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Die Situation deutscher Schriftsteller

Begonnen von Manja_Bindig, 31. Mai 2011, 13:45:23

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Moni

#15
Zitat von: Manja am 07. Juni 2011, 01:31:09
Irgendwas habe ich gelesen, dass es dem Gehalt eines Buchhändlers entspricht, wenn es gut läuft?
Bzw. wie wird das Gehalt heute eingeschätzt?

Dabei muß man aber bedenken, daß Buchhändlergehälter stark schwanken und oft von der Größe der Buchhandlung abhängen (sprich, was kann der Chef überhaupt zahlen). Da ist alles drin zwischen 1.500 brutto und 2.500 brutto... (Letzteres ist dann aber auch extrem gut!)
Damit man sich  vorstellen kann, wieviel bei 1.500 brutto am Ende bleibt: etwa 1000 EUR, wenn man Glück hat, kann auch drunter liegen. Das man davon nicht in Saus und Braus leben kann, dürfte klar sein. Und das ist dann ein Gehalt  bei 40+ Stunden Woche.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
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Runaway

Zitat von: TheaEvanda am 10. Juni 2011, 12:59:33
Meine Schwiegereltern versuchen, mir historisches ans Herz zu legen, weil es weniger abstrus sei als Fantasy.
Fantasy ist nicht abstrus. Wer sich das nicht vorstellen kann, hat keine Phantasie. Warum nur ist Fantasy-bashing so cool?  :hmhm?:

Artemis

Zitat von: TheaEvanda am 10. Juni 2011, 12:59:33
Beim öffentlichen Auftreten als Autor gibt es erst grosses Interesse, das bei "ich schreibe Fantasy" stärker abflaut als bei "ich schreibe Krimis". Häufig kommt bei mir auch die Nachfrage, ob ich überhaupt schon etwas veröffentlicht hätte.

Drollig, oder? Obwohl Fantasy in den letzten Jahren nach Herr der Ringe, Harry Potter, Biss und Co. in aller Munde ist (und wohl so gut wie jeder zumindest ein Buch davon gelesen oder einen Film davon gesehen hat), wird man als Autor immer noch belächelt. Da kann der historische Schinken so lausig recherchiert sein wie er will, der Krimi so unspannend sein wie Omas Einkaufszettel, man erntet sofort mehr Ooohs und Aaahs, sobald man davon erzählt.

Irgendwie ungerecht. Als ob in guter Fantasy keine mühsame Kleinarbeit steckt  :ithurtsandstings!:

Nachtblick

#18
Fantasy-Bashing ist meiner Meinung nach so unglaublich hip, weil Fantasy schlicht Über-Fiktion ist. Der gemeine Leser assoziiert damit "einbilden", "nicht real sein", "Hirngespinste", "Tagträumer", "Glitzerfeen und Einhörner", "LARP-Nerds", "weltfremd" und dergleichen. Der gemeine Leser mit dem Anspruch, bloß E-Literatur zu lesen/gut finden zu können, bauscht das noch ein bisschen negativer und verächtlicher auf, und der Kritiker hat dann ein leichtes, zu sagen: "Wieder ein Fantasy-Schinken für weltfremde Tagträumer und Eso-Hippie-Nerds, die sich vor der (wichtigen, wertvollen, durch die E-Literatur aufgezeigten, dramatischen, grausamen) Realität in von Elfen, Zwergen und dergleichen Fabelwesen bevölkerte, vor Absurdität nur so strotzende Welten flüchten."

Deshalb halten sich ja auch so viele Leute für so unglaublich weltnah und hart und abgebrüht, weil sie Folter-Zerstückel-Zersäg-Ausweide-Krimis lesen: sie sehen die harte, graue, böse Realität und den (sehr realistisch dargestellten) Abgrund des Bösen (den man nicht wirklich als "Fiktion" bezeichnen kann, immerhin passiert "so was" ja wirklich) in der Gesellschaft und gehen moralisch gestärkt aus ihrer Lektüre.

:gähn:

caity

Sagt mal - geht das nur mir so oder ist das bei euch auch so, dass es unterschiedliche Reaktionen gibt ob man von "Phantastik" oder von "Fantasy" spricht?
Ich hatte immer das Gefühl, bei Fantasy mehr belächelt zu werden, der Begriff "Phantastik" wird im allgemeinen irgendwie besser "bewertet" ...
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Sven

Ich denke, es ist wichtig, dass Fantasyautoren etwas fester mit den Beinen auftreten.
Fantasy war wohl das erste Genre, dass es gab (es gab ja schon immer Geschichten über Götter und Dämonen und langbärtigen Typen, die in Sandalen über das Wasser marschierten^^) und es wird wohl auch das letzte sein, das es geben wird.
Gäbe es Literatur, wenn es keine Märchen gegeben hätte? Keine Sagen und Legenden?
Jeder, der behauptet, Fantasy sei Schund, der übersieht, dass auch die großen Literaten (wie Goethe) Fantasy geschrieben haben. Was ist denn "Die Blechtrommel" letztendlich? Oder "Die Rättin"? Geschichten mit Riesenratten, oder Kindern, die nicht erwachsen werden, sind in meinen Augen Fantasy.
Die Leser wollen ihrem Alltag entfliehen und womit kann man das besser, als mit Fantasy?
Unsere Aufgabe ist es, ihnen gute Stoff zu liefern, sie abhängig zu machen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, auch wenn es immer wieder Leute gibt, die es schlecht reden. Aber die gibt es ja immer  ;)
Beste Grüße,
Sven

Nachtblick

Zitat von: caity am 10. Juni 2011, 14:09:56
Sagt mal - geht das nur mir so oder ist das bei euch auch so, dass es unterschiedliche Reaktionen gibt ob man von "Phantastik" oder von "Fantasy" spricht?

Die Vampire werden ja auch alle mit "Phantastik" beworben – und das ist gerade etabliert genug für Bestsellerlisten. Das Gedächtnis ist da wohl eher kurzlebig. Ich glaube, viele assoziieren bei "Phantastik", die ja häufig im 21. Jahrhundert spielt, immer nur einzelne fiktionale Elemente – "und lieber ein halber Tagträumer als ein ganzer". Vielleicht bin ich da aber auch zu negativ eingestellt ("du bist 18 und schreibst Fantasy? Achso, so wie Eragon und Biss, klar, das ist ja gerade in *belächelndes blinzeln*") :psssst:

Leo

Oh Nachtblick, du hast soeben meinen Tag mein Wochenende gerettet!
Was du allerdings vergessen hast ist, dass Fantasy eigentlich sowieso nur was für Kinder ist (so wie Harry Potter), oder allerhöchstens für Teenager (Biss).

Ich glaube aber trotzdem, dass Fantasy schon seit längerem an Ansehen gewonnen hat und weiterhin gewinnt. Schriftsteller allgemein werden, um auf das Thema zurückzukommen, eher bewundert als belächelt. Wer einen Roman geschrieben hat, erntet damit erst mal Anerkennung (zumindest solange ihn niemand liest), wer aber veröffentlicht hat, wird als Profi gesehen. So ist zumindest meine Einschätzung, vielleicht habe ich auch nur Glück mit meinem Umfeld.

LG, Leo

Runaway

Hm, das kann ich weniger bestätigen. Es gibt ganz wenige Leute, die sagen: Du schreibst? Ist ja toll, erzähl doch mal!
Ansonsten ist die Reaktion immer verhalten bis desinteressiert. Wahrscheinlich kann man die alle erst ködern, wenn man sein eigenes Werk zwischen zwei Buchdeckeln eines großen Verlages präsentieren kann.
Allein was BoD und Kleinverlage sind, versteht ja schon keiner. Ich hab schon viel Zeit darauf verwendet, den Leuten zu erklären, warum mein Buch jetzt nicht schon fertig in jedem Buchladen liegt (haha, schön wär's). Oder wenn ich gefragt werde, bei welchen Verlagen mein aktuelles Manuskript grad liegt... "kenn ich nicht". Doch, kennst du, steht hinter dir im Regal ;)
Ist echt nicht leicht. Und wenn man Fantasy schreibt, wird das nicht eben besser! Nachtblick hat das schön auf den Punkt gebracht. Da könnt ich mich ja wieder aufregen ;)

zDatze

Ich glaube nicht, dass es sehr viel Sinn macht, sich über diese Leute aufzuregen. Der 0815-Leser wird eben nur das kennen, was einfach nicht zu übersehen ist. An Biss und Eragon kam man ja wirklich nicht vorbei und wenn dann in fetten Lettern "Fantasy" darüber prangt, braucht man sich eigentlich nicht mehr wundern, wenn jeder Vampire und weltrettende Bauernsöhne erwartet. *schulterzuck*

So, und ich hoffe ich kriege jetzt keine Pfanne. Langsam kommen wir wirklich vom Thema ab. Ich wage es gar nicht die Situation deutscher Schriftsteller zu beurteilen, da ich einfach zu wenig in der Materie drinstecke. *duck und weg*

Manja_Bindig

Würde ich auch sagen... wir haben hier etliche Threads, die sich damit befassen, wie Fantasy und Fantastik als einzelne Genre-Richtungen bewertet werden und wie der Fantasy-Autor im Vergleich zu anderen autoren zu kämpfen hat.

Was mich hier wie gesagt interessiert ist die ganz allgemeine wirtschaftlich-sozial-gesellschaftliche Situation der Autoren der Unterhaltungsliteratur. In unserem Fall spielt die Wertung von Fantasyliteratur natürlich eine Rolle, aber im Allgemeinen ist mir eher wichtig, wie der Schriftsteller finaziell dasteht (miserabel) und wie ihn die Gesellschaft sieht (Hungerkünstler oder Geniekult?) - und nicht zuletzt interessiert ja auch das Verhältnis zwischen Autoren und Verlegern.

Aber ja, ich hab inzwischen schon einen Haufen gute Antworten bekommen, danke euch. :D

Was letztens im Betreffenden Seminar fiel war die Bemerkung, dass den Deutschen im 19 Jahrhundert das Händchen für Unterhaltungsliteratur abgesprochen wurde - die Deutschen schreiben zu theorethisch, zu formal, zu hochgestochen. Was wiederum witzig ist, da Theodor Fontane das gleiche beklagt. Auf der einen Seite dürstete das Publikum nach leichter Unterhaltungsliteratur, auf der anderen Seite aber maß es jeden neuen Autor, der da kam, an den alten Klassikern. Der neue Autor konnte da natürlich nicht mithalten. Egal wie sehr er versuchte, entsprechende Erwartungen zu befriedigen, es war nun mal kein Goethe und kein Schiller. Das höhere Publikum wies ihn also als untalentiert ab - und das nicht-höhere - Arbeiter, Kleinbürgertum und auch Bildungsbürgertum - eigentlich alle, die Belletristik wollten - wollten ihn nicht lesen, weil er eben diesen formelhaften, starren Stil pflegte.  (Manja sagt: Autsch.)
(dieses Hin und Her und Balancieren kommt garantiert auch heute vor)

Dazu kommt noch der Umstand, dass es nicht wenige Autoren gab, die es als Schande empfunden hätten, zu schreiben um zu leben. Honorare zu akzeptieren - gut und schön, aber nur, wenn es Honorare im eigentlichen sinn war und keine Arbeitsvergütung. Und Unterhaltungsliteratur schreiben, nein PFUI! Wie kann man nur wagen, seine Kunst zu verraten, für schnöden Mammon?! (Wenn man vom Schreiben leben kann, dann bitte nur mit den Werken, die den eigenen Ansprüchen genügen - und bitte vor allem auf Kosten deiner Mäzene.) - man kann schon sagen, dass es Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts eine extrem rege Wassertrinker-Gesellschaft in Deutschland gab.

Lavendel

Zum Thema Deutschland und Unterhaltungsliteratur: Ich habe letzte Woche mal wieder ganz kurz 3sat angemacht und mir angehört, wie Autoren mit emotionslosen Stimmchen angeblich anspruchsvolle Texte in die Kamera vorlasen, um den Ingeborg-Bachmann-Preis zu gewinnen. Gähn, schnarch, hast du nicht noch eine Methaper? Teilweise war das echt stilistischer Müll, den man keine Minute ertragen konnte. Gut, die Gewinnerin habe ich nicht gehört, aber ist noch jemandem aufgefallen, dass wieder jemand gewonnen hat, der vor dem Hintergrund des (Überraschung!) zweiten Weltkrieg erzählt? Der Jury zuzuhören ist übrigens noch viel schlimmer. Dieses bornierte Gefasel macht mir immer echt Gänsehaut. Wenn das Publikum mal nicht einschläft und sie deswegen ganz dringend einen Autor beleidigen müssen, dann rufen sie ganz schnell Kolportage!
Ich hab immer schnell weitergeschaltet. ::)

Sven

Zitat von: Lavendel am 15. Juli 2011, 07:54:52
Gähn, schnarch, hast du nicht noch eine Methaper?

In dem Zusammenhang frage ich mich auch immer, wann ein Text tatsächlich hochwertig, bzw. literarisch wertvoll ist.
Für meine Begriffe ist ein Text dann wirklich gelungen, wenn ein Gefühl durch den Text auf den Leser überspringt, wenn ein komlizierter Sachverhalt locker, flockig erzählt wird.
Doch das ist etwas, das in Deutschland eher nicht so gesehen wird. Erst wenn ich einen Text definitiv nicht mehr verstehe, ist er wirklich gut. Schrecklich!
Beste Grüße,
Sven

zDatze

ZitatFür meine Begriffe ist ein Text dann wirklich gelungen, wenn ein Gefühl durch den Text auf den Leser überspringt...
Zählen da gähnen, schaudern und akutes Langweilen auch? Oder dieses "nein, nicht schon wieder dieser Mist"-Gefühl? ::)

Nein, ich hab schon verstanden wie du das meinst. Gefühle, die einen dazu bringen den Text weiter zu lesen und einen direkt in den Text hinein ziehen. Finde ich auch klasse, wenn ich mal wieder so ein Buch in die Hände bekomme, aber leider ist ja doch der Geschmack breit gefächert, sodass man durchaus Glück braucht (oder die richtigen Quellen) um an geeignete Lektüre zu kommen.
Oder man schreibt diese Bücher einfach selber. ;D

Sven

Zitat von: zDatze am 15. Juli 2011, 09:21:19
Zählen da gähnen, schaudern und akutes Langweilen auch? Oder dieses "nein, nicht schon wieder dieser Mist"-Gefühl? ::)

Pfui, aus!!!

Es ist natürlich schwierig ein Buch in die Hände zu bekommen, das einen WIRKLICH hineinzieht.
"Die Straße" war für mich so ein Buch.
Aber wenn ich mir dieses hochgelobte Literatenzeugs ansehe, muss ich sagen, dass das einzige Gefühl, das transportiert wird, ich schlau, Du doof ist. Oder, wie Lavendel es geschrieben hat, sie quellen über vor Metaphern.
Beste Grüße,
Sven