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Trends und Übersättigung

Begonnen von Yukan, 25. Dezember 2012, 00:26:07

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Franziska

#90
*Thread ausgrab* Zum deutschen Fantasymarkt habe ich ja einen eigenen Thread gemacht, das hat aber eher was mit diesem Thema zu tun.
Ich folge einer der beliebtesten Rezensenten auf goodreads. Sie hat eine Rezi zu Michael J. Sullivans neuem Buch geschrieben, es hat ihr nicht so gut gefallen und das übertitelt mit:

"This is why I no longer read much epic fantasy."

Hier der Link zum Buch, direkt die Rezi verlinken geht nicht:
Link
Darauf gab es eine sehr lange Diskussion, in  die sich  auch  der Autor eingemischt  hat.  Ich find es ja sonst sehr daneben, wenn Autoren auf Rezis reagieren, aber hier fand ich es ganz interessant, was er dazu schreibt und auch die anderen. Ich habe da auch was geschrieben und jetzt erst gesehen, dass Michale J. Sullivan mir geantwortet hat. Ich weiß nicht, wie er drauf kam, weil ich dazu eigentlich gar nichts geschrieben hatte, aber er schreibt, dass der "Grimdark"-Trend sich abkühlt. Das Wort kannte ich bisher nicht, bezeichnet wohl düstere realistische Fantasy, mit zynischen Anti-Helden. Das fand ich ganz interessant. Auch die Diskussion, ob Fantasy sich nur wiederholt und ob das schlimm ist.

Fianna

Das muss man jetzt in einen anderen Zusammenhang setzen: wenn man einen ganz großen Vertrag landen will, dann ist es wohl suboptimal, das zu schreiben.
Aber ich sehe diese "Grimdark"-Sache (Danke für den Begriff!) in einem fantastischen Setting als zeitgenössischen Begriff der Sword and Sorcery. Das ist ein Genre, das es schon ewig und drei Tage gibt, und genauso fallen mir viele Verlage ein, die dieses Genre verlegen (wenn sie nicht ausschließlich eine Sparte dafür haben, dann doch eine, in die das rein passt).

Deswegen sehe ich diese Nachricht nicht so dramatisch wie bei einem enger gefassten Trend (z.B.... Contemporary mit Navy Seals oder sowas).

K a t e

Wobei es ja immer kurze Auf und Abs der verschiedenen Genres in der Fantasy gibt. Als ich vor ein paar Jahren durch die Buchhandlung gegangen bin sprangen mir überall Vampir-Romanzen ins Auge. Heute sind sie zwar noch da, aber für meinen Geschmack zum Glück nicht mehr so präsent.

Ich finde diese Trends auf dem Büchermarkt sind nicht anders zu sehen als zB in der Mode: alles ist erlaubt, aber eine Zeit lang ist immer irgendwas besonders "In".

Wie sich das jetzt auf die Verlagschancen auswirkt kann ich nicht sagen dafür habe ich zu wenig Erfahrung. Ich überlege gerade ob ich mal nach Studien zu diesem Thema google da fibt es sicher was.  :hmmm:

Tintenteufel

Naja, Grimdark ist nicht nur Sword and Sorcery. Ich hab da nicht direkt Belege für,  aber das ist mehr ein Stil. Eine Art, ein Genre zu gestalten. Und deutlich älter. Womit ich nur sagen will, dass das in Wellen kommt.
Warhammer 40.000 ist Grimdark, Nolans Batman, Znyders Superman usw., alles grimdark.
40k hat den Begriff sogar erfunden. Die Tagline des Franchises ist 'In the grim darkness of the far future, there is only war.'

Wobei die Definition echt schwierig ist. Einmal weil Fantasy Subgenres eh schon schwammig sind, dann weil man das exakt selbe Material eben Grimdark oder komisch machen kann. Siehe Batman.

@Topic
Ich habe die Diskussion jetzt nicht in Gänze gelesen. Aber ich würde zwei Thesen trennen:
1. Grimdark ist bald durch.
2. Fantasy wiederholt sich nur.

Der ersten stimme ich zu. Zumindest Filmkritiker und das Publikum haben diese depressiven Super"helden" über, obwohl es da schon seit längerem mal wieder Abwechslung gibt. Und Game of Thrones liegt ja auch in den letzten Zügen des Hypes (nicht des Erfolgs).
Die zweite halte ich für falsch. Grimdark ist eine völlige Abkehr von Tolkiens Fantasy, die meisten Definitionen grenzen sich explizit dadurch ab. Ich motze auch gern über die trendlastigen Fantasy Hypes, aber die momentane Fantasy ist ziemlich anders als Romantasy von ~2010 und komplett anders als die Tolkienflut von ~2000.

Kati

#94
Ich sehe das ähnlich wie K a t e. Trends kommen und gehen seit ein paar Jahren immer, aber niemals ganz. Es werden auch immer noch zahlreiche Vampirromane veröffentlicht, es kommen auch immer noch viele Dystopien auf den Markt, obwohl der Trend eigentlich abgeflaut ist und ich denke, sobald diese Welle an New Adult abgeflaut ist, wird es trotzdem noch genügend Bücher in die Richtung geben. Ich denke, man darf sich da nicht allzu viele Sorgen machen. Die High Fantasy war schon einmal im Trend, flaute dann ab, wo ich mich noch erinnere, dass sich viele Leute Sorgen um das Genre gemacht haben (war das um 2005 rum? Oder ein paar Jahre später?) und kommt jetzt wieder. Ich kenne mich auf dem Buchmarkt zwar nicht so gut aus, aber ich sehe es auch an den Veröffentlichungen im Jugendbuchbereich. Viele von den Autoren, die ich über andere Trends kennengelernt habe (Einmal natürlich den Vampirtrend, aber dann auch einen kleinen Trend rund um historische Fantasy, der sich aber eher auf den englischen Buchmarkt beschränkt zu haben scheint?) schreiben mittlerweile an High-Fantasy-Reihen. Es kommt alles irgendwie mal wieder. Vampire waren doch auch vor "Twilight" schonmal in den 1990ern in, glaube ich? Ich denke, auch Vampire werden wiederkommen, wenn vielleicht nicht auf dieselbe Art, wie wir sie in den 2000ern gelesen haben.

Ob das schlimm ist? Ich persönlich finde das nicht schlimm, eher beruhigend für alle, die noch ein Manuskript in der Schublade haben und jetzt nur noch auf die nächste Welle des entsprechenden Trends warten müssen. Ich finde es darüber hinaus auch eigentlich schön, dass eigentlich kein Trend für immer weg ist, nachdem der Hype abgeklungen ist. Man kommt sicherlich sehr viel schwerer unter, aber es ist anscheinend doch noch möglich, weil alle Trends auch weit über den Hype hinaus ihre Fans zu behalten scheinen und Nachfrage weiterhin besteht, auch, wenn diese vielleicht geringer ausfällt. Falls meine Einschätzung komplett falsch ist, sagt es mir ruhig. Es ist nur eine Beobachtung, kann aber natürlich unter der Oberfläche ganz anders aussehen!

Fianna

Zitat von: Tintenteufel am 30. Juni 2016, 12:54:34
Naja, Grimdark ist nicht nur Sword and Sorcery. Ich hab da nicht direkt Belege für,  aber das ist mehr ein Stil. Eine Art, ein Genre zu gestalten. Und deutlich älter. Womit ich nur sagen will, dass das in Wellen kommt.
Deswegen steht da noch der kriegsentscheidende Zusatz "in fantastischem Setting" bei. ;)

Das ist einer dieser besonders dehnbaren Begriffe, die fast jeder anders interpretiert. Auf keinem Buch oder (deutschem) Klappentext steht das Wort "Grimdark".

Kaeptn

Ich kenne das Genre eher als "Grim&Gritty" - und es ist auch nichts neues. Sapkowskis Hexer-Reihe aus den Neunzigern oder Glen Cooks Black Company aus den 80ern waren auch schon Grim&Gritty wenn man so will. Joe Abercrombie ist einer der modernen Interpretatoren und hat mit dem Erfolg seiner Klingensaga sicher zum Revival beigetragen. Ihnen gemeinsam ist eine düstere, dreckige Welt, in der auch Themen wie z.B. Rassismus eine Rolle spielen, die Figuren deutlich "grauer" sind als in der klassischen Fantasy, oft ein gewisser Zynismus den Ton bestimmt und Gewalt meist recht explizit (aber nicht verherrlichend!) dargestellt wird.

Ich sehe da schon einen gewissen Unterschied zu Sword & Sorcery, das ja eine SEHR allgemeine Bezeichnung für eher actionorientierte Fantasy ist (wobei die Abgrenzung zu Low Fantasy dann schon wieder schwerfällt), die aber durchaus humorvoll oder nach dem klassischen Gut gegen Böse-Muster gestrickt sein kann.

Letztlich sind diese ganzen Fantasy-Unterteilungen allerdings sowieso übertrieben, ich kann meist nicht mal meine eigenen Bücher richtig einordnen.

Fianna

Zitat von: Kaeptn am 30. Juni 2016, 19:16:36
Ihnen gemeinsam ist eine düstere, dreckige Welt, in der auch Themen wie z.B. Rassismus eine Rolle spielen, die Figuren deutlich "grauer" sind als in der klassischen Fantasy, oft ein gewisser Zynismus den Ton bestimmt und Gewalt meist recht explizit (aber nicht verherrlichend!) dargestellt wird.
Siehst Du, genau das sind Kriterien von mir für S&S.

Zitat von: Kaeptn am 30. Juni 2016, 19:16:36Ich sehe da schon einen gewissen Unterschied zu Sword & Sorcery, das ja eine SEHR allgemeine Bezeichnung für eher actionorientierte Fantasy ist (wobei die Abgrenzung zu Low Fantasy dann schon wieder schwerfällt), die aber durchaus humorvoll oder nach dem klassischen Gut gegen Böse-Muster gestrickt sein kann.
Und das wäre absolut keine Definition, die ich dafür benutzen würde.

Ich habe recht viele S&S-Anthologien / Kurzgeschichten aus den 1980ern/1990ern gelesen, die meine Vorstellung davon



Franziska

nehmt die Genre-Bezeichnung jetzt  mal nicht so wichitg, ich glaube der Autor meinte vor allem, dass diese düstere "realistische" Fantasy, mit Antihelden wie eben Game of Thrones etc. im Moment hauptsächlich gefragt ist, es aber langsam wieder in die andere Richtung geht. Dass heißt ja nicht, dass düster dann nicht mehr in wäre. Wie man das dann nennt finde ich eher zweitrangig.

Interessanter finde ich die Frage, ob die Leser übersättigt sind von immer Gleichem. Ich finde ja, in jedem Genre kann man eine gute Geschichter erzählen, ohne das Rad neu zu erfinden. Es kommt eben darauf an, wie es umgesetzt wird. Aber ich kann auch verstehen, dass es langweilig ist, wenn man viele sehr ähnliche Bücher hintereinander liest. Das ist mir auch schon passiert, dass ich nicht mehr wusste, was jetzt in welchem Buch passiert ist, weil es alles so ähnlich war. Das geht mir aber auch bei YA manchmal so. Ich habe immer noch das Gefühl, dass auch auf dem internationalen Markt die Suche nach dem großen originellen Stoff stattfindet, es werden auch öfter mal außergewöhliche Bücher gemacht, oft finde ich die Klappentexte toll, aber wenn man es dann liest, ist es doch nicht so originell und erinnert doch an zig andere Bücher.

FeeamPC

Hm ja, aber wenn ich im TiZi die Nanos verfolge, sehe ich eindeutig jede Menge Fantasy-Material das originell und keineswegs abgelustscht ist, und ich habe immerhin ein halbes Jahrhundert Lesezeit hinter mir :-)

Zit

Das Tolle an Trends ist einfach, dass immer etwas anderes angesagt ist, sich eine Fanbase aufbauen kann wie Charlottte schon sagte, und dann, wenn der Trend weiter zieht, die ehemals gehypten Genres bestehen bleiben. Steampunk hat leider im Mainstream nicht so Fuß fassen können vor ein paar Jahren, da muss man sich eher durch die Kleinverlage wühlen. (Ich geb's zu, mir fehlt die Kraft und Zeit mich außerhalb des TiZi in "der Szene" zu engagieren oder immer nach Perlen zu suchen, gerade auf dem undurchsichtigen SP-Markt. In gewisser Weise bin ich darauf angewiesen, dass Strömungen es in die großen Verlage schaffen, weil der Zugang zu denen für mich viel leichter ist.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Tintenteufel

Zitat von: Franziska link=toschon1g881701#msg881701=1467317207

Interessanter finde ich die Frage, ob die Leser übersättigt sind von immer Gleichem. Ich finde ja, in jedem Genre kann man eine gute Geschichter erzählen, ohne das Rad neu zu erfinden. Es kommt eben darauf an, wie es umgesetzt wird. Aber ich kann auch verstehen, dass es langweilig ist, viele sehr ähnliche Bücher hintereinander liest. Das ist mir auch schon passiert, dass ich nicht mehr wusste, was jetzt in welchem Buch passiert ist, weil es alles so ähnlich war. Das geht mir aber auch bei YA manchmal so. Ich habe immer noch das Gefühl, dass auch auf dem internationalen Markt die Suche nach dem großen originellen Stoff stattfindet, es werden auch öfter mal außergewöhliche Bücher gemacht, oft finde ich die Klappentexte toll, aber wenn man es dann liest, ist es doch nicht so originell und erinnert doch an zig andere Bücher.

Naja, im Mainstream sind Leser schon ubersättigtn. Übersättigung heißt ja nicht, dass gar keiner es mehr sehen will. Übersättigung ist, wenn das Marktvolumen annähernd identisch mit dem Marktpotential ist - d.h. wenn jeder potentielle Käufer das Produkt schon hat. Auf Kunst umzulegen ist das nicht so leicht, aber der Sinn ist ja schon klar: Mehr Angebot als Nachfrage.
Und im Mainstream gibt es ganz klar Übersättigung. Es finden sich immer ein paar Hardcorefans die nur und ausschließlich dieses eine Genre wollen. Aber 'die Masse' will einen gewissen Grad von Abwechslung. Und wenn der nicht mehr geboten wird, sagen wir mal weil alle Verlage mal wieder den fetten Reibach mit Softpornos oder Vampiren machen (wollen), wenden die normalen Leser sich ab und suchen was Neues. Das dann der neue Trend wird oder werden kann. Und so kommt dann die Wellenbewegung von Trends zustande.

Für mich ist das (mittlerweile) auch kein Zeichen von Armut mehr. Originelle Werke gibt es ja noch. Aber der ganz große Markt funktioniert eben so - mit großen Erfolgen, großem Geld und großen Absätzen.
Innerhalb der Genres gibt es diese Trends und Übersättigung ja auch. Vor 20 Jahren gab es gefühlt nur Tolkienfantasy, gerade gefühlt nur brutalen Martinfantasy.
Also ich würde das Phänomen Übersättigung  als gesunde Bewegung der Schwarmintelligenz beschreiben. ;D

canis lupus niger

Zitat von: FeeamPC am 01. Juli 2016, 00:28:51
Hm ja, aber wenn ich im TiZi die Nanos verfolge, sehe ich eindeutig jede Menge Fantasy-Material das originell und keineswegs abgelustscht ist (...)

Was (im Großverlag, und nur die ereichen ja die großen Verkaufszahlen und machen die großen Umsätze,) veröffentlicht wird, ist aber nicht unbedingt das, was an Orginellem und Neuem geschrieben wird. Nach meiner Beobachtung sind nämlich gerade Großverlage nicht besonders experimentierfreudig und überlassen das Risiko, mit einem innovativen neuen Buch nicht erfolgreich zu werden, den den kleinen Konkurrenten und Selbstverlegern.

Umso wichtiger finde ich es, dass die "orginellen" Neuerscheinungen der i.d.R. weniger kapitalstarken Herausgeber eine öffentliche Bühne erhalten, wie zum Beispiel die Verleihung des DPP oder des Seraph. So werden nicht nur interessierte Leser auf neue Ideen, Tendenzen und Subgenres aufmerksam, sondern auch Großverlage, die dann die Möglichkeit nutzen könnten, die betreffenden Autoren anzusprechen.

Zit

Ich halte den Werbeffekt von Preisen im Vorfeld für gering. Das kommt erst wirklich zum Tragen, wenn das Buch im Laden liegt und ein Sticker drauf prangt. Erstens als Alleinstellungsmerkmal und zweitens als Gütesiegel, das bringt dann einen Verkaufsvorteil gegenüber den anderen drölfzig Büchern auf dem Tisch. Aber dafür muss man es auch erstmal in den Laden schaffen.

@Kleinverleger Oder habt ihr die Erfahrung gemacht, dass ausgezeichnete Romane/ Anthologien im Nachhinein sehr viel stärker nachgefragt wurden, auch vom Handel?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

FeeamPC

Meine Krimi-Autorin hat mal mit einer Geschichte in München einen 1. Platz abgeräumt. Verkaufsförderung: Null. Trotz Sticker auf dem Buch auf der Leipziger Buchmesse ...
Das scheint wohl wirklich eher etwas zu bringen, wenn das Buch platt auf einem Büchertisch in der Buchhandlung liegt und dem Kunden visuelle Kauf-Signale senden kann.