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"Schwul" und "lesbisch" in der Fantasy - ein etymologisches Problem

Begonnen von Maja, 30. Mai 2018, 00:59:48

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pyon

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12@pyon
Die Frage ist nur, ob ich etwas ,,Schändliches" erst anders nennen muss, um ihm den negativen Beigeschmack zu verpassen. Oder ob es nicht effektiver ist, es vom Tabu-Thema zum Alltag zu machen. Dazu braucht es aber wesentlich mehr, als nur ein ,,neutrales" Wort. Dazu braucht es Vorbilder, wenn nicht sogar ,,Helden". Was ich zB. an unserer Gesellschaft überhaupt nicht ausstehen kann, ist der Drang, alles schönreden zu müssen. Oder über alles meckern zu müssen. Find ich beides unnötig. Neutral sollte das Ziel sein. Alles weitere ergibt sich zwangsläufig aus dem Kontext.

Moment. Moment.
Ich habe gerade das Gefühl, wir weichen von dem ab, worum es geht - bzw. worum es mir gegangen ist, als ich den ersten Post verfasst habe. Und ich habe das Gefühl, dass mir gerade etwas unterstellt wird, das ich so nicht gesagt habe bzw. auch niemals so sagen würde. Wo sind wir beide denn falsch abgebogen?  :hmmm:  Du hat ein Wort für Homosexualität gesucht, dass "gutdeutsch", "alt" und "neutral" klingt (So deine Worte im ersten Post) und dich dann auf das Mittelalter bezogen. Ich wollte dir aber nur auf den Weg geben, dass die Begriffe für Homosexualität diesen negativen Unterton haben, der auch in dem von dir vorgeschlagenem "knabig" und "knechtig" steckt und gerade wenn man Freiheiten hat, kann man dem ganzen doch auch den positiven Unterton geben, den das Wort mMn verdient hat. Oder ein neutraler Unterton. Es kommt halt ganz auf die Welt darauf an, die du darstellen willst. Es kann ja auch von Ort zu Ort / Land zu Land unterschiedlich sein.

Ich meine, ich schreibe gerade zum ersten Mal Romantasy mit einem M/M-Couple und ich hab mich dafür entschieden, das gar nicht zu thematisieren, weil das in der Welt einfach normal ist. Ich will einen Fantasy-Roman schreiben in dem es um Liebe geht, egal in welcher Form. Deshalb gibt es bei mir auch keine negative Konnotation für Homosexualität.

Wie gesagt, es kommt halt sehr darauf an, wie die Welt aussieht, in der eine Charaktere leben. Aber mich würde es halt freuen, wenn wir von diesem ständig negativen Unterton wegkommen würden. Aber das ist nur mein persönliches Empfinden.

Um zu deiner Frage zurückzukommen: Im Mittelalter war "Minne" eine Art von Liebe. Also steht dir eigentlich nichts im Weg, dir ein vollkommen neuen Wort auszudenken. Sie wurde unterteilt in "hohe" und "niedere Minne", was - grob gesagt - mit dem Stand der Frau zu tun hatte, die eben angebetet wurde. Du kannst dir so etwas auch für deine Welt überlegen und Adjektive nutzen, die für deine Welt eben passen.

Mondfräulein

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Ich denke, dass jeder Mensch, der auch nur annähernd unvoreingenommen ist, weiß, wie es in (homosexuellen) Beziehungen wirklich läuft. Nämlich genauso individuell, wie in allen anderen auch. Dennoch kann man alles und jeden in ein Klischee drängen. Viel wichtiger ist, welche Geschichte man erzählt.

Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen. Aber es ist auch völlig in Ordnung, das nicht zu wissen. Ich möchte das sehr ungern als selbstverständlich voraussetzen, weil das Leute davon abhält, ehrlich zu fragen, sich zu informieren und die Bereitschaft zu entwickeln, dazuzulernen. So etwas nicht zu wissen, ist sonst nämlich sehr schnell mit Scham verbunden, dabei wollen wir doch, dass die Leute zuhören und dazulernen.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Meiner Meinung nach gibt es einen schmalen Grad zwischen ,,politisch korrekt" und ,,überempfindlich". Egal ob es um die sexuelle Orientierung, die Gleichberechtigung, das Gendern, oder was auch immer geht. Zu viel ist genauso nervig, wie zu wenig. Das ist meine Sicht der Dinge.

"Politisch korrekt" ist ein rechter Kampfbegriff.

Wie nervig diese Themen sind hängt aber auch sehr davon ab, wie sehr man davon betroffen ist und welche Grundhaltung man zu diesen Themen hat. Wer homophob ist, ist von gleichgeschlechtlichen Pärchen in Büchern oder Filmen viel schneller genervt. Wer selbst queer ist, kann vielleicht gar nicht genug davon bekommen. Es gibt deshalb kein objektives "zu wenig", "genug" und "zu viel".

Mindi

#77
@Blutfeder
Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?
Oder ist es das nicht?
Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden - ist es in der mittelalterlichen Welt deines Romans absolut normal, dass ein Mensch einen anderen unabhängig des Geschlechts lieben kann und dass es keine negativen Auswirkungen für ein gleichgeschlechtliches Paar gibt? Dann würde ich dem vermutlich keinen Begriff geben, auch keinen deutschen, sondern es einfach nur zeigen. Dadurch wird es zu neutralem Terrain. Wenn ein Mann von seinem Ehemann spricht, oder eine Frau von ihren Ehemännern. (Ja, Mehrzahl.)
Und selbst wenn sich beispielsweise zwei Frauen über Paul unterhalten, eine ihn attraktiv findet oder was auch immer - dann könnte die andere genauso sagen "Mach dir keine Hoffnungen, Paul liebt Männer." Das ist genauso kurz und prägnant wie "Paul ist schwul" "Paul ist knabig" (Ich finde dieses Wort auch furchtbar und denke dabei zuerst, dass damit eine pädophile Störung angedeutet wird). Falls es nicht um Liebe geht "Paul begehrt Männer".
"When we are asleep in this world, we are awake in another." - Salvador Dalí

Mondfräulein

@Mindi: Ich glaube, grundsätzlich kann das genauso gut funktionieren. Ich würde das von der Welt an sich abhängig machen. Wird hier überhaupt über Sexualität und Sex geredet? Wenn ja, auf welche Weise? Wie geht man generell damit um? Welche Haltung hat man zu Sex und Sexualität allgemein? Dann ergibt es sich aus dem Weltenbau heraus, ob man einen Namen dafür braucht oder nicht.

Aber ja. Gute Repräsentation kann auch funktionieren, ohne dass man explizit einen Namen dafür hat. Besonders wenn es völlig selbstverständlich ist, kaufe ich es der Welt oft ab, dass sie keinen extra Namen dafür haben, einfach weil sie ihn nicht brauchen.

Blutfeder

#79
Da das Gespräch gerade etwas destruktiv wird und das nicht mein Ziel war, bin ich so frei und komme auf mein Anliegen zurück.

@Mindi
Ich brauche einen Begriff, weil ich ihn einfach haben will. Es ist für mein Worldbuilding notwendig, eine eigene Sprache zu kreieren. Die Übersetzung ins Deutsche kann und darf gelegentlich selbstgebastelte Worte enthalten.

Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Genauso verhält es sich mit gewissen Verben oder Adjektiven in meiner Geschichte. Für mich sind sehr viele Begriffe wichtig, die das Handeln, Wahrnehmen und Empfinden beschreiben. Der Grund dafür: In meiner Story gibt es einen Ort, an dem nie ein Mensch gelebt hat und auch keiner leben kann. Es gibt demnach unzählige Begriffe, die ich einfach erfinden muss.

Da es is meinem Universum keine (menschliche) Gesellschaft gibt, und die Moral von der Geschichte ist, dass ,,der Mensch" nur ,,schlechtes" gebracht hat, gibt es keine Vorurteile/Ablehnungen oder was auch immer.

Dennoch macht es bei meinen Wesen einen Unterschied, was sie tun und warum sie es tun. Wir haben in unserer ,,Menschensprache" für den Akt des Geschlechtsverkehrs nur einen Begriff bzw. mehrere Synonyme, die beinahe dasselbe ausdrücken. Mir fallen akut jedoch 3 verschiedene Motivationen für den Akt ein, ohne auch nur an die sexuelle Orientierung zu denken. Und ich habe vor, weil das in meiner Welt nunmal wichtig ist, für solche Feinheiten verschiedene Begriffe zu finden.

Im besten Fall etablieren sie sich in unserer Gesellschaft. Das würde, bei wahrheitsgemäßer Verwendung, viel (Liebes)kummer und Drama ersparen.



@pyon
Hast du eine Idee für ,,eingedeutschte" Wortkreationen? Mein Roman spielt in der Gegenwart bzw. nahen Zukunft. Wie du schon sagst, würde ich mein Projekt gerne nutzen, um mehr Verständnis und Akzeptanz (oder zumindest Toleranz) ,,unters Volk" zu bringen.
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Mondfräulein

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:11:53Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Wir können uns etwas drunter vorstellen, weil wir die Bücher gelesen haben. Auf Englisch ("apparate"/"disapparate") finde ich die Begriffe tatsächlich sehr viel weniger originell, weil man sofort an "appear" und "disappear" erinnert wird. Vielleicht ist der Ursprung das latinische "apparere", aber da müsste ich spekulieren.

Worauf ich hinaus will: Bedien dich ruhig an anderen Sprachen. Das tun viele, wenn sie Sprachen erfinden. Tolkien hat das auch getan (sagt zumindest der Spielfilm). Klingonisch borgt sich viele Wörter aus allen möglichen Sprachen. Vielleicht kann man ja auch aus althochdeutschen Wörtern etwas zusammensetzen?

Blutfeder

Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 21:29:41
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:11:53Ein Beispiel von J.K. Rowling wäre ,,apparieren" (ich glaub so schreibt sich das auf Deutsch). Das Wort gibt es nicht, aber jeder kann sich was darunter vorstellen. Es ist einfach notwendig, diesen Vorgang zu bennen, weil es weder fliegen, noch teleportieren ist.

Wir können uns etwas drunter vorstellen, weil wir die Bücher gelesen haben. Auf Englisch ("apparate"/"disapparate") finde ich die Begriffe tatsächlich sehr viel weniger originell, weil man sofort an "appear" und "disappear" erinnert wird. Vielleicht ist der Ursprung das latinische "apparere", aber da müsste ich spekulieren.

Worauf ich hinaus will: Bedien dich ruhig an anderen Sprachen. Das tun viele, wenn sie Sprachen erfinden. Tolkien hat das auch getan (sagt zumindest der Spielfilm). Klingonisch borgt sich viele Wörter aus allen möglichen Sprachen. Vielleicht kann man ja auch aus althochdeutschen Wörtern etwas zusammensetzen?

In diesem Fall finde ich ,,weniger originell" tatsächlich maximal erstrebenswert.
Mein Anliegen poste ich hier, weil mir bis jetzt eben kein passender Begriff eingefallen ist. Und ich bastle nun schon eine ganze Weile an meinem Projekt  :hmmm:
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Sparks

#82
Hallo Mindi und Mondfräulein

Zitat von: Mindi am 18. September 2022, 19:09:37Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?
Oder ist es das nicht?

"Normal" ist alles in einem Bereich mittig unter der Gausglocke (oder halt da wo eine andere zum Problem passende Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion ihren Erwartungswert definiert).
Wo diese Stelle ist, sagt die Statistik der Welt.
Wie weit Abweichungen von dieser Mitte toleriert werden, sagt etwas über die Toleranz dieser Welt aus.

Aber: Selbst wenn es normal ist, werden für die unterschiedlichen Fälle unterschiedliche Begriffe existieren.
Sobald unterschiedliche Begriffe existieren, werden diese Begriffe eine Wertung beinhalten, und wenn es nur winzige Nuancen sind.

Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 18:54:52
Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 12:16:12Ich denke, dass jeder Mensch, der auch nur annähernd unvoreingenommen ist, weiß, wie es in (homosexuellen) Beziehungen wirklich läuft. Nämlich genauso individuell, wie in allen anderen auch. Dennoch kann man alles und jeden in ein Klischee drängen. Viel wichtiger ist, welche Geschichte man erzählt.

Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen.

Da muss ich Mondfräulein zustimmen. Wenn ich als heterosexueller Cis-Mann ("Vollhete") nur alle paar Jahre mal mit homosexuellen (bzw. mir überhaupt als homosexuell zu erkennenden/bekannten) Personen Kontakt habe, habe ich immer nur Momentaufnahmen von wenigen homosexuellen Leuten in einem engen Zeitfenster. Meine Psyche neigt dazu, dieses dann auf andere "homosexuelle Fälle" zu extrapolieren, und das ist halt selten wirklich zutreffend, wenn ich vermute, dass das Verhalten homosexueller Leute genauso streut wie das heterosexueller Leute.
Die Medien kippen dann nochmal was dazu, und fertig ist eine Suppe......Ok, Medien vermitteln mir als sowieso etwas abseits stehnder Person ein gewisses "Gefühl" für Trends und "Zeitgeist", aber solche Gefühle sind halt nicht immer zutreffend. Trotzdem extrapoliere ich natürlich auch Trends und Zeitgeist auf andere Gruppen, wobei mir aber schon klar ist, dass das schief gehen kann.

Und das ist jetzt unabhängig davon, ob ich unvoreingenommen bin, oder nicht. Die Psyche urteilt immer, auch wenn sie wegen Informationsmangels besser nicht urteilen sollte.

Zitat von: Mondfräulein am 18. September 2022, 18:54:52"Politisch korrekt" ist ein rechter Kampfbegriff.

In Diskussionen verwenden sie oft Begriffe und stellen sie in einen komplett anderen Zusammenhang. Das macht dann, das man mit ihnen diskutieren kann und spricht aber über komplett unterschiedliche Dinge. Wenn man das nicht bemerkt, gerät man schnell in einen ungewollten Konsens. Diese Eigenschaft teilen sie mit Sekten.
Begriffe werden dann glitschig und schwer greifbar wie zappelnde Fische.

Zitat von: Mindi am 18. September 2022, 19:09:37"Paul ist knabig" (Ich finde dieses Wort auch furchtbar und denke dabei zuerst, dass damit eine pädophile Störung angedeutet wird).

Meine erste Assoziation wäre "knauserig" gewesen. Bei Erkennen der Dissonanz mit dem Kontext dann ein "oh, ich bin falsch abgebogen" Feeling.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Blutfeder

Zitat von: Sparks am 18. September 2022, 22:11:04Ich glaube das tatsächlich nicht. Wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, dann ist es leicht, nicht zu wissen, was jetzt Klischee und was realistisch ist. Egal wie unvoreingenommen man ist, wer wenig Berührungspunkte mit dem Thema hat, kann die Informationen, die durch Medien, Filme und Fernsehen kommen, oft nicht einordnen.

