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Umschreiben für den Erfolg - Pro und Contra

Begonnen von Farean, 12. Juli 2012, 15:19:52

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Pestillenzia

Ich schließe mich dem, was Farean geschrieben hat, in jedem Punkt an (und wiederhole es deshalb nicht noch einmal  ;)).

Ich stecke nämlich gerade in diesem Dilemma: ein Lektor hat mir geraten, die Handlung in einem Punkt entscheidend zu ändern, weil - so seine Meinung - dadurch mehr Spannung aufkäme. Gut, dachte ich mir, da mag er Recht haben. Da es die Grundrichtung meiner Story im Großen und Ganzen nicht ändern würde, habe ich versucht, diese Änderung zu integrieren - aber in mir sträubte sich absolut alles gegen die "Zusatzhandlung" und ich habe die Änderungen wieder rückgängig gemacht.
Sie passten in dem Umfang einfach nicht zur Geschichte. Vielleicht in einer extrem abgespeckten Version, aber auch nur vielleicht. Ich hoffe darauf, dass mir die Figuren das im Lauf der Geschichte verraten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es auf jeden Fall ein Ding der Unmöglichkeit, den Storyverlauf so zu verändern. Das wäre dann definitiv nicht mehr meine Geschichte und das will ich nicht.

Bei einem anderen Roman schlug die Lektorin vor, noch zwei Szenen zu ergänzen, weil sie die Geschichte runder machen würden. Und ich muss sagen, sie hatte Recht. Die Szenen sind mir auch sehr leicht von der Hand gegangen, weil sie zur Geschichte und zu den Figuren passten.

Mir ging es bei letzterem nicht darum, veröffentlicht zu werden, sondern darum, die Geschichte zu verbessern und ich finde, es hat funktioniert.

Ich antworte somit auf die ursprüngliche Frage mit einem ganz eindeutigen "Es kommt drauf an".  ;)

Grey

#16
Zitat von: Leo am 12. Juli 2012, 16:02:04
Hatten wir so ein Thema nicht schonmal?

So, wie die Diskussion jetzt geführt wird, ist sie der, die Debbie verlinkt hat, tatsächlich sehr ähnlich. Ich hatte aber in der Ursprungsdiskussion im Inneren Zirkel den Eindruck, dass das Kernthema ein anderes ist: Und zwar, ob eine Geschichte, die ich auf Anregung eines Lektors/Agenten verändere oder umschreibe, dann immer noch meine Geschichte ist. Ob ich mich, wenn ich Ratschläge zur Markttauglichkeit annehme und das Buch entsprechend anpasse, für den Markt verbiege oder gar prostituiere, und ob das nicht dem künstlerischen Ideal widerspricht und ich meine Integrität als Kunstschaffender verliere.

Ich sage dazu: Nein. Verliere ich nicht. Genau das:

Zitat von: Farean am 12. Juli 2012, 18:37:25
Am Inhalt zeigt sich für mich am deutlichsten, daß es so etwas wie eine "kleine" Änderung nicht gibt. Verlangt der Lektor Änderungen am Inhalt, dann verlangt er nicht mehr und nicht weniger als eine andere Geschichte. Es ist eine Geschichte, die deiner ähnlich ist, oberflächlich gesehen vielleicht sogar zu 99% deckungsgleich, aber es ist nicht mehr deine.

sehe ich nämlich nicht so.

Meine Geschichten sind meine Geschichten, und ob ich jetzt Ratschläge von Testlesern heranziehe, die auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen und ihres Geschmacks anregen, etwas zu ändern, oder ob ich mir einen Rat von Menschen geben lasse, die professionell mit Texten arbeiten und aufgrund ihrer Erfahrungen sagen können, was vielleicht sehr vielen Lesern gefällt, sind im Grunde doch zwei Facetten derselben Sache. Es ist eine Sache, zu sagen: "Ich lasse mich nicht verbiegen, ich ziehe mein Ding durch!" Eine andere, die Ruhe und die Professionalität zu haben, einzugestehen, dass die Ideen anderer mein Buch vielleicht sogar verbessern können. Es schadet jedenfalls nie, sich solche Vorschläge durch den Kopf gehen zu lassen und ernsthaft in Betracht zu ziehen, ehe man mit dem Totschlagargument "Ich lasse mich nicht verbiegen!" alles abbügelt. Dabei liegt die Umsetzung, die Durchführung und Gestaltung dieser neuen Ideen doch immer noch bei mir, und daher ist und bleibt die Geschichte meine. Weil ich alles, was ich schreibe, zu meinem mache. Was ich nicht zu meinem machen kann, schreibe ich auch nicht. Und ich habe noch keinen Lektor oder Agenten getroffen, der mich dazu hätte zwingen wollen. Vielleicht bin ich ja auch einfach nur so unglaublich genial, dass das nicht nötig ist, wer weiß. Aber ich befürchte, dem ist nicht so. ;)

Wie dem auch sei: Vermutlich ist es auch eine Frage der Zielsetzung. Ich für meinen Teil schreibe, um gelesen zu werden. Ich will möglichst vielen Menschen mit meinen Geschichten eine Freude machen. Dazu muss ich aber "markttauglich" sein, um veröffentlicht zu werden. Und ich bin, um dieses Ziel zu erreichen, für jede Hilfe dankbar. Sturheit hätte ich mir auf dem Weg, wie ich ihn gegangen bin, einfach nicht leisten können, zumindest nicht an dieser Stelle. Es gibt ja genug andere Gelegenheiten, wo man als Autor stur sein kann und sollte. Aber nicht, wenn es um die Verbesserung des Handwerks und der Geschichten geht. Da lerne ich, was ich kann. Das ist einfach so. Und ich denke, ich bin daran sehr gewachsen - und meine Geschichten auch.

Debbie

@Grey: Da würde mich jetzt ein konkretes Beispiel interessieren: Hättest du "Als die schwarzen Feen kamen" so umgewandelt, dass es einer erwachsenen Zielgruppe entspricht, oder gar einem Kinderbuch?

Zanoni

Zitat von: Farean am 12. Juli 2012, 18:37:25Am Inhalt zeigt sich für mich am deutlichsten, dass es so etwas wie eine "kleine" Änderung nicht gibt. Verlangt der Lektor Änderungen am Inhalt, dann verlangt er nicht mehr und nicht weniger als eine andere Geschichte.
Ja und nein. So eindeutig sehe ich das nicht.

Die Frage ist: Was macht "Deine" Geschichte aus? Worum geht es Dir?

Ist es ein bestimmter Handlungsablauf, der Dir wichtig ist? Ist es ein Szenario? Sind es die Figuren oder die Welt, in der sie agieren? Möchtest Du mit der Geschichte etwas Bestimmtes aussagen?

Wenn ein Handlungsablauf das für Dich Wichtigste an der Geschichte ist, dann kann ich mir vorstellen, dass entsprechende Änderungswünsche unangenehm sind. Aber gerade der Handlungsablauf ist extrem wichtig dafür, ob eine Geschichte bei den Lesern gut ankommt oder nicht. Ob es einem gefällt oder nicht: Es gibt gewisse dramaturgische Schemata, die besonders gut ankommen, und wenn man sich allzu weit von dieser (gedachten) "Ideallinie" entfernt, dann ist das meist nicht gerade zum Vorteil der Geschichte.

Außerdem geht es bei vielen Änderungswünsche am Inhalt vor allem um die Konzentration auf das Wesentliche. Das ist extrem wichtig! Wenn Du bspw. eine Geschichte über Liebesleben der Trolle schreiben willst, dann sollte genau dort auch der Fokus liegen. Zwergische Festtagsrezepte interessieren in diesem Zusammenhang niemanden und sollten daher nur sehr weit am Rande behandelt werden. Kurz gesagt: Alles, was von der Essenz der Geschichte wegführt und/oder sie verwässert, hat nichts in ihr zu suchen. Dann lieber einen zweiten Band schreiben, der sich auf das andere Thema konzentriert.

Und wenn man sich das vor Augen führt, können inhaltliche Änderungswünsche nicht nur verständlich, sondern in einigen Fällen sogar absolut notwendig sein.

Ein anderes Beispiel: Ein Held, der auf der Suche nach einem Schatz ist, welcher ebenfalls von einer Gruppe von Bösewichten gesucht wird.
Selbstverständlich erwartet jeder Leser, dass der Held - da er nun mal der Held der Geschichte ist - diesen Schatz auch tatsächlich selbst findet, oder zumindest sich bemüht diesen zu finden. Wenn dann die ursprüngliche Handlung vorsieht, dass der Held überhaupt nichts selbst übernimmt, sondern die Nebenfiguren alles machen lässt und sich selbst sogar permanent weigert überhaupt etwas zur Sache beizutragen, dann wären inhaltliche Änderungen sogar zwingend notwendig. Wenn nun der Autor sagen würde, es wäre nicht mehr "seine" Geschichte, wenn er sie so umschreiben müsste, dass der Held nun doch noch zur Hauptfigur wird, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass sich ein Verlag davon beeindrucken lässt, sondern wahrscheinlich die Sache lieber ganz schnell beendet.

Wenn dem Autor hingegen eine Grundidee, eine bestimmte Aussage besonders wichtig ist, und der Verlag verlangt von ihm, die Geschichte inhaltlich so zu verändern, dass eine völlig andere Aussage dabei herauskommt, dann wäre es hingegen für den Autoren sinnvoller, die Sache schnell zu beenden.


@Zitkalasa:
Formulierungen können eigentlich zu allen vier Punkten zählen. Grammatikalisch falsche oder wenigstens missverständliche Formulierungen zu Punkt 1. Wenn es um ein heikles, aktuelles Thema geht, in dem real existierende Personen, Marken oder Organisationen in einem eher ungünstig wegkommen, dann kann es sinnvoll sein an bestimmten Formulierungen so lange zu feilen, bis der Bezug vage genug, um juristischen Problemen aus dem Weg zu gehen. (Da sich die meisten hier jedoch mit Fantasy beschäftigen, sollte Punkt 2 kaum von Belang sein.) Na ja, und Punkt 3 und 4 sowieso. Kommt halt immer auf den Einzelfall an: Worum geht es bei der ursprünglichen Formulierung und worum geht es bei dem Änderungswunsch? Jeweils abhängig vom Gesamtzusammenhang.

Grey

Zitat von: Debbie am 12. Juli 2012, 19:43:38
@Grey: Da würde mich jetzt ein konkretes Beispiel interessieren: Hättest du "Als die schwarzen Feen kamen" so umgewandelt, dass es einer erwachsenen Zielgruppe entspricht, oder gar einem Kinderbuch?

Ehrlich gesagt hatte ich die Feen ganz ursprünglich sogar als Kinderbuch gedacht. Aber meine Agentin meinte, dafür ist das Konzept zu kompliziert und düster, also habe ich es neu gemacht. Das war aber noch, bevor ich überhaupt mit dem Schreiben angefangen hatte. Grundsätzlich wollte ich essowieso so schreiben, dass es auch für Erwachsene ansprechend ist. Marie und Gabriel zu erwachsenen Protagonisten zu machen, hätte ich aber auch reizvoll gefunden, und ich denke, es hätte funktioniert. Ob es dann eine bessere Geschichte gewesen wäre, sei mal dahingestellt.
Was ich tatsächlich am Ende getan habe, war, den Horror- und Ekelfaktor zu reduzieren. Ursprünglich hatte ich das Buch nämlich für die Zielgruppe 14+ gedacht, der Verlag wollte es aber in die Zielgruppe 12+ einordnen. Also habe ich da einen Gang zurückgeschaltet. Tat mir auch leid drum, aber letztendlich haben meine Lektorin und ich da überall Kompromisse finden können, mit denen wir beide zufrieden waren. Darum ist es für ein Buch ab 12 auch ziemlich finster. ;)

Farean

#20
Zitat von: Pestillenzia am 12. Juli 2012, 18:56:40
Bei einem anderen Roman schlug die Lektorin vor, noch zwei Szenen zu ergänzen, weil sie die Geschichte runder machen würden. Und ich muss sagen, sie hatte Recht. Die Szenen sind mir auch sehr leicht von der Hand gegangen, weil sie zur Geschichte und zu den Figuren passten.
War das tatsächlich zusätzliche Handlung? Oder hat dich die Lektorin da lediglich gebeten, zwei Szenen zu ergänzen, die du in der vorherigen Form "übersprungen" hattest? Sprich, ein "erzähl dem Leser doch bitte auch noch, was zwischen A und B passiert"?

Zitat von: Zanoni am 12. Juli 2012, 20:51:15
Ob es einem gefällt oder nicht: Es gibt gewisse dramaturgische Schemata, die besonders gut ankommen, und wenn man sich allzu weit von dieser (gedachten) "Ideallinie" entfernt, dann ist das meist nicht gerade zum Vorteil der Geschichte.
Korrekt. Darum scheiden sich ja gerade an dieser Stelle die Geister: ein "Idealist" hält an seiner Geschichte fest, ohne sich darum zu kümmern, was besser ankommt; ein "Professioneller" konstruiert seine Geschichte entsprechend [um].

Zitat von: Zanoni am 12. Juli 2012, 20:51:15
Außerdem geht es bei vielen Änderungswünsche am Inhalt vor allem um die Konzentration auf das Wesentliche. Das ist extrem wichtig! Wenn Du bspw. eine Geschichte über Liebesleben der Trolle schreiben willst, dann sollte genau dort auch der Fokus liegen. Zwergische Festtagsrezepte interessieren in diesem Zusammenhang niemanden und sollten daher nur sehr weit am Rande behandelt werden.
Ebenfalls korrekt, hat aber nach meiner Auffassung nichts mit dem eigentlichen Inhalt der Geschichte zu tun, sondern mit Struktur, also Erzähltechnik. Meine Charaktere treiben ja auch eine Menge Sachen "off-screen", von denen ich nicht erzähle. Wenn also zwergische Festtagsrezepte nichts mit dem Plot zu tun haben, können sie in der Geschichte in meinem Kopf ruhig vorkommen, aber ich muß sie ja trotzdem nicht notwendigerweise erwähnen.

Zitat von: Zanoni am 12. Juli 2012, 20:51:15
Wenn dann die ursprüngliche Handlung vorsieht, dass der Held überhaupt nichts selbst übernimmt, sondern die Nebenfiguren alles machen lässt und sich selbst sogar permanent weigert überhaupt etwas zur Sache beizutragen, dann wären inhaltliche Änderungen sogar zwingend notwendig.
(Hervorhebung von mir.) "Zwingend" vom Standpunkt der primären Zielsetzung, veröffentlicht zu werden.

Wenn es dem Autor in deinem Beispiel nun mal dermaßen wichtig ist, über seinen vollkommen inaktiven "Helden" zu schreiben, daß ein Umschreiben der Handlung für ihn schmerzhaft wäre, dann würde ihn das Umschreiben im Hinblick auf sein primäres Ziel nicht weiterbringen. Es ist dann mit Sicherheit keine Geschichte, die ich würde lesen wollen; aber es ist seine, und wenn ihm das am wichtigsten ist, tut man ihm keinen Gefallen damit, ihm eine andere Richtung aufzwingen zu wollen.

Abschließend bemerkt, ich möchte mich bestimmt nicht gegen bewährte dramaturgische Schemata aussprechen, deren Verletzung ich, wenn ich betalese, selbst gern bemängele. Eine "gute" Geschichte muß auch für meinen Geschmack gewisse Ansprüche an Plotentwicklung, glaubwürdige Charaktere, lebendigen Weltenbau etc. erfüllen. Wogegen ich mich jedoch wende, ist ein gewisser "Beißreflex" in der professionellen Szene, einer Geschichte bereits anhand des Exposés alle diese Qualitäten abzusprechen, nur weil sie gewissen vertrauten Mustern nicht genügt. Gelegentlich beschleicht mich der Eindruck, daß z.B. Charaktere bereits als "unglaubwürdig" abgetan werden, wenn sie nicht im Stereotyp-Katalog der aktuellen Genre-Bestseller auftauchen. Und das wird manchen Geschichten einfach nicht gerecht.

Luna

#21
Die Frage, weshalb schreibe ich eigentlich, hängt damit eng zusammen. Ich persönlich schreibe, weil ich eine Geschichte im Kopf habe, die raus muss. Dabei denke ich erstmal nicht an die Masse, ob sie diese evtl. lesen würde. Ich schreibe das, was ich selbst mal gerne lesen würde und wo meine Leseinteressen liegen.
Und, eine andere Frage, was ist überhaupt im Moment der Massengeschmack? Ich habe da den Eindruck Romantasy, Romantasy und nochmals Romantasy, oder aber Sex in allen Variationen und Paarungen mit Vampiren/Gestaltwandlern u. ä. à la Black Dagger, etwas steampunkiges vielleicht noch und Urban Fantasy mit nicht zuviel Fantasy. OK, nichts gegen zu sagen, aber das ist nicht wirklich das, was mir gefällt, dementsprechend würde ich in der Richtung auch nichts schreiben. Wenn mir da einer kommen würde, ich sollte das dann doch bitte so umschreiben, das es diesen Geschmack trifft, dann würde mir das extrem gegen den Strich gehen. Ja, ich würde mich da prostituiert fühlen, wenn ich denn dann meine Geschichte so anpasse, dass es dem Markt gefällt.
Wo wären dann solche Perlen wie G.R.R. Martin, Erikson, Weeks, wenn sich alle dem gerade gängigen Markt anpassen würden. Viele Verlage gehen mMn nicht viele Wagnisse ein, ist ja auch irgendwo verständlich, schließlich müssen die sich auch über Wasser halten, ist nur verdammt schade.
     

Kati

Ich finde manchmal, wir Autoren sind ein bisschen sehr empfindlich, was das mit dem "prostituieren" angeht. Ich würde mich nie dagegen sperren, ein Genre zu schreiben, dass mir eigentlich nicht liegt, wenn mich die Agentur darum bittet. Ich würde es vielleicht auf meine Art machen und nicht den letzten Bestseller als Vorbild nehmen, aber für mich spricht nichts dagegen, es auszuprobieren. Sich dem Markt anzupassen, bedeutet für mich nicht, seine Einzigartigkeit zu verlieren. Ich kann aber verstehen, wenn jemand keine Erotik schreiben möchte,weil er sich dabei moralisch nicht gut fühlt, dasselbe gilt für übermäßige Gewalt. Sobald es jemandem wirklich an die Nieren geht, etwas schreiben zu sollen, kann ich verstehen, dass er sich dagegen sperrt. Aber für einzelne Genres gilt das für mich nicht. Ich mag zum Beispiel eigentlich keine Dystopien, aber ich würde mich daran versuchen, wenn die Agentur mich drum bitten würde. Aber eben so, wie ich das möchte.

Kleine Dinge in der Geschichte würde ich auch ändern, auch Twists ändern oder Charaktere. Es bleibt meine Geschichte, nur auf eine andere Weise. Was anderes ist es, wenn es darauf ausartet, dass ich eigentlich komplett nach Vorgabe das Buch eines anderen aus meinem mache, wenn der Agent oder wer auch immer also so viel ändern wollte, dass es eine komplett andere Geschichte wäre. Die Grenzen sind da aber fließend, das muss man in der Situation dann entscheiden können, ob es für einen noch tragbar ist oder nicht.

Was ich allerdings nie, nie, nie machen würde, wäre etwas zu ändern, was total gegen meine Überzeugung geht. Ich würde also nie einen schwarzen Charakter weiß machen oder einen homoesxuellen hetero, nur, weil das besser ankommt. Das fände ich nicht richtig und könnte es auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.

Zit

So gesehen sind Hautfarbe und Sexualität genauso Eigenschaften wie Haarfarbe und Nationalität. Hättest du bei Letzteren denn Probleme die zu ändern? Kommt halt immer drauf an, wie gesagt, wie wichtig diese Eigenschaften sind. Zumindest ich würde das jetzt nicht per se ablehnen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Zanoni

Zitat von: Farean am 12. Juli 2012, 21:30:34Wenn also zwergische Festtagsrezepte nichts mit dem Plot zu tun haben, können sie in der Geschichte in meinem Kopf ruhig vorkommen, aber ich muß sie ja trotzdem nicht notwendigerweise erwähnen.
Absolut! Kommt immer auf den Gesamtzusammenhang und die jeweilige Dosierung an. Daher ist es so schwer, so etwas zu verallgemeinern. Mal passt es und mal nicht ...[/quote]

Zitat von: Farean am 12. Juli 2012, 21:30:34(Hervorhebung von mir.) "Zwingend" vom Standpunkt der primären Zielsetzung, veröffentlicht zu werden.
Yep! *g*

Zitat von: Farean am 12. Juli 2012, 21:30:34Wenn es dem Autor in deinem Beispiel nun mal dermaßen wichtig ist, über seinen vollkommen inaktiven "Helden" zu schreiben, daß ein Umschreiben der Handlung für ihn schmerzhaft wäre, dann würde ihn das Umschreiben im Hinblick auf sein primäres Ziel nicht weiterbringen. Es ist dann mit Sicherheit keine Geschichte, die ich würde lesen wollen; aber es ist seine, und wenn ihm das am wichtigsten ist, tut man ihm keinen Gefallen damit, ihm eine andere Richtung aufzwingen zu wollen.
Ja, sehe ich genauso. Wieder ne Einzelfallentscheidung.

Aber es gibt bestimmte Typen, da passt es besser, während es bei anderen überhaupt nicht passt. Nehmen wir mal Artus, Merlin, Siegfried, Conan, Indiana Jones oder James Bond als Verweigerungshelden - unvorstellbar! Ausser, es ist eine Parodie. Dann kann es wieder sehr gut funktionieren - z.B. Rincewind, der Zauberer.

Und was das Exposé angeht ... na ja, Sonderthema. Mein bisheriger Eindruck ist, dass ein Exposé schreiben für die meisten Autoren eine der größten Herausforderungen zu sein scheint. Das sollte man niemals als Maßstab zur Entscheidungsfindung nehmen. Als Kurzbeschreibung des Themas und des Handlungsbogen - okay. Aber mehr auch nicht. Das einzige, was wirklich zählt, ist das eigentliche Manuskript.

Kati

Zit: Ich weiß nicht. Ich lehne es per se ab, meine lesbische Prota hetero zu machen, nur, weil das der Masse besser gefallen würde, weil ich der Meinung bin, man sollte endlich mal bereit sein, auch eine lesbische Prota zu akzeptieren. Dasselbe gilt für eine Heldin, die mal nicht kaukasisch ist. Da würde ich mir einfach schlecht bei vorkommen, wenn ich nur, weil die "Masse" nicht bereit ist, sowas zu akzeptieren, dem nachgebe.

Judith

Das Wie der Veränderungen wäre da bei mir eigentlich weniger ausschlaggebend als das Warum. Wenn Veränderungen gefordert wären, weil etwas unverständlich oder unlogisch ist, die Entwicklung einer Figur nicht nachvollziehbar oder eine Szene zu schleppend, dann hätte ich damit in den meisten Fällen wohl kein Problem. Aber ein "so etwas kommt bei Lesern besser an" oder "sonst ist das nicht markttauglich" wäre für mich kein ausreichender Grund für Änderungen (und zwar nicht einmal für sehr kleine Änderungen).
Es ist ja klar, dass Verlage auf so etwas schauen müssen und ich finde das auch gar nicht verwerflich, aber ich persönlich möchte mich weder beim Schreiben noch beim Überarbeiten danach richten müssen. Genau das ist der Grund, weshalb ich mich nicht auf Agentursuche begebe und weshalb ich befürchte, dass das Schreiben bei mir über reines Hobby nie hinausgehen wird. Mir fehlt da einfach eine gewisse Professionalität.  :-[

Zit

@Kati:

Ich versteh das und kann die Bedenken nachfühlen. Aber ich bin mir nicht sicher, wie man das nun gewichten soll. Dabei bleiben, Leser verlieren, sich aber moralisch besser fühlen -- oder möglichst viele Leute erreichen, nicht die Massen "erziehen" und kleine Gutmensch-Gewissensbisse haben? Schwierig.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Schreinhüter

Im Grunde sprecht ihr euch doch all zu viel Einfluss auf den Entscheidungsprozess ab, nur weil eine Empfehlung eine Besserung nach Ansicht eines Marktkenners bringen würde. Oder? Dialogisch kann man immer auf einen grünen Zweig kommen, kein professioneller Agent, oder Verlagsmensch will, dass der Autor sein Werk zerhackstückt und dann mit Tesa zusammenflickt, während es noch blutet. Im Gegenteil. Überzeugender ist der Autor mit dem authentischen Produkt und das wird immerhin noch erreicht, weil der Autor ja Wort für Wort eine Geschichte erfindet. Er ist der Genius des Ganzen, der Inventor. Das kommt keinem abhanden. Wenn man jedoch, und das ist der Markt mit seinen Untiefen, sein täglich Brot damit verdient, dann sollte man im Hinterkopf behalten, dass gewisse Elemente einzubauen eine handwerkliche, also eine an sich selbst gestellte, Herausforderung sind und diese zu beweisen die Möglichkeit für einen selbst darstellt nicht nur einen gefüllten Kühlschrank sein eigen zu nennen, sondern über die Grenzen hinaus weitere Stilmittel dem zwingend wachsen müssenden Repertoir hinzuzufügen. Schreibt man für sich selbst, kommt auch niemand daher und zwingt einen. Und auch die ganz Großen, von denen wir immer mit Genius sprechen, haben teils irrsinnige Änderungen am Skript vornehmen müssen. Wir sind nur so naiv und gehen in ihrem Fall vom Mythos des ganzheitlichen Künstlers aus. Ein Irrtum, der, wie ich finde, mit der modernen Kunst eigentlich hätte aussterben sollen.

Maja

Zitat von: Zitkalasa am 12. Juli 2012, 22:49:35
@Kati:

Ich versteh das und kann die Bedenken nachfühlen. Aber ich bin mir nicht sicher, wie man das nun gewichten soll. Dabei bleiben, Leser verlieren, sich aber moralisch besser fühlen -- oder möglichst viele Leute erreichen, nicht die Massen "erziehen" und kleine Gutmensch-Gewissensbisse haben? Schwierig.
Ich denke, hier muss man nicht mit der Gutmenschen-Keule ran, weil das doch ein ziemlich beleidigender Begriff ist und gleichzeitig Kati unterstellt, sie hätte lesbische und andersfarbige Protas nur erzieherischen Gründen eingebaut. Ich würde mich, wie Kati, sehr widersetzen, wenn jemand so in meine Figuren eingreifen wollte, weil ich nicht auf etwas verzichten möchte, was für mich völlig normal ist. Wenn ich dafür die rassistischen und homophoben Leser verliere, so what, das sind Leute, denen ich nicht hintenrein kriechen will.

Was ich einsehe, ist, wenn mein männlicher Protagonist eine Affäre mit einem Kerl hat und meine Betaleser mich bitten, das etwas runterzufahren, weil die Beziehung zu sehr im Mittelpunkt steht und andere wichtige Elemente der Handlung dabei zu kurz kommen - es sei denn, ich hatte von Anfang an vor, primär einen Liebesroman zu schreiben. Ich habe auch grundsätzlich keine Probleme mit Änderungen, sei es auf Anraten von Betalesern, Freunden, meiner Agentin oder Lektoren, wenn die das Buch auch in meinen Augen besser machen. Selbst wenn das Ziel eine bessere Vermarktbarkeit ist, bin ich dem grundsätzlich positiv aufgeschlossen, schließlich will ich mein Buch verkaufen können.

Wo bei mir die Probleme anfangen - und das tun sie gerade in einem konkreten Fall, der für diesen Rahmen aber zu intern ist - ist, wenn ich ein Buch so umschreiben soll, dass es in ein anderes Genre fällt - in diesem Fall von einem phantastischen Roman zu einem Thriller. Natürlich verkaufen sich Thriller gerade besser als Fantasy, gerade im Jugendbuchsegment, wo ich hier mit meinem Roman bin. Es wäre für mich aber ein zu großer Eingriff, dass ich selbst dann zögern würde, wenn ein konkreter Vertrag dabei auf dem Spiel steht - für mich würde meine Geschichte auf diesem Weg eine ganze Dimension verlieren und alles, was sie besonders macht. Deswegen ziehe ich an so einer Stelle doch meine Grenze.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt