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Nochmals neu anfangen?

Begonnen von rogoberlin, 06. Oktober 2012, 14:15:07

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rogoberlin

Hallo zusammen,

da ich eine lange Zeit nicht mehr an meiner Geschichte gearbeitet habe und ich nun sämtliche Blockaden aus den Weg räumen konnte, stellst sich mir die Frage, ob ich meinen bis dahin angefangenen Roman, aktuell 50 Seiten, nochmals neu anfangen sollte?

Im Grunde könnte ich sofort weiter schreiben, da mir der Plot bis dato immer noch bekannt ist. Aber ich bring es nicht fertig, nochmals die 50 Seiten durch zu lesen. Warum, kann ich gar nicht sagen. Fühlt sich dann irgendwie fremd an. Wer kennt die oben geschilderte Situation oder hat auch solch eine Erfahrung gemacht ?

Über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Lieben Gruss aus dem verregneten, kalten Berlin von Roy




Malinche

#1
Pauschal lässt sich das schwer sagen.

Du könntest versuchen, erst einmal weiterzuschreiben, ohne die ersten 50 Seiten zu lesen - vielleicht auch in einem neuen Dokument, wenn sich das für dich besser anfühlt. Möglicherweise kannst du den Anfang dann irgendwann wieder lesen, wenn du erst mal wieder richtig im Fluss bist. Und was an kleinen Unstimmigkeiten zwischen den ersten 50 Seiten und dem Neugeschriebenen auftritt, lässt sich ja später mal beim Überarbeiten glattschleifen.

Mir geht es teilweise so, dass ich beim Weiterschreiben erst merke, wie notwendig es für mich ist, mich noch einmal in den Anfang einzulesen.

Du könntest natürlich auch probehalber noch einmal den Anfang tippen und sehen, wie sich das anfühlt. Wenn du merkst, dass die Geschichte einen anderen und besseren Weg geht, ist das doch okay. Wenn es dich frustet, weil du weißt, dass du das alles im Prinzip schon geschrieben hast - stopp und einfach anknüpfend weiterschreiben.

[EDIT] Eine andere Möglichkeit, die mir gerade noch mal einfällt: Vielleicht nicht direkt mit dem Roman weitermachen, sondern ein paar Fingerübungen dazwischen schieben, Kurzgeschichten oder einzelne Szenen mit den Figuren deines Projekts, um mit ihnen und ihrer Art wieder warmzuwerden. Muss nicht helfen, ist aber eine Möglichkeit.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Nachtblick

Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass weiterschreiben nicht geht, wenn ich einmal eine große Pause gemacht habe und sich das Gelesene nach zu viel Arbeit anfühlt. Ich fange mittlerweile zum vierten Mal meine dreibändige Reihe neu an, ohne dass dieser Umstand bei mir Panik, Verzweiflung oder dergleichen auslöst. Im Gegenteil, ich freue mich riesig. Ich schreibe nebenher mehrere andere Projekte, bin also nicht darauf so blockiert, dass ich mir sagen müsste: Komm über das Projekt hinweg!

Überleg mal, wie sonst dein Schreibverhalten ist. Wenn du in einem Rutscht schreibst, ist es wahrscheinlich wirklich am Besten, noch mal neu anzufangen, zumal du ja noch bei 50 Seiten bist. Wenn du dir die Frage schon stellst, wird es für dich auch kein Drama sein, es tatsächlich noch mal zu schreiben, und dir wahrscheinlich eher zuträglich sein. Mach, was sich am Besten anfühlt. Für manche mag es sicherlich nach doppelter Arbeit aussehen, aber wenn du dich wohler fühlst, es neu zu schreiben, lieferst du so wahrscheinlich auch bessere Qualität. Und um die geht es ja. :)

Ryadne

#3
Es kommt denke ich darauf an, wo jetzt dein Problem liegt: Kommst du nicht mehr in deinen Schreibstil rein und ist dir die Handlung fremd geworden oder weißt du "nur" nicht mehr, wo du jetzt ansetzen sollst?

Bei ersterem: Es hat meiner Meinung nach keinen Sinn, weiterzumachen, wenn dir dein eigenes Werk inzwischen fremd geworden ist. Dennoch ist es schade, wenn man so viel getane Arbeit einfach in die Tonne kloppt, außerdem kann es auch sein, dass du beim Schreiben wieder in die Thematik reinfindest. Deshalb würde ich einen Mittelweg wählen: Nochmal neu anfangen, aber das bereits Geschriebene auch miteinbeziehen, indem man gute Stellen ggf. übernimmt. Mit dieser Methode habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht, weil ich gemerkt habe, dass mir beim Zweitschreiben noch neue Ideen kommen und ich so auf "aktualisierte" Weise wieder in meine Handlung finde. Meistens wird die Handlung dadurch auch bereichert.

Aktuell habe ich allerdings das Problem bei einer Geschichte, die bereits 120 Normseiten hat, dass ich einfach nicht mehr durchblicke, da ich so lange pausiert habe. Hier werde ich nochmal versuchen, von dem Punkt weiterzuschreiben, an dem ich jetzt bin, indem ich mich nochmal durch die Notizen lese, das bereits Geschriebene durchgehe und ich mir den Plot durch den Kopf gehen lasse. Bei dieser Geschichte bin ich so schon häufiger vorgegangen; ob sie trotz ihrer Zerstückelung hinterher noch funktioniert, wird sich zeigen, aber bisher bin ich damit noch ganz gut vorangekommen.

Edit: Da du schreibst, das bereits Geschriebene nicht nochmal durchlesen zu können: Ich rate dir, das noch etwas ruhen zu lassen. Wenn es dir in den Fingern juckt, fang ruhig neu an, aber wenn du etwas Abstand gewonnen hast, schau dir die ältere Version nochmal an und lass ich davon re-inspirieren.

Churke

Beim Überarbeiten schreibe ich den Anfang fast immer um oder ganz neu. Wenn eine Story fertig ist, eröffnet das neue Perspektiven. Ich würde mir an deiner Stelle keine großen Gedanken darum machen und das Ding erst mal fertig schreiben. Der Rest bei der Überarbeitung.

rogoberlin

*Churke

ja ich denke da hast du wohl völlig recht. Erst einmal fertig schreiben, danach dann überarbeiten. Wozu sich verrückt machen ?

danke für all die Tips und Anregungen von Euch.  :vibes:


Lieben Gruss aus Berlin von Roy

Rhi

Lieber Roy, ich stehe gerade vor dem selben Problem. Ich konnte jetzt ein paar Wochen keinen Gedanken an meine Geschichte verschwenden, geschweige denn, weiterzuschreiben. Jetzt, wo ich etwas Luft habe, überkam mich die Lust, zu schreiben, aber ich hab keine Ahnung wie es weiter gehen soll. Die Stelle, an der ich aufgehört habe, ist irgendwie schon so weit weg.
Ich habe es mir jetzt auf dem Sofa gemütlich gemacht und fange an, die ganzen 171 Seiten von vorne zu lesen. Ich komme sonst einfach nicht mehr rein. Ich sehe es aber ziemlich gelassen. Es macht Spaß, hier und da fällt mir noch was Gutes ein, was ich dazufügen kann. Und wenn ich irgendwann mal bei Seite 171 angekommen bin, hoffe ich, dass ich wieder neue Ideen habe, wie es weiter gehen kann...  ;D

Mehr kann ich dir nicht sagen, so mache ich es, wenn ich raus bin aus einer Geschichte.  ;)

rogoberlin

Huhu,

nun ja ich kenne das Problem. Ich stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.

So was hemmt natürlich den Fluss beim lesen. Aber ich kann dagegen nichts machen. Ich muss dann wirklich den Satz/die Sätze ändern und erst wenn ich zufrieden bin, mache ich weiter.

Ist vielleicht ein Fehler von mir - ich weiss es wirklich nicht. Vielleicht kennt ja jemand genau diese Situation :)


Lieben Gruss aus Berlin von Roy

Brigadoona

Zitat von: rogoberlin am 25. Oktober 2012, 00:05:05

nun ja ich kenne das Problem. Ich stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.



Ist doch genau richtig. So erfährt dein Text seine erste Überarbeitung. Du merkst, was du stilistisch besser machen musst und dann gehts locker, flocker weiter.

Luna

#9
Zitat von: rogoberlin am 25. Oktober 2012, 00:05:05
Huhu,

nun ja ich kenne das Problem. Ich stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.

So was hemmt natürlich den Fluss beim lesen. Aber ich kann dagegen nichts machen. Ich muss dann wirklich den Satz/die Sätze ändern und erst wenn ich zufrieden bin, mache ich weiter.

Ist vielleicht ein Fehler von mir - ich weiss es wirklich nicht. Vielleicht kennt ja jemand genau diese Situation :)
Da bist Du nicht alleine. Das geht mir nur leider nicht nur so beim Überarbeiten, sondern sogar beim Schreiben, wenn ich meine vorherigen Sätze nochmal durchlese. Ich Doktor dann viel zu viel dran rum, statt einfach weiterzuschreiben und dann erst (das Kapitel) zu überarbeiten. Hemmt natürlich den Schreibfluss. Und wenn ich dann das, was ich da so fabriziert habe, nach einiger Zeit wieder lese, schmeiße ich dann alles nochmal über den Haufen, weil mir dann das auch nicht mehr gefällt. Ganz neu anfangen muss ich aber immer nur, wenn mir der Plot nicht mehr gefällt und sich da soviel geändert hat, ich so viel umstruckturiert habe.   

canis lupus niger

Zitat von: rogoberlin am 25. Oktober 2012, 00:05:05
nun ja ich kenne das Problem. Ich stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.

Nunja, bei einem fremden Text, mit dem ich als Leser zu tun habe, ist eine Störung des Leseflusses sehr ärgerlich. Bei einem eigenen Text kommt es auch bei mir zwangsläufig dazu, dass ich ändern will. Es ist schrecklich, ein gedrucktes Buch in der Hand zu halten und nicht mehr ändern zu KÖNNEN. Aber bei einem unfertigen Text geht das eigentlich gar nicht ohne. Schließlich schafft es ja auch kaum jemand, eine druckfertige Rohfassung hinzulegen.

ZitatIm Grunde könnte ich sofort weiter schreiben, da mir der Plot bis dato immer noch bekannt ist. Aber ich bring es nicht fertig, nochmals die 50 Seiten durch zu lesen. Warum, kann ich gar nicht sagen. Fühlt sich dann irgendwie fremd an.

Ob Du Deinen angefangenen Text komplett neu schreibst, oder ihn zunächst so weiterschreibst wie er ist, das hängt ganz von Deiner persönlichen Arbeitsweise ab. Du schreibst ja, dass Du es nicht fertigbringst, die gesamten 50 Seiten noch einmal zu lesen. Hm, das wird Dir später beim Überarbeiten ohnehin nicht erspart bleiben.
Mir persönlich macht es immer Spaß, etwas bereits Geschriebenes noch einmal zu lesen, und oft tue ich das vor dem Weiterschreiben um mich wieder in die Geschichte hineinfühlen zu können. In der Regel kommen mir dabei auch gute neue Ideen, wie es weitergehen könnte.

Wie andere weiter oben auch, würde ich die Entscheidung für einen Neuanfang oder für´s Weiterschreiben davon abhängig machen, was und wieviel Du ändern musst. Haben sich Dein Stil, der Plot und die Charaktere so sehr geändert, dass Du praktisch jeden Satz umformulieren willst, dann lohnt sich ein Neuanfang. Haben sich nur Einzelheiten des Settings und des Plots geändert, dann kannst Du diese Abschnitte leicht ersetzen.
Aber auch ich empfehle Dir sehr, vor der Weiterbearbeitung eine Sicherheitskopie zu archivieren. Vielleicht gefällt Dir später eine frühere Formulierung doch wieder besser.

*Hach*
Kleines Off Topic: Hier vor meinem Küchenfenster schneit es gerade goldene Blätter! Ich wünschte, Ihr könntet das sehen!

der Rabe

Hallo Roy,

das Problem mit dem Nichtweiterkommen, weil man zu viel vom alten Text liest und dann überarbeitet, kenne ich auch. Was mich da vor einigen Jahre rausgebracht hat war der NaNoWriMo. Ich musste einfach in kurzer Zeit viel schreiben und hatte überhaupt keine Zeit dafür, mir über die Qualität und ob mir das Alte gefällt Gedanken zu machen. Du musst deswegen nicht gleich beim NaNo mitmachen, aber such mal im Netz nach "Write or Die". Das ist ein nettes kleines Programm, kann man auch online erst einmal ausprobieren, das einem dabei hilft, nicht beim Schreiben über das Geschriebene nachzudenken, sondern erstmal weiterzuschreiben.

Überarbeiten kann man später noch. Wichtig ist doch erstmal, dass man überhaupt was zum Überarbeiten hat. ;)

Mit Gruß,
vom Raben
   :rabe:
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

gbwolf

Zitat von: rogoberlin am 25. Oktober 2012, 00:05:05nun ja ich kenne das Problem. Ich stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.
Zum einen gebe ich hier Brigadoona recht, dass es eine gute Gelegenheit sein kann, kleinere Dinge zu korrigieren. Hast du aber nur noch das Bedürfnis, umzuschreiben, überleg dir, ob du den Text lieber auf einem Ausdruck oder auf einem eBook-Reader liest - nach den ersten 10 umständlichen Notizen liest man meistens einfach weiter.

Wenn du die 50 Seiten durch hast, musst du dich entscheiden: Sind sie eine gute Ausgangsbasis, um weiterzuschreiben und später den Text komplett zu überarbeiten? Oder fehlen Informationen/Dialoge/Situationen/Atmosphäre, die du für später benötigst?
Bei meinem letzten Roman habe ich nach über 80 Seiten die Pobacken zusammengekniffen, diese Seiten ganz groß beim durchlesen überarbeitet und vor allem Dinge nur angemarkert, bei denen ich später mehr einfügen/ändern musste. Dann habe ich die restlichen 160 Seiten geschrieben und mehrmals komplett überarbeitet (inklusive Kapitelverschiebereien). Das war mühselig, aber das Lesen der ersten Seiten hat mir wieder in den Fluss verholfen. Und immer, wenn ich auf den Restseiten etwas eingefügt hatte, das Bezug auf den Anfang nahm, dort aber noch nicht stand, gab es eine Notiz.

Churke

Zitat von: rogoberlin am 25. Oktober 2012, 00:05:05
So was hemmt natürlich den Fluss beim lesen. Aber ich kann dagegen nichts machen. Ich muss dann wirklich den Satz/die Sätze ändern und erst wenn ich zufrieden bin, mache ich weiter.

Ich würde mir da eher Sorgen machen, wenn ich meinem Geschreibsel restlos zufrieden wäre. :)

Rhi

ZitatIch stelle bei mir persönlich nur fest, das ich beim Lesen sofort einige Sätze wieder umschreibe/ neu schreibe, aber auch nur aus dem Grund, weil sie mir stilistisch nicht mehr gefallen.

So was hemmt natürlich den Fluss beim lesen. Aber ich kann dagegen nichts machen. Ich muss dann wirklich den Satz/die Sätze ändern und erst wenn ich zufrieden bin, mache ich weiter.

Aber was ist da falsch dran? Also ich hab jetzt seit einiger Zeit nicht mehr geschrieben. Jetzt hab ich Herbstferien und die ersten 4 Tage gingen dafür drauf, dass ich meine 180 Seiten gelesen und teilweise auch überarbeitet habe. Mir sind Sachen aufgefallen, die fehlten, also hab ich noch einiges an Ideen hinzugefügt. Vorgestern war ich damit fertig und nun bin ich wieder vollkommen drin in der Story. Und schwupps, fällt es mir viel leichter, weiterzuschreiben. Und ich habe zusätzlich das Gefühl, dass ich die Story schon verbessert habe. Und das Verbessern, bzw Hinzufügen stört mich im Lesefluss gar nicht. Ich lese, füge hinzu, lese das Neue nochmal und freue mich, dass die Story immer stimmiger wird  ;D