• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Copyright soll Autoren helfen, nicht Verlagen

Begonnen von Zanoni, 23. Oktober 2012, 14:20:42

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

Zanoni

Endlich mal ein Artikel, der das eigentliche Problem bei den ganzen Urheberrechts(reform)diskussionen auf den Punkt bringt!

Denn verrückterweise streiten sich auf beiden Seiten - bei den Befürwortern wie den Gegnern - oft am lautesten diejenigen, die am wenigstens davon haben: Die Autoren.

Deshalb finde ich es klasse, dass endlich mal jemand betont, worum es beim Urheberrecht ursprünglich mal ging: Die Interessen derer, welche die Werke geschaffen haben! Nicht etwa diejenigen, welche die Werke lediglich vermarkten. Das ist ein riesengroßer Unterschied!

http://www.buchreport.de/nachrichten/verlage/verlage_nachricht/datum/2012/10/23/copyright-soll-autoren-helfen-nicht-verlagen.htm

Gwee

Ich finde ja sowieso, dass es da keine Diskussionen geben sollte. Natürlich sollte dem Autor das Urheberrecht gewidmet sein und nicht dem Verlag. Klar hat das für die Verlage auch ihre Nachteile, aber man kann genauso gut einen Vertrag aushandeln, der besagt, dass die Geschichte des Autors nur in diesem Verlag veröffentlicht werden darf oder so.
Im Endeffekt profitieren die Verlage doch auch nur davon, dass es das Urheberrecht für den Autor gibt. Ansonsten würde jeder seinen Roman in seinem Kämmerchen behalten und es gäbe gar nichts zu veröffentlichen.

Ich finde den Artikel auch toll.  :pompom: Autoren sollten doch nicht noch dafür bestraft werden, dass sie einen Roman geschrieben haben, sondern eher belohnt.
Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr,
daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde.
Johannes Mario Simmel

Snöblumma

Hm, ja. Keine Frage.

Aber ich frage mich gerade, was genau Lessig denn an unserem jetzigen System ändern würde, um die Urheber zu stärken. Was würde dem Urheber helfen? Wo könnte man drehen? (Und das ist, btw, eine sehr ernst gemeinte Frage von mir, nicht nur aus privatem, sondern auch aus wissenschaftlichem Interesse...)

Ich meine, der Urheber hat das Recht an seinem Text. Er muss keine Rechte verkaufen. Er muss sich nicht auf seines Erachtens unfaire Vertragsbedingungen einlassen. Anscheinend sind die Bedingungen in den meisten Verlagen doch noch so, dass die Autoren damit zufrieden sind - sonst würden sie ja keine Menschen mehr finden, die für sie schreiben, oder? Oder sind Autoren so (verzeiht!) naiv/eitel/verzweifelt, dass sie sich wirklich auf jeden Schmarrn einlassen, nur um endlich den Vertrag zu ergattern? Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen... und will es auch niemandem unterstellen.

Mir fehlen in dem, zugegeben kurzen, Artikel konkrete Beispiele.

Und, nicht zu vergessen: Lessig spricht vom Copyright. Das ist mit der Rechtslage in Deutschland nun beileibe nicht zu vergleichen, nicht im Hinblick darauf, wer im Mittelpunkt des Gesetzes steht. Das Copyright geht ganz selbstverständlich davon aus, dass eher die Investition in eine kreative Leistung geschützt werden soll; Investoren gehen vor Urhebern. Das deutsche Recht wählt von Grund auf einen anderen Ansatz. Wir kennen kaum Investitionsschutz, sondern schützen die kreative Leistung an sich und für den Urheber - darum finde ich es etwas irreführend, wenn Lessigs (nicht zitierte) Aussagen unmittelbar auf Deutschland übertragen werden sollen.

Aber, wie gesagt: Es würde mich wirklich interessieren, was sich konkret ändern müsste, um dem Urheber wieder zu mehr Recht (hatte er das je?) zu verhelfen.

Sven

#3
In meinen Augen gibt der Artikel keine neuen Ansatzpunkte preis.

ZitatQualitätssicherung auch ohne Verlage möglich
Niemand ist gezwungen, mit einem Verlag zu arbeiten. Was passiert, wenn man das nicht tut, sieht man bei den e-Books, deren Menge so unüberschaubar geworden ist, dass sich ein Normalsterblicher in seinem Leben nicht durch den Berg, der größenteils aus Schrott besteht, durchwühlen kann.
Außerdem bieten Verlage ja noch mehr, außer die reine Qualitätssicherung. All die anderen Funktionen müsste der Autor selbst übernehmen, oder als Leistung zukaufen.

ZitatPrivate Kopien, die nicht einem klaren Geschäftsinteresse gelten, will Lessig freigeben.
Das ist ausgemachter Unsinn. Filme, Bücher, Musik werden für den privaten Gebrauch hergestellt. Wer soll denn sonst dafür bezahlen, wenn nicht Privatleute? Wer kauft denn Filme, um sie sich anzusehen? Lidl? Nach der Aussage müsste nur derjenige für ein Buch bezahlen, der es an jemanden weiterverkauft, der es weiterverkaufen will.
Harvard-Professor? So, so ...

Bei der ganzen Debatte frage ich mich, wo genau das Problem liegt? Wer etwas konsumiert, muss dafür bezahlen. Einfacher geht es nicht!
Die Abmahntaktik ist kontraproduktiv, hat aber mit dem Urheberrecht herzlich wenig zu tun.
Mein Geld ist mir teuer, daher muss ich im Vorfeld sehr genau überlegen, wofür ich es ausgebe und da bin ich froh, wenn es Verlage gibt, die mir im Vorfeld all den Müll aussortieren und ich mich nur noch mit dem Rest befassen muss. Klar werden so auch ein paar wenige Perlen aussortiert, aber mal ehrlich, das Risiko gehe ich gerne ein.
Beste Grüße,
Sven

Snöblumma

Zitat von: Sven am 23. Oktober 2012, 16:24:56
Bei der ganzen Debatte frage ich mich, wo genau das Problem liegt? Wer etwas konsumiert, muss dafür bezahlen. Einfach geht es nicht!

Richtig.

Und darüber hinaus steht es den Autoren ja heute schon frei, ihre Bücher zum freien Gebrauch freizugeben. Wenn es mir Spaß macht, kann ich meine Werke als ebook auf den Markt werfen, kein oder nur ein geringes Entgelt verlangen und das Kopieren freigeben. Vielleicht nicht über eine Plattform wie Amazon, aber auf der eigenen Homepage ist das problemlos möglich.

Nur: davon werde ich niemals nie nicht leben können. Darum machen es wohl auch noch nicht allzu viele Autoren - kein Geld für die Kopie bedeutet auch, kein Geld für Cover, Satz, Lektor, Korrektur, Arbeitszeit, Herzblut, Schweiß und Tränen. Schreiben wäre reine Liebhaberei. Auch nett. Aber wohl auch nicht ganz Sinn der Sache...

Zitat
Harvard-Professor? So, so ...
Um eine Lanze für Lessig zu brechen: Ja, Harvard-Professor mit einem unwahrscheinlichen Durchblick im Hinblick auf dogmatische Strukturen des Urheberrechts. Einer der ganz großen Denker und Vordenker des amerikanischen Urheberrechts und von mir immer noch bewundert für seine Art, gegen herrschende Proprietarisierungsdokrtinen anzukämpfen. Ich mag ihn und sein Gedankengut, und ich fühle mich ihm urheberrechtspolitisch sehr, sehr nahe. Nur bringt dieser Artikel das nicht rüber...

Lomax

Zitat von: Snöblumma am 23. Oktober 2012, 15:41:56Lessig spricht vom Copyright. Das ist mit der Rechtslage in Deutschland nun beileibe nicht zu vergleichen, nicht im Hinblick darauf, wer im Mittelpunkt des Gesetzes steht. Das Copyright geht ganz selbstverständlich davon aus, dass eher die Investition in eine kreative Leistung geschützt werden soll; Investoren gehen vor Urhebern.
Gut, dass du das erwähnt hast. Dann muss ich nicht mehr darauf hinweisen. Ein wichtiger Punkt, der zeigt, dass selbst scheinbare "Offensichtlichkeiten" so offensichtlich gar nicht sind. Da steckt so eine Menge an kulturellen Einflussen, heute mehr oder minder zufällig wirkenden Traditionen und auch an Partikularinteressen in dem Themenkomplex, dass ich da inzwischen wenig für natürlich halte - und mit "so einfach ist das. Basta" funktioniert da eigentlich gar nichts ;).
  Was aber natürlich auch dazu führt, dass Artikel wie der verlinkte rasch auch wieder in Partikular- und Einzelfragen untergehen.

Was den Einwand von "ist ja alles freiwillig" angeht ... Das ist gar kein Argument. Ich denke mal, der Themenkomplex mit "assymetrischen Arbeitsverhältnissen" ist so weit ausdiskutiert und zieht sich durch so viele Branchen, dass man schon ein wenig mehr ins Detail gehen muss, um zu sehen, ob Autoren nun "ihren gerechten Anteil bekommen", oder aber "von den Verlagen über den Tisch gezogen werden" - und warum das so ist. Ich stelle hier nur fest, wie schon öfter: Die simplifizierende Einstellung "Der Markt wird's schon richten. Es muss ja keiner einen Vertrag schließen, wenn ihm die Konditionen nicht passen", die höre ich vor allem von den vielen Autoren, die noch nicht so viel mit realen Verträgen zu tun hatten und da wenig Erfahrung aus der Praxis haben - und von den wenigen, die ein solches Standing haben, dass sie den Verlagen ihre Verträge diktieren können.
  Die breite Menge der "real vertragsaushandelnden Autoren" dazwischen sind zwar nicht unbedingt unzufrieden mit ihren Verträgen und haben nicht alle dieselbe Meinung zu dieser Frage - aber doch ein sehr viel nüchterneres und differenzierteres Bild vom Markt und den Mechanismen.

Zanoni

Also ich sehe seine Intention weniger im Liefern von konkreten Lösungen, sondern mehr darin, die Aufmerksamkeit (wieder) auf die Interessen derjenigen zu lenken, um die es ursprünglich bei den bestehenden Gesetzen ging. Ich verstehe ihn als einen Beitrag zu einer ergebnisoffenen Diskussion. Und vor allem als einen sehr klugen Beitrag. Denn selbstverständlich muss zuerst das Ziel feststehen, bevor man darüber diskutiert, wie man am besten dort hin gelangt.

In der aktuellen Diskussion steht meist nur die "Vermarktbarkeit" und "Profitmaximierung" der jeweiligen "Vermarkter" im Vordergrund - ursprünglich ging es jedoch um die Rechte der jeweiligen Schöpfer!

Es stimmt natürlich, dass niemand gezwungen wird, seine Rechte einem "Vermarkter" zu übergeben. Theoretisch zumindest.
Klar, früher war es ohne Verlage - praktisch gesehen - extrem schwer ein eigenes Werk selbst zu veröffentlichen. Heute geht das wesentlich einfacher.

Doch dann kommen Leute, die sagen pauschal "selbstverlegte eBooks sind Schrott", mit dem die Leser massenhaft überschwemmt werden.
Wenn sich dieses Vorurteil insgesamt durchsetzen würde, wären Autoren - rein praktisch gesehen - auch in Zukunft wieder auf Verlage angewiesen, um eines ihrer Werke veröffentlichen zu können. Weil nur durch den "Segen" eines Verlages aus einem Manuskript ein echtes, wirklich gutes Buch wird (völlig unabhängig von der tatsächlichen Qualität übrigens, wie sich z.B. bei solchen Werken wie Shades of Grey zeigt).

In der ganzen Urheberrechtdiskussion gibt es ein sehr interessantes Phänomen zu beobachten: Dass die Schöpfer von Werken von den Vermarktern sehr geschickt mit eingesetzt werden, um für die "Rechte" der Vermarkter zu kämpfen, statt für ihre eigenen.

Am allerdeutlichsten zeigt sich das m.E. in der Musikbranche beim Streit zwischen Youtube und Gema. Beide Großorganisationen verdienen ihr Geld mit - und durch - die Arbeit von kreativ schaffenden Menschen und schaffen nichts selbst. Nur anhand ihrer jeweiligen Geschäftsmodelle unterscheiden sie sich voneinander. Und genau daraus entsteht dieser Konflikt.
Beide Seiten schaffen es ganz gut, "ihren" Kreativen einzureden, dass nur sie deren einzig "richtiger" (gutmeinender) Partner wären, und schicken diese vor, um für die Interessen der eigenen Großorganisation zu streiten. Und dabei gerät völlig in Vergessenheit, um wen es eigentlich gehen müsste ... welche Interessen wirklich im Mittelpunkt stehen müssten.

Aber das nur als Beispiel. Denn die Situation in der Musikbranche ist natürlich noch etwas spezieller.
Doch das Prinzip lässt sich auch in den Diskussionen in der Buchbranche entdecken. Das Interesse der eigentlich zu Schützenden steht nicht immer im Mittelpunkt - auch wenn meist so getan wird, als wäre es so.

Snöblumma

Zitat von: Zanoni am 26. Oktober 2012, 11:50:18
In der aktuellen Diskussion steht meist nur die "Vermarktbarkeit" und "Profitmaximierung" der jeweiligen "Vermarkter" im Vordergrund - ursprünglich ging es jedoch um die Rechte der jeweiligen Schöpfer!
Das ist so selbstverständlich nicht. Wie gesagt, in den USA wird das Copyright seit jeher als Wirtschaftsrecht begriffen. Ziel: Ermöglichung eines vernünftigen return on investment. Und wer investiert? Der Verlag. Wer wird also geschützt? Der Geldgeber. Der Urheber muss entlohnt werden für den Job, den er macht. Aber er ist nicht genialer Schöpfer, dem ein persönlichkeitsbezogenes Recht zusteht.
Insofern: In den USA hat Lessigs Aussage Sprengkraft.
Als deutscher Urheberrechtler hebt man da müde die Augenbraue. Dass der Urheber im Mittelpunkt stehen muss, ist allen klar. Nur, wie gesagt: das Problem der geringen Entlohnung wird man gesetzlich nicht ändern können. Es fließt einfach nicht mehr Geld in das System, und dass einige Bestseller große Summen abziehen, ist ein reiner Marktmechanimus, gesteuert von Werbung, manchmal Können, ab und zu einem Hype, aber ganz sicher nichts, was sich gesetzlich verhindern lässt.

Zitat
In der ganzen Urheberrechtdiskussion gibt es ein sehr interessantes Phänomen zu beobachten: Dass die Schöpfer von Werken von den Vermarktern sehr geschickt mit eingesetzt werden, um für die "Rechte" der Vermarkter zu kämpfen, statt für ihre eigenen.
Das stimmt in der Tat. Andererseits habe ich nicht das Gefühl, als ob seriöse Verlage wirklich ein Interesse daran haben, ihre Autoren für dumm zu verkaufen. Die brauchen das, was wir liefern, sonst hätten sie nichts zu verkaufen - und je attraktiver e-books und Selbstverlage werden, umso verzweifelter werden sie deutsche Autoren brauchen, die sie als Marken aufbauen können. Eingekaufte Übersetzungen? Bitte, das Original ist billiger, schneller zu haben und einfach verfügbar. Selbstvermarktung? Bedeutet Arbeit für den Autoren und das Publikum - und genau hier kann der Verlag mit professionellem Markenmanagement einsetzen. Und genau dafür braucht er einen mit ihm zusammenarbeitenden Autoren...

Zitat von: Lomax am 25. Oktober 2012, 16:54:29
Was den Einwand von "ist ja alles freiwillig" angeht ... Das ist gar kein Argument. Ich denke mal, der Themenkomplex mit "assymetrischen Arbeitsverhältnissen" ist so weit ausdiskutiert und zieht sich durch so viele Branchen, dass man schon ein wenig mehr ins Detail gehen muss, um zu sehen, ob Autoren nun "ihren gerechten Anteil bekommen", oder aber "von den Verlagen über den Tisch gezogen werden" - und warum das so ist. Ich stelle hier nur fest, wie schon öfter: Die simplifizierende Einstellung "Der Markt wird's schon richten. Es muss ja keiner einen Vertrag schließen, wenn ihm die Konditionen nicht passen", die höre ich vor allem von den vielen Autoren, die noch nicht so viel mit realen Verträgen zu tun hatten und da wenig Erfahrung aus der Praxis haben - und von den wenigen, die ein solches Standing haben, dass sie den Verlagen ihre Verträge diktieren können.
Ich gestehe, ich bin auch kein Freund von Marktmechanismen. Ich stehe dem ganzen Ansatz mehr als skeptisch gegenüber. Aber im Falle des Urheberrechtes ist ja schon das maximal mögliche getan: das Werk gehört allein seinem Schöpfer. Komme, was da wolle, selbst dann, wenn es im Auftrag oder als Angestellter geschaffen worden ist. Im Urhebervertragsrecht gibt es sicher die ein oder andere Sache, die kritisch überprüft werden muss (gerade bei buy-outs, bei der Übertragung von Nebenrechten...), aber an sich sehe ich da wirklich viel als Verhandlungssache. Stärker kann eine Rechtsposition doch gar nicht sein, als dass man etwas hat, das jemand anderes braucht. Natürlich ist die Bezahlung eher mau, aber das liegt nun wirklich nicht am Urheberrecht. Das liegt daran, dass m.E. einfach nicht mehr Geld in den Sektor "Urheberrechtsindustrie" fließt. Die Leute geben einfach nicht mehr Geld dafür aus, weil sie keinen Bock auf Lesen haben, weil sie es sich irgendwo illegal ziehen, weil sie selber mit ihrem Geld sparsam umgehen müssen - und wo nichts ist, kann auch nichts verteilt werden. Dass kulturelle Leistungen weniger honoriert werden als andere Leistungen, liegt ja nicht wirklich am geltenden Recht, sondern an der Wertschätzung, die der Normalmensch dieser Leistung entgegenbringt.

Aber, wie gesagt: Ich würde wirklich, wirklich gerne wissen, welche konkreten Punkte verändert werden müssten. Beispiele? Vorschläge?

treogen

Zitat von: Zanoni am 26. Oktober 2012, 11:50:18
Doch dann kommen Leute, die sagen pauschal "selbstverlegte eBooks sind Schrott", mit dem die Leser massenhaft überschwemmt werden.

Das Problem ist aber, dass man auch wirklich mindestens 99 % der selbstverlegten Sachen als Schrott deklarieren kann und wirklich nicht daneben liegt.
Die Selbstverleger, die sich selber um ein (ernsthaftes) Lektorat bemühen, die sind doch in der absoluten Unterzahl.

Hee, und das sage ich als ehemaliger Selbstverleger ...
Was glaubst du denn, wie die 1. Auflage von meinem eigenen Roman aussah  :wums:

Zitat von: Zanoni am 26. Oktober 2012, 11:50:18
Weil nur durch den "Segen" eines Verlages aus einem Manuskript ein echtes, wirklich gutes Buch wird (völlig unabhängig von der tatsächlichen Qualität übrigens, wie sich z.B. bei solchen Werken wie Shades of Grey zeigt).

Siehe oben.
Wenn ich sehe, was ich vor 7 Jahren für meinen selbstverlegten Roman an Geld für das Lektorat und Korrektorat in die Hand genommen habe und wenn ich sehe, was ich heute dafür in die Hand nehme.
Ich glaube, die reine handwerkliche Qualität von Verlagen ist auch heute noch um Klassen besser als das, was die meisten Selbstverleger produzieren.
Oder meinst du die "literarische Qualität"? Dazu kann ich nur sagen: Die Leser bekommen die Bücher, die sie verdienen. "Shades of Grey" verkauft sich doch nicht deswegen so gut, weil es keiner kauft und keiner liest. Es verkauft sich, weil jeder wissen will, was an diesem Buch dran ist (naja, außer mir. Meine Lesezeit - ich sage nur "Krieger"  ;D - ist zu begrenzt, als dass ich Bücher zum Spaß lesen könnte, die so weit vom eigenen Verlagsprofil entfernt sind).

Zitat von: Zanoni am 26. Oktober 2012, 11:50:18In der ganzen Urheberrechtdiskussion gibt es ein sehr interessantes Phänomen zu beobachten: Dass die Schöpfer von Werken von den Vermarktern sehr geschickt mit eingesetzt werden, um für die "Rechte" der Vermarkter zu kämpfen, statt für ihre eigenen.

Die Rechnung ist doch ganz einfach:
Wenn von einer Printauflage 4000 Stück abverkauft sind, dann bekommt der Autor ca. 3000 Euro. Und das ist für die meisten Autoren kein Problem.
Wenn der Autor sein Ebook für 5 Euro auf eigene Faust einstellt und davon  3,25 erhält, dann muss er erstmal 1000 Käufe bekommen. Und die muss er als Selbstverleger erstmal haben.

Also - soll ich dafür streiten, dass die Rechte der Content Mafia - also derer, die mein Buch erfolgreich machen könnten, beschnitten werden und ich mich mit einer Handvoll Verkäufen abgeben muss?

Zitat von: Zanoni am 26. Oktober 2012, 11:50:18
Doch das Prinzip lässt sich auch in den Diskussionen in der Buchbranche entdecken. Das Interesse der eigentlich zu Schützenden steht nicht immer im Mittelpunkt - auch wenn meist so getan wird, als wäre es so.

Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren sowieso noch weitere Veränderungen des Buchmarktes erleben. Eine ganze Menge Verlage werden auf der Strecke bleiben. Und mal schauen, wann sich die "Amazon publishing company" in Deutschland etabliert.
Allerdings bezweifle ich, dass das für das Gros der Autoren so toll werden wird.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Lomax

Zitat von: Snöblumma am 26. Oktober 2012, 16:33:04
Ich gestehe, ich bin auch kein Freund von Marktmechanismen. Ich stehe dem ganzen Ansatz mehr als skeptisch gegenüber. Aber im Falle des Urheberrechtes ist ja schon das maximal mögliche getan ... Ich würde wirklich, wirklich gerne wissen, welche konkreten Punkte verändert werden müssten. Beispiele?
Darübe ließe sich dann länger diskutieren. Vor allem, wenn man das Urheberrecht nicht nur aus Sicht von Autoren betrachtet, sondern auch aus der Sicht anderer betroffenen Urhebergruppen, denen es ja auch gerecht werden muss. Ich denke da beispielsweise an meinen anderen Tätigkeitszweig im Journalismus. Da ist die "asymmetrische Vertragsgestaltung" ja ein noch deutlich heißeres Eisen mit sehr viel mehr existenziell Betroffenen. Fotografen beispielsweise, denen die großen Presseunternehmen gerne Total-Buyout-Verträge zu Hungerlöhnen unterjubeln würden. Man könnte sagen, dass Urheberrecht schützt davor, denn meistens werden solche Verträge im Klagefall gekippt - aber oft genug kriegen die Betroffenen, die geklagt haben, zwar ihre Rechte zurück und/oder Nachzahlungen, verlieren in der Folge aber die Einkommensquelle ganz. Und haben, da sich solche Dinge in der Branche rumsprechen, durchaus zu befürchten, dass sie danach gar keine Aufträge mehr kriegen.

Vor diesem Hintergrund könnte ich mir also schon einiges Vorstellen, was man im Urheberrecht mehr tun könnte, um die Urheber zu schützen. Beispielsweise entsprechende Verwerter stärker in Haftung zu nehmen auch für Verluste, die dem Urheber durch sittenwidrige Verträge und sein Vorgehen dagegen nicht nur entstanden sind, sondern auch möglicherweise entstehen werden. Dann könnte man die "angemessene Vergütung" präzisieren, die man derzeit im Urheberrecht findet, und das nicht nur der Rechtsprechung überlassen - auch diese Forderung wurde ja im Rahmen der Urheberrechtsbearbeitungen öfter geäußert.
  Das Problem ist, dass alle diese Einzelfälle auch ihre eigenen Probleme haben, gerade weil das Urheberrecht dann ja für alle Betroffenen gelten muss, die teilweise in sehr unterschiedlichen Branchen, mit unterschiedlichen Problemen und Geschäftsverhältnissen tätig sind. So schön es also auch wäre, dem Urheber da gegen missbräuchliche Aktivitäten von Verwertern eine höhere Kompensation zuzuschieben, so muss man doch sagen, dass übertriebene Kompensationsregeln auf anderem Gebiet jetzt schon ein Problemfall urheberrechtlicher Streitigkeiten sind. Klarere Angaben anstelle nebulöser "Gummiformulierungen" könnten dann plötzlich für den großen Presseverlag genauso verbindlich sein wie für den kleinen Literaturverlag oder den engagierten Hobbyverleger - und wenn man nicht genau aufpasst, hat man auf der einen Seite einen Missbrauch abgestellt, und dafür auf der anderen Seite einen gut funktonierenden Zweig des Geschäfts erwürgt.

Ich würde also erst mal nur sagen, so leicht, dass man pauschalisieren könnte, ist die Sache nicht - und das gilt für Pauschalisierungen wie "Das Urheberrecht muss dringend reformiert werden" genauso wie für solche im Sinne von "der Markt wirds richten" und "Es wird schon das maximal Mögliche getan".

Zanoni

Zitat von: Snöblumma am 23. Oktober 2012, 15:41:56Aber, wie gesagt: Es würde mich wirklich interessieren, was sich konkret ändern müsste, um dem Urheber wieder zu mehr Recht (hatte er das je?) zu verhelfen.
Dass Urheber leichter ihre einmal vergebenen Rechte zurückfordern können ... zum Beispiel.

treogen

#11
Zitat von: Zanoni am 27. Oktober 2012, 22:17:30
Dass Urheber leichter ihre einmal vergebenen Rechte zurückfordern können ... zum Beispiel.

Nichtbenutzte Rechte dürfen sie bereits heute nach 2 Jahren zurückfordern - man muss es nur wissen und selbst aktiv werden.
Und die Möglichkeit, Rechte in aktueller Benutzung vor Ablauf der Vertragsfrist zurückfordern zu können, halte ich gerade in der Buchbranche für extrem kritisch.

Das Hauptproblem ist mMn viel eher - wie Lomax es ja schon angedeutet hat - dass das Urheberrecht sehr viele verschiedene Bereiche abdeckt. Während es in der Buchbranche ja noch halbwegs human abgeht und total-buyout-Verträge eher Randerscheinungen sind, ist das in anderen Branchen ein viel größeres Problem.

Dass eine Urheberrechtsüberarbeitung nötig ist, ist sicherlich den meisten klar.
Ich finde es wie gesagt albern, dass Kindergärtnerinnen verklagt werden können, weil sie Noten aus einem Liederbuch, welches sich die KiTa angeschafft hat, kopieren und an die Eltern aushändigen, damit die Kinder Lieder lernen können. So was ist Blödsinn.
Auch das Total-Buyouts vom Gesetz her nicht zulässig sein dürften, könnte ich mir vorstellen. Ein Recht, welches geldwert genutzt wird, ist zu bezahlen. Daran geht mMn kein Weg vorbei.
Und dass manche Sachen im UrhG (und damit auch in den Verträgen) sehr schwammig formuliert sind, ob das nun solche Begriffe wie "angemessen" im Zusammenhang mit Werbung oder mit Bezahlung sind, ob das Phrasen wie "unter Berücksichtigung der herrschenden Übung" sind und dringend überarbeitet werden müssten, ist auch klar.

Aber da fängt es ja schon wieder an.
Wie präzisiere ich etwas, ohne mit eine Gleichbehandlung in der Verlagslandschaft für eine Verarmung der Branchen zu sorgen. Deswegen ist es leicht gesagt, es muss sich was ändern.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Shin

Zitat von: Sven am 23. Oktober 2012, 16:24:56
Das ist ausgemachter Unsinn. Filme, Bücher, Musik werden für den privaten Gebrauch hergestellt. Wer soll denn sonst dafür bezahlen, wenn nicht Privatleute? Wer kauft denn Filme, um sie sich anzusehen? Lidl? Nach der Aussage müsste nur derjenige für ein Buch bezahlen, der es an jemanden weiterverkauft, der es weiterverkaufen will.
Harvard-Professor? So, so ...

Wenn man über etwas urteilen will, dann sollte man den Originaltext lesen und nicht nur eine Zusammenfassung.
Aus dem Interview:
ZitatEin Beispiel: Wer Teile eines Werkes nutzt, um sie in einem Remix zu einem neuen Werk zusammenzubauen und sie dann auf YouTube seinen zehntausend Freunden zu zeigen, der sollte dafür nicht zahlen müssen. Und auch Verhandlungen zwischen der Gema und YouTube sollte es in einem solchen Fall nicht geben, da der Preis Null ist. Aber wenn ich ein Buch schreibe und jemand macht daraus einen Film, für den er Eintritt nimmt, dann ist das ein kommerzieller Remix, über dessen Bezahlung er mit mir verhandeln sollte.

"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank          

treogen

#13
Zitat von: Shin am 28. Oktober 2012, 15:22:32
Wenn man über etwas urteilen will, dann sollte man den Originaltext lesen und nicht nur eine Zusammenfassung.
Aus dem Interview:
ZitatEin Beispiel: Wer Teile eines Werkes nutzt, um sie in einem Remix zu einem neuen Werk zusammenzubauen und sie dann auf YouTube seinen zehntausend Freunden zu zeigen, der sollte dafür nicht zahlen müssen. Und auch Verhandlungen zwischen der Gema und YouTube sollte es in einem solchen Fall nicht geben, da der Preis Null ist. Aber wenn ich ein Buch schreibe und jemand macht daraus einen Film, für den er Eintritt nimmt, dann ist das ein kommerzieller Remix, über dessen Bezahlung er mit mir verhandeln sollte.

Du weißt aber schon, dass genau dieser angegebene Fall sehr wohl eine kommerzielle Ausnutzung sein kann. Wer bei Youtube auch nur 1000 Freunde hat, wäre ein absoluter Volltrottel, nicht dem Youtube-Partnerprogramm beizutreten (meines Wissens nach kriegen die das sogar direkt angeboten, wenn sie sich nicht eh schon freiwillig dafür entscheiden). Genau da liegt aber der Hase bereits im Pfeffer - da verdient jemand ohne Rücksprache, ohne Geldrückfluss und ohne Genehmigung echtes Geld mit fremden Material.
Also nicht "der Preis ist Null" (wer das behauptet, hat schlichtweg noch nicht gesehen, wie viele Anzeigen Youtube vor diversen Videos schaltet), sondern es gibt definitiv einen Preis.

Und selbst, wenn der Remixer keine Anzeigen einblenden läßt - wieso genau sollte ein Urheber zulassen, dass ein Werk in der Form benutzt werden darf? Nicht jede Form der Verwertung ist vom Urheber auch gewollt. Oder fändest du es toll, wenn du Musik produzierst und die Reps nehmen deinen Musikclip, "remixen" ihn und machen eine Arier-Werbekampagne da draus?

Edit: Interessant fand ich übrigens letztens, als ich einen Artikel gelesen habe, dass viele Clips, die mit den Hinweis "Wurde von der GEMA gesperrt" löscht wurden, eben NICHT von der GEMA gelöscht wurde, sondern von den Urhebern selbst, dass aber die Urheber sich in dem Falle entschieden haben, dass ihr Name nicht genannt werden soll (das kann man nämlich beim Anmahnen von Urheberrechtsverletzungen mit angeben).
In dem Falle würde ich annehmen, dass ein Teil (wahrscheinlich sogar ein sehr großer Teil) der gelöschten Inhalte auf die Initiative der Urheber zurückgehen, die nur Angst vor angepissten Fans haben.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Shin

Normalerweise ist es so, dass Youtube auf die erfolgreichen Kanäle zugeht, um ihnen eine Partnerschaft vorzuschlagen. Selbst bewerben kann man sich zwar immer, hat dort aber auch schlechtere Chancen.
In die Auswahl kommen nur Kanäle, die mindestens 5-10 Videos mit jeweils 10.000 Aufrufen haben. Wenn man ein gutes Video hat, wird man noch lange nicht zum Partner. Ebenso bekommt man bei der Partnerschaft kein Geld für Klicks, die bereits vorher erzielt wurden - da war ja noch keine Werbung geschaltet.
Der normale Youtube-Nutzer, der vielleicht einen Hit mit einem Video landet, verdient noch lange kein Geld damit.

Wenn Musikremixe verboten sind, sind es dann demnächst auch Fanfictions? Wenn ich ein Buch veröffentliche, würde ich gerne sehen, was mit meinen Charakteren angestellt wird, ob nun schlecht oder gut umgesetzt.
Das ist meine persönliche Meinung, aber wenn Remixe von Liedern verboten sind, warum verhält es sich mit Remixen von Romanen dann anders?

Außerdem ging es mir darum, Sven zu zeigen, dass Lessig es genau anders meint. Sven sprach von Filmen als privaten Gebrauch, Lessig spricht von Filmen als kommerziellen Remix.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank