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Wenn Figuren ein Eigenleben entwickeln...

Begonnen von Manja_Bindig, 25. Oktober 2006, 14:26:29

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Rumpelstilzchen

Zitat von: Cailin am 19. September 2007, 11:15:33
Wobei ich meist eh in einem 'Rausch' schreibe und gar nicht merke, wenn's abdriftet. Meist passiert das bei Dialogen. Ein Wort gibt das andere und wenn die Herrschaften fertig sind, hab ich eine geile Szene die leider in eine andere Richtung gelaufen ist, komme aber auf Teufel komm raus nicht mehr dorthin zurück, wo ich eigentlich hin wollte, ohne alles zu zerreißen. Also lass ich's stehen - und muss meistens feststellen, dass ihre Pläne besser in die Story passen, als meine Ursprünglichen.

Das geht mir haargenau so. ;)
Deshalb plote ich auch nie wirklich. Die Story ist zwar in meinem Kopf von vorne bis hinten, aber es fällt mir leichter sie anschließend zu ändern, als wenn es alles schon aufgeschrieben ist.

Wenn ich dann an einer Stelle angelangt bin, wo die Handlung komplett in eine andere Richtung verläuft, nehme ich mir eins, zwei Tage, um darüber nachzudenken. Falls es gar nicht passt, ändere ich es einfach wieder um, so dass ich annährend zu dem Punkt komme, wo ich hin wollte. Meist lasse ich aber meine Charas machen was sie wollen.

Lapislazuli

Wenn sie tun, was sie wollen, dann lass ich sie das auch tun und bin froh drüber. Ich habe so und so nicht die Angewohnheit alles im Vorhinein genau durchzuplotten. Ich weiß wo ich mit meiner Geschichte hin will, wie das Ende in etwa aussehen so, doch meist nicht in konkreten Ereignissen, da geht es um Charakterentwicklung. Also mein Protagonist soll am Ende die und die Lektion gelernt haben, wie er das lernt ergibt sich während des Schreibens, Charaktere haben also auf jeden Fall Mitspracherecht, das ist bei mir eingeplant und soll so sein.

Der Protagonist ist aber von Anfang an so angelegt, dass er alleine aufgrund seiner Charaktereigenschaften, seiner Ziele, Bedürfnisse usw. nicht anders kann, als scheitern oder Selbsterkenntnisprozess durchmachen, alle seine Pläne umschmeißen, erkennen, dass seine Ziele nicht erreichbar sind, und dann doch erkennen, dass er kurz davor steht, nur nicht so wie er sich das immer ausgemalt hat, sondern gaaanz anders.

Andere Charaktere werden von vornherein geplant, kommen aber vielleicht nie vor, weil die Handlung einfach nie in ihre Richtung kommt und sie nicht gebraucht werden, dafür tauchen andere wie aus dem Nichts auf und werden ganz wichtig für die Handlung.

Ich schreibe also recht frei vor mich hin - einerseits. Andrerseits läuft auch immer so ein gewisses Strukturschema mit (hab mich in den letzten Jahren ziemlich mit sowas beschäftigt und deshalb ein gewisses "Schema" sozusagen verinnerlicht). Also ich weiß in etwa, wann welcher Knopf gedrückt werden muss, um das auszulösen, was ich haben will.

Ich überlege mir auch im Vorhinein oft wie die Story ungefähr gehen soll, was alles passiert, wie es endet. Schreib alles auf, der Zettel kommt in eine Mappe, und wenn ich nachschauen will, oder diesbezügliche Anregungen brauche, dann merke ich dass da eine ganz andere Geschichte draufsteht. Stört mich aber nicht weiter, da ich in der aktuellen Fassung meist eine schlüssigere Version habe, in der die Eigenheiten der Figuren schön eingearbeitet sind.

Ob das Konzept aufgeht, werde ich sehen wenn ich meinen aktuellen Roman überarbeite. Momentan bin ich in der Endphase und ich denke es läuft nicht so schlecht. Früher habe ich halt eher Krimis geschrieben, die kann man auf diese Weise nicht schreiben.




Ary

Zitat von: Maja am 19. September 2007, 10:49:27
Diese Alleingänge passieren ja nicht, während ich schreibe. Sie passieren, während ich denke. Dann habe ich immer noch die Chance, alles über den Haufen zu schmeißen und zu ändern. In Wirklichkeit sind es ja doch alles Aktionen, die von mir selbst ausgehen, auch wenn ich immer sage "Das hat der Chara selbst entschieden" - es ist doch in Wirklichkeit so, daß ich selbst diesen oder jenen Schritt für plausibler halte. Darf nicht dem Chara die Schuld geben, wo ich es selbst bin. Und daher auch nicht jammern und die Figuren beschimpfen. Alles mein eigenes Werk, und meine eigenen Gedanken.

So geht's mir auch - wenn ich da Gefühl habe, meine Charaktere machen sich selbständig, dann meist, während ich plotte. ich habe inzwischen für meinen NaNo-Roman bei einigen geplanten Kapiteln schon mehrere Alternativversionen und werde, wenn es ernsthaft ans schreiben geht, die nehmen, die mir (und meinem Hauptcharakter) dann am ehesten zusagen.
Was ich schlimmer finde als aufsässige Hauptfiguren laufender Projekte sind die gerade beiseitegelegter/auf Halde liegender Projekte. Im Moment schießt mir dauernd ein gewisser Herr aus einem schon in weite ferne gerückten Projekt in den Kopf und "verlangt von mir", dass ich ihm eine Kurzgeschichte gönne. Liegt wahrscheinlich daran, das sich in letzter Zeit wieder öfter über den guten alten Lord Venaro nachgedacht habe. Er wird seine Geschichte bekommen, vielleicht lässt er mich ja dann in Ruhe weiter Wüstenfeuer schreiben. Sucht vielleicht gerade irgendein Verlag homoerotische Kurzgesch.... moment, ja. Da war was!
*wegflitz und Thread such*
Edit: Scheibenkleister - da war ja schon am 7. 9. Schluss. Mist.

Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Coppelia

Ich sehe meine Figuren als eigenständige Persönlichkeiten an und respektiere sie als solche. ;D Das wird sicher jeder verstehen, für den seine Figuren mehr wie lebendige Personen sind und nicht wie ein paar Zeilen Notizen in einem Dokument.

Wenn Figuren und Handlung nicht vereinbar scheinen, dann stimmt meist irgend etwas nicht - ich habe einen falschen Plan verfolgt und muss den richtigen suchen. Das heißt, ich muss meist neu nachdenken. Es geht nicht, die Figuren in eine vorgefertigte Form zu pressen, wenn sie sich dagegen wehren. Es ist schlicht unmöglich. Dass sie sich wehren, zeigt mir, dass da ein Fehler vorliegt - vielleicht auch ein Fehler in der Art, wie ich die Personen charakterisiert habe.
Im schlimmsten Fall ist es unmöglich, die Geschichte zu retten, vor allem, wenn ich den Plot gerade so brauche und nicht davon abrücken kann. Das kann mich die ganze Geschichte kosten, aber oft ist es noch nicht vorgekommen.
Normalerweise kann man im leichten Fall hinterher das Überflüssige wegstreichen oder sich im mittelschweren Fall eine neue Handlung für diese Stelle einfallen lassen.
Mache ich das aber nicht, ist es, als ob mir die Geschichte unter den Fingern zerbröselt wie trockener Teig ...

Möchtegernautorin

Zitat von: Manja am 19. September 2007, 12:10:33
Ich lass sie machen. Ganz einfach.


Gleichfalls :)

Ich lasse meine Charaktere einfach machen, was sie wollen, das allerdings alles im Vorhinein. Sei es nun durch einzelne Szenen, inspirierende Musik, dösen oder Rollenspiel. Da hab eich genügend Möglichkeiten den Charakter seinen Willen zu lassen und kann für den Charakter dann auch Planen, was ich über ihn schreiben kann.
Im Grunde lerne ich die Charaktere ersteinmal grundlegend kenne. Und wenn ich sie kenne und ihre Geschichte gedanklich aufgebaut habe, dann kann ich getrost anfangen zu schreiben.

Beim Schreiben an sich läuft es danach dann nicht mehr so arg aus dem Ruder, dass ich die Kleinigkeiten, die dann noch auftauchen, mit ein paar Tagen Bedenkzeit schnell in den eigentlichen Plot eingegliedert werden können <g>

Der einzige Nachteil dabei ist: Es braucht einige Jahre Anlaufzeit, bis ich den Chara gut genug kenne um das größeres mit ihm zu planen.
Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Manja_Bindig

Genau.
Wenn man einen Chara gut kennt, sich im Vorfeld mit ihm beschäftigt hat, kann man einschätzen, was mit ihm geht und was nicht - dann vermeidet man das Problem, dass er dem Plot gar nicht mehr folgen will.

