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Verwertungsrechte (Nachdenklichkeiten)

Begonnen von Tintenweberin, 13. April 2012, 12:39:24

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Debbie

Noch läuft auf Sat 1 eine Sendung dazu - falls es jemand interessiert...

Zit

Wiesbadener Kurier: Streitgespräch mit Medienrechtler Russ und Piraten-Sprecher Hufgard über Urheberrecht: http://www.wiesbadener-kurier.de/region/wiesbaden/meldungen/11900770.htm

ZitatHufgard: Weil wir das Recht der Allgemeinheit auf unbeobachtete Kommunikation höher achten als das Recht, dass jede einzelne Kopie monetär vergütet wird. Ohnehin werden Künstler oft von den Verwertern gegängelt und ausgebeutet.

Ah ha. Also treten wir extra nochmal zu und geben Künstlern gar nichts, fällt denen ja eh nicht auf, so wie die drangsaliert werden. Ob 10 Cent oder gar keinen Cent ...
So ein Bullshit. Und dann am Ende, von wegen, Privatkopien wärne ja schon lange erlaubt: Das mag sein, aber das heißt ja nicht gleich, dass diese Kopien jeder Dummdödel ins Netz stellen kann, dass andere das herunterladen -- denn dann ist ja keine Privatkopie mehr.
Kann mal irgendeiner den Piraten die Köpfe waschen? Die lernens immer noch nicht.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Faol

Ich würde mal behaupten das hat nichts mit lernen zu tun, sondern mit einer unterschiedlichen Anschauung der ganzen Sache. Da geht es um Meinungen und die kann man so weit ich weiß nicht lernen oder beibringen.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Schommes

Wen's interessiert: Lest mal insbesondere Ziffer I.2 dieser urheberrechtsgeschichtlichen Studie. Kommt Euch da was bekannt vor?
http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2010_1_291.pdf

Snöblumma

#80
Hm, ja. Das hat der Herr Kollege treffend analysiert in seinem Aufsatz.

Wobei ich dieses Argument nicht mag. Dieselben Tendenzen findet man auch im linkslastigen Milieu. Oder im modernen Sinne im Kulturförderansatz (Urheberrecht als Werkzeug zur Kulturförderung).

Den Gedankengang, den Elster, Kopsch und einige andere letztlich auf die Volksgemeinschaft in diesem Sinne hinbiegen, findet man übrigens auch bei vollkommen unbelasteten Juristen, die aus der Naturrechtsschule kommen. Gerade weil die Ideen universell zugänglich und damit niemandem zugehörig sind, ebenso wie die Sprache selbst, die Motive, die Stilfiguren usw., wird auch das Individuelle irgendwann einmal wieder Gemeingut. (Einfaches Beispiel: diverseste Sprichwörter, von der Axt im Hause angefangen bis zur Gedankenfreiheit aufgehört, die eindeutig schöpferische Ausdrücke einzelner Schriftsteller waren - und die dennoch jeder zitiert, wahrscheinlich bei den meisten Menschen ohne dass sie wissen, was und wen sie da zitieren.) Es gehört zum Wesen des geistigen Gutes, frei zu fliegen, von Kopf zu Kopf zu wandern, sich zu verändern und irgendwann vom Ersten, der es gedacht hat, losgelöst zu werden. Das hat mit der Theorie von Kopsch (sehr verkorkster Gedankengang bei ihm übrigens, mit etlichen logischen Drehern) nichts zu tun...

Nun ja, wollte ich dazu nur gesagt haben. Nur weil gewisse Deppen der Geschichte ein Argument benutzt haben, sagt das noch nicht viel über das Argument, meiner Meinung nach. Was nicht heißt, dass ich alles sinnvoll finde, was die Piraten sagen. Aber ich finde unseren Urheberzentrismus auch nicht immer sinnvoll, weil er vergisst, wie viele andere Parteien im Prozess beteiligt sind. Weil er einen Schöpfergenius an den Anfang stellt, den es so nicht gibt. Weil er dazu neigt, die absolute Notwendigkeit frei zugänglicher Gedanken, Ideen, Inhalte und Werke zu übersehen. Weil er außer Acht lässt, wie stark schöpferisches Tun auf Vorbilder angewiesen ist. Der im deutschen Recht stark ausgeprägte Urheberrechtszentrismus hat unwahrscheinlich viele Stellen, an denen man Vorsicht walten lassen muss.

Urheberrecht ist m.E. immer eine Abwägung zwischen Rechten des Urhebers und Rechten der Allgemeinheit, und beide sind zunächst gleich wichtig, wenn wir es ernst meinen mit der innovativen Kultur. Und gleichzeitig muss der Urheber in seinen wirtschaftlichen Interessen verteidigt waren - was immer schwieriger wird.

So, ich höre jetzt auf mit wirren Gedanken. Es ist irgendwie zu spät, um wirklich darüber nachzudenken.

Sven

Zitat von: Snöblumma am 25. April 2012, 23:12:59
Urheberrecht ist m.E. immer eine Abwägung zwischen Rechten des Urhebers und Rechten der Allgemeinheit, und beide sind zunächst gleich wichtig, wenn wir es ernst meinen mit der innovativen Kultur. Und gleichzeitig muss der Urheber in seinen wirtschaftlichen Interessen verteidigt waren - was immer schwieriger wird.

Diese Aussagen hört man ja immer wieder. Allerdings übergeht man dabei eine wichtige Sache: Als Urheber ist mir eine innovative Kultur in erster Linie ziemlich egal. Klar, wenn am Ende die Kultur durch meinen Beitrag bereichert wird, ist das sicherlich schön und in zweiter Linie erstrebenswert, aber erst einmal produziere ich ein Produkt, mit dem ich Geld verdienen möchte.
Die Rechte der Allgemeinheit beschränken sich in meinen Augen auf das Recht, sich das "Recht zu konsumieren" zu erkaufen. Die Allgemeinheit hat nicht das Recht, über mein Produkt zu verfügen. Sie hat auch nicht das Recht, mein Produkt für Lulu zu konsumieren.
Wenn es um mein Produkt geht, hat niemand ein Recht damit etwas zu tun, es sei denn, ich erlaube es.
Gerade bei künstlerischen Dingen (und wieviel an einem Buch künstlerisch und wieviel daran Arbeit ist, wurde ja schon zuhauf diskutiert) wird immer schnell gesagt, dass die Allgemeinheit ein Recht hat, hinter dem der Urheber zurücktreten muss.
NEIN! Ohne den Urheber gäbe es nichts zu diskutieren.
Die riesige Masse an Konsumenten treten hier einer überschaubaren Anzahl an Urhebern gegenüber. Das ist nicht gerade fair.
Und die Urheber (so mein Eindruck) lassen sich zur Zeit ganz schön einschüchtern. Was machen denn die Konsumenten ohne die Urheber?
Man hört auch immer wieder, dass ja jetzt schon viele, viele Urheber ihre Produkte kostenlos ins Netz stellen. Wenn die Urheber, die sich bezahlen lassen (in der Hölle mögen sie schmoren^^) nicht bald umsonst produzieren, sind sie eh über. Die braucht kein Mensch. Ja, ich kriege alles umsonst, juchu!
Aber mal ehrlich: Wollen sich die Leser wirklich durch hunderttausende unlektorierte EBooks lesen, auf der Suche nach etwas Vernünftigem? A. Eschbach hat mal geschrieben, dass es wenig Bücher gibt, die er gerne gelesen hat, von deutschen Autoren fast keine. Daher durchforstet er ständig den EBook-Markt der Selbstverleger. Sein Fazit: niederschmetternd. Das Zeug kann keiner lesen. Aber wenn alle weiter auf die Urheber einprügeln, die sich für ihre professionelle Arbeit bezahlen lassen, wird das die Zukunft sein. Die Kultur wird dadurch nicht reicher. Im Gegenteil. Die Kultur verwässert. Aber egal, Hauptsache umsonst! Hauptsache die Allgemeinheit hat ihr Recht bekommen.
In dieser ganzen Debatte (die durchaus wichtig ist) sollte der Urheber gestärkt und nicht niedergeknüppelt werden.

Aber egal, wie sehr ich mich zur Zeit immer wieder über Kommentare aufrege (das gilt nicht dir, Snöblumma!), ich bin der Überzeugung, dass da viel Schaum geschlagen wird.  Unser ganzes Wirtschaftssystem beruht auf den Rechten des geistigen Eigentums. Ohne Patente hätte es nie diesen Fortschritt gegeben, den wir seit ein paar Jahrzehnten hätten (warum sollte jemand auch Millionen in die Forschung investieren, wenn er (und die tausenden Mitarbeiter) dabei verhungern würden). Warum sollte ein Autor ein Jahr lang hart arbeiten, wenn er damit nichts verdienen würde? Warum sollte ein Musiker auf die Bühne gehen, wenn er dafür draufzahlen müsste (und wer betreut die ganze Technik?)? Nein, die Urheber werden bezahlt werden, egal wie sehr sich ein paar Leute dagegen sträuben. Da können die Piraten noch so sehr mit den Säbeln rasseln.
Beste Grüße,
Sven

Snöblumma

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 08:40:21
A. Eschbach hat mal geschrieben, dass es wenig Bücher gibt, die er gerne gelesen hat, von deutschen Autoren fast keine. Daher durchforstet er ständig den EBook-Markt der Selbstverleger. Sein Fazit: niederschmetternd. Das Zeug kann keiner lesen. Aber wenn alle weiter auf die Urheber einprügeln, die sich für ihre professionelle Arbeit bezahlen lassen, wird das die Zukunft sein. Die Kultur wird dadurch nicht reicher. Im Gegenteil. Die Kultur verwässert. Aber egal, Hauptsache umsonst! Hauptsache die Allgemeinheit hat ihr Recht bekommen.

Und genau darum glaube ich, dass es immer bezahlte Kunst geben wird. Verlage, lektorierte Bücher und gute Übersetzungen kosten Geld, was eigentlich jedem klar ist. Wenn sie einen Mehrwert bieten gegenüber schlecht gemachten Selbstveröffentlichungen, wird dieser Mehrwert bezahlt und sich durchsetzen - vorausgesetzt, er ist der Gesellschaft etwas wert.
Ich denke, es hat auch viel mit fehlendem Bewusstsein zu tun, wie teuer so etwas ist. Dank treogen sind wir hier nun schlauer - aber wie viele Menschen da draußen wissen wirklich, wie gering die Kostenersparnisse bei ebooks sind? Das ist nun aber kein genuines Urheberrechtsproblem, sondern eines der nicht vermittelten Information. Deswegen mit der Urheberrechtskeule zu kommen und ggf. uninnovative, veraltete und keinen Mehrwert bietende Strukturen zu schützen, kann nicht der richtige Weg sein.

Ich denke übrigens nicht, dass das mit den Rechten der Allgemeinheit Schaumgeschlage ist. Es ist für mich der elementare Punkt, der in einer ideologisierten Debatte gern übersehen wird. Das Urheberrecht ist wie jedes andere Recht auch eingebunden und schützt zwar primär den Einzelnen - aber es muss sich dennoch Einschränkungen gefallen lassen, wenn andere Rechte wichtiger sind. Das ist überall so, und nicht nur bei den armen Urhebern. Dass dem einzelnen Urheber die Innovationskraft der Kultur insgesamt egal ist, mag sein. Aber dennoch ist es ein zu schützender Wert von überragender Bedeutung, gerade in einem Land wie Deutschland, das von seinen innovativen Geistesprodukten (sei es Patentrecht, sei es Urheberrecht) lebt. Wenn wir durch die Rechtsstruktur Innovation verhindern, schneiden wir uns auf die Dauer ins eigene Bein. Wir schützen dann Monopolgewinne, wo andere Anbieter Produkte hätten, die insgesamt weniger Kosten verursachen und eigentlich auf dem Markt gefragter sind. Ja, der Markt hat auch nicht immer Recht - aber nachdem niemand je weiß, wer recht hat, finde ich es irgendwie sinnvoller, jeden mal rennen zu lassen und zu sehen, was sich durchsetzt. Der Staat weiß es auch nicht besser ;).

Fakt ist, dass ich nicht glaube, dass die Leute wirklich alles umsonst haben wollen. Wieso hat die Musikindustrie letztes Jahr das beste Jahr aller Zeiten gefahren nach ihren Bilanzen? Wenn doch angeblich alle nur noch alles umsonst aus dem Netz ziehen... egal, jetzt polemisiere ich. Und alle Statistiken, die ich nicht selbst gefälscht habe, beweisen sowieso immer nur das, was ich beweisen will.
Ich sehe das geistige Eigentum als ein Recht wie jedes andere an, das gewissen Zwecken dient und sich an der Erreichung dieser Zwecke messen lassen muss. Was den Vergleich mit dem Patent angeht: das Patent läuft nur 25 Jahre. Es muss in einem kostenpflichtigen Verfahren angemeldet werden. Es wird unter sehr viel strengeren Voraussetzungen gewährt als das Urheberrecht. Etwas von der künstlerischen Banalität normaler Unterhaltungsromane (ja, schlagt mich - aber ich für meinen Teil bin stolz darauf, nicht künstlerisch wertvolles zu produzieren, sondern gut lesbare, fesselnde Geschichten) würde unter diesen Voraussetzungen niemals geschützt werden.

Nun ja, vielleicht sollten wir die kostenpflichtige Anmeldung zur Voraussetzung des Urheberrechtes machen, dann wüssten wir, was es seinem Erschaffer wert wäre. 25 Jahre, mit optionalen Verlängerungen (kostenpflichtig) - wie im Markenrecht? Dann könnte jeder selbst entscheiden, ob das nur ein kurzlebiges Produkt ist, das seine Kosten einspielt, ehe es nachgeahmt werden kann, ob das Produkt einfach mal 25 Jahre geschützt sein soll, oder ob es danach noch in die Verlängerung gehen soll. Ich muss zugeben, dass ich diesen Gedanken immer anziehender finde, auch wenn er sich mit dem System beißt.

Vielleicht sollten wir auch darüber nachdenken, ob wir das Urheberrecht nicht überfrachtet haben. Wir werfen von Bedienungsanleitungen bis echter Literatur alles in einen Topf. Ich habe keine Ahnung, wie man dort sinnvoll trennen könnte, aber vielleicht ist das der Weg, den wir gehen müssen.

Alles in allem finde ich es elementar, die Nutzerperspektive nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn nur wenn die Nutzer ihre berechtigten Interessen angemessen wiederfinden, werden sie das Recht als ganzes akzeptieren. Und: wir sind alle Nutzer kreativer Werke. Jeder von uns hat seine Vorbilder. Jeder von uns greift auf Strukturen zurück, die irgendjemand irgendwann erfunden hat. Und an dieser Stelle kommt es wohl zum Schwur: you end up with either everything is created or nothing is new. Deshalb ist m.E. immer eine Abwägung erforderlich, ob der Schutz an dieser Stelle wirklich notwendig ist, um den Urheber zu schützen, oder ob damit nicht unnötigerweise zu stark in die Rechte der Allgemeinheit eingegriffen wird. Bei der eins-zu-eins-Kopie, die dem breiten Publikum umsonst zur Verfügung gestellt wird, ohne dass es dafür zahlt und ohne dass der Urheber dem einwilligt, fällt die Abwägung klar zugunsten des Urhebers aus. Die Allgemeinheit hat keinen Anspruch auf kostenlosen Zugang. Aber die Grenzfälle werden grauer, und da lohnt es sich immer, genau hinzuschauen, statt mit dem Topos des einsamen, genialen Urhebers zu kommen. Oft genug stecken reine Investitionsinteressen dahinter - das ist an sich nicht verwerflich, steht aber auf einer ganz anderen Stufe als das Recht des Urhebers an seiner Schöpfung.

So, Ende des frühmorgendlichen Monologs (und auch nicht gegen dich, Sven. Ich verstehe deinen Punkt. Ich verstehe, wieso man sich als Urheber aufregt). Ich möchte nur eine Lanze gegen vorschnelle Ideologisierung brechen. Meiner Meinung nach gilt es schlicht und ergreifend, pragmatische Antworten auf Nutzungskonflikte zu finden. Innerhalb eines konstruierten Rechts, das einen künstlichen Markt schafft, das aber elementaren und überaus wichtigen Zwecken dient, nämlich der Innovationsförderung, der Anreizsetzung zu kreativem Schaffen und dem Schutz der Persönlichkeit des Urhebers. Die Nutzer haben anscheinend ein Bedürfnis, das innerhalb des traditionellen Marktes  nicht befriedigt werden kann. Dieses Bedürfnis werden wir nie und nimmer unterdrücken können - also muss das Recht es aufgreifen, einbetten und ggf. für anderweitige Entlohnungsstrukturen sorgen.

Sven

Die VG-Wort meldet dazu:

http://www.vgwort.de/fileadmin/pdf/pressemitteilungen/PM_Das_Urheberrecht_sch%C3%BCtzt_die_Kreativen.pdf

"Das Urheberrecht ist zunächst einmal das Recht der Kreativen."

So sehe ich es auch. Das Urheberrecht sollte die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen. Ein Recht hat die Allgemeinheit aber erst einmal nicht. Durch Bezahlung kann man ihnen Rechte einräumen  ;)
Beste Grüße,
Sven

Snöblumma

Zitat von: Sven am 26. April 2012, 09:57:32
So sehe ich es auch. Das Urheberrecht sollte die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen. Ein Recht hat die Allgemeinheit aber erst einmal nicht. Durch Bezahlung kann man ihnen Rechte einräumen  ;)

Im Prinzip, ja. Aber woran hat der Urheber ein Recht? Für welche Nutzungshandlungen soll bezahlt werden? Wem genau? Generally speaking, ist dagegen ja nichts einzuwenden. Aber was ist mit kreativen Nutzungshandlungen ohne kommerzielle Absicht, die den Urheber in seinen Verkaufszahlen nicht schädigen? Nehmen wir Fanfictions - dadurch entsteht dem Originalwerk kein Schaden, weil man es in der Regel gelesen (und damit gekauft oder wenigstens geliehen) haben muss, um die Fanfictions zu verstehen. Die literarische Qualität vieler solcher Geschichten dahingestellt, lässt es sich doch nicht bestreiten, dass es sich um kreative Auseinandersetzung handelt. Vielleicht entstehen dadurch ganz neue Geschichten. Vielleicht dient es zukünftigen Kreativen als Übungsbasis. Sollen die Teenies dafür bezahlen müssen? Ja? Nein? Wieviel? Warum?

Um es noch einmal klar zu sagen: die eins-zu-eins-Kopie, die kostenlos durchs Netz saust, ist m.E. indiskutabel. Hier müssen Vergütungsstrukturen her, die dafür sorgen, dass der Urheber dafür seinen Anteil bekommt. Eventuell sogar, indem man an die Anbieter der Infrastruktur herantritt, ihnen eine Vegrütungspflicht auferlegt und ihnen damit den kleinen Zwang antut, für ihre Dienste irgendwie Geld zu verlangen. Dass es auf Dauer nicht gut geht, wenn Google und Co. mit für sie kostenlosem Content Gewinn fahren, aber die Ersteller dieses Contents nie etwas davon sehen - ja. D'accord. Denn damit schütze ich die Leistung, die darin steckt, in die engültige Formung dieses Contents Zeit, Geld und Leistung investiert zu haben.

Nur versteift sich viel auf diese Kopiendiskussion, meiner Meinung nach, dabei ist die das kleinste Problem (juristisch gesehen). Da müssen einfach Strukturen her, und hier ist der kreative Rechtswissenschaftler gefragt, einfache, funktionable und durchsetzbare Vergütungsmodelle zu bauen, ohne damit die Freiheit der Nutzer (und den Datenschutz) zu sehr einzuschränken.

Die juristischen Grundlagenprobleme liegen einfach an ganz anderen Stellen (und sorry, wenn ich euch damit nerve, aber ich mag dogmatische Grundprobleme einfach...). Und für diese Probleme verstellt uns das grundsätzliche Denken, dass der Urheber immer Recht hat, den Weg. So ist es eben nicht immer. Nicht in allen Konstellationen. Ob es Schutzanreize braucht, um zu schaffen - nun, bei dieser Frage kommt man wahrscheinlich nie zusammen, weil jeder aus einer anderen Denkschule stammt. Meiner Meinung nach (ehrlicherweise) nein. Wir schaffen, weil wir es können und wollen. Dass wir damit ein Urheberrecht erwerben, ist nicht Auslöser unserer Kreativität. Dass wir von unserer Kreativität letztlich leben wollen - ja. Aber das ist ein rein materielles Interesse, dass sich an anderen materiellen Interessen messen lassen muss. Wenn die gesellschaftlichen Kosten zu hoch werden im Vergleich zu dem, was es dem Urheber bringt, ist es ein unsinniges, insgesamt Kosten verursachendes Monopol. Monopole führen zu Verkrustung und Verschwendung von Zeit und Geld. Und ob das so ist, muss in jedem Einzelfall, in dem jemand nach Schutz schreit, m.E. wirklich geprüft werden.

FeeamPC

#85
Ganz pragmatisch: Urheberrechte müssen sein. Es mag ja durchaus angehen, dass manche Autoren für lau arbeiten, einfach weil es ihnen Spaß macht und sie ihre Brötchen anderweitig verdienen.
Aber es soll auch Leute geben, die von ihrem Schreiben leben müssen.
Und zudem: die Leute schätzen das mehr, wofür sie bezahlt haben. Gratis -Sachen werden leicht als minderwertig wahrgenommen. Reine Psychologie. Warum geklaute ebooks nicht als minderwertig wahrgenommen werden? Ganz einfach, weil irgendwo dafür Geld gefordert wird, der Netzpirat also genau weiß, was das kostet, was er sich klaut. Wäre prinzipiell alles im Netz gratis, würde selbst diese geringe Wertschätzung entfallen (für die sich der Autor ausser einem virtuellen Schulterklopfen auch nichts einfängt).

Und aus Verlagssicht: weshalb sollte ich mir die Arbeit machen, ein Lektorat durchzuführen, ein Buch anständig zu setzen, eventuell zu bebildern, etliche Arbeitsstunden hineinzubringen (und das ist tatsächlich Arbeit!), nur damit dieses Buch dann für lau über den Äther geht?

Nein, auch hier gilt: Bezahlung muss sein, und das geht nur, wenn ich gewisse Rechte habe, die wiederum voraussetzen, dass der Autor gewisse Rechte hat.

Snöblumma

Zitat von: FeeamPC am 26. April 2012, 10:32:24
Aber es soll auch Leute geben, die von ihrem Schrreiben leben müssen.
Ich weiß, jetzt mache ich mir Freunde, aber: na und? Marktwirtschaft. Viele Leute wollen von etwas leben, für das ihnen am Ende keiner was bezahlt. Wenn ich den dritten Sanitärbetrieb in einem Minidorf aufmache, will ich auch davon leben. Ob ich es kann, ist eine andere Frage. Aber es ist nicht Aufgabe des Staates, mich zu schützen. Vielleicht bin ich besser als die zwei Etablierten. Vielleicht bin ich billiger und liefere dafür Murks. Vielleicht habe ich mehr Freunde, die mich beauftragen statt die Konkurrenz. Vielleicht muss ich aufgeben. Es ist jedermanns freie Entscheidung, sich für irgendeinen Beruf zu entscheiden. Daraus folgt noch lange kein Anspruch darauf, dass ich davon wirklich leben kann. Niemand garantiert mir, dass ich am Ende meines Studiums einen Job finde, von dem ich leben kann. Ich will es, ja. Aber ob daraus was wird, wird sich zeigen.
Und dafür gibt es ja an sich soziale Sicherungssysteme: eine falsche Entscheidung bedeutet ja nicht, dass ich ins Nichts stürze. Sie bedeutet, dass ich eine falsche Entscheidung getroffen habe. Sie bedeutet, dass ich wohl eine Leistung anbiete, die derzeit niemand haben will. Weil andere billiger sind (aus welchen Gründen auch immer). Weil niemand meine Leistung wertschätzt. Weil ich etwas anbiete, das keiner braucht. Weil ich uninnovativ bin. Die Gründe können vielfältig sein. Aber ich wehre mich gegen das Denken, dass nur weil ich etwas tun will, ich davon auch leben können muss. Jeder weiß, dass Schriftstellerei etwas ist, von dem sich nur sehr schwer leben lässt. Wenn ich mich sehenden Auges dafür entscheide, muss ich evtl. damit leben, dass ich nur wenig verdiene...

Aber: Ich bin ja nicht gegen Bezahlung. Versteht mich nicht falsch. Ich bin stark dafür, dass die Leistung bezahlt wird, wenn sie denn etwas wert ist. Die Leistung eines guten Verlages ist definitiv etwas wert, und darum muss sie bezahlt werden. Die Leistung des Schriftstellers ist etwas wert, und darum muss er die Chance erhalten, am Markt dafür einen Preis zu erzielen. Insofern sind wir uns ja alle einig. Und (ich wiederhole mich) die eins-zu-eins-Kopie für lau ohne Zustimmung des Urhebers befürwortet ja eigentlich niemand ernsthaft, jedenfalls nicht außerhalb einer idealistischen Kerngruppe bei den Piraten, die von falschen Voraussetzungen ausgehen. Sie sprechen hauptsächlich über IT und Computerprogramme, wo der Markt tatsächlich ganz anders funktioniert - wir sprechen über Bücher. Darum sollen sie halt mal reden, das gibt sich.

Alaun

#87
ZitatIch weiß, jetzt mache ich mir Freunde, aber: na und? Marktwirtschaft. Viele Leute wollen von etwas leben, für das ihnen am Ende keiner was bezahlt. Wenn ich den dritten Sanitärbetrieb in einem Minidorf aufmache, will ich auch davon leben.

Sorry, aber der Vergleich hinkt. Niemand wird je anzweifeln, dass ein Handwerk bezahlt werden muss. Im Gegensatz zu künstlerischer Arbeit, die leider offensichtlich von mehreren Seiten gerade anders bewertet wird.

Das Problem ist, dass in der ganzen Diskussion Äpfel mit Birnen verglichen werden. Das kann nicht funktionieren.

Snöblumma

Zitat von: Aquamarin am 26. April 2012, 11:00:10
Im Gegensatz zu künstlerischer Arbeit, die leider offensichtlich von mehreren Seiten gerade anders bewertet wird.
Ja, aber nicht von mir. Das nur vorneweg.

Und es gibt sicher auch politische Strömungen, die den Zusammenhang von Arbeit, Leistung und Bezahlung vollkommen ablehnen. Die für egal welche Tätigkeit staatlich geregelte Preise und Vorgaben ansetzen. Die Bezahlung für die Leistung eines Handwerkers ist nicht selbstverständlich. Bei uns, ja. In anderen politischen Systemen? Nicht zwangsläufig.

Ich finde den Vergleich nicht unbedingt hinkend: beide, Handwerker und Urheber, bieten den anderen Menschen etwas (nämlich eine Leistung) an. Bei der einen Leistung zahlen die Menschen bereitwillig, weil sie sich Zeit sparen, weil sie es selber nicht können und weil sie das Ergebnis brauchen. Bei der anderen Leistung sind viele der Meinung, dass sie es selber auch können, dass sie das Ergebnis doch nicht so dringend brauchen oder dass sie lieber Zeit investieren auf der Suche nach kostenlosem Material. Natürlich können und sollten wir dagegen ankämpfen, dass viele Menschen das geistige Schaffen als per se minderwertig ansehen im Vergleich zu  realwirtschaftlicher Tätigkeit. Aber ob es dann wirklich hilft, die radikale Antiposition zu nehmen, Bedürfnissen von vornherein die Berechtigung zu versagen und allgemein verbreitete Handlungen zu kriminalisieren? Ich weiß nicht, ob das nicht eher ins Gegenteil umschlägt (ja, wie mit den Raubkopien - das wurde doch erst spannend, als es kriminalisiert wurde, weil man immer das Gefühl hatte, der Robin Hood gegen die böse Musikindustrie zu sein...). Ein ernsthafter Dialog, der nach der Berechtigung der Nutzerinteressen fragt und ihnen die Position der Urheber ohne Rückzug auf Allgemeinplätze erklärt, würde wahrscheinlich mehr Verständnis hervorrufen als das Geschrei nach Schutz und Strafandrohung.

Dass manche das mit der Vergütung für kulturelle Werte anders sehen - wieso nicht? Jeder darf denken und meinen, was er will. Sogar die Piraten.

Anyway, um hier die Aufregung aus der Debatte herauszunehmen: Ich bin nicht gegen das Urheberrecht. Ganz und gar nicht. Ich bin nur dagegen, von vornherein eine Position in einem Wirtschaftskreislauf höher anzusetzen als eine andere. Wenn es Gründe dafür gibt, ja. Die Persönlichkeitsrechte eines Urhebers können solche Gründe sein. Aber sind sie wirklich immer betroffen? Ich habe schlicht und ergreifend eine gewisse Sympathie mit den Piraten, die es wagen, unser geltendes System vollkommen in Frage zu stellen - was nicht heißt, dass ich mit ihnen einer Meinung bin.

Alaun

ZitatJa, aber nicht von mir. Das nur vorneweg.
Dich meinte ich damit auch nicht.

ZitatDie Bezahlung für die Leistung eines Handwerkers ist nicht selbstverständlich. Bei uns, ja. In anderen politischen Systemen? Nicht zwangsläufig.
Wir leben aber (momentan noch!) in unserem politischen System. Die Berücksichtigung anderer Systeme halte ich in diesem Zusammenhang also für wenig relevant.

ZitatDass manche das mit der Vergütung für kulturelle Werte anders sehen - wieso nicht? Jeder darf denken und meinen, was er will. Sogar die Piraten.
Ja, sogar die Piraten dürfen das.  ;) Denken und meinen ist eine Sache. Daraus Politik entwickeln zu wollen mit Ansätzen, denen Hand und Fuß fehlt, ist eine andere. Und wie man unschwer merken kann, sympathisiere ich nicht mit den Piraten. Nicht, weil ich nicht schätze, dass jemand den ganzen Laden mal aufrollen will. Das hat meine Sympathie. Aber wenn ich so etwas mache, dann muss ich wissen, wovon ich rede. Und, bei allem Respekt, da holpert es noch ganz gewaltig.

Ich nehme mich jetzt mal raus aus der Diskussion, ich reg mich nämlich innerlich gerade wieder auf und das will ich nicht  ;)