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"Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem

Begonnen von Maja, 30. Mai 2018, 00:59:48

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Sparks

Hallo Blutfeder

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 23:01:52Wie @Mondfräulein vorgeschlagen hat, wäre es am einfachsten, einen übergeordneten Begriff zu finden, der für alle Geschlechter anwendbar ist. Nämlich sollte der Begriff für Frauen und Männer derselbe sein, die ,,auf Männer stehen" bzw. ,,die auf Frauen stehen".
Das macht es insofern einfacher, weil ich mit 2 (statt 4) Begriffen das Auslangen fände. Dennoch fehlen mir die Begriffe, egal wie viele an der Zahl.  :wums:  :rofl:

Tja. Entweder Du nimmst halt etablierte Begriffe, mit allen Ungenauigkeiten und Vorurteilen und ungewolltem Kontext, den diese Begriffe mit sich herumschleppen, oder Du lässt Dir etwas komplett neues einfallen.

Bei neuen Begriffen bist Du (scheinbar) von allen Ungenauigkeiten und Vorurteilen und ungewolltem Kontext befreit, aber der Leser kann ersteinmal nichts damit anfangen, und das bedeutet, dass Du es ihm irgendwie beibringen musst. Die Chance ist leider groß, dass der Leser dann den neuen Begriff, egal wie vorsichtig Du vorgehst, einfach mit etablierten Begriffen übersetzt, und, schwupps, tauchen wie ein Springkasper dadurch die alten Ungenauigkeiten, Vorurteilen und der ungewolltem Kontext wieder auf.

Auch Sprache hat eine gewaltige Trägheit und widersetzt sich Veränderungen.

Vieleicht funktioniert es, wenn Du es nicht erklärst, sondern dem Leser die Bedeutung erst so nach und nach klarwerden lässt. Vieleicht kannst Du dem Leser so etwas langsam und schonend beibringen, und vieleicht aktzeptiert der homophobe Leser ja einen schwulen Charakter, wenn er ihn zuerst einmal schätzen gelernt hat, und er dann anschliessend merkt, dass der schon die ganze Zeit schwul war....Das Problem ist, dass es auch ein Timing Problem ist, und es gibt auch bei Lesern "schnell" und "langsam" Merker.....

Wegen der Anzahl der Begriffe: Die ist bei etablierten Begriffen fast egal, weil es existieren für die vier Fälle schon mindestens vier Begriffe.
Wenn Du Dir neue einfallen lassen musst, sind vier statt nur zwei natürlich doppelte Arbeit.....

Aber siehe dazu Mondfräuleins Beitrag:
Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 23:19:35Ich habe keinen besseren Vorschlag, aber ich wollte einwerfen, dass man im Prinzip jedes schön klingende Wort nehmen kann, das man will.



Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 23:01:52Mit Mainstream hat das Ganze nicht viel zu tun, denke ich. Es sei denn du meinst etwas anderes, als das Thema der Begriffsuche?

Ich wollte das ganze sehr allgemein und abstrahiert darstellen. Weil diese Probleme eben auch allgemein sind, und nicht nur das Gebiet "queere Sexualität" betreffen.
Das ist mir anscheinend nicht geglückt.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Blutfeder

@Sparks
Sobald ich auf das Thema zu sprechen komme, werde ich den Leser zwangsläufig mit den Unterschieden der Begriffe konfrontieren. Das geht gar nicht anders, weil einer meiner Charaktere (in unserer Sprache ausgedrückt) Heteroromantisch und pansexuell ist. Im Gegensatz zum Menschen ist der Akt bei Tieren oftmals Mittel zur Kommunikation. Beispielsweise ein männliches Wesen, das ein anderes Männchen (sexuell) dominiert. Man würde nie in die Verlegenheit kommen, diesen Chara als ,,schwul" zu bezeichnen.

Im Gegenzug habe ich einen weiblichen Charakter, die heterosexuell und biromantisch ist.

Man kann mit Klischees und Vorurteilen nur aufräumen, wenn man sie bricht und neu zusammensetzt. Ich will von diesem Schwarz-weiß-denken weg. Nur weil ich einmal mit einer Frau schlafe oder sie küsse, bin ich noch lange nicht lesbisch. Unser Sprachgebrauch gibt jedoch keinen anderen Begriff her.



@der Rabe
Ich bin von deinem Wissen wirklich beeindruckt. Absolut unsagbar. Und du motivierst mich dazu, mir ein Exemplar des Duden anzuschaffen. Wesentlich besser, als das Internet dafür zu nutzen. Ich bastel gedanklich schon weiter. Vielen Dank!
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Sparks

Hallo Blutfeder.

Zitat von: Blutfeder am 19. September 2022, 08:08:42Im Gegensatz zum Menschen ist der Akt bei Tieren oftmals Mittel zur Kommunikation. Beispielsweise ein männliches Wesen, das ein anderes Männchen (sexuell) dominiert. Man würde nie in die Verlegenheit kommen, diesen Chara als ,,schwul" zu bezeichnen.

Hast Du Dich jetzt irgendwie vertippt? Der Geschlechtsakt ist doch aus den gleichen Gründen (und anderen) auch bei Menschen eine Kommunikation.

Fast allen Vergewaltigungen (sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen) liegt das Bedürfnis Macht auszuüben zugrunde. Sexuelle Bedürfnisse sind dafür eigentlich kein ernst zu nehmender Grund. Das hat ja auch irgendwann mal zu einer strafrechtlichen Neubewertung von Vergewaltigungen geführt. Eine Quelle kann ich Dir jetzt nicht angeben. War die persönliche Mitteilung einer Psychologin in einer Diskussion.

Abgesehen davon:
Nach Schulz von Thun kann man nicht "Nicht Kommunizieren", weil auch das Verweigern der Kommunikation eine Kommunikation ist.


Zitat von: Blutfeder am 19. September 2022, 08:08:42Man kann mit Klischees und Vorurteilen nur aufräumen, wenn man sie bricht und neu zusammensetzt. Ich will von diesem Schwarz-weiß-denken weg. Nur weil ich einmal mit einer Frau schlafe oder sie küsse, bin ich noch lange nicht lesbisch. Unser Sprachgebrauch gibt jedoch keinen anderen Begriff her.

Das ist ja auch richtig. Aber Du dürftest viele Leute damit einfach überfordern. :)


Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Blutfeder

@Sparks
Ich spreche eindeutig nicht von Vergewaltigungen. Mit solchen Aussagen wäre ich verdammt vorsichtig. Zum einen wäre das die Verherrlichung einer Straftat, zum anderen gibt es unter Tieren Vorgehensweisen, die sich die meisten Menschen nicht einmal vorstellen können.
Zum Thema Tatmotiv eines Vergewaltigers: Die meisten Opfer von Vergewaltigungen sind tatsächlich das Objekt der (sexuellen) Begierde des Täters. Wusstest du, dass diese Straftat am häufigsten innerhalb einer Beziehung verübt wird? Ich schenke (Kriminal)Statistiken grundsätzlich wenig Glauben, aber bei solchen Fragen dienen sie als guter Anhaltspunkt.

Naja gut, aber die meisten Menschen sind auch mit den alltäglichen Problemen des (mitteleuropäischen) Lebens überfordert.  :rofl:
Der Entertainment-Faktor ist bei solchen Charakteren auf jeden Fall gegeben.
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Fianna

Es geht bei Vergewaltigungen nicht um Begierde, auch nicht bei Beziehungstaten, sondern um Kontrolle, Macht, Dominanz.

Maubel

 :wache!:

Wie @Fianna bereits geschrieben hat, geht es bei Vergewaltigungen nicht um sexuelle Begierde. Darüber müssen wir in diesem Forum nicht diskutieren.

Da dieses Thema für Betroffene sehr verletzend ist und außerdem am Threadthema vorbeiführt, möchte ich euch @Blutfeder und @Sparks bitten, diese Diskussion zu beenden und zum etymologischen Thema zurückzukehren.

Sandschlange

#96
Hallo an alle!

Ich habe mir jetzt so ziemlich alle Beiträge durchgelesen und auch, wenn ich glaube, etymologisch nichts beitragen zu können, will ich auf die Möglichkeit eingehen, auf bestimmte (differenzierende) Begriffe zu verzichten, die ja schon häufiger genannt worden ist. Ich glaube aber auch, dass das nur möglich ist - und auch das wurde schon genannt oder angeschnitten - wenn in der (Fantasy-)Welt, die man aufbaut, jede Form der Sexualität als normal angesehen wird. Ich glaube zwar - und das müsste man jetzt nachprüfen, denn es wurde mir erzählt - dass es auch in Japan keine Begriffe dafür gibt, aber das hat wohl eher damit zutun (wenn es denn stimmt), dass es ein Tabuthema ist.

Wenn ich sage, dass auf differenziertende Begriffe im Bereich Sexualität verzichtet werden kann, dann meine ich das nur in dem Fall, in dem es kein Tabu-Thema ist. Ein gutes Beispiel dafür wäre die Serie Arcane. Dort wird in einer Szene gefragt: "Wen bevorzugst du?" - die Frage ergibt sich aus dem Plot heraus, die Selbstverständlichkeit mit der die Frage gestellt wird und die Reaktion der befragten Figur zeigt deutlich, dass die Antwort gesellschaftlich irrelevant ist und nur für den Plott Bedeutung hat. Die Macher der Serie selbst haben gesagt, dass sie keine Notwendigkeit sahen, dass sie eine Fantasywelt schaffen wollten (das ist kein wörtliches Zitat), in der es egal ist, wer wen liebt. Kurz gesagt: Die Serie Arcane schafft es Sexualität und auch Gender(-kritisch) zu sein, indem sie Geschlechterrollen und Vorstellungen aufbricht, ohne dass sie die Themen explizit behandelt. Es zeigt sich alleine durch die Interaktion der Charaktere und die Struktur der Gesellschaft und dabei ist es trotzdem kein Tabuthema. Es ist einfach so normal, dass es verschiedene Menschen gibt die verschiedene Menschen lieben und es ist auch so normal, dass es verschiedene Geschlechter gibt, das eben nicht darüber gesprochen werden muss. Trotzdem kommt die Botschaft beim Zuschauer an. Das zumindest war mein persönlicher Eindruck.

Problematisch wird es natürlich dann, wenn man von einer Fantasy-Welt schreibt, in der es diese Probleme sehr wohl gibt. Insbesondere wenn man eine ganze Welt aufbaut. Ich weiß auch nicht, ob da eine Differenzierung über Begriffe genug sein kann. Man hat ja auch eine eigene Geschichte, eigene Gründe, weshalb diese Begriffe entstanden sind, wieso überhaupt differenziert wird. Ich persönlich glaube nämlich, dass Begriffe erst dann entstehen, wenn man Dinge voneinander unterscheiden will und/oder wenn man sich von etwas anderem abgrenzen will (also um zu zeigen: So wie du bin ich nicht). Kann auch sein, dass ich damit völlig falsch liege, aber für mich ist das ein Grund, weshalb ich eher auf die erste Strategie zurückgreifen will - also keine Begriffe, weil die Notwendigkeit sich nie ergeben hat.

Ich hoffe diese kleinen Ausführungen helfen irgendjemandem weiter. :)
Der Frieden kennt keine Opfer.