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Eine Figur zu quälen

Begonnen von HauntingWitch, 29. Oktober 2013, 15:14:28

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Wintersturm

Zitat von: Solmorn am 22. Januar 2022, 21:07:55
Frage - ist es erforderlich, einen Schocker von Gewaltdarstellungen zu bekommen? Ist eine Geschichte nur dann gut, wenn die Leser*innen davon zutiefst geschockt werden?
Nein. Sollte es aber, wenn die Geschichte wirklich ernsthaft sein soll, finde ich.
Zitat
Anschlussfrage - ist es für dich eine notwendige Bedingung für die Qualität eines Buches, dass du an irgendeiner Stelle die Wirkung einer Gewaltdarstellung spüren musst?
Gewalt ist keine so schöne Sache und nur weil ich durch die Darstellung nicht viel spüre, heißt das nicht, dass sie das nicht doch tun sollte. Wenn man aber Kriege und Kämpfe nicht nur als Beiwerk bei sich hat, sondern das auch als eines der Themen der Geschichte (ein Buch ist es ja erst, wenn es gedruckt ist, wobei man da auch diskutieren kann), dann sollte man auch die Kriege entsprechend darstellen. Gerade wenn alles am Ende gut für eine Seite ausgeht und die Geschichte insgesamt über Jahrtausende geht, wo man doch merkt, dass der Krieg 300 Jahre zuvor doch die bessere Entscheidung war, finde ich es zweckmäßig, da dann auch darzustellen, dass bei all der glücklichen Zukunft doch ein gewaltiger Preis dafür bezahlt wurde. Jetzt kann man natürlich auch wieder streiten, ob Krieg überhaupt was Gutes bewirkt, dagegen kann man dann das Totschlagargument 3. Reich und 2. Weltkrieg führen, wo der Kampf dagegen wohl zweifellos die bessere Entscheidung war, aber am Ende will ich in meiner Darstellung auch zeigen, dass manch ein Krieg am Ende doch die bessere Entscheidung war, während ein anderer gar keine gute Idee war und nur Opfer hinterlassen hat. Aber wie Krieg ist, das will ich auf jeden Fall darstellen, und zwar an Einzelschicksalen, die diese Kriege durchleben. Sowohl zivil als auch militärisch. Daraus bedingt stelle ich Gewalt dann eben sehr bildhaft dar und lasse meine Figuren detailliert die Hölle durchleben.

Yamuri

@Wintersturm:

Gewaltdarstellungen sind in ihrer expliziten Form nicht immer nötig. Es wirkt manchmal wesentlich dramatischer, wenn man nur andeutet, aber nichts Konkretes schreibt. Ich habe das mal ausprobiert, in einer privaten Gruppe. Auf meinem Computer, für mich ausgeschrieben, war die komplette Szene, im Detail. Den anderen in der Gruppe habe ich nur Andeutungen gezeigt und sie fanden diese Andeutungen sehr eindrücklich und meinten, es würde viel dramatischer wirken, als wenn ich es detailliert beschreiben würde. Denn wenn es eben nicht explizit ist, dann stellen sich die Lesenden selbst vor, was sie sich eben vorstellen.
Grundsätzlich würde ich bei sensiblen Themen aber immer dazu schreiben, dass sensible Themen realistisch thematisiert werden. Dann können Überlebende sich selbst entscheiden, ob sie sich das geben möchten oder eben nicht. Und es betrifft ja alle sensitiven Menschen. Denn auch für Menschen ohne Traumaerfahrung kann das Lesen eines solchen Textes traumatisch sein. Kommt darauf an, wie sensibel und empathisch man ist. Als ich das Buch Aufschrei, von Truddi Chase gelesen habe, konnte ich das nicht am Stück lesen. Das ging echt unter die Haut und ist nichts für schwache Gemüter. Es ist aus der Perspektive einer Überlebenden geschrieben, die infolge eine multiple Persönlichkeit entwickelt hat und ein Buch geschrieben hat, um damit ihre Vergangenheit zu verarbeiten.
Daher würde ich zwar einerseits nur mit Andeutungen und indirekt arbeiten, andererseits aber trotzdem einen Hinweis setzen, dass sensible Themen thematisiert werden. Diejenigen, die solche Themen gar nicht wollen, sind dann halt nicht die Zielgruppe. Nicht jeder mag sowas lesen, nicht jeder mag es thematisieren. Wenn ein Mensch ein Thema aber thematisieren will, dann hat das seine Gründe und ist auch völlig in Ordnung so. Man würde es nicht thematisieren wollen, wenn es nicht einen persönlichen Bezug hätte. Und sei es, weil man in einem früheren Leben so gestorben ist.
Frühere Leben sind für mich ein Faktum, auch wenn viele nicht an sowas glauben. Aber das, was uns an Themen in diesem Leben beschäftigt und nicht loslässt, kann eben aus einem früheren Leben sein und sollten wir auch ernst nehmen. Schreiben kann helfen diese Themen zu verarbeiten, an die wir uns nicht mehr aktiv erinnern. Es hat immer einen Grund, wenn uns ein best. Thema nahe geht und wir darüber schreiben möchten.
Bis zu einem gewissen Grade denke ich auch, dass detaillierte Gewaltdarstellung notwendig sein kann, wenn es realistisch und ernsthaft behandelt wird. Aber es geht zum Teil auch mit Andeutungen und kann auch dann unter die Haut gehen.
"Every great dream begins with a dreamer. Always remember, you have within you the strength, the patience, and the passion to reach for the stars to change the world."
- Harriet Tubman

Amanita

Meiner Meinung nach muss man sich bei diesem Thema erst einmal darüber klarwerden, welches Ziel man beim Schreiben verfolgt. Geht es darum, eine Geschichte über Krieg, Gewalt, Folter... auf eine der Thematik angemessene, nicht "weichgespülte" Art und Weise zu erzählen? Oder besteht das Ziel darum, möglichst viele der Leser durch den Inhalt möglichst stark zu schocken?
Ich selbst bin kein Fan der zweiten Kategorie von Büchern oder Filmen, aber das ist keine universelle Wahrheit, sonst wäre beispielsweise ein Film wie Saw nie so erfolgreich gewesen. Deswegen bin ich auch dagegen so etwas verbieten zu wollen, nur weil es mir nicht gefällt. Ich finde es aber wichtig, in der Beschreibung deutlich zu machen, ob die Geschichte in die erste oder zweite Kategorie gehört, damit Buch und Zielgruppe wirklich passend zusammenkommen. Leider werden diese zwei Dinge auch sehr oft vermischt, obwohl es eigentlich zwei ganz unterschiedliche Schreibziele sind.

Wenn man als Autor aber ersteres anstrebt, vertete ich die Devise "So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich." Und je mehr Hintergrundwissen zu einem Thema vom Leser zu erwarten ist, desto weniger Details sind nötig.
Schlachtszenen, in dene sich der Held durch die Feinde mäht ohne dass dabei Blut fließt oder jemand Schmerzen erleidet, sind nicht nur unrealistisch, sondern verharmlosen sogar noch das Beschriebene. Bei Themen wie den Folgen von schweren Verletzungen und den Symptomen von Krankheiten und Vergiftungen ist auch ein gewisses Maß an Detailfülle notwendig, weil es viele Leser gibt, die sich damit nicht auskennen und sonst nicht verstehen, was da passiert. Genauso ist es logischerweise auch bei fantastischen Verletzungen oder Foltermethoden, falls es solche in der Geschichte gibt. Wenn der Autor dafür nicht die richtigen Beschreibungen findet, werden solche Szenen belanglos.
Wenn dem Folteropfer Knochen gebrochen oder Brandwunden zugefügt werden, ist dagegen weniger Beschreibung erforderlich. Die meisten von uns haben schonmal an eine heiße Herdplatte oder Ähnliches gefasst und viele hatten schon Unfälle mit Knochenbrüchen. Da kann der Anblick des Opfers nach der Tat vollkommen reichen, damit sich der Leser vorstellen kann, was passiert ist.

Thema sexualisierte Gewalt im Roman

Sorry but you are not allowed to view spoiler contents.

Der Inspektor

#138
In der Diskussion kam zwischendurch der Begriff der sozialen Stellung auf, und ich glaube, das ist gar kein so falscher Ansatz. Natürlich will ich hier nicht von irgendeiner Kausalität sprechen, denn selbstverständlich gibt es diese nicht, aber einen Zusammenhang gibt es eben schon. Nicht, weil in bildungsferneren Schichten häusliche Gewalt geläufiger ist als woanders, und der Bürger der unteren Mittelschicht deswegen besonders abgebrüht ist. Es hat vielmehr damit zu tun, dass mit der Abwesenheit von literarischer Bildung, nicht nur in manchen Schichten, sondern zunehmend in der ganzen Gesellschaft, eine Abstumpfung und eine geradezu negative Entwicklung einer ganz grundsätzlichen Form von Sensibilität einhergeht. Das Explizite, das Ausbuchstabierte und offen Dargestellte ist ja nur dann vonnöten, wenn die Fähigkeit fehlt, Dinge auch zu begreifen, die einem nicht in allem bombastischen und nackten Detailreichtum serviert werden. Und genau das ist es, das wir in Asi-TV oder aktuellen Marvel- und Disney-Produktionen sehen. Das ist es, das wir auf Tiktok und Instagram beobachten können, wo über die reine Oberfläche, die zum Clicken bewegen soll, gar nichts mehr hinausgeht. Und am Ende sind wir hier auch beim erwähnten Porno angekommen, sei es nun ein Sexfilm oder, wie hier, eine Gewaltorgie, denn genau das ist auch das Rezept dieser Art von Unterhaltung.

Wintersturm hat keine Möglichkeit ausgelassen, um zu erwähnen, dass ihn die Darstellungen von Gewalt, Leid und Schrecken in der zeitgenössischen Literatur nicht berühren können, und das ist in Wahrheit vor allem für ihn ein großer Verlust. Denn zusammen mit seiner offensichtlich völlig fehlenden Sensibilität für Themen wie Sexismus und psychische Erkrankungen ist ihm offenbar das abhandengekommen, was so wichtig ist für einen Autoren, der über Menschen schreibt, nämlich die Empathie.
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Tasha

Ich stimme zu, dass ein großes Maß an Empathie ganz sicher hilfreich ist für Autor*innen und es schwieriger wird zu schreiben, wenn einem das fehlt, ganz egal welche Art von Literatur man schreibt. Auch um zu schocken muss man sich ja zum Beispiel sehr gut in Menschen einfühlen können.
Ich würde allerdings widersprechen, dass es so Unterschiede in verschiedenen Schichten gibt. Die empathielosesten Menschen sehe ich ehrlich gesagt oft in Spitzenpositionen, während Menschen, die an der Armutsgrenze und darunter leben die hilfsbereitesten und sensibelsten sind. Da wäre ich also wirklich vorsichtig mit Verallgemeinerungen.
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Der Inspektor

#140
Du hast völlig Recht, aber deswegen habe ich auch geschrieben, dass es eben keine Kausalität zwischen sozialer Schicht und Empathie gibt. In Spitzenpositionen gibt es wahrscheinlich noch viel weniger Empathie als irgendwo sonst, weil die Leute sonst gar nicht in ihren Positionen wären. Aber ich habe das überhaupt auch nur erwähnt, weil Wintersturm sein soziales Umfeld o.Ä. angesprochen hat, und ich das weiterdenken wollte. Mir geht es nicht darum, seine Empathielosigkeit mit seiner Herkunft zu erklären, sondern mehr um einen Trend, der die ganze Gesellschaft erfasst, weil sie zunehmend weniger liest und sich mehr von Oberflächlichem berieseln lässt. Das mit der sozialen Stellung war da eher die Einleitung für mein Argument.

Aber natürlich ist auch ein solcher emotionaler Verfall der Gesellschaft eine superstarke Verallgemeinerung. Am Ende ist das vielleicht auch mehr ein Gedankenexperiment als etwas, was man irgendwie nachweisen könnte. :)
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Soly

Nur ganz kurz, weil ich eigentlich gar keine Zeit habe, aber das loswerden will:

Ich finde, wir sollten vorsichtig damit sein, uns an Personen abzuarbeiten. Deshalb möchte ich mich an der Stelle mal schützend vor @Wintersturm stellen. Er hat Dinge geschrieben und Ansichten vertreten, die ich nicht unterschreiben konnte, aber er hat am Schluss auch deutlich gemacht, wo er seine persönliche Grenze zieht, wenn es um Veröffentlichungen geht, und das müssen wir genauso berücksichtigen. Wir können seine schriftstellerischen Ansätze in Bezug auf Gewalt beurteilen, weil er die ausführlich dargestellt hat, aber wir können und sollten nicht ihn als Person be- oder sogar verurteilen. Wie viel Empathie er persönlich besitzt, steht uns nicht zu zu bewerten.

Außerdem noch der technische Hinweis - wenn wir (Teil-)Beiträge an oder über andere Mitglieder schreiben, ist es sinnvoll, sie zu taggen, indem man ein @ vor den Nicknamen setzt. Dann haben sie eine bessere Chance, die Beiträge zu sehen und darauf einzugehen.

@Der Inspektor Es tut mir leid, dass ich nicht inhaltlich auf deinen Beitrag eingehen kann, sondern nur rummeckere. Ich hole das nach, wenn ich mehr Zeit habe, das war mir nur wichtig, möglichst schnell anzubringen. :)
Veränderungen stehen vor der Tür. Lassen Sie sie zu.

Der Inspektor

#142
@Solmorn Das mit dem Taggen merke ich mir, danke für den Hinweis.

Ich verstehe deinen Ansatz, und auch ich bin kein Freund von Internet-Bashing oder ähnlichem. Aber der Aussage, dass wir nicht über andere Personen urteilen können und sollen, muss ich wirklich widersprechen.

Können: Gerade das Schreiben und das Ausformulieren von Fantasien ist doch eine Form der Ausdrucksweise, die extrem viel über jemanden verrät. Sei es über das Weltbild, das man vertritt, Werte, die einem wichtig sind oder über das Empathievermögen beim Umgang mit menschlichen Figuren - das sind alles Dinge, die man in sein Schreiben einfließen lässt. Dazu kommt ferner, dass nicht nur Textauszüge gepostet wurden, sondern dass @Wintersturm auch viel über sich selbst gesprochen hat (Thema "Leichenberge lassen mich kalt" zum Beispiel, oder seine Reaktionen auf die Trigger-Hinweise). Natürlich kenne ich ihn nicht persönlich, aber das wirft ja auch eine andere Frage auf, denn ab wann kann man überhaupt über jemanden urteilen? Kann ich jemals über jemanden urteilen, wenn ich ihn nur über das Internet kenne? Wie viele Stunden muss ich mit ihm verbacht haben? Letzten Endes kann man natürlich nie wirklich ein objektives Urteil fällen, weil man nichts so betrachten kann, wie es wirklich "ist", aber genau deswegen nehme ich eben das, was ich hier, in diesem Thread, kriege. Ganz abgesehen davon, dass @Wintersturm mir ja gerne widersprechen kann.

Sollen: Jetzt kann man natürlich sagen, dass es mir ja egal sein kann, was jemand anderes denkt und schreibt, denn schließlich ist das seine Sache, aber das sehe ich grundlegend anders. Kritik ist wichtig, wenn Menschen sich schlecht verhalten, und scharfe Kritik erst recht, denn sonst kann man sie zu leicht abtun. Wenn Klimademonstranten nicht überspitzen würden, und mit teilweise harten Begriffen wie "Weltuntergang" oder "Korruption" in Richtung der Politik argumentieren würden, würde sich die Politik dann so sehr dafür interessieren? Würde sich etwas an der Geschlechterungerechtigkeit unserer Gesellschaft ändern, wenn Mittel wie das Gendern, was sich für viele sehr drastisch anfühlt, nicht eingeführt werden würden? Wenn ich einem Kohlelobbyisten Egoismus oder einem Massentierhaltungslobbyisten eine unethische Einstellung vorwerfe, ist das dann schlecht und steht mir nicht zu?
Ich glaube, dass eine gewisse Härte und auch Überspitzung in der Kritik nötig ist, und sei sie noch so unbequem und manchmal persönlich, denn nur dann hat sie die Möglichkeit, etwas zu bewirken.

Es geht bei diesem "Urteil" schließlich gar nicht nur um @Wintersturm selbst, sondern um viel prinzipiellere Dinge. Wie gehe ich eigentlich als Autor mit Dingen um, von denen ich nichts aus eigener Erfahrung weiß? Wenn ich nie Erfahrungen mit (sexueller) Gewalt gemacht haben musste oder unter keinen Traumata leide, wie kann ich das so darstellen, dass es der Sache gerecht wird? Das sind Fragen, die man sich als Autor stellen muss, und dabei darf man sich nicht hinter dem fadenscheinigen Argument verstecken, dass es einem darum ginge, etwas wie Krieg in all seiner Schrecklichkeit darzustellen. Denn wenn man das tatsächlich möchte, dann muss man das realistisch tun, dabei erzählerisch geschickt bleiben, und darf sich eben nicht in einer Orgie aus Gewaltfantasien ergehen.

Und zuletzt: Ob @Wintersturm auch nur einen Gedanken daran verschwendet, was ich über seine Empathie geschrieben habe, ist ihm überlassen. Ich bin nur jemand, den er nicht kennt und der ihn nicht kennt, und dementsprechend egal kann es ihm auch sein, was ich schreibe. Schön fände ich es trotzdem, wenn das alles für ihn nicht nur leere Worte wären.
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Malinche

 :wache!: Mod-Hinweis: Die Beiträge hier haben sich mittlerweile deutlich vom eigentlichen Threadthema entfernt. @Der Inspektor, vor allem in deinen letzten Postings lese ich mehr persönliche Ansprache und Urteil gegenüber einem anderen Mitglied als Auseinandersetzung mit der Ausgangsfrage. Auch wenn du deine Ausführungen zum Teil mit Grundsatzfragen der Autor*innentätigkeit verquickst, überschreitest du mit deinen auf Wintersturm gemünzten Äußerung zum Teil Grenzen. Bitte beachte, dass wir hier Handwerkliches diskutieren – persönliche Unterstellungen und Angriffe sind fehl am Platz.

Ob und wie wir ausgehend von einem Text oder einzelnen Textaspekten – wie etwa der Gewaltdarstellung – über den*die Autor*in urteilen können, ist nicht Gegenstand dieses Threads. Bitte kehrt zum eigentlichen Thema zurück und bleibt anderen Mitgliedern gegenüber sachlich und fair, auch wenn ihr inhaltlich nicht übereinstimmt.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Der Inspektor

#144
@Malinche Okay, ich muss mich wohl noch ein bisschen an die Regeln und Bräuche im Forum gewöhnen. Tut mir leid, wenn das zu ausufernd war. :)
"Ich habe die Schlimmste aller Sünden begangen, die ein Mensch begehen kann. Ich war nicht glücklich." -Jorge Luis Borges, Die Reue

Sikania

Deutlich verspätet aber dennoch:

@Solmorn
Zitat von: Solmorn am 21. Januar 2022, 15:01:32
Zum eigentlichen Thema:
Ich denke, bei diesem Beispiel muss es gar nicht in exzessive Gewalt ausarten. Vielleicht beschreibst du einmal, was mit Karl passiert und gemacht wird, und die nächsten Male weiß man als Leser*in schon, was passiert, so dass du vorher ausblenden kannst und nur hinterher seinen körperlichen Zustand beschreiben musst.
Dass es vorhersehbar wird, halte ich für kein großes Problem. Je nachdem, welche Rahmenbedingungen herrschen, hat das immer gleiche Muster ja trotzdem unterschiedliche Folgen und Implikationen für Karl. Wenn ich in einer Szene weiß, dass Karl am Ende alles abkriegt, kann ich trotzdem mitfiebern, wenn sich abzeichnet, wie es immer und immer schlimmer wird, und wünsche mir vielleicht irgendwann, dass Karl es diesmal bittebitte nicht auf sich nimmt.

@Mondfräulein
Zitat von: Mondfräulein am 21. Januar 2022, 15:23:02
Ich persönlich würde mich hier auf die Folgen der Gewalt konzentrieren. So etwas macht ja etwas mit einem Menschen und verändert ihn. Du musst vielleicht die Gewalt nicht immer ausschreiben, um das deutlich zu zeigen. Die Gewalt verliert irgendwann die Wucht für die Leser*innen, aber die Folgen und Nachwirkungen der Gewalt, die psychischen Narben, lassen die Leser*innen am Ende wirklich spüren, was so etwas mit jemandem macht. Gerade dann hat es auch mehr Wucht, wenn sich deine Figur trotz allem wieder in die Schussbahn wirft, um jemanden zu retten.

Ich danke euch beiden sehr für diese Einschätzung und Ideen. Ich denke, damit kann ich gut arbeiten und dafür Sorgen, dass "Karl" mal auch in andere Richtungen gelenkt wird. Vor allem, was mit ihm passiert, wenn er es nicht schafft, jemandem zu helfen ist etwas, was sofort ein kleines Plotbunny geweckt hat  :jau:

Biene

Ich habe mir die von @Wintersturm angestoßene Unterhaltung im Januar mit großem Interesse durchgelesen, habe viel mit dem Kopf geschüttelt und viel genickt.
An erster Stelle möchte ich mich bei @Mondfräulein bedanken. Ich habe mich
ZitatDie Qualität des Textes leidet darunter, weil die Darstellung der Folgen von Gewalt vernachlässigt wird. Hier wird es schnell unrealistisch, obwohl das eigentlich das Wichtigste ist. Die Auswirkungen der Gewalt auf die Figuren sind doch das, was uns als Leser*innen wirklich mitfühlen lässt. Es kommt vor, dass sich Personen nicht mehr an jedes Detail eines schrecklichen Erlebnisses erinnern, aber trotzdem mit den Folgen zu kämpfen haben.
gleich ertappt gefühlt. Ich versuche zwar logisch und schlüssig zu schreiben, aber was die realistischen Folgen von Gewalt angeht, schludere ich. Ist mir bis jetzt nicht bewusst gewesen und kommt auf die To-Do-Liste.
Ich bin auch definitiv im Team weniger ist mehr. Allzu ausführliche Beschreibungen (egal von was) nehmen mir den Spaß am Lesen. Ich möchte gerne selber denken und meine Fantasie spielen lassen und nicht alles vorgekaut bekommen. Und was Darstellungen von Gewalt angeht, will ich das im Detail nicht wissen. Andeutungen reichen und meine Vorstellungskraft baut das Ganze dann in dem Maße aus, wie ich es verkraften kann, ohne Albträume zu bekommen – genau das, was hier schon mehrfach aufgeführt wurde.
So halte ich es auch, wenn ich schreibe und ich nutzte Gewalt nur, wenn es für die Story notwendig ist. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Charaktere zu quälen, ohne ihnen Schmerzen zuzufügen. Allerdings, wenn ich mir das so recht überlege, ist bei den Alternativen zur körperlichen Gewalt, oft psychische Gewalt mit im Spiel. Auch damit muss man vorsichtig umgehen, hier können die Auswirkungen auf den Leser ja ähnliche Folgen haben.
Tu erst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche. (Franz von Assisi)

AlpakaAlex

@Mondfräulein hat hier einfach so viele gute Takes! Lass mich das einmal laut aussprechen!  :herzchen: Hat natürlich viele Überschneidungen zu deinem Trauma-Thread. Aber eins. Ich schreibe hier mal was dazu.

Also, so ... Hot Take: Ich schreibe "quälen" von meinen Figuren in der Regel nicht aus. Denn ich gehe davon aus, dass die Leser*innen genug Empathie haben, um es auch ohne explizite Beschreibung zu verstehen. Das ist mir auch extrem wichtig. Ich möchte solche Dinge auch nicht explizit ausgeschrieben lesen. Das gilt vor allem für die Themenbereiche Vergewaltigung und Folter.

Ich habe mehrere Figuren, die Erfahrungen mit Vergewaltigungen haben - dazu habe ich ja im Trauma-Thema bereits etwas geschrieben. Es gibt auch eine Sidestory von Mosaik (Kontrolle), in der auch eins der schlimmsten Trauma der Protagonistin ihren Anfang hat. Aber hier ist die Sache: Ich schreibe es praktisch nicht aus - abgesehen von etwas am Anfang und etwas kurz bevor sie der Situation entkommt. Speziell beschreibe ich die Vergewaltigungen, die in dem Zug passiert sind, nicht. Ich blende weg, bevor es in der Situation zu der ersten Vergewaltigung kommt - und blende erst bei der letzten Vergewaltigung ehe sie entkommt wieder ein. Ich sehe absolut keinen Sinn darin, es detailreicher zu beschreiben, denn wer ob dieser Randbeschreibung nicht die Empathie aufbringen kann, der wird es auch nicht bei einer Detailbeschreibung tun. Das einzige, was in meinen Augen eine Detailbeschreibung erreicht ist, dass etwaige Betroffene getriggert werden, und etwaige Nicht-Betroffene sich daran aufgeilen. Beides Dinge, die ich nicht will.

Und es macht mich übrigens kaum etwas in den Medien so wütend, wie Männer, die über die Vergewaltigung von Frauen schreiben oder beispielsweise bei Filmen es für UNBEDINGT NÖTIG empfinden, Vergewaltigungen bildlich zu zeigen.  :happs: Letztes Jahr war ganz schlimm darin, weil gleich zwei kritisch gelobte Filme (The Last Duel und Midnight in Soho) es unbedingt für nötig hielten, das Thema auszubreiten - natürlich beides Filme, die von Männern gemacht wurden. Weil natürlich wäre die Handlung der Filme absolut nicht verständlich gewesen, wenn man es nicht bildlich gezeigt hätte, ne?  :wums: Argh.

Es gibt in meinen Augen wirklich einfach keinen Grund es auszuschreiben (oder in Filmen zu zeigen).

Grundlegend habe ich nichts dagegen, dass Figuren Qualen erfahren. Aber es muss eben nicht ausgeschrieben sein. Ausnahme sind halt Verletzungen, die in Kämpfen passieren und dergleichen.