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Verwertungsrechte (Nachdenklichkeiten)

Begonnen von Tintenweberin, 13. April 2012, 12:39:24

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Thaliope

Das in dieser Diskussion sehr oft Äpfel mit Birnen verglichen werden, glaube ich allerdings auch.

Zum einen stehen Autoren derzeit in einem marktwirtschaftlichen Zusammenhang. Unter diesen Bedingungen können nur sehr wenige Autoren von ihrer Schreiberei leben.

Zum anderen gibt es eine Diskussion um Aufweichung bzw. Aufhebung von Urheberrechten.

Dass im Zuge der zweiten Diskussion vor allem die Autoren aufschreien, von ihrer Arbeit leben können zu wollen, die es im aktuellen System schon nicht können, verwirrt mich an dieser Debatte. Vor allem die Folgen die das nach sich ziehen kann, machen mir ein bisschen Angst.

Wenn Autoren nicht mehr in marktwirtschaftlichen Zusammenhängen arbeiten, sondern vom Staat gefördert werden wollen - wer entscheidet dann daürber, wer diese Förderung verdient? Ich finde die Auswahl- und Korrekturprozesse, die derzeit durch Verlage geleistet werden, durchaus wünschenswert. Auch wenn dadurch sicherlich Werke auf der Strecke bleiben, die vielleicht wertvoll wären, aber keinen entsprechenden Marktwert hätten - was natürlich sehr schade ist.

Natürlich wollen wir alle, die wir gerne schreiben, für unser Schreiben bezahlt werden. Aber die Menschen geben nunmal nur ein bestimmtes Budget für Literatur aus, und das verteilt sich so, wie es sich eben verteilt.

Daher kann ich zwar verstehen, dass viele Autoren davon träumen, über private EBook-Veröffentlichungen auch ohne Verlag reich und berühmt zu werden - aber auch das kann nur für einige wenige gelten, wegen des oben genannten Grundes.

Wenn ein Schutz von Urherberrechten im E-Book-Bereich nur durch massive Einschränkung der persönlichen Freiheit des Einzelnen im Internet möglich ist - und so stellt es sich für mich im Augenblick dar - dann sehe ich es einfach als fraglich an, ob die Zukunft des Buches im EBook liegen kann, darf und sollte.
Natürlich ist es jetzt leicht zu sagen: Wer kostenlos kopiert, ist ein Verbrecher und man muss Freiheiten einschränken, um Strafverfolgung möglich zu machen. Aber diese einmal vorgenommenen Einschränkungen der Freiheit können nicht mehr zurückgenommen werden, und werden unter Garantie auch für andere Zwecke genutzt werden. Deshalb macht es mir Angst, dass so viele wegen des Urheberrechts so laut nach Sicherheit durch den Staat rufen, ohne die eventuellen, weitreichenderen Folgen zu sehen.

LG
Thali

Churke

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 08:40:21
Die Rechte der Allgemeinheit beschränken sich in meinen Augen auf das Recht, sich das "Recht zu konsumieren" zu erkaufen. Die Allgemeinheit hat nicht das Recht, über mein Produkt zu verfügen. Sie hat auch nicht das Recht, mein Produkt für Lulu zu konsumieren.

So mag man das als Urheber gerne sehen. Nur: Ein Recht existiert nur, wenn und soweit es von der Gesellschaft als solches anerkannt und unter Schutz gestellt wird. Du kannst immer nur so viel Urheberrecht erhalten wie die Gesellschaft dir zubilligt. Politiker sind zwar schnell gekauft, aber ein Staat, dessen Gesetze im Volk keine Akzeptanz finden, sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Und so läuft es dann letztlich doch auf eine simple Interessenabwägung hinaus.

Zitat
Die riesige Masse an Konsumenten treten hier einer überschaubaren Anzahl an Urhebern gegenüber. Das ist nicht gerade fair.
Für die Urheber selbst würde sich nach meiner persönlichen, unmaßgeblichen Einschätzung kein Schwein interessieren. Es sind die kapitalstarken Verleger, die obendrein ganz anders als der Wähler eine Lobby haben. Warum wohl werden die Schutzfristen immer weiter verlängert und betragen nun 70 Jahre nach dem Tod des Autors? Da werden keine Urheber geschützt, sondern Geschäftsmodelle von Verlagen.

Ich habe mit einem stark expandierenden Kollegen mal ein Brainstorming gemacht: "Was meinen Sie, wen kann man denn noch alles abmahnen?" Um rechtliche Interessen geht's da überhaupt nicht mehr,  da werden nur noch Gebühren gezogen. Die Betroffenen laufen dann halt irgendwann zu den Piraten über, da braucht man sich nicht zu wundern.  ::)

Sven

Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 11:19:02
beide, Handwerker und Urheber, bieten den anderen Menschen etwas (nämlich eine Leistung) an. Bei der einen Leistung zahlen die Menschen bereitwillig, weil sie sich Zeit sparen, weil sie es selber nicht können und weil sie das Ergebnis brauchen. Bei der anderen Leistung sind viele der Meinung, dass sie es selber auch können, dass sie das Ergebnis doch nicht so dringend brauchen oder dass sie lieber Zeit investieren auf der Suche nach kostenlosem Material.

Dieses Recht soll jeder haben. Wer mein Buch nicht lesen will oder meine Musik nicht hören, der wird nicht gezwungen. Wenn ihm die kostenlosen Dateien im Internet genügen, ist das okay.
Aber darum geht es ja gar nicht, sondern darum, dass man mir das Produkt, das ich hergestellt habe, wegnimmt.
"Das, was du geschaffen hast, ist nichts wert, also bezahle ich es nicht (außerdem gibt es ja jede Menge anderes kostenloses Zeugs), aber haben will ich dein Produkt trotzdem, denn es ist cool und hip." Das passt nicht zusammen. Wer glaubt, sein Buch selbst schreiben zu können, der soll das tun! Keiner hält ihn auf. Wie? Er hat ja gar nicht die Zeit? Er muss arbeiten? Und hat außerdem Familie? Oh, natürlich. Dann opfer ich halt meine Zeit und schreibe das für ihn. Ist ja eh mein innerer Drang, gegen den ich mich nicht wehren kann  ;)

Zitat von: Churke am 26. April 2012, 12:06:25
So mag man das als Urheber gerne sehen. Nur: Ein Recht existiert nur, wenn und soweit es von der Gesellschaft als solches anerkannt und unter Schutz gestellt wird. Du kannst immer nur so viel Urheberrecht erhalten wie die Gesellschaft dir zubilligt.

Das ist richtig, und die Urheber haben lange dafür gekämpft, dass sie dieses Recht bekommen. Nimmt man ihnen das Recht, wird die Konsequenz sein, was ich oben bereits erwähnt habe: Die professionellen Produkte verschwinden, denn wer setzt sich ein Jahr hin, opfert seine Zeit und schreibt ein Buch, wenn er nichts dafür bekommt? Wer wird einen Film drehen, wenn er ihn nachher kostenlos zur Verfügung stellen muss? Der Gedanke allein, das zu fordern, ist absurd. Unterhaltung wird immer wichtiger und GUTE Unterhaltung wird etwas kosten.

Zitat von: Churke am 26. April 2012, 12:06:25
Für die Urheber selbst würde sich nach meiner persönlichen, unmaßgeblichen Einschätzung kein Schwein interessieren.

Leider gibt es inzwischen vermehrt Stimmen, die die raffgierigen Urheber kritisieren, die nur die Hände aufhalten und nichts dafür leisten.

Die Schutzfristen werden immer wieder kritisiert. Es mag den ein oder anderen sauer aufstoßen, dass die Erben des Autors mit seiner Arbeit etwas verdienen können, aber in anderen Bereichen wird das akzeptiert. Baue ich ein Haus, werden die Erben nicht einfach enteignet, gründe ich eine Firma, kann sie weitervererbt werden, schreibe ich ein Buch, wird es 70 Jahre nach meinem Tod öffentliches Gut. Fair? Nicht wirklich. Aber durchaus etwas, worüber man reden kann ;)

Beste Grüße,
Sven

Snöblumma

Ich finde es immer noch spannend, dass euch gerade die Schutzfrist von 70 Jahren post mortem so umtreibt. Für mich in der Funktion Wissenschaftler ist klar, dass diese Frist eher zu lang denn zu kurz ist, was ich aber oben schon mal versucht habe, zu begründen.

Hier noch mal eine online publizierte Diss, die erklärt, wieso das Recht begrenzt sein muss. Jedenfalls auf den ersten Blick (ich bin wirklich nur schnell mal drübergegangen) wirkt das solide und verständlich erklärt. Siehe insbesondere die Seiten 108 ff.

Und (schon wieder wiederhole ich mich) der Vergleich mit dem Sacheigentum zieht nicht. Dein Haus baust du einzig und allein aus bezahlten Materialien, mit bezahlter Arbeit oder eigener Leistung. Nichts, aber auch gar nichts daran gehört bei einem normalen Einfamilienhaus der Allgemeinheit. Die geistige Leistung dagegen beruht immer auch auf Dingen, die seit Jahrhunderten bekannt sind. Die Grundlage für weiteres Schaffen sind. Die anderen als Anregung dienen. Hätte man die Standardwelten der High Fantasy für Tolkien geschützt, würde keiner von uns heute darüber nachdenken, ob und wie er seine Welt bauen will. Andererseits hat auch Tolkien nicht nur aus sich selbst heraus geschaffen. Er hat abgeschrieben. Nicht plump, sondern kreativ, aber er hat abgeschrieben. Und er hat damit Großartiges geschaffen. Darum ist es auch gerechtfertigt, wenn andere von ihm abschreiben dürfen. Innerhalb von 70 Jahren post mortem nur ein klein wenig, und danach immer mehr. Der freie Zugang zu geistigen Leistungen anderer ist Grundvoraussetzung für Kreativität. Hätte keiner von uns je auf anderen aufbauen dürfen, wir könnten gar nicht schaffen. Das Haus dagegen besteht aus Material, das nur dir gehört. Und man wird es dir (oder deinen Erben) jederzeit wegnehmen können, wenn das Interesse der Allgemeinheit überwiegt - das nennt sich dann Enteignung. Auch das kommt vor.

Sven

#94
Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 13:55:38
Dein Haus baust du einzig und allein aus bezahlten Materialien, mit bezahlter Arbeit oder eigener Leistung. Nichts, aber auch gar nichts daran gehört bei einem normalen Einfamilienhaus der Allgemeinheit.

Das kann ja so nicht stimmen! Baue ich es selbst, tue ich das nur, weil sich jemand ausgedacht hat, dass es praktisch wäre, vier Wände und ein Dach zu benutzen  ;)
Ein ganzes Haus steckt voller Ideen und Patente und Ideen anderer Leute!
Ein Buch entsteht auch durch bezahlte Arbeit (Lektorat, Satz, Druck, ect.), eigene Leistung und Materialien, oder Energien (beim erstellen der digitalen Dateien.
Ich sehe absolut keine Unterschiede!

Was die Schutzfristen und die Wissenschafft angeht, haben wir es hier mit zwei paar Schuhen zu tun. Die Wissenschafft lebt von Ideen und Grundlagenforschungen! Und die sind nicht urheberrechtlich geschützt. Eine Dissertation hingegen ist es schon, und sollte es auch sein, denn der Ersteller will sicherlich nicht, dass jemand anderes seine Arbeit kopiert und als seine darstellt (soll ja schon vorgekommen sein).
Die Idee, die in der Arbeit steckt, ist aber jederzeit einsehbar und nutzbar, von daher wird der Fortschritt zu keinem Zeitpunkt aufgehalten. Macht man aus der Idee ein Verfahren, kann ich es per Patentanmeldung schützen lassen. Das hat aber nichts mit dem Urheberrecht zu tun.

[edit]

Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 13:55:38
Hätte man die Standardwelten der High Fantasy für Tolkien geschützt, würde keiner von uns heute darüber nachdenken, ob und wie er seine Welt bauen will [...] Hätte keiner von uns je auf anderen aufbauen dürfen, wir könnten gar nicht schaffen.

Es ist nicht verboten, auf andere Werke aufzubauen. Auch hier gilt: Die Idee ist nicht geschützt! Aber die Art, wie ich eine Geschichte erzähle (oder wie ich ein Lied komponiere/ spiele) ist individuell und von meiner Persönlichkeit geprägt. Natürlich hat die Gesellschaft einen Einfluss darauf, aber ich entscheide, was ich davon in mein Werk fließen lasse. Lasse ich mich nur von Amerikanern beeinflussen, welches Recht sollte die deutsche Gesellschaft an meinem Werk haben? Warum sollte mein Nachbar das Recht haben, meine Produkte zu nehmen, wie es ihm gefällt? Welchen Einfluss hatte er denn darauf?
In der Regel wird man nicht von der Gesellschaft inspiriert, sondern von anderen Urhebern. Und dieser Austausch ist geregelt (Plagiate).
Beste Grüße,
Sven

Snöblumma

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 14:29:45
Das kann ja so nicht stimmen! Baue ich es selbst, tue ich das nur, weil sich jemand ausgedacht hat, dass es praktisch wäre, vier Wände und ein Dach zu benutzen  ;)
Und darauf gibt es glücklicherweise kein Urheberrecht oder Patentrecht. Sonst würden wir alle ganz schön im Regen sitzen. (Ja, lassen wir den Fall des Architektenhauses mal außen vor, dann kommen wir noch weiter vom Thema ab). Ehrlicherweise müsste es aber für den ersten Urmenschen, der so innovativ war, sich vier Wände und ein Dach zu zimmern, ein solches Recht geben - und wenn man es als unendlich anerkennt, dann bis heute ;).

Ich meinte nicht das Urheberrecht an wissenschaftlichen Werken. Das ist auch noch einmal ein ganz anderes Thema. Ich meinte schon das Urheberrecht an literarischen Schöpfungen, Büchern, Computerprogrammen, Bildern usw. An Kunst und Literatur, zusammengefasst. Da ist es für mich als Rechtswissenschaftler schleierhaft, wieso (außer durch gutes Lobbying zu erklären) sich die einmalig hohe deutsche Schutzfrist als Standard durchgesetzt hat. Das ist im Regelfall wirtschaftlich nicht mehr zu erklären - und die Schutzfrist muss sich nach Regelfällen bemessen, da sie ja standardisiert und typisiert begrenzt. Aber anscheinend komme ich damit auch nicht auf einen grünen Zweig, darum lasse ich es und bin raus aus der Diskussion, ehe ich mich gänzlich unbeliebt mache. Jedem seine Meinung, und ich ändere meine Meinung gern, wenn es irgendwo mal einen vernünftigen, dogmatisch wie methodisch überzeugenden Ansatz zur Schutzfristverlängerung gäbe. Aber bisher ist es noch niemandem gelungen, mir das überzeugend zu erklären ;).

Sven

Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 14:45:34
Und darauf gibt es glücklicherweise kein Urheberrecht oder Patentrecht. Sonst würden wir alle ganz schön im Regen sitzen.

Warum das? Gäbe es darauf ein Patentrecht, müsste jeder Hausbauer lediglich eine Gebühr an den Erfinder bezahlen. So ist es üblich und so ist es gut, denn wenn der Erfinder nichts von seiner Erfindung hat, warum sollte er sich den Kopf zermartern?
Entweder ich erfinde etwas, das mir das Leben erleichtert (da kann mir ja schon Lohn genug sein), oder ich erfinde etwas für andere, die mich dann bezahlen.
Der erste Höhlenmann, der es praktisch fand, sich vier Wände und ein Dach dort zu bauen, wo er einen schönen Überblick auf sein Jagdrevier hat, ist entlohnt worden, weil er wahrscheinlich ganz viele Höhlendamen in sein Haus locken konnte, die keine Lust mehr auf Höhlen hatten.
Ohne Entlohnung (wie auch immer die Aussieht) gibt es keinen Fortschritt und auch keine Kunst.

Was die Schutzfristen angeht, wüsste ich nicht, warum man die ändern sollte. Auf welcher Grundlage und nach welchem Maß? Geht es darum, dass bestimmte Werke nicht neu aufgelegt werden und man nicht mehr rankommt? Da könnte man die Verwerter verpflichten, alle Werke immer lieferbar zu haben. Warum muss ich dafür unbedingt das Recht der Urheber beschneiden?
Beste Grüße,
Sven

Thaliope

Mir geht gerade ein Argument für die lange Schutzfrist durch den Kopf:

Verleger investieren ja in Autoren, die kurz- oder langfristig Geld abwerfen sollen. Einige bringen ihr Geld kurzfristig ein, weil sie einen Bestseller landen. Andere werden vielleicht erst posthum berühmt. Und doch wünsche ich mir, dass Verlage weiterhin den Mut - und die Querfinanzierungsmittel haben - Autoren zu verlegen, die ihrer Zeit und ihrem Markt vielleicht voraus sind.

In diesem Gedanken machen lang Schutzristen meiner Meinung nach schon Sinn - aber nur, wenn Verlage sie auch angemessen nutzen und sich bei der Auswahl von Büchern nicht nur an der kurzfristigen Marktsituation orientieren.

LG
Thali

Snöblumma

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 14:58:17
Der erste Höhlenmann, der es praktisch fand, sich vier Wände und ein Dach dort zu bauen, wo er einen schönen Überblick auf sein Jagdrevier hat, ist entlohnt worden, weil er wahrscheinlich ganz viele Höhlendamen in sein Haus locken konnte, die keine Lust mehr auf Höhlen hatten.

Jetzt juckt es mich doch noch mal, ehe ich wirklich raus bin, ehe ich als böser Urheberrechtsfeind verschrien bin ;): du schreibst, dass er entlohnt worden ist. Richtig. Darauf liegt die Betonung. Aber müssen wir diesen Höhlenmann heute noch entlohnen? Bzw. seine Erben? Er hat seinen Spaß doch gehabt ;).

Nein, Spaß beiseite: auch das Sacheigentum ist nicht unendlich, wenn man genau hinsieht. Du kannst es vererben, aber darauf werden saftige Steuern fällig. Grundeigentum ist nahezu überall dort, wo es anerkannt ist, auch steuerpflichtig - wenn man also nicht anderes Eigentum reinbuttert, ist es irgendwann wieder vergesellschaftet. Zwar über Umwege, aber letztlich landet es auch wieder im Gemeineigentum. Nicht ist ewig, noch nicht einmal das Sacheigentum. Und schon gar nicht die wirtschaftliche Seite des Urheberrechts, weil das reine Überkompensation wäre. Im Regelfall (und nur um den geht es - Aufgabe des Rechts ist es ja schließlich, für den Normalfall tragbare Lösungen zu finden) ist die Arbeit und die individuelle Leistung in wirtschaftlicher Hinsicht nach den 70 Jahren p.m.a definitiv amortisiert. Was dann noch bleibt, sind ggf. immaterielle Interessen. Da kann man gerne diskutieren, aber eine Ausweitung wirtschaftlicher Rechte wäre reine Monopolbildung. Und damit innovationshindernd. Und da ich persönlich die Innovationskraft als wichtig ansehe, finde ich eine solche Entwicklung schlecht. Meine Ansicht.

Und damit bin ich jetzt raus.

Sven

Zitat von: Thaliope am 26. April 2012, 15:00:24
In diesem Gedanken machen lang Schutzristen meiner Meinung nach schon Sinn - aber nur, wenn Verlage sie auch angemessen nutzen und sich bei der Auswahl von Büchern nicht nur an der kurzfristigen Marktsituation orientieren.

Also Schutzfristen gelten für das Urheberrecht, nicht für die Verwertung. In der Regel fällt das Verwertungsrecht, das der Urheber an die Verlage abgibt, nach 10 Jahren (ausschlaggebend ist hier wohl der Vertrag) automatisch an den Urheber zurück. Er kann dann mit einem Verlag neu verhandeln. Im Falle seines Todes bedeutet das, dass die Erben verhandeln können.

Aber warum WILL man denn die Schutzfristen verkürzen? Was hat der Konsument davon? Die Verfügbarkeit kann es nicht sein, die könnte man anders regeln.
Beste Grüße,
Sven

Thaliope

@Sven: Ah, okay, dann hab ich das durcheinandergeschmissen. Sorry.

Sven

Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 15:27:05
Nein, Spaß beiseite: auch das Sacheigentum ist nicht unendlich, wenn man genau hinsieht. Du kannst es vererben, aber darauf werden saftige Steuern fällig. Grundeigentum ist nahezu überall dort, wo es anerkannt ist, auch steuerpflichtig - wenn man also nicht anderes Eigentum reinbuttert, ist es irgendwann wieder vergesellschaftet.

Und da kann man dann durchaus etwas ändern. Zwar würde man auf den Erlösen des geerbten Urheberrechts auch Steuern zahlen, aber die kann man ja auf die Höhe der Erbschaftssteuer anheben. Da hätte keiner was dagegen.
Die 70 Jahre sind insofern sinnvoll, dass sie (etwa) eine Generation nach dem Autor gültig ist. Das heißt, meine Kinder haben etwas von meinem geschaffenen Werk, deren Kinder schon nicht mehr (Verkehrsunfälle mal ausgeschlossen). Danach würde es dann wohl zu kompliziert werden, weil sich die Rechte ja prozentual immer mehr aufteilen würden. Und auch das wäre eine Sache, die man ändern könnte. Wenn ich drei Kinder hätte, würde sich das Recht auf drei Personen aufteilen und jeder hätte ein Mitspracherecht bei der Verwertung, was diese natürlich enorm erschweren würde. Das müsste man anders regeln.
Beste Grüße,
Sven

Churke

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 14:29:45
Ich sehe absolut keine Unterschiede!
Ein Haus ist ein körperlicher Gegenstand. Urheber- und andere Leistungsschutzrechte sind Immaterialgüter. Immaterielle Güter kann man mit geringen Kosten und hohem Gewinn einfach kopieren. Man kann also mit geringem Aufwand die Früchte einer fremden Leistung ernten.

Allerdings frage ich mich, ob wir mit dem Urheberrecht nicht in erster Linie beabsichtigen, überkommene Verwertungsmodelle zu schützen.

Zitat von: Snöblumma am 26. April 2012, 14:45:34
Da ist es für mich als Rechtswissenschaftler schleierhaft, wieso (außer durch gutes Lobbying zu erklären) sich die einmalig hohe deutsche Schutzfrist als Standard durchgesetzt hat. Das ist im Regelfall wirtschaftlich nicht mehr zu erklären - und die Schutzfrist muss sich nach Regelfällen bemessen, da sie ja standardisiert und typisiert begrenzt.
Für wen die Schutzfristen gemacht sind, kann man exemplarisch an der Lex Disney sehen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Copyright_Term_Extension_Act

Man muss ich aber auch klar machen, dass unter das Urheberrecht eine Vielzahl von Urhebern fällt, die nur sehr begrenzt miteinander zu vergleichen sind. Ein 200-Millionen-Dollar-Film hat einen ganz anderen Kapitaleinsatz und zeitlichen Verwertungshorizont als ein Bestseller-Autor.

Schommes

Jou. Oder ein Theaterautor. Für den rentiert sich das erst, wenn sein Stück über viele Jahre landauf und landab wieder und wieder gespielt wird.

Franziska

Eigentlich interessiert mich das Thema gar nicht so. Ehrlich gesagt finde ich, dass man am Urheberrecht gar nichts ändern muss.
Wir haben gestern mit meiner Autorengruppe noch mal darüber diskutiert und da hat einer ein Argument gebracht, was mich doch nachdenklich gemacht hat.

Zitat von: Churke am 26. April 2012, 12:06:25

Für die Urheber selbst würde sich nach meiner persönlichen, unmaßgeblichen Einschätzung kein Schwein interessieren. Es sind die kapitalstarken Verleger, die obendrein ganz anders als der Wähler eine Lobby haben. Warum wohl werden die Schutzfristen immer weiter verlängert und betragen nun 70 Jahre nach dem Tod des Autors? Da werden keine Urheber geschützt, sondern Geschäftsmodelle von Verlagen.


Genau so ist es? Und was ist falsch daran? Viele Bücher laufen nicht so, wie sich das der Verlag erhofft hat und er macht erstmal Verluste, bevor er mit einem Autor überhaupt Gewinn macht. Der aus meiner Autorengruppe hat mal in einem Verlag gearbeitet und gesagt, ohne die Rechte an Werken eines Autors, der erst lange nach seinem Tod berühmt wurde, hätte der Verlag lange dicht machen müssen. Er hätte nicht einige Nachwuschautoren veröffentlichen können, von denen er hofft, dass sie auch irgendwann mal Gewinn bringen. Der Verlag plant also in Zeitspannen von über 100 Jahren.
Das trifft jetzt wohl eher den Bereich von Literatur als von kurzlebiger Unterhaltsungsliteratur, wo nicht damit zu rechnen ist, dass der Autor irgnedwann noch mal berühmt wird, aber ich habe immer das Gefühl, dass da viel diskutiert wird, ohne dass man überhaupt weiß, wie das Verlagsgeschäft funktioniert. Ich weiß es auch nicht allzu genau und mir scheint, die meisten Politiker auch nicht.