Da muss ich Mondfräulein zustimmen. Wenn ich als heterosexueller Cis-Mann ("Vollhete") nur alle paar Jahre mal mit homosexuellen (bzw. mir überhaupt als homosexuell zu erkennenden/bekannten) Personen Kontakt habe, habe ich immer nur Momentaufnahmen von wenigen homosexuellen Leuten in einem engen Zeitfenster. Meine Psyche neigt dazu, dieses dann auf andere "homosexuelle Fälle" zu extrapolieren, und das ist halt selten wirklich zutreffend, wenn ich vermute, dass das Verhalten homosexueller Leute genauso streut wie das heterosexueller Leute.
Die Medien kippen dann nochmal was dazu, und fertig ist eine Suppe......Ok, Medien vermitteln mir als sowieso etwas abseits stehnder Person ein gewisses "Gefühl" für Trends und "Zeitgeist", aber solche Gefühle sind halt nicht immer zutreffend. Trotzdem extrapoliere ich natürlich auch Trends und Zeitgeist auf andere Gruppen, wobei mir aber schon klar ist, dass das schief gehen kann.

Und das ist jetzt unabhängig davon, ob ich unvoreingenommen bin, oder nicht. Die Psyche urteilt immer, auch wenn sie wegen Informationsmangels besser nicht urteilen sollte.
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Ich verstehe natürlich, was du meinst. Aber würdest du dann tatsächlich über dieses Thema schreiben oder darauf in deinen Geschichten näher eingehen? Was ich meine ist, dass ich mir schwer damit täte, den Vorgang zu beschreiben, wenn eine Mechanikerin einen Motor auseinander/zusammen baut. Ich hab nämlich absolut keinen Tau davon.

An der Stelle gibts für mich zwei Optionen: Entweder ich praktiziere ,,tell" statt ,,show". Oder ich informiere mich und recherchiere, bevor ich die Szene schreibe.
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Sparks

Hallo Blutfeder.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 21:35:10In diesem Fall finde ich ,,weniger originell" tatsächlich maximal erstrebenswert.
Mein Anliegen poste ich hier, weil mir bis jetzt eben kein passender Begriff eingefallen ist. Und ich bastle nun schon eine ganze Weile an meinem Projekt  :hmmm:

Du befindest Dich in einem Dilemma. Wenn Du Schwierigkeiten hast einen Begriff zu finden,  dann wird dieser gesuchte Begriff selten verwendet, sonst wäre er Dir vermutlich geläufig. Aber Seltenes ist irgendwie automatisch auch immer "exotisch", mindestens aber "ungewöhnlich".

Ich verstehe schon Dein Bestreben, sehr nahe am "Mainstream" zu bleiben, um in einer Art Tarnung andere Verhaltensmuster zu etablieren, ohne das es einer mitbekommt.

Aber das ist halt aus zwei Gründen problematisch:

1) Unsere Sprache orientiert sich an unseren Gewohnheiten. Für andere Gewohnheiten hat unsere Sprache dann eben auch Begriffe, deren Verwendung automatisch das Anderssein unterstreicht.

2) Machst Du das nicht, und würdest Mindis Vorschlag oben: "Was spräche dagegen, dem "schwulsein" keinen Begriff zu geben, wenn es in deiner Welt normal ist?" folgen, und das einfach mit üblichen Begriffen (der Normalität?) zu bezeichnen aber dem Leser anhand des Kontextes das "schwulsein" kenntlich machen, würdest Du durch diese Dissonanz ein surrealistisches Feeling erzeugen.

Das muss keinen schlechten Roman ergeben, ganz im Gegenteil, das kann gut funktionieren, aber ob das zu Deinem didaktischen Plan noch passen würde, kann ich nur mutmaßen.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

der Rabe

Hej Blutfeder, weil du meintest, du hättest gerne was Altdeutsches (o.ä.) habe ich mal mein etymologisches Wörterbuch gewälzt, vielleicht kannst du damit was anfangen. Es hat folgende Herleitungen, die für dich vielleicht interessant sind:

Kerl hat sich zwar erst im neuhochdeutschen so richtig durchgesetzt, aber es stammt über mittelhochdeutsch ,,Karl[e]" (Mann, Ehemann, Geliebter) von der germanischen Wurzel ,,ger-" (reif, alt, morsch werden) ab. Verbindung gibt es zu griechisch ,,gérōn" (Greis) und ,,gēras" (Alter). (Verbindung zu Geriatrie)

Mann ist ein Wort, das sich über die Zeit wenig verändert hat. Es gibt Gotisch ,,manna" und Indogermanisch ,,manu-" oder ,,monu-" zurück.

Knecht, Mittelhochdeutsch für ,,Knabe, Junggeselle, Bursche" und ähnliches was quasi das Gegenteil vom Kerl ist. (und der englische ,,knight" leitet sich davon ab) Verbindung zu Westgermanisch ,,knehta-", ebenfalls ,,Knabe, Jüngling", ,,das vielleicht eigentlich ,,Knüppel, Stock, Klotz" bedeutet". Heißt, Genaues weiß man nicht, oder damals nicht, mein Wörterbuch ist ziemlich alt. Hinweis auf das Wort ,,knechten", also unterdrücken.


Ich möchte darauf hinweisen, dass es mir jedenfalls wichtig wäre, auch ein Wort für die weibliche gleichgeschlechtliche Liebe zu finden. Ich habe in den letzten Monaten selber viel gesucht und festgestellt, dass es ungleich mehr Wörter für Männer, die sich weiblich geben oder kleiden gibt, als umgekehrt, und ich muss sagen, dass mich das wurmt, dass die andere Seite irgendwie immer unter den Teppich gekehrt wird. Darum hier der Service für dich auch für folgende Wörter (und nimm hier meine Entschuldigung entgegen, falls du dafür schon ein Wort hattest, bzw. das kein Thema ist. Was ich dann wieder etwas schade fände ...):

Weib: Mittelhochdeutsch ,,wip", Althochdeutsch ,,wīb", kennen wir aus Englisch ,,wife". Herkunft ist unsicher, eventuell gehört es zu Indogermanisch ,,uei-b-" mit der Bedeutung ,,(sich) drehen, umwinden, umhüllen, schwingend bewegen", aus dem sich Wörter wie altindisch ,,vēpatē" (regt sich, zittert", lateinisch ,,vibrare" (zittern) entwickelt haben. Vielleicht auch das Wort Weide. Also entweder die, die umhüllt ist (z.B. als Braut) oder die, die sich im Haushalt hin und her bewegt.

Frau kommt über Mittelhochdeutsch ,,vrouwe" und Althochdeutsch ,,frouwe" von einem germanischen Wort für ,,Herr", das im Gotischen ,,frauja" lautete. (altsächsisch ,,frōio" und altenglisch ,,friega" (Herr) Verbindung zur Göttin Freyja bzw. Gott Freyr) Hier gibt es eine Verbindung zu indogermanisch ,,pro-", was von der Bedeutung her Sachen wie ,,vorwärts, voran, der*die Erste, Vorderste" hervorgebracht hat. Verbindung gibt es hier auch zu ,,Fürst". Also, eine sehr hochstehende weibliche Person, angesehen usw.

Magd kommt von Mittelhochdeutsch ,,maget" (Mädchen, Jungfrau, dienendes, unfreies Mädchen), über Althochdeutsch ,,magad" (gleiche Bedeutung), Gotisch ,,magaϷs" (Jungfrau) und kommt erstaunlicherweise von einem gemeingermanischen Wort für ,,Knabe, Jüngling", das sich nur in Altsächsisch ,,magu" oder Gotisch ,,magus" (jeweils Knabe) wiederfindet.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe:

Blutfeder

#86
@Sparks
Wie @Mondfräulein vorgeschlagen hat, wäre es am einfachsten, einen übergeordneten Begriff zu finden, der für alle Geschlechter anwendbar ist. Nämlich sollte der Begriff für Frauen und Männer derselbe sein, die ,,auf Männer stehen" bzw. ,,die auf Frauen stehen".
Das macht es insofern einfacher, weil ich mit 2 (statt 4) Begriffen das Auslangen fände. Dennoch fehlen mir die Begriffe, egal wie viele an der Zahl.  :wums:  :rofl:

Mit Mainstream hat das Ganze nicht viel zu tun, denke ich. Es sei denn du meinst etwas anderes, als das Thema der Begriffsuche?



@der Rabe
Wow, vielen herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. An dem einen oder anderen Begriff bin ich tatsächlich schon ,,vorbei gekommen".

Ursprünglich wollte ich 4 Begriffe kreieren, 2 für Männer und 2 für Frauen. Das hat sich aber, wie oben schon erwähnt, zum Glück etwas reduziert. Tatsächlich bin ich nach beiden Begriffen gleichermaßen auf der Suche. Für einen wäre ich schon sehr dankbar, weil sich dann der zweite bestimmt leichter herleiten lässt.

In meiner Sprache hätte ich schon zwei Begriffe, allerdings weiß ich noch nicht, ob ich sie behalten werde.

heandt - an Männern interessiert
siandt - an Frauen interessiert
"Alles im Leben hat seinen Preis."

Sparks

Hallo Blutfeder

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 22:26:47Ich verstehe natürlich, was du meinst. Aber würdest du dann tatsächlich über dieses Thema schreiben oder darauf in deinen Geschichten näher eingehen? Was ich meine ist, dass ich mir schwer damit täte, den Vorgang zu beschreiben, wenn eine Mechanikerin einen Motor auseinander/zusammen baut. Ich hab nämlich absolut keinen Tau davon.

Zugegeben, in dem Punkte habe ich es mir im bisherigen (Schreib)Leben immer sehr leichtgemacht, weil ich immer nur als Beobachter etwas beschrieben habe.
Und wenn ich etwas beschrieben habe, wovon ich keine Ahnung habe, ist der ebenso keine Ahnung habende Leser (meistens) auf dem gleichen Stand wie ich, und einem fachkundigen Leser ist auch klar, dass ich keine Ahnung habe.
Ich versuche aber immer, meinen Beobachterstatus klarzustellen.

Zitat von: Blutfeder am 18. September 2022, 22:26:47An der Stelle gibts für mich zwei Optionen: Entweder ich praktiziere ,,tell" statt ,,show". Oder ich informiere mich und recherchiere, bevor ich die Szene schreibe.

Mmmh. Auf mein obiges geschriebenes bezogen bedeutet dass, ich erzähle wie ich etwas "zeige" (bzw. mache).
Eine etwas abstrakte herangehensweise. Manchmal klappt es, manchmal nicht.
Aus der "Ich"-Perspektive ist die Chance dass es klappt noch am größten, weil das dann nicht ganz so abstrakt ist.
Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Depression

Mondfräulein

Ich habe keinen besseren Vorschlag, aber ich wollte einwerfen, dass man im Prinzip jedes schön klingende Wort nehmen kann, das man will. Die Begründung kann man sich später zusammenreimen. Zum Beispiel das Wort "lesbisch": das kommt von "Lesbos", der Name einer griechischen Insel, auf der die Dichterin Sappho gelebt hat, die viele Gedichte über die Liebe zwischen Frauen geschrieben hat. "Sapphic" wird im englischsprachigen Raum oft als Begriff für Frauen, die Frauen lieben genutzt. Ich kann also in meinem Fantasyroman eine ähnliche Geschichte erfinden und den Begriff, den ich nutze, auf eine Person oder einen Ort oder so etwas zurückführen.

der Rabe

*g*
Falls du noch was brauchst, wie wäre es dann mit folgenden:

Gleich -> mhd. ,,gelīch", ahd. ,,galīh", got. ,,galeiks". (engl. ,,like")
Anders -> mhd./ahd. ,,ander", got. ,,anϷar" (engl. ,,other"); altind. ,,ántara-h"
Beide -> mhd., ahd. ,,beide" oder ,,bēde" (engl. ,,both"), verm. aus ,,bē de" bzw. ,,beidiu" und daraus ,,ambhou"

Sorry für die Kürze. Muss ins Bett.
Bist du erst unten im Tal angekommen, geht es nur noch bergauf. (C) :rabe: