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Die Situation deutscher Schriftsteller

Begonnen von Manja_Bindig, 31. Mai 2011, 13:45:23

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Kerimaya

#30
Genau das Thema ist auch Mittelpunkt der Autorinnenvereinigungstagung im August. Autorinnenvereinigungstreffen Ich bin über mein Praktikum dorthin eingeladen worden und wer mal fleissig Stichpunkte machen und bei Interesse hier posten.

Manja_Bindig

Jepp, und genau das ist - und war anscheinend schon immer - das Problem.

Deutschland definierte sich schon immer als Kulturland - wohl, weil die Nationalstaatsgründung so ewig lang auf sich hat warten lassen, also musste man sich über eine gemeinsame Kultur und deren Ikonen definieren.

An diesen Ikonen wird jeder neue Autor mehr oder minder gemessen.
... es sei denn er schreibt Fantasy und Science Fiction. Das taugt ja eh nix.

... und außerdem kann er den Test ja eh nicht bestehen, an die großen Meister kommt ja keiner ran, warum versuchen die jungen Autoren der Hohen Schule das denn immer wieder, statt einen eigenen Stil zu suchen?! (umgekehrt wird einem dann wieder Unterhalterei vorgeworfen...)

So denken Kritiker (nicht alle, aber leider sehr, sehr viele) und so denken auch nicht wenige Autoren. Ich persönlich habe an mich den Anspruch, spannende, mitnehmende Geschichten zu erzählen, die meinen Leser sowohl inhaltlich als auch sprachlich herausfordern aber weder zu Tode langweilen (sonst nimmt er die Herausforderung gar nicht erst an), noch überladen (sonst lehnt er sofort ab).
Mit anderen Worten, ich schreibe Unterhaltungsliteratur. Und wir alle wissen, dass gute Unterhaltungsliteratur um einiges verbreiteter und beliebter ist, als gute "Hohe" Literatur. (und witzigerweise betrachten wir heute das als hohe Literatur, was seinerzeit anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur war. Thomas Mann kommt in den Sinn. Oder "Die Leiden des jungen Werther").

Das scheint mir auch das Dilemma im Verlagswesen.
Unterhaltungsliteratur wird gekauft und verlegt, aber hier kommt wieder die Situation der deutschen Verlagslandschaft zur Sprache. Plus, dass Unterhaltungsliteratur zwar im Idealfall ein Einkommen bringt, aber Ruhm und Ehre und höhere Weihen, die doch eigentlich das einzig Wahre Ziel eines Schriftstellers sein sollten? Nein, nicht doch, wie denn auch, wo Unterhaltungsautoren sich schlicht und erfreifend prostituieren... *sarcasm off*

Während wiederum das, was von Kritikern hoch gelobt wird sich nicht wirklich gut verkauft, weil es dermaßen zäh und überladen geschrieben ist, dass mir Theodor Fontane wie ein Osterspaziergang vorkommt. Aber was solls, man wird von den Kritikern gelobt. Verkaufszahlen sind was für Papierprostituierte.

Mal ganz überspitzt ausgedrückt.
Anscheinend ist in unserem schönen Geniekultigen Deutschland noch niemand aud die Idee gekommen, dass es Autoren gibt, die Unterhaltungsliteratur schreiben, weil die Geschichten, die sie schreiben wollen, nun mal da rein fallen und weil sie selbst noch am Ende des Tages verstehen wollen, was sie da geschrieben haben... (und die nicht einmal vorhaben, sich an Thomas Mann messen zu lassen. Bei aller Liebe, die ich für den Mann hege, aber nein. Muss nich.

Und ja, ich schlafe beim Ingeborg-Bachmann-Preis in schönster Regelmäßigkeit ein. Und wünsche mir, dass die Autoren Nachhilfe im Vorlesen nehmen. Vorzugsweise bei Mo und Meggie Folchart.

Runaway

Oh, Manja.... ich stimme jedem deiner Worte zu. Jedem einzelnen. Vor allem dem da:

Zitat von: Manja am 15. Juli 2011, 20:23:30
Ich persönlich habe an mich den Anspruch, spannende, mitnehmende Geschichten zu erzählen, die meinen Leser sowohl inhaltlich als auch sprachlich herausfordern aber weder zu Tode langweilen (sonst nimmt er die Herausforderung gar nicht erst an), noch überladen (sonst lehnt er sofort ab).
Mit anderen Worten, ich schreibe Unterhaltungsliteratur.
Ja. Absolut. Ich schreibe so, wie ich lesen will.

Zitat von: Manja am 15. Juli 2011, 20:23:30
[...] So denken Kritiker (nicht alle, aber leider sehr, sehr viele) und so denken auch nicht wenige Autoren.
Dieses komische Niveaudenken macht mich völlig krank. Mit 14 war ich mal wagemutig in einem Schreibkurs, wo mein "mickriger Anspruch", unterhaltsame Geschichten zu schreiben, völlig von oben herab bedacht wurde. Man hat ja gefälligst hochgestochene Literatur zu verfassen.
Soll ja auch, wer möchte. Ich möchte aber nicht. Und seitdem mache ich einen großen Bogen um jede Veranstaltung, wo mir nochmal wer begegnen könnte, der sich auf diese Weise für was besseres hält. Das brauche ich nicht.

Schon komisch, was im Land der Dichter und Denker abgeht!!  :hmhm?:

Maja

Zitat von: Lavendel am 15. Juli 2011, 07:54:52
Zum Thema Deutschland und Unterhaltungsliteratur: Ich habe letzte Woche mal wieder ganz kurz 3sat angemacht und mir angehört, wie Autoren mit emotionslosen Stimmchen angeblich anspruchsvolle Texte in die Kamera vorlasen, um den Ingeborg-Bachmann-Preis zu gewinnen.
Äh, du weißt aber, dass der Bachmannpreis zwar eine deutschsprachige Auszeichnung ist, aber nicht aus Deutschland stammt, sondern aus Österreich? Und ich weiß nicht, ob man gerade von dem historisch-kulturellen Hintergrund D und AT da gleichsetzen kann. zDatze? Judith? Sachdienliche Hinweise?
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Judith

Uff, nicht wirklich.  :-[

Ich kann mal rein das betrachten, was vor allem in den letzten Jahren von Kritikern und Feuilleton hochgejubelt wurde, und das war eigentlich keine vergeistigte, hohe Literatur war, sondern anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur von vor allem österreichischen Autoren mit sehr ordentlichen Verkaufszahlen - Daniel Glattauer, Thomas Glavinic, Paulus Hochgatterer, Arno Geiger, ...

Und meine Erfahrungen im Germanistik-Studium waren, dass es allmählich zu einer größeren Offenheit kommt. Kinder- und Jugendliteratur hat sich im Lehrbetrieb fest etabliert (da hab ich mehrere Veranstaltungen besucht und einmal auch eine Arbeit über Vaterfiguren bei Harry Potter geschrieben) und Fantasy ist zumindest kein völliges Tabuthema mehr (da habe ich etwa in einer Seminararbeit den Herr der Ringe mit mittelalterlicher Heldenepik verglichen).

Ungeachtet des Bachmann-Preises  ;) habe ich also das Gefühl, dass sich hier Kritiker und Geschmack eines breiteren Publikums annähern. Die oben genannten Autoren sind ja auch alle solche, die auf den Bestsellerlisten stets ganz oben stehen.

Ja, mehr kann ich dazu allerdings nicht sagen. Ob die Gründe für diese Wandlung historisch-kulturell zu betrachten sind und wie die Situation österreichischer Schriftsteller früher und heute ist - ich weiß es nicht.

sirwen

ZitatUnd ja, ich schlafe beim Ingeborg-Bachmann-Preis in schönster Regelmäßigkeit ein.
Haha, das schau ich mir schon gar nicht an.

Aber Mal ehrlich, mich kratzt es nicht besonders, was die Elite der Kritiker hochlobt und verteufelt. Es sollte jeder doch seine eigene Meinung bilden können. Man kann sich ansehen, was sie schreiben, aber ich würde grundsätzlich sowieso alles erst einmal überdenken und in Frage stellen. Nicht nicken, aufnehmen und weiterpredigen.
Ich lese ab und zu, wenn ich Zeit habe, die NZZ, die früher in der Schweiz total als vergeistigt galt ("Nein, wir drucken keine farbigen Bilder, das ist zu prollig"). Mittlerweile schreiben sie da aber auch über Dinge wie Harry Potter, und zwar differenziert. Sprich, es wird angesprochen, dass es die Leute unterhält und die Filme massig Geld bringen, aber der Erfolg eben nicht unbegründet ist, weil die Geschichte im Kern die Menschen berührt.
Zugegeben, ich habe wenig Ahnung, wie es in der deutschen Medienlandschaft so aussieht, aber im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass Fantasy und SF in den letzten Jahren aus ihrem Nischendasein herausgekrochen sind. Vielleicht werden diese Bücher noch nicht hochgejubelt, aber immerhin werden sie überhaupt erwähnt.

Umgekehrt finde ich, dass man hohe Literatur nicht gleich als vergeistigt und unverständlich abstempeln muss. Das mag vielleicht der Fall sein bei einigen aktuellen Büchern, aber hey, die Zeit wird schon zeigen, was sich bewährt und was nicht. Der Herr der Ringe hat sich bestimmt länger gehalten als so manches Buch, das in irgendeinem Jahr Mal Kritikerliebling war.
Wenn ich an die Bücher zurückdenke, die wir im Deutschunterricht lesen mussten (mit Dürrenmatt und Glauser sogar Krimis), dann fällt mir auf, dass ich eigentlich die meisten Sachen mochte. Na gut, von Fontane wurden wir verschont. ;D