Drachenkind

Ich lerne meine Charas oft erst beim Schreiben kennen. Es sei denn, ich beschäftige mich schn seit Jahren mit ihnen.
Das ist das Ungewohnte an dem Projekt, an dem ich zur Zeit sitze. Ich kenne die Charas kaum, sehe ihnen eigentlich nur zu, wie sie eine fantastische Story entwickeln und bin auch emotional viel weniger beteiligt als bei meinen bisherigen Texten. Bisher habe ich meine Charas begluckt und behütet und mit Samthandschuhen angefasst - in diesem Fall fühlt es sich an, als ob ich sie mit langen Stäben bewegen würde statt mit meinen eigenen zarten Autorenhänden. Und ich stelle fest, dass ich auf diese Art ganz was anderes schreiben kann als bisher und in vielem sogar besser.
Aber , wie gesagt, die Charas machen dann schon mal, was sie wollen, die Biester.

Karin

Bis zu einem gewissen Grad lasse ich sie auch machen, was sie wollen.
Gerade das liebe ich ja am Schreiben: dass die Geschichten kommen, sich weiterentwickeln, fließen und mich selbst überraschen.
Und die Szenen, die auf diese Weise in meinen Kopf kommen, liebe ich hinterher am meisten.
Ich möchte diese selbstbestimmenden Charaktere nicht missen. Je mehr sie sich selbst entwickeln, desto näher bin ich ihnen, denn wäre ich ihnen nicht nah, würden sie nicht in meinem Kopf herumspuken und hätten keine Gelegenheit, zu handeln - innerhalb der Rahmenhandlung und innerhalb dieser Handlung gebe ich ihnen gerne und viel Spielraum. Wenns zu viel wird, kürze ich es hinterher wieder weg und freue mich, meine Charaktere besser kennengelernt zu haben.  :)

Shay

Ich hab sowieso grundsätzlich zwanzig mal mehr Geschichten und Plots als ich Zeit habe, sie aufzuschreiben. Und jede freie Minute kommen neue dazu. Manchmal sind es vollständige Geschichten, manchmal nur einzelne Ideen. Die behalte ich alle komplett im Kopf. Notizen gibt es bei mir erst, seit ich mit Silph zusammenschreibe und selbst die entstehen immer erst auf Nachfrage.
Solange ich in dieser Phase bin, dürfen die Charaktere machen, was sie wollen, und von mir aus auch jeden Tag etwas anderes. Irgendwann ist dann für eine Szene die perfekte Form gefunden, und sie bleibt so. Ans Aufschreiben gehe ich erst, wenn die komplette Geschichte soweit steht. Bei so einer langen Warteliste lohnt es sich einfach nicht, mit halbfertigen Gesschichten anzufangen. Klar erfährt man dann im Laufe des Schreibens noch das eine oder andere und manchmal hakt es auch ein bißchen, aber das waren noch immer Sachen, die sich ausdiskutieren ließen. Über den groben Verlauf waren meine Figuren und ich uns ja schon einig.

Manche meiner Figuren kenne ich auch schon seit bald 20 Jahren. Bei denen weiß ich mittlerweile blind, wie sie reagieren.

Also im Endeffekt wohl nicht so anders wie Drachenelfe.

felis

Neulich auf einer längeren Autofahrt hatte ich auf einemal eine Nebenfigur auf dem Beifahrersitz, die begann mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Dann verlangte sie, westenlich mehr Raum in meiner Geschichte als bisher für sie vorgesehen. Was soll ich sagen: die gute hatte recht. Es hat dem Plot gut getan, dass ich sie zun einer weiteren Hauptfigur ausgebaut habe....
Meine Erfahrung - wenn eine Figur plötzlich "penetrant" wird, will sie mich meistens auf eine Plotlücke hinweisen. Deswegen sollte man auf seine Protas hören. ;)

Grey

Oder eben auf die Nicht-Protas, die gern Protas werden möchten ;)

Maja

Eigeninitiative ist ja schön und gut - ich aber bin seit knapp 200 Seiten und quer durch den Nanowrimo dabei, eine Person zu protokollieren, über die ich nichts weiß. Das heißt, er kann gar nicht »nicht machen, was er soll« - ich weiß viel zu wenig über ihm, um ihm auch nur ein Soll zu geben. Was da in mich gefahren ist, keine Ahnung. Unterbewußtsein rules?
Ich meine, ich liebe den Burschen ja heiß und innig. Ich bekomme Herzflattern, wenn ich nur an ihn denke. Alles ganz toll. Aber zu wissen, wer er ist und was ihn motiviert, wäre schon irgendwie schöner. Jetzt habe ich zumindest eine Theorie, was es sein könnte - aber ich habe Angst, daß er dann irgendwie seinen Zauber verlieren könnte. Es ist schön, in einen geheimnisvollen Fremden verliebt zu sein. Ich konnte mich noch nie zuvor in einen eigenen Charakter verlieben, weil ich sie immer viel zu gut kannte, und so ein Narzist bin ich nun auch wieder nicht. Aber das jetzt...
*wandert mit schwelgerischem Blick von dannnen*
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Manja_Bindig

Es fällt mir grad auf, weil ich grad bei meiner TiNo-Geschichte sitze.
Das ding hatte ich ja schon mal beinahe fertig abgetippt und dann ausversehen gelöscht.
Das war im Endeffekt gut, sehe ich grad.
Ich habe die Gelegenheit genutzt, um mich noch einmal intensiver mit der Geschichte zu befassen, ein, zwei Nebenstränge einzubauen - und vor allem hab ich meinen Hauptchara überarbeitet und mich gezwungenermaßen mit ihr beschäftigt, weil die Gute mir keine Ruhe gelassen hat.

Fazit:
5 Kapitel mehr Geschichte
Malenka entwickelte sich von einem süßen, netten, harmlosen Mädchen zu einer biestigen, kleinen Kratzbürste, die man komischerweise trotzdem einfach nur lieben muss.
Ihre Vorgeschichte ist sehr anders...
... und die Geschichte ist um einiges besser.

Die Eigeninitiative der figuren ist durchaus... positiv zu bewerten.

Gleiches gilt für meine Überarbeitung für "Elfenblut".
Ich hatte festgestellt, dass Arinyls Vorgeschichte ausführlicher abgehandelt werden muss, damit man überhaupt Zugang zu diesem kleinen Aas bekommt(ich mag garstige Hauptcharas, stell ich fest) - also schrieb ich. Ca. ... hm, 150 Seiten werden es gewesen sein und sie sind essentiell notwendig geworden. Der Chara ist auf einmal vielleicht nicht unbedingt sympathisch, aber doch logisch.
Der Haken hieß Vyren. Hauptchara Nr. 2 und die Nemesis jeden Autors, der seine Ruhe vor penetranten Hauptcharas haben will. Vyren forderte ebenfalls seine Vorgeschichte ein, Gleichberechtigung muss sein...
... und schau an, ich hab einen komplett neuen Blick auf ihn. Wie find ich denn das... und vor allem weiß ich ganz genau, an welcher Stelle ich diesen Text, der immerhin stolze 8 Kapitel umfasst, verbasteln werde. :)
Und schon ist die Überarbeitung ein stück runder.

Merke: Autor und Figuren bilden ein Ideales Soziales Netz. Figuren wollen was, Autor hört sich Vorschläge an und schaut, was sie taugen - und taugen sie was, werden sie umgesetzt.
Also, man sollte öfters auf seine Figuren hören.

Grey

Tja ... ich kann beim Schreiben auch immer nur die Augen aufreißen und mit offenem Mund zugucken, wie sich die Psyche meiner Protas vor meinen Augen entfaltet. Pläne werden offenbar, und auf einmal VERSTEHE ich die Geschichte - zwar passiert immer noch ungefähr das, was ich dachte (bisher zumindest, toitoitoi ...), aber es passiert auf eine andere Art.

Besonders von dem, was sich zwischen Al und Kli abspielt bin ich immer wieder gerührt.

Meistgedachter Satz während der Arbeit an diesem Werk: "Ach, SO war das ...?!"

Lavendel

Meine Güte, ja. Manchmal schocken sie mich regelrecht. Als Vaya plötzlich jemanden geohrfeigt hat, war ich total überrumpelt. Das hätte ich nie von ihr gedacht. Und dann ist da noch Thal, der sich lange, lange einfach geweigert hat, wieder aufzutauchen. Jetzt ist er imnmerhin wieder da. Aber er ist mir keine große Hilfe (ausnahmsweise mal einer, der sich nicht in den Vordergrund drängen will).

Naja, wenigstens verhält sich meine Meg wie sie soll. Aber wir verstehen uns auch wirklich gut, wir zwei. :jau: