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Wozu eigentlich Götter?

Begonnen von Ryadne, 19. April 2012, 21:21:42

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Zanoni

@Moni:

Oh, das hört sich schön komplex an.  8)

Und wenn Du an noch mehr Komplexität interessiert sein solltest, kann ich in diesem Zusammenhang noch "Die Masken Gottes" von Joseph Campbell empfehlen. Das sind 4 Bände zu je 500-600 Seiten über "Mythologie der Urvölker", "Mythologie des Ostens", "Mythologie des Westens" und "Schöpferische Mythologie". Da dürfte auch noch der eine oder andere interessante Aspekt zum Thema "Göttergeschichten" enthalten sein. ;-)

Rakso

Ich persönlich finde, dass man, wenn man Religion ausarbeitet darauf aufpassen, dass man nicht einfach einen "Gott des Guten" und einen "Gott des Bösen" gibt (besonders dann, wenn die Bösen sich selbst noch als böse bezeichnen). Zwar grenzt das schön und anschaulich die Lager und vereinfacht ein Weltbild ungemein, aber ich finde es ist ziemlich klischeebehaftet und plump. Für mich sagt das aus, der Autor wollte die üblen Taten der Bösen noch unnötig unterstreichen. Ich kenne nur wenige Religionen, in denen es eine solche explizite Einteilung der Welt gibt.

Außerdem sind Religionen nicht auf das Schema Polytheismus - Monotheismus geprägt. Einerseits gibt es dazwischen verschiedene Abstufungen, anderer Seits gibt es auch Religionen, die an eine beseelte Natur glauben, in der Götter mit etwas Realem gleichgesetzt werden, wie der Sonne, der Erde, dem Wind, oder auch mit einem Baum, Fluss oder Stein. Dadurch werden Götter oder Geister (die meisten dieser Religionen haben keinen Begriff, der direkt mit "Gott" oder "Göttin" übersetztbar wäre) zu einem wichtigen Aspekt im Alltag, in gewisser Weise "greifen" sie auch dadurch in die Welt ein.

Nach all dem was ich von Belle_Carys' Welt mitbekommen habe, ähneln sich ihre und meine Welt schon etwas. Im Vergleich zu dem typischen Mittelaltersetting sind sie etwas moderner, mit "modernen" Herrschaftsformen und einer "modernen" Gesellschaft. Aber zum Gegensatz zu ihr, habe ich ein Religionssystem, auch wenn es für die Geschichten nicht wirklich von Bedeutung ist, ähnlich wie in unserer Welt, im sogenannten Westen, in der Religion ziemlich weit zurückgedrängt wurde.
Weil eine Welt ist ja nicht einfach da, sondern entwickelt sich ja, auch wenn Weltenbastler diese Welt kreiren. Werte sind auch nicht einfach da, sondern werden durch Religion und ihren Akteure, den Göttern festgelegt. Nahezu jede Sage setzt sich in gewisser Weise ja mit Moral auseinander, manchmal ahnden Götter diese Übertretung oder tun es auch selbst. Und darauf baut ja unsere jetztige Welt auf, und genau diese Funktion hat auch die Religion in meiner Welt. Aus ihr entstehen Werte, die bis in die Jetztzeit meiner Geschichten nachhallen.

Religion ist etwas menschliches, und es gibt sogar einige Theologen, welche die Idee vertreten, dass weil es in jeder Kultur die Vorstellung von etwas Göttlichem oder Höherem gibt, sei dies ein Beweis für die Existenz von Gott. Ziemlich weit hergeholt wie ich finde. Und die Mythen, die daraus entstehen, sind ja auch nichts anderes als Fantasy-Geschichten im weitesten Sinne.

Ryadne

Zitat von: Szajkó am 20. April 2012, 19:07:44
Und die Mythen, die daraus entstehen, sind ja auch nichts anderes als Fantasy-Geschichten im weitesten Sinne.

Da stimme ich dir zwar an für sich zu, aber ich glaube, mehr noch gilt das für die weniger religiösen Sagen. Wobei die Unterscheidung Mythen/Sagen glaub ich gar nicht mehr so eng gesehen wird... Selbst Claude Lévi-Strauss wirft das munter durcheinander.


Habe gerade gesehen, zu dem Thema gibt es unter der Überschrift "Glaubenswelten" einen Band (88) der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Glaube, den werde ich mir die Tage mal in der Uni-Bibliothek ausleihen, find das im Moment schon arg spannend. Vielleicht könnte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden und daraus auch meine BA-Arbeit stricken.  :hmmm:

Moni

Zitat von: Zanoni am 20. April 2012, 18:11:17
@Moni:

Oh, das hört sich schön komplex an.  8)

Und wenn Du an noch mehr Komplexität interessiert sein solltest, kann ich in diesem Zusammenhang noch "Die Masken Gottes" von Joseph Campbell empfehlen. Das sind 4 Bände zu je 500-600 Seiten über "Mythologie der Urvölker", "Mythologie des Ostens", "Mythologie des Westens" und "Schöpferische Mythologie". Da dürfte auch noch der eine oder andere interessante Aspekt zum Thema "Göttergeschichten" enthalten sein. ;-)

Ja, ist es auch...  ;D

Den Campbell hab ich schon auf meiner Liste (neben ungefähr 20 anderen Titeln :innocent:), aber ich komme momentan nicht dazu, dass auch noch alles zu recherchieren, da ich ja auch noch "normale" schreiben möchte und die Recherchen erstmal Vorrang haben. Vor allem, da ein Sachbuch nicht für den T12 gewertet wird und ich mir meine Schreibzeit ja eh schon irgendwie abzweigen muß, stehen die Götter gerade ganz weit hinten an. Aber ich werde sicher dran bleiben, da steckt schon ne Menge Arbeit drin.
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Angela

Zu dem Thema habe ich gerade 'Religious' gesehen. Ein Komiker (Maher) besucht verschiedene Glaubensrichtungen und stellt sehr intelligente Fragen, bei denen einem so einige Lichter aufgehen (Er ist katholisch gewesen wie sein Vater, seine Mutter ist Jüdin.)
Götter in Fantasy, da sollte man sich was Neues und Unverbrauchtes ausdenken, nicht die ewig alten Sachen runterbeten. Ist  nur meine Ansicht.

Zit

Welche ewig alten Sachen denn?
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Naudiz

Zum Thema Götter, die als Personen in einem Buch auftauchen, fällt mir automatisch Sturmklänge von Brandon Sanderson ein. Dort heißen die Götter "Zurückgekehrte", d.h. sie sind für einen "guten Zweck" gefallen und werden wiedergeboren, um einen gewissen Aspekt des Lebens widerzuspiegeln. So ist einer der Perspektivträger der Gott Lichtsang der Kühne, welcher - wie sein Beiname schon sagt - Mut und Kühnheit repräsentiert. Das tut jetzt allerdings wenig zur Sache an sich. Jedenfalls haben die Götter dort solche Aufgaben wie Bilder betrachten - die Priester sehen die Empfindungen und Meinung der Zurückgekehrten dazu als eine Art Orakel an - , sie müssen den Priestern ihre als prophetisch geltenden Träume schildern und sich Bittgesuche anhören.
Hier ist dann der Knackpunkt: In der Welt von Sturmklänge ist die Seele, genannt "Hauch", die Quelle der Magie. Normalsterbliche können ihren Hauch abgeben und sogar mehrere davon sammeln; das geht nur freiwillig. Sie überleben das. Götter hingegen haben nur eine einzige Möglichkeit, ihre Hauche (sie ernähren sich davon) abzugeben, und wenn sie das tun, heilen sie zwar einen ihrer Anhänger, sterben aber selbst.

Den personifizierten Göttern wird damit in die Hand gelegt, was sie mit ihrer Macht tun, aber sie müssen es weise tun. Viele wollen ihr Leben nicht aufgeben, frönen den "Todsünden" und genießen es, dass die Menschen ihnen alles geben, was sie zum Leben brauchen. Man könnte also quasi meinen, Sanderson versucht, mit dem Konzept der Zurückgekehrten den Verfall der menschlichen Gesellschaft widerzuspiegeln, den Verlust des Edelmuts, der Tugenden, blablabla.

Das klingt jetzt alles ziemlich weit hergeholt und ist wahrscheinlich für jemanden, der das Buch nicht gelesen hat, ziemlich unverständlich, aber ich finde, es passt ganz gut zum Thema, weil es ja eben um personifizierte Gottheiten geht, die man auch anfassen kann. Die Menschen fürchten sich deswegen nicht so ganz vor den Göttern, es gibt einen florierenden Handel mit Hauch, und und und. Sie beten die Götter quasi nur an, weil sie nichts anderes kennen bzw. Angst davor haben, dass der "Gottkönig", der als unsterblich und sehr jähzornig gilt, sie straft, wenn sie es nicht tun. Und den Hauch, den die Zurückgekehrten brauchen, um zu überleben, geben sie auch nicht freiwillig, sondern sie verkaufen ihn, zumeist den ihrer Kinder, zu wahren Wucherpreisen.

In meinen eigenen Geschichten benutze ich die Gottheiten im Prinzip ziemlich klassisch: Sie geben den Menschen Moralkodexe und Regeln vor, nach denen sie leben sollen, wenn sie ins Paradies kommen wollen. Eine Ausnahme bilden da im Prinzip nur meine im nordischen Setting spielenden Göttertöter, weil die Götter nach der Edda zumeist eine Naturgewalt verkörpern, z.B. Thor als Wettergottheit und Njörd als Herr des Wassers. Ihnen wird geopfert, damit sie den Menschen nicht zürnen.