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Gewalt, Blut und Gemetzel

Begonnen von Zealot, 31. Oktober 2006, 20:46:02

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Quidam

Hallo Leute,

ja, eine schöne Diskussion.

Zu meinem Beispiel: Der Leser weiß zu diesem Zeitpunkt, dass es eine verunstaltete, fette Meerjungfrau gibt, die nur mehr ein Auge hat. Und hier erfährt der Leser eben, wie es dazu kam.
Warum ich das so ausführlich beschreibe? Weil der Leser Angst um die Lieblingsfiguren haben muss. Und das hat er im Besonderen, wenn er weiß, zu was der Antagonist im Stande ist - und es eben dem Leser vor Augen geführt wird.

Hier wurde ja schon gesagt, dass auch Sex nicht geschildert wird, weils langweilt. Da ist es ähnlich, wie bei Gewaltdarstellungen, und Kämpfen. Aber das liegt mMn nicht an der Darstellung - sondern an den schwachen Figuren.

Wenn eine blasse Figur mit einer anderen blassen Figur Sex hat, dann langweilt das. Zwei Fremde, die sich im Liebesspiel üben - in Stellungen, die jeder halbwegs Aufgeklärte kennt. Gähn!
Nur wenn der Leser eine Figur liebgewonnen hat - vielleicht den tollen Vater der süßen Kleinen. Und der Papa ist auch ansonsten ein toller Mensch - Ehemann, Kumpel - und der gerät in die Situation, in der er fremdgeht. Der Leser sieht, dass ihn eine becirct, dass er widerstehen will, der Leser hofft, dass er widersteht und spürt, dass der Familienvater eben nicht widerstehen kann, weil der Reiz zu groß ist - und dann wird der Sex ausführlich geschildert, auf gleiche Art, wie der Sex zwischen den beiden unbedeutenden Figuren oben, dann ist dies aber alles andere als langweilig.

Daher orientiert sich für mich der Erfolg einer guten Szene an den Figuren.

Oder am Gewaltbeispiel:
Stellt euch vor, ein Fremder wird vor euren Leseraugen gefoltert. Gut. Das ist unangenehm. Vielleicht sogar langweilig, weil wir zu sehr abgestumpft sind. Ist aber der Fremde euer Mann/Papa/Freund/Sohn - dann habt ihr eine ganz anderen Bezug und ein viel intensiveres Leseerlebnis.

Das Ziel muss also sein, Figuren einzuführen, die den Leser berühren - dann kannst du 20 Seiten über Sex und Gewalt schreiben und es wird nicht langweilig.

Grüße
Quidam

Lavendel

Aber sie muss nicht sein! Sie kann in einigen Situationen.
Man leidet nicht nur mit Charakteren, denen physische Gewalt angetan wird. Natürlich braucht es irgendeine Art von 'Bedrohung', die muss aber auch nicht immer gleich an Leib und Leben gehen.
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, was Figuren in einer Geschichte zustoßen kann, und physische Gewalt ist nur eine einzige.

Quidam

Hallo Lavendel,

ich habe nichts anderes behauptet! Überdies ist es ja so, würde ich dauernd auf solche Darstellungen zurückgreifen, würde der Leser natürlich auch abgestumpft werden. Mir reichen wenige solcher Darstellungen, damit der Leser weiß, es kann in ähnlicher Situation auch so verlaufen - auch wenn es dann nicht passiert. Aber ich hab ihn dann aber zumindest in so eine Erwartungshaltung gebracht.

In einen Directors-Cut-Film gehe ich doch mit einer anderen Erwartungshaltung, als eben in die geschnittene Version.

Grüße
Quidam

felis

Zitat von: Quidam am 01. Juli 2007, 16:52:15
Das Ziel muss also sein, Figuren einzuführen, die den Leser berühren - dann kannst du 20 Seiten über Sex und Gewalt schreiben und es wird nicht langweilig.
Na 20 Seiten wären vielleicht doch etwas übertrieben.  ;)

Beim drüber Nachdenken ist mir gekommen, dass es Gewaltszenen gibt, die zwingend notwendig sind, weil man sonst z. B. eine traumatisierte Figur überhaupt nicht versteht, oder der plot die Zuspitzung braucht.

Ob es auch solche Sexszenen gibt, bin ich eher skeptisch - spontan fällt mir jetzt jedenfalls keine Story ein, bei der eine detaillierte Sexszene wirklich zwingend erforderlich gewsaen wäre....

Quidam

#169
Warum ich denke, dass es manchmal einfach wichtig ist, die Dinge 'auszudetailisieren'?

In meinem Erstling geht es unter anderem um Kindesmißbrauch. Das ist ein ziemlich heikles Thema. Einerseits darf es natürlich für Pädophile keine Vorlage bieten, andererseits darf man es eben nicht verharmlosen, in dem man es ausblendet. Wenn man in der Zeitung liest, dass ein Kind mißbraucht wurde, dann berührt einem das sicherlich nicht so stark, wie wenn man nahe an dem Kind ist und miterlebt, wie es dazu kommt. Das schockt einfach mehr - und macht dadurch bewußter.

Kennt jemand dem Film Black Hawk Down?
Wenn man in der Tagesschau etwas vom Somalia-Konflikt gehört hat, dann hat man einfach hingehört und weiter seine Chips gemampft - hat man aber den Film gesehen und ist dadurch auf eine Art dabei gewesen, macht es betroffener.

Das gleiche mit Der Soldat James Ryan. Diese ersten dreißig Minuten in der Normandie - einfach nur verstörend. Hätte der Film ohne dieses Szenario gewirkt? Hätte der Film ohne diese Minuten ungefähr erahnen lassen, was damals, am D-Day, geschah?

Details ausblenden mag oftmals passen, oft passt es aber nicht. Eben dann, wenn der Leser emotional tief berührt werden soll. Je nachdem, welche Gefühle man beim Leser lösen möchte, je nachdem sollte man sich darauf einlassen.

Grüße
Quidam

felis

#170
@Quidam,
dass ausgesprochene Kriegsfilme wie Soldat Ryan und black Hawk down nicht ohne Gewaltszenen auskommen, erklärt sich aus dem Genre. Wer das nicht abkann, muss natürlich die ganze Gattung meiden.
Wobei - das wär vielleicht mal ein interessantes Experiment - ob es gelingt, eine Kriegsgeschichte zu schreiben, die völlig ohne direkte Darstellung von Gewalt, Blut und Gemetzel auskommt?  :hmmm:
LG
felis

Cailin

Zitat von: Quidam am 01. Juli 2007, 20:41:48
In meinem Erstling geht es unter anderem um Kindesmißbrauch. Das ist ein ziemlich heikles Thema. Einerseits darf es natürlich für Pädophile keine Vorlage bieten, andererseits darf man es eben nicht verharmlosen, in dem man es ausblendet. Wenn man in der Zeitung liest, dass ein Kind mißbraucht wurde, dann berührt einem das sicherlich nicht so stark, wie wenn man nahe an dem Kind ist und miterlebt, wie es dazu kommt. Das schockt einfach mehr - und macht dadurch bewußter.

Warum erzählen, wie es geschieht, wenn es den Leser doch viel mehr berührt, zu sehen, was aus einer Handlung folgt? In die vom Schmerz verwirrte Psyche z.B. eines Gefolterten einzutauchen (oder in die von jemandem, der die Folgen von dem sieht, was einem Freund / Geliebten angetan wurde) oder das innerlich gelähmt sein, die irrationale Scham eines Vergewaltigungsopfer zu 'zeigen' geht einem Leser viel mehr an die Nieren - und charakterisiert  einen Charakter - auch den Antagonisten - viel besser als Seiten lange Gewaltszenen. Dabei schaltet der Leser irgendwann ab und die Botschaft ist für die Katz. Was wir dem Leser nicht zeigen ist das für den Leser Schlimme, denn nichts was wir schreiben, kann so schrecklich sein, wie das, was der Leser sich in seiner Phantasie auszumalen im Stande ist, eben weil es seine Phanatsie ist.

"Show, don't tell!" Heißt die Prämisse!

Quidam

Hallo Cailin,

aber schließt das eine das andere aus? Ich kann doch die Gewaltszene darstellen und zeigen, was aus dem Geschehenen folgt - oder nicht?

Und die Gewalt zeigen ist Show dont tell. ;)

Grüße
Quidam

Cailin

#173
Zitat von: Quidam am 01. Juli 2007, 21:58:10Und die Gewalt zeigen ist Show dont tell. ;)

Nicht so, wie ich es verstehe. Für mich ist es ein Unterschied, ob ich ein 'bewegtes - grausames - Bild' zeige, oder ob ich den Leser mitnehme in die Abgründe, die das, was auf diesem Bild gezeigt wird, im Inneren der Figuren auslöst. Ist für mich eine Frage von Ebenen und deren Tiefe.


Zitat von: Quidam am 01. Juli 2007, 21:58:10
aber schließt das eine das andere aus? Ich kann doch die Gewaltszene darstellen und zeigen, was aus dem Geschehenen folgt - oder nicht?

Natürlich kannst du das. Allerdings hättest du dann eine Dopplung und ich bin der Meinung, dass dir spätestens dann der Leser aussteigt, weil es dann endgültig zu viel ist. Zwei Mal das gleiche will keiner lesen, sofern es die Story nicht wirklich weiter treibt. (gillt meiner Meinung nach allgemein und nicht nur für Gewalt, Sex und co)
Perversion und Grausamkeit, bis zu einem gewissen Level meinetwegen. (Wobei ich nicht glaube, dass du eine große Chance beim Leser hast, wenn du diesen Level zu sehr strapazierst - das gilt für Qualität als auch für Quantität.)
Aber Grausamkeit um der Grausamkeit willen - nein. Das tut keinem Buch gut. Vielmehr reißt es den Leser raus. Ein Buch ist Kino im Kopf. Aber in dem Moment, in dem der Leser innerlich in einer Sequenz zu sehr zurück zuckt, ist der Film gerissen und der Leser ist raus. Für mich fällt das unter die Kategorie: nicht Erstebenswert.

Es gibt andere Methoden, den Leser in die Story rein zu ziehen und mit-leiden zu lassen. Zumindest meiner Meinung nach. Und für mich - und meine Leser bzw. Lektoren - funktionieren sie.

Wenn deine es auch für dich tut. O.K.

Und versteh mich bitte nicht falsch: Das soll kein Angriff sein - nur meine ganz persönliche Meinung.

LG
Cailin

P.S. Kann es ein, dass diese Diskussion sich ein klein wenig im Kreis dreht?

Rumpelstilzchen

Also jetzt mal ganz ehrlich, ich will weder seitenlange Gewaltszenen noch seitenlange Ortsbeschreibungen, Sex oder sinnlose seitenlange Diskussionen lesen. Was zu viel ist, ist zu viel, da langweile ich mich als Leser und fange an Seiten zu überfliegen oder sogar zu überblättern. Und wenn die Szene dann auch noch doppelt so lang sind, weil physisch und psychische Gewalt beschrieben werden, lege ich das Buch wahrscheinlich aus der Hand.

Gewaltszenen können auch mal ausführlicher beschrieben werden, nur dann nicht allzu lang oder zu häufig. Die Hornissenszene fand ich jetzt nicht so unbedingt schlimm, solange das im Rahmen bleibt und nicht ins Endlose ausartet.

Doch im Allgemeinen bin ich eher der Ansicht so anschaulich wie möglich, aber nur so detailliert wie nötig zu beschreiben, das reicht vollkommen aus. Mal davon abgesehen, dass meine Vorlieben in einem Buch auch eher in die Psychische Gewalt gehen, weil die einfach viel interessanter ist.
Aber das ist die persönliche Vorliebe des Lesers/Schreibers.

Quidam

#175
Hallo Cailin,

ich fühle mich nicht angegriffen. Ich hab eher das Gefühl, dass du mich ein wenig falsch verstanden hast.

ZitatNicht so, wie ich es verstehe. Für mich ist es ein Unterschied, ob ich ein 'bewegtes - grausames - Bild' zeige, oder ob ich den Leser mitnehme in die Abgründe, die das, was auf  diesem Bild gezeigt wird, im Inneren der Figuren auslöst. Ist für mich eine Frage von Ebenen und deren Tiefe.

Du sprichts von äusserer Handlung (die dich nicht so begeistert) und von innerer Handlung (die du lesenswert findest.)

Show don't tell ist, etwas zeigen und es nicht erklären.
Profanes Beispiel:
Show: Er nahm die Pistole an sich, zielte zwischen ihre Augen und drückte ab.
tell: Er hat sie umgebracht.

Und zu der Doppelung: Du selbst hast geschrieben was aus der Handlung folgt
Ich hab daraufhin gemeint, dass ich zeigen kann, wie jemand Gewalt angetan wird - und sich das Opfer nach der Gewalt entwickelt, was die Gewalt aus der Person später macht. Das ist keine Doppelung.

ZitatNicht so, wie ich es verstehe. Für mich ist es ein Unterschied, ob ich ein 'bewegtes - grausames - Bild' zeige, oder ob ich den Leser mitnehme in die Abgründe, die das, was auf  diesem Bild gezeigt wird, im Inneren der Figuren auslöst. Ist für mich eine Frage von Ebenen und deren Tiefe.

ja, das wäre eine Doppelung, aber das meinte ich eben nicht. Wobei das jetzt nicht so uninteressant wäre - schließlich sind äussere Handlungen und innere Vorgänge ja miteinander verbunden und wichtig um eben die nötige Tiefe zu bekommen.

Überdies habe ich auch nicht gesagt, dass man Grausamkeit ihretwillen darstellen sollte, sondern unter anderem, dass sie motiviert sein sollte. Und dass man es nicht übertreiben sollte, ist doch auch klar.

Hallo Rumpelstilzchen,

wer will dir da widersprechen?
Allerdings sind für den Großteil der Leserschaft die psychischen Vorgänge weniger interessant. Die wollen eher handlungsorientierte Romane lesen. Siehe Bestsellerlisten.

Grüße
Quidam

Grey

ZitatAllerdings sind für den Großteil der Leserschaft die psychischen Vorgänge weniger interessant. Die wollen eher handlungsorientierte Romane lesen. Siehe Bestsellerlisten.

Dann ist es wohl wieder die Frage, ob man nun schreibt, um eine möglichst breite Masse an Lesern zu erreichen, oder ob man schreibt was man selber lesen möchte... das handhabt ja dann auch jeder anders...

Quidam

#177
Zitat von: Grey am 02. Juli 2007, 02:18:58
Dann ist es wohl wieder die Frage, ob man nun schreibt, um eine möglichst breite Masse an Lesern zu erreichen, oder ob man schreibt was man selber lesen möchte... das handhabt ja dann auch jeder anders...

ja. Und ich schreibe so, wie es mir am Besten gefällt. Das ist mir die oberste Regel.  :) Wobei ich mir gerne sagen lasse, wie ich mich verbessern kann. Hauptsache, dass verbesserte Produkt gefällt mir dann auch besser. Aber eine Geschichte so umzuschreiben, dass sie zwar mir nicht besser gefällt, aber eben eine Mehrzahl an Lesern - nein. Lieber bleibt die Geschichte in der Schublade.

Ist wie mit Sport. Wenn man ein talentierter Schachspieler ist, hat man eben Pech gehabt, dass es für ihn nicht soviel Kohle gibt, wie für den talentierten Fußballer. Aber sich deshalb zum Fußballer umzulernen, halte ich für Seelenverkauf. Weils wohl nicht glücklich macht, nur reicher.


Grey

Ja, aber wenn ich zu einem (männlichen) talentierten Fußballspieler umgelernt werden könnte (jaja, vergiss das mal ganz schnell...  :pfanne: ), dann könnte ich ganz viel Geld anhäufen und dann schreiben was ich lustig bin, ohne mir Gedanken zu machen obs irgendwer lesen will! ;D ;D ;D

ähja. Offtopic aus.

Rumpelstilzchen

Zitat von: Quidam am 02. Juli 2007, 00:16:30
Allerdings sind für den Großteil der Leserschaft die psychischen Vorgänge weniger interessant. Die wollen eher handlungsorientierte Romane lesen. Siehe Bestsellerlisten.

Ich meinte nicht, dass ich Romane lesen möchte, in denen nur über die Psyche der Charas geht. Handlungsorientiert sollten sie auf jeden Fall sein, doch speziell bei Gewalt finde ich es interessante zu erfahren, wie die Charas damit umgehen anstatt über den genauen Vorhergang Bescheid zu wissen.

Allerdings gebe zu mich absolut nicht für die Bestsellerlisten zu interessieren, denn bis jetzt war ich von den Büchern auf den höhere Positionen nicht unbeding begeistet. "Das Parfum" habe ich beispielsweise schon nach den ersten 30, 40 Seiten beiseite gelegt, obwohl die Psyche auch ein wichige Rolle gespielt hat, aber das Buch hat mich einfach nur gelangweilt und mich anfangs schon die Marktszene angeekelt hat. Von Harry Potter will ich gar nicht erst anfangen...

Wer nun nach der Bestsellerliste schreiben möchte, der hat wahrscheinlich größere Erfolgschancen. Gibt ja einige, die ein Buch so geschrieben haben, damit es ein Bestseller wird. Oder jene, die von Natur aus so schreiben.
Nur ich möchte werder etwas schreiben, noch lesen, wenn ich daran keine Freude habe. Und ich in Bezüg auf Bücher etwas eigenwillig bin, will ich gar nicht bestreiten. ;)

Sorry, bin etwas vom Thema abgewichen, aber ich bin schon ruhig. ;)