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Copyright soll Autoren helfen, nicht Verlagen

Begonnen von Zanoni, 23. Oktober 2012, 14:20:42

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treogen

#15
Zitat von: Shin am 28. Oktober 2012, 17:08:22
Der normale Youtube-Nutzer, der vielleicht einen Hit mit einem Video landet, verdient noch lange kein Geld damit.

Mag heute noch so sein.
Aber auch Youtube wird irgendwann mal feststellen, dass man mit Werbung richtig gut verdienen kann.

Zitat von: Shin am 28. Oktober 2012, 17:08:22
Wenn Musikremixe verboten sind, sind es dann demnächst auch Fanfictions?

Fanfictions sind auch heute schon problematisch.
Mach mal eine Star Trek Webseite auf und stell dort kostenlos Fanfictions zum Download. Du bekommst bestimmt eine EMail von Paramount Pictures.
Diverse Autoren wie Anne Rice verbieten FanFiction zu ihren Figuren. Manche Autoren interessiert es nur nicht, was mit ihren Figuren passiert.

Die zentrale Frage ist doch bei der ganzen Sache immer: Wieso muss man davon ausgehen, dass man einfach alles machen kann, nur weils nicht kommerziell ist.
Ich weiß nicht, ob "Harry-Potter-und-Hermine-Ab18"-Fanfictions sich positiv oder negativ auf den Umsatz auswirken. Aber als Autor muss man bei so etwas gefragt werden oder zumindest das Recht haben, denjenigen im nachhinein eine auf die Finger zu hauen. Und wenn er es beim 2. Mal nicht rafft, notfalls auch eine Abmahnung vor den Latz zu knallen.
www.verlag-torsten-low.de

Phantastik vom Feinsten

Shin

Das mag für Youtube gelten, aber nicht für alle Nutzer. Die erfolgreichste deutsche Youtuberin verzichtet auf das Partnerprogramm, da sie nicht möchte, dass bei ihren Videos Werbung geschaltet wird. Dieses Gegenbeispiel muss ich einfach anbringen.

Die Frage sollte eher sein, warum man sich bei Rechtsfragen auf das Kommerzielle versteift. Warum heißt es immer GEMA und Youtube? Warum nicht nicodouga, myvideo oder vimeo? Ganz einfach: Weil Youtube größer und bekannter ist und eben dieses Partnerprogramm anbietet. Wenn jemand seine Song-Parodien auf myvideo hochladen würde, gäbe es erst viel später Sperrungen - oder gar nicht. Es geht also nicht darum, das Material zu schützen - sondern an einer Klage am besten zu verdienen.

Remixe von Liedern sind Werbung für das eigentliche Lied selbst. Ich habe es oft erlebt, dass das Original Video einer Band oder eines Sängers an die 100.000 Aufrufe mehr hatte - weil die ganzen Nutzer sich das Lied ansehen, nachdem sie die Parodie kannten. Und natürlich um die schwachsinnigen "Daumen hoch, wenn du von YTitty kommst!"-Kommentare zu hinterlassen. Die Veränderung eines Produktes ist immer Werbung für das Produkt selbst. Wenn sämtliche Videos verboten werden, die nur eine bekannte Titelmelodie enthalten oder Memes, die Donald Duck enthalten, kann man bald herzlich wenig hochladen.

Ich kenne bisher keine Fanfiction-Seite, die so extrem Werbung geschaltet hat und gut verdienen würde, von daher ist es für mich klar, dass es dort in den nächsten Jahren niemanden interessiert, was mit den Werken angestellt wird.
Jedenfalls nicht, wenn es dort nichts zu holen gibt.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
- Crywank          

Sven

Zitat von: Shin am 28. Oktober 2012, 17:08:22
Außerdem ging es mir darum, Sven zu zeigen, dass Lessig es genau anders meint. Sven sprach von Filmen als privaten Gebrauch, Lessig spricht von Filmen als kommerziellen Remix.

Nein, mir ging es darum zu sagen, dass 1000 Facebookfreunde, oder 1000 Youtubefreunde nicht unter "privat" laufen kann. Wer urheberrechtlich geschütztes Material nimmt und es 1000 Leuten zugänglich macht - ob verändert, oder original ist dabei völlig irrelevant - bewegt sich eben nicht mehr im privaten Umfeld.

ZitatEin Beispiel: Wer Teile eines Werkes nutzt, um sie in einem Remix zu einem neuen Werk zusammenzubauen und sie dann auf YouTube seinen zehntausend Freunden zu zeigen, der sollte dafür nicht zahlen müssen.

Falsch. "Wer Teile eines Werkes nutzt, um sie in einem Remix zu einem neuen Werk zusammenzubauen" darf das im familiären Umkreis zeigen und natürlich auch seinen Freunden, die er jedes Wochenende trifft. Wer das jedoch seinen "zehntausend Freunden auf Youtube" zeigt, sollte das weiterhin nicht dürfen, wenn der Urheber das nicht möchte. Punkt. Denn das hat mit "privat" rein gar nichts mehr zu tun und dabei ist es in meinen Augen völlig egal, ob kommerziell gehandelt wird, oder nicht.
Wenn sich jemand ein Buch schnappt, die Story adaptiert, um daraus einen Independentfilm zu machen, weil er sich meinetwegen bei einer Filmhochschule bewerben will, so ist dieser Vorgang nicht in dem Sinne kommerziell, weil er damit ja kein Geld verdient. Aber er nimmt sich eine Story, die ihm nicht gehört, um daraus einen Vorteil zu haben. Er setzt den Film danach ins Internet auf youtube und zehntausend Leute sehen ihn sich an. Das Buch brauch dann keiner mehr zu lesen, weil der extrem coole Twist am Ende ja bekannt ist.

Zitat von: Shin am 28. Oktober 2012, 17:35:10
Warum heißt es immer GEMA und Youtube? Warum nicht nicodouga, myvideo oder vimeo? Ganz einfach: Weil Youtube größer und bekannter ist und eben dieses Partnerprogramm anbietet. Wenn jemand seine Song-Parodien auf myvideo hochladen würde, gäbe es erst viel später Sperrungen - oder gar nicht.

Eigentlich geht es immer deshalb um Youtube, weil die GEMA mit MyVideo und ähnlich Plattformen geltende Verträge hat. Youtube sperrt sich, weil Youtube sagt, dass sie ja gar kein Material ins Netz stellen, sonder nur die Server zur Verfügung stellen. Und um auf die GEMA Druck auszuüben, sperrt Youtube mal dieses und mal jenes Video und zeigt den bekannten Ersatztext.

Beste Grüße,
Sven

Lomax

Zitat von: treogen am 28. Oktober 2012, 00:15:52Nichtbenutzte Rechte dürfen sie bereits heute nach 2 Jahren zurückfordern - man muss es nur wissen und selbst aktiv werden.
Nun ja, in einer Hinsicht spricht Zanonis Einwand durchaus ein reales Problem an - im Zeitalter der Ebooks ist es für einen Verlag ja kein Problem, einen Titel ohne Aufwand und ohne jede praktisch relevante Rechtenutzung rein formal "verfügbar" zu halten und die zweijährige Frist zu blockieren, wenn die Ebook-Rechte vertraglich als Bestandteil des Hauptrechts und nicht nur als Nebenrechte übertragen wurde. Zumindest ist das ein theoretisches Szenario, dass in jüngster Zeit diskutiert wurde, auch wenn ich nicht weiß, ob es schon praktische Präzedenzfälle gibt und wie das vor Gericht dann ausginge.
  Den praktischen Handlungsbedarf kann ich also nicht einschätzen, aber es ist durchaus eine Frage, die man im Zuge aktueller Entwicklungen im Auge behalten muss und ggf. durchaus schon prophylaktisch berücksichtigen kann.

Zitat von: treogen am 28. Oktober 2012, 17:21:17Ich weiß nicht, ob "Harry-Potter-und-Hermine-Ab18"-Fanfictions sich positiv oder negativ auf den Umsatz auswirken. Aber als Autor muss man bei so etwas gefragt werden oder zumindest das Recht haben, denjenigen im nachhinein eine auf die Finger zu hauen. Und wenn er es beim 2. Mal nicht rafft, notfalls auch eine Abmahnung vor den Latz zu knallen.
Muss man das? In der Tat sehe ich gerade die Teile des Urheberrechts, die dem Urheber eine über den Schutz von Vermarktbarkeit hinausgehende Eingriffsrechte zubilligen, für hochproblematisch.
  Natürlich will man als Künstler gern die Kontrolle über alle Aspekte seines Werkes behalten. Aber das allein ist kein Grund, dieses Recht auch juristisch festzuschreiben. Ich kann mir beispielsweise gut vorstellen, das BMW auch gerne kontrollieren würde, wer alles sein Auto fährt und wofür es benutzt wird, oder auch wie man es tunen darf. Trotzdem würde ein solche Kontrolle gegen alles verstoßen, was nach nach gängigem Rechtsempfinden Recht und billig ist - nur das Urheberrecht und vergleichbare Immaterialgüterrechte sollen durch die Hintertür genau solche Vorstellungen hoffähig machen.
  Den Missbrauch sieht man sofort. Normale Firmen versuchen für ihre normalen Produkte und ihre Vertriebsnetze diese Möglichkeiten des Immaterialgüterrechts durchzusetzen, die man ihnen im normalen Handelsrecht nicht zufällig, sondern gezielt und aus gutem Grund genommen hat. Architekten blockieren Umbauten und damit de facto die Nutzung ihres "Werkes", das am Ende nichts anderes als ein gekauftes Produkt ist.
  Das Problem dabei ist, dass damit der "Wille" des Urhebers zu einer rechtlichen Größe wird - was am Ende automatisch darauf hinausläuft, dass die Größe, die man gegen Begriffe wie "Fair Use", "öffentliches Interesse", "berechtigte Interessen" etc. abwägen muss die "persönliche Willkür" ist. Und nach meinem Empfinden bringt diese Größe ein Ungleichgewicht in jede Abwägung, das den Gewinn, den man damit hat, nicht wert ist. Am Ende haben alle diese Rechte kaum einen konstruktiven Nutzen, sondern laufen auf ein reines Blockaderecht hinaus - spricht, der Urheber gewinnt das Recht, Dinge ohne objektive Abwägung zu blockieren, und er gewinnt das daraus resultierende Erpressungspotential.
  Je früher alles, was in diese Richtung geht, komplett aus dem Urheberrecht verschwindet, umso besser.

Ich denke, alle sinnvollen Effekte dieser "Kontrollmöglichkeiten" des Urhebers lassen sich problemlos auf ökonomische Fragen reduzieren. Dass der Urheber von seiner Leistung profitieren soll, dass kein anderer ohne Beteiligung des Urhebers von dieser Leistung profitieren soll, dass kein anderer das Werk in einer Weise nutzen oder verbreiten dürfen soll, die für den Urheber geschäftsschädigend ist und die ihn daran hindert, von seinem Werk zu profitieren, das wären wohl vergleichsweise konsensfähige Elemente des Urheberrechts.
  Ich denke, auf diese Elemente kann man auch andere Rechte des Urhebers zurückführen, und mehr Rechte muss man in der Tat nicht haben.
  Wenn der Urheber also Fanfics, Zitate, Kollagen, private Nutzungen, Veränderungen etc. verbieten will, dann soll er dieses Recht durchaus bekommen - allerdings nur, wenn er zumindest begründet belegen kann, dass die jeweilige konkrete Nutzung unumstrittene und objektivierbare Interessen beeinträchtigt: die Vermarktung seines geistigen Eigentums, die Nutzung seiner Rechte, oder dass die Verwendung rufschädigend ist oder andere Werte dieser Art, die mir jetzt vielleicht nicht einfallen. Ob im Einzelfall so eine Schädigung vorliegt, kann die Rechtsprechung entscheiden.
  Was der Urheber keinesfalls unbedingt haben muss, ist die Berechtigung, jeder derartigen Nutzung "eine Abmahnung vor den Latz zu knallen", nur weil es ihm gerade einfällt, ohne irgendeine weitergehende Begründung und ohne einen benennbaren Schaden, der sich von unabhängiger Instanz überprüfen lässt. An dieser Stelle würde ich eine Grenze ziehen.

Jeden Schutz der Verwertung und der materiellen Interessen halte ich für weitestgehend konsensfähig. Dass weitergehende Kontrollrechte nötig sind, halte ich hingegen erst mal nur für eine Meinung, und es ist keine Meinung, die ich teile. Ich stelle dem jetzt einfach mal die Meinung gegenüber, dass der Urheber, sobald seine Idee an der Öffentlichkeit ist, sich gefallen lassen muss, dass er sie nicht mehr alleine und in jedem Aspekt kontrolliert. Genau wie der Autobauer auch damit leben muss, dass unsympathische Typen seine liebevoll montierten Wagen fahren, oder einen hässlichen Spoiler dranschrauben. Das tut weh, rechtfertig aber nicht automatisch ein Gesetz dagegen ;).

treogen

Zitat von: Lomax am 30. Oktober 2012, 22:13:21
Nun ja, in einer Hinsicht spricht Zanonis Einwand durchaus ein reales Problem an - im Zeitalter der Ebooks ist es für einen Verlag ja kein Problem, einen Titel ohne Aufwand und ohne jede praktisch relevante Rechtenutzung rein formal "verfügbar" zu halten und die zweijährige Frist zu blockieren, wenn die Ebook-Rechte vertraglich als Bestandteil des Hauptrechts und nicht nur als Nebenrechte übertragen wurde.

was das Ebook betrifft, hast du absolut recht.
Aber Zanoni hat ja die Möglichkeit der Rechterückforderung allgemein angesprochen, deswegen war mir wichtig daraufhinzuweisen, dass es das grundsätzlich schon gibt.
Wie das im Einzelfall EBook zu handhaben ist, da ist auf jeden Fall noch Klärungsbedarf.

Zum Thema Fanfiction: Müssen wir nicht ausdiskutieren. Da hast du deine und ich meine Meinung - und die Gesetzesänderung, wenn sie denn kommt wird sicher wieder was ganz anderes vorschreiben ;)

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Phantastik vom Feinsten

Zanoni

Beim eBook funktioniert das bisherige Vorgehen - wie Lomax sehr richtig beschrieben hat - überhaupt nicht. Da die Übernahme der alten Regelung aufs neue Medium jedoch deutliche Vorteile für die Verlage mit sich bringt, vermute ich, dass sich die wenigsten Verlage besonder intensiv um eine Neuregelung bemühen werden und stattdessen lieber stillschweigend übernehmen. Bis die ersten Autoren mit den entsprechenden Problemen in der Praxis konfrontiert werden, wird es vermutlich noch etwas dauern - erst dann wird es zu heftigeren Diskussionen führen.

Aber selbst im "Normalfall", also der Rückholung brachliegender Rechte, kommt es immer wieder zu praktischen Problemen. Ich befreundete Autorin hatte mehrere Jahre darum kämpfen müssen, ihre Rechte an einer einstmals begonnenen Serie zurück zu holen, die eingestellt wurde, weil die Firma von einer anderen aufgekauft wurde. Obwohl es eindeutig keine weitere Veröffentlichung gab und auch nicht mehr geben sollte, war es insgesamt eine sehr langwierige und nervige Sache. Klar, wahrscheinlich nicht gerade die Regel, aber als reinen Einzelfall kann man solche Erfahrungen wohl auch nicht abtun.

Was mich aber ganz allgemein bei der ganzen Situation heute wundert, ist die absolute Versessenheit auf solche "alles meins"- und "nur der Profit zählt"-Vorstellungen. Wie haben es die Menschen nur in den Jahrtausenden vor dem 20. Jahrhundert geschafft, Kunst und Kultur diese Ideen zu schaffen? Wie konnten überhaupt jemals Hochkulturen entstehen - ganz ohne segensreiches Copyright und Profitstreben?
Schon seltsam ... irgendwie ...

Lomax

Zitat von: Zanoni am 31. Oktober 2012, 11:24:10Wie haben es die Menschen nur in den Jahrtausenden vor dem 20. Jahrhundert geschafft, Kunst und Kultur diese Ideen zu schaffen? Wie konnten überhaupt jemals Hochkulturen entstehen - ganz ohne segensreiches Copyright und Profitstreben?
Da hast du vielleicht Recht, dass das heutige Immaterialgüterrecht insgesamt keinesfalls die Vorteile für die Gesellschaft und die Produktion von Kultur- und Ideengütern bietet, die es gerne verspricht und mit denen es oft gerechtfertigt ist.
  Aber wenn man sich die Geschichte der Entstehung dieser Rechte anschaut, stellt man fest, dass früher auf anderen Gebieten auch nicht alles fair ablief und dass es durchaus ein paar Missstände und Gerechtigkeitslücken gab, die damit behoben wurden. Die Vorteile für die Gesellschaft und die Förderung der Kunst sind ja nicht alles, um ein Copyright zu rechtfertigen - dass auch geistige Leistung entlohnt werden muss, kann man ja durchaus als einen Wert an sich betrachten.
  Vor allem, wenn man solche Leistungen erbringt, und an anderer Stelle Geld damit verdient wird ;).