des "Gegners" durchaus nutzen kann, wenn der den Anfang macht. Dann kann man diese "Schwungmasse" für sich ausnutzen und ihn so zu Fall bringen - reine Physik, sagt mein Mann dazu. Und er hat recht, ausnahmsweise.  ;)

DEckel

ZitatOh, die Info ist höchst interessant. Vielen Dank, DEckel. Darauf werde ich meine Seefahrer-Geschichte nochmal abklopfen. 

Juhuu, ich habe etwas gesagt was jemandem geholfen hat  ;D Ich fühl mich schon immer so schlecht weil ich hier so viel mehr lerne als ich beisteuern kann.

Von vorne anspringen (wir nehmen einfach mal an es sind keine Waffen im Weg) müsste aber auch sehr überraschend kommen. Probier das mal aus, ich warte so lange.
...
...
Nichts passiert, oder? Um dich abzusichern musst du nur ein Bein etwas nach hinten bewegen und den Fuß quer stellen, und das geht sehr schnell (ich habe das grade mit einem Kollegen getestet - sobald mein Bein so steht wirft er mich nicht mehr um, obwohl er nicht viel weniger wiegt als ich)
Er könnte mich also nur umwerfen wenn er mir nicht die Zeit lässt meinen Stand zu ändern, wozu ich nichtmal eine Sekunde brauche.

Churke

Ein Videobeitrag:

http://www.youtube.com/watch?v=XpTaL0sWRoM

Bei 0:12.

Der Stopptritt ist absolut kraftlos. Aber bei 140 Kilo reicht das.

Zanoni

Hier ein Beispiel dafür, wie sich auch gänzlich ohne Kraft, Masse oder Seefahrer zu sein, der Stand bewahren lässt:

http://www.youtube.com/watch?v=ldH40uF_f28

Das ist kein Fake, sondern funktioniert wirklich. Doch ist trotzdem ein "Trick" dabei. Denn je Menschen gleichzeitig versuchen, den Typen aus der Balance zu bringen, desto spektakulärer sieht es aus, aber desto einfacher wird es für ihn. Also ein einzelner Gegner ist eine echte Herausforderung, aber viele in einer Reihe kaum - das dient allein "Showzwecken".

Nebeldiener

Da ich im Judo bin, weiss ich, dass es rein theoretisch machbar ist, dass jemand kleineres und leichteres jemanden, der grösser und schwerer ist aus dem Gleichgewicht und zu Fall zu bringen.

Das Problem ist eben nur das Gleichgewicht. Steht der schwere mit beiden Beinen fest auf dem Boden und steht gerade, wird es mit blossem Anspringen nichts.
Ist der Schwerere (aus irgendeinem Grund ;D) nur auf einem Bein, oder hat eines leicht in der Luft sieht es machbar aus.
Oder der Schwerere ist nach vorne gebeugt (wenn er von hinten angesprungen wird). Dann ist es einfacher, da sein Körpergewicht so nicht ausgelagert ist.
Auch kommt es drauf an, ob der Schwerere schmal oder breit steht. Berühren sich seine Beine, ist es um einiges einfacher, als wenn er leicht in den Knien ist.

Eben wie gesagt, im Judo kommt es vorallem auf die Technik drauf an. Macht man als "Werfer" nichts, ist es schwierig jemanden zu Fall zu bringen. Wenn man aber den Oberkörper des anderen zu sich zieht (sofern man nach hinten wirft), ist sein Gleichgewicht gebrochen und es ist schon um vieles einfacher.

Sonst gibt es noch diesen Wurf. Mit diesem kannst du dein Gegenüber zu Fall bringen, wenn er dich z.B. pakt und mitschleift (vorausgesetzt, du hast ihn vorher viel geübt und kannst ihn^^).

Hier siehst du ihn in aktion: https://www.youtube.com/watch?v=3qolOhx4ouU
Und hier die Anleitung: https://www.youtube.com/watch?v=IePA98nRc3c

Sonst schau dir auf Youtube auch noch andere Judo Videos an, denn in Judo geht es eigentlich "nur" darum sein Gegenüber zu Fall zu bringen (aber mit einem Wurf und nicht mit blossem Anspringen).

Lg
Nebeldiener

Simara

Ein Mensch fällt ja automatisch, wenn du unterhalb des Köpermittelpunkts oder von der unstabilisierten Seite Druck ausübt. Und wenn du jemanden durch dein eigenes Körpergewicht in einer Richtung beschwerst, die nicht stabil ist (also nicht bewusst gesichert) müsstest du ihn dadurch eigentlich aus dem Gleichgewicht bringen können. Wäre allerdings in den wenigsten Situationen der bestmögliche Angriff, dabei verlierst du schließlich selbst sowohl seine Deckung, als auch deinen Stand. Aber steht dein Gegner wirklich stabil, und ist der Winkel in dem du mit deinem Gewicht nach dem anspringen hebelst nicht zufällig perfekt, wirst du ihm wahrscheinlich nicht viel anhaben können. Ich denke, wenn es sicher funktionieren soll, musst du deinen Gegner auf jeden Fall überraschen. (Das abschütteln von Kleineren ist übrigens gar nicht so schwer, gefährlicher werden sie dir, wenn sie deine Beine festhalten. Zumindest habe ich diese Erfahrung mit unseren Lütten gemacht.) 

Bei uns im Kuro Kage wird so was auf jeden Fall nicht gemacht, da geht das über kontrollierten, starken Druck an bestimmten Stellen und Blockade des Standbeins. Es gibt allerdings auch eine Technik, die dem "Anspringen" ein wenig ähnlich ist, bei der macht man eine Art Sprung-Tritt-Drehung mit der Man den Gegner umreißt. 

Luciel

Beeinduckend, wie viele Erfahrungen hier zusammen kommen!

Im Film der Hobbit wäre das dann wohl Thorins Ende gewesen - und auch das von Bilbo - sofern der Ork beim Köpfen des Zwergen nicht gerade auf einem Bein gestanden und an was völlig anderes gedacht hat  :seufz:

Das ist dann wohl der Grund dafür, dass die Szene im Film so schnell ging, dass man gar nicht erkennen kann, wie und wo Bilbo den Ork trifft.

canis lupus niger

Naja, der Trick ist ja, wie die beiden Kampfsportkundigen oben schon erwähnten, dass er Angesprungene sich im entscheidenden Moment nicht im Gleichgewicht befinden darf. Dieses Gleichgewicht könnte ich ihm mit dem einen oder anderen Trick zuvor auch selber nehmen, z.B. durch

Bein stellen, Stolperfalle vor die Füße werfen/schieben

Warten, bis er eine Schritt macht und deshalb sowieso nur auf einem Bein steht

das Judo-Prinzip (mit Zug auf Druck und mit Druck auf Zug reagieren) anwenden. Judo ist neben vielem Anderen vor allem die geschickte Anwendung von Hebelwirkung, und die ist von der eigenen Masse ziemlich unabhängig. Wenn ich den Gegner dazu bringe, sich schonmal selber in die gewünschte Richtung zu bewegen, dann muss ich nur noch ein wenig nachhelfen, um ihn ganz dahin zu befördern. Beispiel: Wenn ich auf einen Gegner zu gehe, ihn schubse oder ähnliches, dann stemmt er sich unwillkürlich dagegen. Ziehe ich ihn jetzt am Kragen zu mir  (als Kleinerer, der sich auch noch dabei ruckartig hinkauert) herunter, dann ist ein Sturz schon ziemlich wahrscheinlich.

Wenn ich aber kein Judo kann, wäre eine einfache Alternative auch, ihm nicht in den Rücken, sondern in die Kniekehlen zu springen. Dann fällt er zwar auf mich drauf, aber meine Verbündeten (so vorhanden) können ihn dann angreifen.